Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 19.05.2023, Az.: 295-41 E 7/23

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
19.05.2023
Aktenzeichen
295-41 E 7/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 18974
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit

Tenor:

wird die Ablehnung der Richterin am Amtsgericht F. wegen der Besorgnis der Befangenheit als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen den Betroffenen ist ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit anhängig. Im Hauptverhandlungstermin vom 18.04.2023 hat der Verteidiger ein Ablehnungsgesuch gegen die erkennende Richterin, Frau Richterin am Amtsgericht F., angebracht. Nach der Schilderung des Sachverhaltes im Ablehnungsgesuch habe die abgelehnte Richterin die Vernehmung einer geladenen Zeugin verweigert, sowie einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zurückgestellt. Die abgelehnte Richterin hat in ihrer dienstlichen Erklärung den objektiven Hergang, wie er im Befangenheitsantrag geschildert ist, bestätigt und die Gründe weitergehend erläutert.

II.

Die Ablehnung von Richterin am Amtsgericht F. wegen Besorgnis der Befangenheit ist unbegründet. Das vorgetragene tatsächliche Geschehen lässt keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die abgelehnte Richterin gegenüber dem Betroffenen voreingenommen sein könnte.

1. Gemäß § 24 Abs. 2 StPO, der über § 46 OWiG auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren gilt (Seitz/Bauer in Göhler, OWiG, 18. Aufl. 2021, Vor § 67 Rdnr. 8), kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn der Ablehnende Grund zu der Annahme haben kann, dass ihm ein Richter mit einer inneren Haltung begegnet, die dessen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023, § 24 Rdnr. 8 m. w. N.). Maßgebend sind demnach gerade nicht subjektive Eindrücke und - möglicherweise - unzutreffende Wahrnehmungen oder gar Interpretationen. Vielmehr müssen Gründe für die Ablehnung [...] vorliegen, die auf einer zumutbaren ruhigen Prüfung der Sachlage beruhen und letztlich jedem unbeteiligten Dritten einleuchten (Meyer-Goßner/Schmitt a. a. O.).

2. Daran gemessen lässt sich aus dem der abgelehnten Richterin vorgeworfenen Verhalten kein Ablehnungsgrund erkennen. Aus der Verhandlungsführung können sich Anhaltspunkte für Misstrauen in die Unvoreingenommenheit dann rechtfertigen, wenn diese in hohem Maße rechtsfehlerhaft, unangemessen oder sonst unsachlich ist (Meyer-Goßner/Schmitt a. a. O Rdnr. 17). Eine solch unsachgemäße Verhandlungsführung lässt sich bereits aus dem Ablehnungsantrag nicht entnehmen. Auch die protokollierten Verhandlungsschritte begründen diese nicht.

a) Gemäß § 77 Abs. 1 OWiG bestimmt das Gericht dem Umfang der Beweisaufnahme. Dabei ist es insbesondere Aufgabe des Gerichts, die geeigneten Beweismittel auszuwählen und dafür zu sorgen, dass diese zum Hauptverhandlungstermin vorhanden sind. Insoweit waren zum Hauptverhandlungstermin am 18.04.2023 die Zeugin H. und der Bruder des Betroffenen, A., geladen, nachdem im Termin vom 27.02.2023 die Einlassung abgegeben wurde, dass auch dieser gefahren sein könnte. Weil der Zeuge A. nicht erschienen war, wurde ersichtlich ein neuer Termin erforderlich, um dessen Erscheinen vor Gericht durchzusetzen. Dass die abgelehnte Richterin auf die persönliche Anwesenheit des Zeugen besteht und nicht stattdessen ein vom Verteidiger beantragtes Sachverständigengutachten einholt, ist nachvollziehbar und weder willkürlich noch - insbesondere unter den zeitlichen und Kostenaspekten - unsachgemäß.

b) Soweit die Besorgnis der Befangenheit auf die unterlassene Vernehmung der Zeugin H. gestützt wird, gilt nichts Anderes. Zwar ist eine Beweisaufnahme gemäß § 245 Abs. 1 Satz 1 StPO auf alle vom Gericht vorgeladenen Zeugen zu erstrecken. Ob allerdings die Vernehmung an demselben Termin stattfinden muss - etwa bei mehrtägigen Hauptverhandlungen - ist bereits deshalb fraglich, weil sich aus prozessualen Notwendigkeiten oft auch Verschiebungen im Zeitplan ergeben können. Erst recht erscheint daher ein Unterbleiben der Vernehmung dann nicht willkürlich, wenn eine Hauptverhandlung ersichtlich nicht zum Ende kommen kann und ausgesetzt werden kann. Da in der Hauptverhandlung der Verteidiger keine verbindliche Angabe zu einem möglichen Fortsetzungstermin innerhalb der in § 229 StPO vorgesehenen Unterbrechungsfrist machen konnte, konnte die abgelehnte Richterin nicht damit rechnen, dass eine fristgerechte Fortsetzung erfolgen könnte, so dass die Zeugin ohnehin zu dem dann neu anzusetzenden Hauptverhandlungstermin erscheinen muss.

Darüber hinaus ergibt sich auch aus dem Protokoll der Hauptverhandlung, dass die Beteiligten auf die Vernehmung der Zeugin verzichtet haben, § 245 Abs. 1 Satz 2 StPO [...].

c) Soweit der Ablehnungsantrag die Besorgnis der Befangenheit damit begründet, dass die abgelehnte Richterin einen Antrag auf Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens zurückgestellt hat, ist dieser ebenfalls nicht begründet. Zum einen hat die abgelehnte Richterin in ihrem Beschluss ausdrücklich die Entscheidung nur zurückgestellt und gerade keine Entscheidung in der Sache selbst getroffen. Zum anderen obliegt es dem erkennenden Gericht, über die erforderlichen Beweiserhebungen zu entscheiden. Mit der Zurückstellung der Sachentscheidung ist die abgelehnte Richterin lediglich ihrer Sachleitungsbefugnis nachgekommen. Da für ein anthropologisches Gutachten ebenfalls das Erscheinen des Bruders erforderlich wäre, hat die abgelehnte Richterin das kostengünstigere Mittel der Beweiserhebung gewählt, so dass auch hierin kein sachfremde oder unsachgemäße, geschweige denn willkürliche Entscheidung erkennbar wäre.

Dementsprechend liegen in dem Verhalten der abgelehnten Richterin keinerlei Gründe, die vom Standpunkt des Angeklagten und bei objektiver Betrachtung befürchten ließen, die abgelehnte Richterin werde bei ihrer Entscheidung nicht unvoreingenommen sein. Das Ablehnungsgesuch war deshalb zurückzuweisen.

Meffert Richter am Amtsgericht