Amtsgericht Hannover
Urt. v. 06.07.2023, Az.: 231 Ls 9353 Js 73293/22 (150/23)

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
06.07.2023
Aktenzeichen
231 Ls 9353 Js 73293/22 (150/23)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 44834
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In der Strafsache
gegen
Norman xxxxx,
geboren am xxxxxxxx in xxxx,
wohnhaft xxxxx, xxxxxx Hannover,
Staatsangehörigkeit: deutsch,
Pflichtverteidiger:
Rechtsanwalt xxxxxx
wegen Gefährliche Eingriffe im Straßenverkehr
hat das Amtsgericht Hannover - Schöffengericht - in der öffentlichen Sitzung vom 28.06.2023 und 06.07.2023, an der teilgenommen haben:
Richter am Amtsgericht Osterwold
als Vorsitzender
Herr xxxxxx
Frau xxxxxx
als Schöffen
Staatsanwalt xxxxx
als Beamter der Staatsanwaltschaft
Rechtsanwalt xxxxx
als Pflichtverteidiger
Rechtsanwalt xxxxx
als Nebenklägervertreter
Rechtsanwalt Dr. xxxxx
als Adhäsionsklägervertreter
xxxxx
als Neben- und Adhäsionskläger
Justizangestellte xxxxx in der Hauptverhandlung am 28.06.2023,
Justizangestellte xxxxx in der Hauptverhandlung am 06.07.2023
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Angeklagte wird wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlichem Eingriff in den Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Im Übrigen wird er freigesprochen.

Die Vollstreckung der Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt.

Ihm wird die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen entzogen. Sein Führerschein wird eingezogen. Die Verwaltungsbehörde darf ihm eine Fahrerlaubnis nicht vor Ablauf einer Frist von zwei Jahren erteilen.

Der Angeklagte wird verurteilt, an den Adhäsionskläger xxxxx, xxxxxstraße, xxxxx Hannover ein Schmerzensgeld von 50.000,00€ nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.02.2023 sowie einen Betrag in Höhe von 7.654,16€ nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.02.2023 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger xxxxx alle in Folge der Körperverletzung vom 12.07.2022 gegen 17: 55 Uhr auf der xxxxx Straße, Höhe Hausnummer 86 in Hannover erwachsenden materiellen und immateriellen Schäden, soweit sie seit dem 12.07.2022 entstanden sind oder noch entstehen werden und nicht auf einen Träger der Sozialversicherung übergehen, soweit diese nicht bereits Gegenstand der Zahlungsverpflichtung sind, zu ersetzen.

Es wird festgestellt, dass die Hauptsacheforderungen hinsichtlich des Schmerzensgeldes und der Zahlungsverpflichtung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung herrühren.

Das Urteil hinsichtlich der Schmerzensgeldzahlung und der Schadensersatzzahlung ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10%.

Die Kosten fallen, soweit die Verurteilung erfolgt ist, dem Angeklagten, im Übrigen, einschließlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagte, der Landeskasse zur Last. Der Angeklagte trägt die durch die Adhäsionsanträge des Adhäsionsklägers xxxxx vom 02.03.2023 und 20.02.2023 angefallenen besonderen gerichtlichen Kosten sowie die durch den Adhäsionskläger xxxxx entstandenen notwendigen Auslagen. Seine durch die Adhäsionsanträge vom 03.02.2023 und 20.02.2023 entstandenen notwendigen Auslagen trägt der Angeklagte selbst. Der Angeklagte trägt zudem die notwendigen Auslagen des Nebenklägers.

Gründe

(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)

I.

Der Angeklagte ist ledig und hat keine Kinder. Seine letzte Beziehung scheiterte an den hiesigen Tatvorwürfen. Seine Familie stammt teilweise aus xxxxx. Er ist ehrenamtlich bei der xxxxx und der xxxxx engagiert. Nach einer Ausbildung als KfZ-Mechaniker ist er seit fast 10 Jahren als IT-Fachinformatiker bei der xxxxx angestellt. Er verdient ca. 2.500,00€ monatlich. Er zahlt einen Bankkredit von 20.000,00€ in monatlichen Raten von 672,00€ monatlich ab. Nach Abzug weiterer anfallender Lebenshaltungskosten stehen ihm 670,00€ zur Verfügung.

Sein Bundeszentralregisterauszug weist keine Eintragungen auf.

Sein Fahreignungsregister weist eine mittlerweile getilgte Eintragung auf.

Der Führerschein des Angeklagten wurde am 12.07.2022 sichergestellt und nach verlängerten Stellungnahmefristen wurde dem Angeklagten die Fahrerlaubnis gem. § 111a StPO mit Beschluss vom 02.09.2022 vorläufig entzogen.

II.

Das Gericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

Der Angeklagte befand sich nach seinem Arbeitstag auf dem Weg zum Einkaufen und anschließendem Nachhauseweg, als er an der Ampel Kirchröder Straße an der Haltestelle Kantplatz in Richtung "Am Pferdeturm" mit seinem Motorroller mit dem amtlichen Kennzeichen xxxxx Rotlicht bedingt halten musste. Nach ca. 10 Sekunden fuhr von hinten kommend der Geschädigte mit seinem Rennrad Stevens an dem Angeklagten vorbei und überquerte die Lichtzeichenanlage bei Rotlicht und passierte hierbei mit geringem Abstand eine die Straße querende vierköpfige Familie. Der Angeklagte, der über dieses Vorgehen entrüstet war, hupte sodann, um sein Missfallen hierüber auszudrücken, woraufhin der Geschädigte sich auf seinem Fahrrad teilweise umdrehte und in die Richtung des Angeklagten deutlich hörbar "Fick dich, du Arschloch" rief und verkehrswidrig unter Außerachtlassung des dortigen Verkehrszeichen 241 die Straßenfahrbahn mit ihren Straßenbahnschienen geradeaus weiter befuhr. Der Angeklagte, der nach dem Wechsel der Lichtzeichenanlage auf Grün mit seinem Motorroller wieder losfuhr, erblickte wenige Sekunden später den vor ihm fahrenden Geschädigten. Der Geschädigte fuhr hierbei mit einer Geschwindigkeit von ca. 30 km/h, während der Angeklagte selbst auf seinem Motorroller eine Geschwindigkeit von ca. 40 km/h fuhr und sodann auf den Geschädigten kurz vor Höhe der Hausnummer 86 aufschloss und zu einem Überholvorgang ansetzte. Der Geschädigte fuhr hierbei aufgrund der auf der Straße eingelassenen Schienen dicht an den parkenden Fahrzeugen. Der Angeklagte schlug sodann in paralleler Fahrweise mit einer kraftvollen ausholenden Armbewegung unvermittelt und für den Geschädigten nicht vorhersehbar mit dem rechten Arm im Stile einer Tennisrückhandbewegung an den Kopf des Geschädigten, wodurch dieser die Kontrolle über sein Rennrad verlor und mit dem Kopf bzw. seinem Fahrradhelm vorwärts in die vertikale Heckscheibe eines dort ordnungsgemäß parkenden Skoda Yeti einschlug und die Heckscheibe durch den Aufprall zersplitterte. An dem parkenden Fahrzeug entstand ein Schaden von 8.552,23€. Der Angeklagte nahm dabei billigend in Kauf, dass der Geschädigte aufgrund des Schlages die Kontrolle über sein Rennrad verlieren würde und -was ihm aufgrund des dichten Abstandes zu den parkenden Fahrzeugen ebenfalls bewusst war- sodann in oder auf ein Fahrzeug prallen und hierbei -auch unter Berücksichtigung der gefahrenen Rennradgeschwindigkeit- schwerste Verletzungen erleiden würde. Der Geschädigte erlitt einen Riss der Halsschlagader mit einhergehendem starken Blutverlust sowie diverse Schnittverletzungen im Gesicht und eine Fraktur der Halswirbelsäule. Aufgrund der Eigenschaft seines Integralhelms, der bestimmte Geräusche filtert als auch seiner diagnostizierten Tinnituserkrankung nahm der Angeklagte den Aufprall des Geschädigten akustisch nicht war und konnte diesen visuell durch das Weiterfahren nicht sehen. Der Angeklagte fuhr mit gleichbleibender Geschwindigkeit Kirchröder Straße weiter.

Der den Beteiligten entgegenkommende und das Tatgeschehen daher aus wenigen Metern beobachtende Dr. xxxxx wendete sein Fahrzeug, um die Verfolgung des Angeklagten aufzunehmen, brach diese jedoch ab, nachdem er den Geschädigten regungslos in einer unnatürlichen Lage am Boden liegen sah. Daraufhin stoppte er sein Fahrzeug und begab sich zu dem Geschädigten, der sich in einer großen Blutlache befand. Die ebenfalls anwesende Zeugin Xxxxx verständige unmittelbar die Polizei und im Anschluss einen Notdienst. Der Zeuge versuchte das aus der Halsschlagader pulsierende Blut zu stoppen und die Wunde zu komprimieren. Gemeinsam mit zwei weiteren zufällig anwesenden Ärzten gelang es den drei Personen, den Geschädigten stabil bis zum Eintreffen des Rettungswagens zu halten. Ohne das Eingreifen der zufällig anwesenden drei Ärzte ist nicht auszuschließen, dass der Geschädigte am Tatort verstorben wäre. Der weiterhin in Lebensgefahr schwebende Geschädigte wurde sodann in die Notfallaufnahme der MHH gefahren.

Der Angeklagte begab sich anschließend auf mittelbaren Weg zu einer Wohnung. Bei der abendlichen Befragung durch die Polizeibeamten POK Xxxxx und POK´in Xxxxx gab der Angeklagte diesen gegenüber an, dass er an dem Vorfall beteiligt gewesen sei und zeigte den anwesenden Polizeibeamten den weißen Motorroller. Die Polizeibeamten rieten dem Angeklagten von einer Kontaktaufnahme zu dem Geschädigten auch aufgrund seiner Arbeitsstelle in der örtlichen Klinik ab.

Der Geschädigte wurde noch am 12.07.2022 operativ an den Wunden im Gesichts- und Halsbereich mit Halsexploration und Gefäßversorgung der Vena jugularis interna links notfallmäßig behandelt. Aufgrund eines MRT-Befundes vom 14.07.2022 mit dem Befund "Breitbasiger und median betonter Bandscheibenvorfall in Höhe HWK 5/6 mit einer hochgradigen Spinalkanalstenose in dieser Höhe und einem fraglichen Myelopathiesignal sowie ödematöse Veränderungen am hinteren frakturierten Bogen des HWK 4 und einer Hochgradigem Verdacht auf eine diskoligamentäre Verletzung in Höhe HWK 6/7" erfolgte eine Stabilisierungsoperation der HWS-Verletzung am 15.07.2022 mit einer ventralen Stabilisierung C4/5 auf C7 mit Wirbelkörperersatz von C6. Nach dieser zweiten Operation ist auf Seiten des Geschädigten eine Armschwäche, ein nur noch eingeschränkter Faustschluss und eine diesbezügliche Kraftminderung klinisch aufgefallen. Im Laufe dieser Operationen kam es zu dem schicksalhaften Vorfall, dass das Rückenmark teilweise geschädigt wurde, ohne das ein ärztlicher Behandlungsfehler vorlag. Nach einer dritten Operation am 08.08.2022 zur zusätzlichen posterioren Dekompression und Stabilisierung wurde der Geschädigte am 16.08.2022 mit der Diagnose "Schädelhirntrauma mit 2-Höhen-Instabilität HWS, C4/5, C6/7, inkomplettes Querschnittssyndrom, Dissektion Arteria vertebralis links, aktive Blutung vena jugularis interna links, tiefe Riss-Quetschwunde im Bereich der linken Wange bis nach intraoral reichend, tiefe Riss-Quetschwunde cervical links" in eine stationäre Reha-Maßnahme entlassen.

Aufgrund eines Infektgeschehens wurde der Geschädigte am 16.09.2022 erneut in die MHH zurückverlegt und am 20.09.2022 im Bereich der dorsalen HWS mit Wunddebridement und Duraplastik erneut operiert. Im weiteren komplikativen Verlauf kam es zu einer ausgeprägten Vigilanzminderung mit Ausbildung eines Hydrocephalus bei Ventrikulitis/Meningitis mit drei weiteren notwendigen Operationen am 07.10, 11.10. und 26.10.2022 in der Neurochirurgie. Im Rahmen des Eingriffs am 26.10.2022 wurde ein weiterhin einliegender ventrikuloperitonealer Shunt eingesetzt. Anschließend musste sich der Geschädigte in einen mehrmonatigen Reha-Aufenthalt begeben, wo ihm ein ehrgeiziges Verhalten bescheinigt wurde. Die Handkraft der rechten Hand ist bis heute im Vergleich zur linken Hand halbiert. Der Geschädigte hat bis heute Probleme beim Um-/ und Ausziehen seiner Kleidung, insbesondere bei dem Aufknöpfen von Hemden. Seine Motorik ist beginnend ab dem Handgelenk bis hinunter zu dem rechten Fuß massiv eingeschränkt. Der Geschädigte weist eine durch den Unfall entstandene und nicht mehr reversible Narbe von der Mundpartie beginnend bis zu dem Ohr auf. Im Bereich des Ohres befindet sich eine großflächige Narbe, die teils von dem Unfall, teils von den Operationen stammt und sich bis auf den Nacken zieht.

Mit Feststellungsbescheid vom 06.02.2023 setzte das Niedersächsisches Landesamt für Soziales, Jugend und Familie den Grad der Behinderung auf 100 fest, wobei die Entscheidung sich auf eine Gewebsneubildung im Darm mit einem Einzel-GdB von 80 und dem infektbedingten Hydrozephalus, Wirbelsäulenschaden, Motorikstörung der Extremitäten mit einem Einzel-GdB von 50 zusammensetzt.

Seitens der DAK und des DRV wurden im Zeitraum von August 2022 bis Februar 2023 Ersatzleistungen in Höhe von insgesamt 12.226,83€ getätigt. Ausweislich der elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen von 2021 und 2022 belief sich der finanzielle Unterschied resultierend aus dem unfallbedingten Verdienstausfalls hinsichtlich des Bruttoarbeitslohns auf 21.231,59€. Hieraus ergibt sich ein Lohnnachteil vor Lohnsteuer von 9.004,76€. Nach Abzug der ersparten Lohnsteuer von 15% in Höhe von 1.350,60€ ergibt sich ein Schaden aus Lohnnachteilen von Juli bis Dezember 2022 in Höhe von 7.654,16€ netto.

An dem Rennrad sowie dem diesbezüglichen Zubehör wie u.a. Helm, Tacho, Licht entstand ein Gesamtschaden von 954,85€.

III.

Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, dass er ein friedliebender Mensch sei, der sich sozial engagiere und sich nicht erklären könne, wie es zu dem Vorfall gekommen sei. Er habe einen harten und langen Arbeitstag hinter sich gebracht und sei innerlich gestresst gewesen. Er selbst habe an einer roten Fußgängerampel gehalten und nach ca. 10 Sekunden sei der Geschädigte an ihm auf dem Fahrrad über das Rotlicht gefahren und sei nur knapp an einer vierköpfigen Familie vorbeigefahren. Daraufhin habe er gehupt, um sein Missfallen auszudrücken, woraufhin der später Geschädigte sich umgedreht und ihn mit "Fick dich, du Arschloch" beleidigt hätte. Nachdem die Ampel auf Grünlicht umgesprungen sei, habe er den Geschädigten nach ca. 10 Sekunden bei einer Geschwindigkeit zwischen 30 und 40 km/h wiedergesehen und sei nach einigen hundert Metern zu ihm aufgeschlossen. Er habe zunächst nicht vorgehabt, ihn mit dem Vorfall zu konfrontieren, habe aber sodann überlegt, was er sagen will. Er habe den Geschädigten sodann am Arm oder an der Schulter mit einer Art "Klaps" berührt. Zu keinem Zeitpunkt habe er den Geschädigten verletzten wollen. Er habe ihn mit Sicherheit nicht am Kopf oder am Fahrradhelm getroffen. Für ihn sei die Angelegenheit mit dem "Klopfen" auf die Schulter beendet gewesen und er sei, weil er auch nichts weiter mitbekommen habe, weitergefahren. Aufgrund der Beschaffenheit seines Helmes habe er zudem den Aufprall weder akustisch noch visuell wahrnehmen können. Aufgrund einer bereits vor Jahren festgestellten Tinnitus-Erkrankung sei sein Hörvermögen eingeschränkt. Als die Polizeibeamten später bei ihm waren und ihm den Vorfall erzählt hätten, sei er sehr aufgewühlt gewesen. Sowohl sein Verteidiger als auch die Polizeibeamten hätten von einer Kontaktaufnahme zum Geschädigten abgeraten. Bis heute sei er schockiert über sein damaliges Verhalten als auch über die Verletzungsfolgen. Er werde diesen Vorfall sein Leben lang bereuen.

Zugunsten des Angeklagten wird davon ausgegangen, dass sich der Tathergang hinsichtlich des ersten Zusammentreffens so zugetragen hat, wie es der Angeklagten in seiner Einlassung geschildert hat. Zwar mag der Geschädigte sich nicht vorstellen können, dass er eine solche verbale Äußerung getätigt habe, aufgrund des Fehlens weiterer Beweismittel wird dies jedoch zugrunde gelegt.

Der Geschädigte selbst hat an den Tathergang keinerlei Erinnerungen mehr. Eine erste Erinnerung seinerseits datiert auf den Geburtstag seines Sohnes 10 Tage später, wie er mit drei weiteren Zimmernachbarn im hohen Alter im Krankenhaus liege. Die letzte Erinnerung zuvor datiert auf den Sonntag vor dem Unfall. Er sei 2022 bereits 4.500 Kilometer mit dem Rad gefahren und sei auf dem Rückweg einer größeren Runde gewesen und hatte noch gut 4 bis 5 Kilometer vor sich. Ausweislich seines Fahrradcomputers habe er im Nachgang ermitteln können, dass er eine durchschnittliche Geschwindigkeit von ca. 30 km/h gefahren sei. Im Krankenhaus habe er die Operationen selbst nicht wahrgenommen und habee keine Kenntnis gehabt, was passiert ist. Im Übrigen gab der Geschädigte seine Krankheitsgeschichte wie unter Ziffer II dargestellt wieder, an dessen Hergang aufgrund der verlesenen Krankheitsunterlagen kein Zweifel besteht. Bis heute sei er gesundheitlich stark eingeschränkt und seine rechte Hand und sein rechter Fuß seien nicht richtig belast- und bewegbar. Er befinde sich derzeit noch in der beruflichen Wiedereingliederung. Ein dauerhafter Erfolg diesbezüglich stehe noch aus, zumal er nunmehr erstmalige einzelne berufliche Fehler, wie zum Beispiel das Vergessen von bestimmten Fristen an sich bemerke. Nunmehr habe er einen Grad der Behinderung von 100% und überlege, zwei Jahre eher in Rente zu gehen. Im Multitasking sei er komplett eingeschränkt und müsse sich auf Treppen abstürzen. Bis heute belaste ihn der Vorfall sei. An der sichtlich bewegten Aussage des Geschädigten bestehen zur Überzeugung des Gerichts keine Zweifel.

Sofern der Angeklagte sowohl gegenüber den Polizeibeamten POK Xxxxx und POK´in Xxxxx als auch im Rahmen der Hauptverhandlung angab, es habe sich lediglich um einen "Klaps" gehandelt und er habe nicht die Absicht gehabt, den Rennradfahrer zu verletzen, so ist die Einlassung widerlegt durch die weiteren Zeugenaussagen des Dr. Xxxxx und Xxxxx und die daraus gezogenen Überzeugungen.

Der Zeuge Dr. Xxxxx hat den Tathergang übereinstimmend mit der weiteren Zeugin Xxxxx detailliert, erlebnisvoll und auch aus ärztlicher Sicht dargelegt.

Der Zeuge Dr. Xxxxx hat angegeben, wie er aus einer Entfernung von acht bis zehn Metern beobachtet habe, wie ein Rollerfahrer einen Radfahrer bei jeweiliger zügiger Geschwindigkeit überholt habe und zielgerichtet mit der rechten Hand auf den Kopf des Geschädigten geschlagen habe, wobei er sich über die Offensichtlichkeit des Vorfalls bis heute wundere. Der Radfahrer habe sich zuvor ziemlich dicht an den parkenden Fahrzeugen befunden. Den Aufprall auf die Heckscheibe habe er weder gesehen noch gehört. Er selbst habe unmittelbar in der Uhlhornstraße gewendet, um den Motorrollerfahrer zu verfolgen. Als er an dem Tatort vorbeigefahren sei, habe er den Geschädigten in einer unnatürlichen Lage liegen sehen, während der Rollerfahrer bereits nicht mehr sichtbar war. Er habe sofort sein Fahrzeug gestoppt und sei zu dem Geschädigten gegangen. Dieser habe sich bereits in einer großen Blutlache befunden und das Blut habe aus der Halsschlagader pulsiert. Die Polizei sei bereits durch die weitere Zeugin Xxxxx verständigt worden. Hinsichtlich der weiteren ärztlichen Rettungsmaßnahmen gab er an, dass er den Helm lediglich öffnete und nicht abnahm, um keine weiteren körperlichen Schäden zu verursachen. Anschließend seien noch vor dem Eintreffen des Rettungswagens zufällig zwei Ärzte aus der MHH an den Tatort gekommen und haben unterstützend eingegriffen, worüber er selbst sehr glücklich gewesen sei, da er jede Hilfe gebrauchen konnte. Aus seiner ärztlichen Sicht und aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit unter anderem als Notarzt gehe er davon aus, dass der Geschädigte verstorben wäre, wäre er selbst nicht vor Ort gewesen und unverzüglich Rettungsmaßnahmen ergriffen hätte.

Der Zeuge Dr. Xxxxx wirkte in seiner Aussage überzeugend. Er hat den Tathergang ausführlich wiedergegeben und wirkte insbesondere im Hinblick auf die erfolgten Rettungsmaßnahmen objektiv. Er wirkte zudem trotz seiner langjährigen beruflichen Erfahrung von den Geschehnissen berührt und war ersichtlich froh, dass der Geschädigte den Vorfall überlebt hat. Er beschrieb den Schlag bildhaft, indem er diesen mit einem Rückhandschlag beim Tennis verglich. Kurz vor dem Schlag sei seine ganze Aufmerksamkeit auf den Motorrollerfahrer und den Fahrradfahrer gerichtet und frei von sonstigen Einflüssen gewesen.

Die Aussage des Zeugen Dr. Xxxxx wird durch die Bekundungen der Zeugin Xxxxx bestätigt und ist schon für sich betrachtet glaubhaft. Diese hat angegeben, dass sie den Hergang aus einer Entfernung von circa 20 bis 30 Metern gesehen habe. Sie habe dabei gesehen, wie der Motorrollerfahrer den Radfahrer mit Wucht ins Gesicht geschlagen habe. Sie selbst habe sofort ihr Auto geparkt und sei zu der Unfallstelle geeilt. Der Rollerfahrer sei schneller als der Fahrradfahrer gewesen und habe sich kurz vor dem Schlag parallel zu dem Fahrradfahrer befunden. Sie selbst habe den Aufprall gut gehört. Nach dem Schlag habe der Fahrradfahrer nicht lange getaumelt, sondern sei schnell über das Lenkrad geflogen. Sie habe noch im Rückspiegel den Angeklagten verfolgt, um das Kennzeichen zu erkennen, dieser habe weder sichtbar beschleunigt noch abgebremst. Ihr sei es zudem unangenehm gewesen, versehentlich zunächst lediglich die Polizei, nicht jedoch den Rettungsdienst verständigt zu haben.

Belastungstendenzen sind nicht zutage getreten. Die Zeugin hat auf explizite Nachfrage und entsprechendem Vorhalt aus ihrer polizeilichen Vernehmung angegeben, dass sie sich an ein Grinsen des Angeklagten als auch an einen Mundschutz des Helms nicht mehr erinnern könne.

Die Aussagen der Zeugen Dr. Xxxxx und Xxxxx findet ihre Übereinstimmung in der Aussage der Zeugin PK´in Xxxxx, die die Szenerie zusammenfassend als aufnehmende Polizeibeamtin wiedergegeben hat.

Nach diesen Zeugenaussagen des Dr. Xxxxx und der Zeugin Xxxxx steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Angeklagte dem Geschädigten nicht nur einen "Klaps" mitgegeben hat, sondern der Rückhandschlag wuchtig und zielgerichtet auf den Kopf und das Gesicht des Geschädigten ausgeführt wurde.

Zu dem Anklagevorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort hat sich der Angeklagte dahingehend eingelassen, dass er den Aufprall weder gesehen noch gehört habe. Er sei schlichtweg nicht davon ausgegangen, dass der Geschädigte sich überhaupt verletzen würde. Er selbst leide, wie er unter Vorlage eines ärztlichen Attests aus dem Jahr 2008 schildert an einem Tinnitus und habe daher Probleme beim Hören. Zudem blockiere der getragene Helm manche Geräusche.

Die Einlassung des Angeklagten, er habe den Aufprall nicht gehört findet in der Art Bestätigung, als dass der Zeuge Dr. Xxxxx, der sich nur wenige Meter von dem Aufprallort befunden habe, ausgesagt hat, dass er selbst einen Knall nicht gehört habe. Sofern die Zeugin Xxxxx den Aufprall klar gehört haben will, so geht das Gericht zugunsten des Angeklagten davon aus, dass diese das Aufprallgeräusch mit dem Vorfall an sich derartig assoziierte und verknüpfte, dass sie den Aufprallknall gehört haben will.

Die Einlassung des Angeklagten, er habe den Aufprall nicht gehört findet insoweit Bestätigung, als dass der Zeuge POK Xxxxx und POK Xxxxx angegeben haben, dass der Angeklagte bei der Halterüberprüfung nach Vorhalt der Verletzungsfolgen sichtlich schockiert gewirkt habe. Der Angeklagte habe eingeräumt an dem Vorfall beteiligt gewesen zu sein, wobei es sich aus seiner Sicht um einen Klaps gehandelt habe. Der Roller als solcher habe zudem auf die Beschreibung der Zeugen gepasst. Man habe ihm von einer Kontaktaufnahme an den Geschädigten über die Notfallaufnahme der MHH abgeraten und vielmehr dazu geraten, dass er sich anwaltlichen Rat suchen solle.

Die Einlassung des Angeklagten, er habe den weiteren Verlauf nicht mitbekommen, lässt sich anhand der vorhandenen Beweismittel nicht widerlegen, sodass der Teilfreispruch aus tatsächlichen Gründen erfolgte.

Im Übrigen steht der Sachverhalt auch hinsichtlich der ausgeurteilten Adhäsionsanträge fest aufgrund des verlesenen Strafantrags vom 25.07.2022, der Krankenhausunterlagen des Klinikums Soltau sowie der Medizinischen Hochschule Hannover, des Feststellungsbescheids hinsichtlich des Grad der Behinderung von 100 durch das Niedersächsisches Landesamt für Soziales, Jugend und Familie sowie des In Augenschein genommenen Bildberichts der Polizei vom Unfallort. Die Schadenshöhe des beschädigten geparkten Fahrzeuges basiert auf der verlesenen Kostenaufstellung des geschädigten Fahrzeughalters.

Die hinsichtlich der Adhäsionsanträge geltend gemachten Positionen beruhen auf der verlesenen Übersicht der Ersatzleistungen des DAK und des DRV an den Geschädigten, der Aufstellung über den Schadensersatz für das Rennrad sowie den Ausdrücken der Lohnsteuerbescheinigungen für 2021 und 2022.

IV.

Der Angeklagte hat sich somit des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 226 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB schuldig gemacht.

§ 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB sieht eine dauernde Gebrauchsunfähigkeit vor, die keinen völligen Funktionsverlust erfordert. Vielmehr ist zu entscheiden, ob so viele Funktionen ausgefallen sind, dass das Körperglied als "weitgehend unbrauchbar" erscheint und von daher die wesentlichen faktischen Wirkungen denjenigen eines physischen Verlustes entsprechen. Der Geschädigte ist hinsichtlich der Streckfähigkeit der Langfinger, der Feinmotorik der Hand sowie der allgemeinen Kraftentwicklung nur noch unzureichend bewegen. Ein Schreiben mit der rechten ursprünglichen führenden Hand ist nicht mehr möglich.

Nach Auffassung des Sachverständigen ist eine vollständige Funktionsunfähigkeit zwar nicht gegeben, im Rahmen der wertenden Gesamtbetrachtung aufgrund der weiteren erlittenen körperlichen Einschränkungen der gesamten rechten Körperhälfte und dem Umstand, dass der Angeklagte mit seiner rechten Hand -wie in der Hauptverhandlung demonstriert- nicht in der Lage ist, ein Hemd eigenständig aufzuknöpfen ist § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB zur Überzeugung des Gerichts erfüllt.

Zudem ist der Tatbestand des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB der dauernden Entstellung in erheblicher Weise erfüllt. Der Geschädigte ist aufgrund einer von dem Mund beginnenden bis zu dem Ohr reichenden mehreren Zentimeter langen Narbe sein Leben lang gezeichnet. An der Ohrpartie selbst klafft großflächige Operationsnarbe, die sich über den Hals bis auf den Nacken erstreckt. Die Narben sind deutlich sichtbar und werden nach Auffassung des Sachverständigen nicht wieder verschwinden.

Es lag zudem auch eine tateinheitliche gefährliche Körperverletzung mittels des Leben gefährdender Behandlung gem. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB vor.

Erforderlich, aber auch genügend ist hierfür, dass die Art der Behandlung durch den Täter nach den Umständen des Einzelfalls (generell) geeignet ist, das Leben zu gefährden. Dabei ist vor allem die individuelle Schädlichkeit der Einwirkung gegen den Körper des Verletzten zu berücksichtigen und die Gefährlichkeit muss in einem spezifischen Zusammenhang mit der Behandlung stehen ("mittels").

Das Gericht verkennt nicht, dass der den Verletzungserfolg auslösende Schlag gegen den Kopf des Nebenklägers für sich genommen zumindest nicht abstrakt lebensbedrohlich war.

Der Körperverletzungserfolg soll grundsätzlich nicht vorliegen, wenn nicht die Körperverletzungshandlung selbst lebensbedrohlich war, sondern erst eine durch sie ausgelöste Gefahr. Beispielhaft wird hierfür das Stoßen einer Person auf eine stark befahrene Autobahn und der Körperverletzungserfolg durch das nachfolgende Unfallgeschehen angeführt. Schläge gegen den Kopf können im Einzelfall aufgrund ihrer Ausführung, der Konstitution des Tatopfers oder anderer Umstände, die das Gefahrenpotential gegenüber einer einfachen Körperverletzung deutlich erhöhen von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB umfasst sein (vgl. Fischer § 224 StGB Rn. 30). Durch den für ihn überraschenden zielgerichteten Schlag auf den Kopf verlor der Nebenkläger bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h die Kontrolle über sein Rennrad und hat sodann mit dem Kopf voran in die Heckscheibe eines parkenden Fahrzeuges zerschlagen. Der Nebenkläger war auf diesen während der Fahrt seitlich ausgeführten Schlag nicht vorbereitet und konnte keine Abwehrmöglichkeiten ergreifen. Aus dem engen zeitlich-räumlichen Zusammenhang zwischen der Tathandlung des Angeklagten und dem unmittelbar, sodann eintretenden Verletzungserfolg ergibt sich der spezifische Zusammenhang (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 31.01.2017 - 4 RVs 159/16). Das Gefahrenpotential ist damit deutlich gegenüber zum Beispiel einem stehenden Radfahrer oder Fußgänger deutlich erhöht.

Ein hinterlistiger Überfall nach § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB hat sich nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht nachweisen lassen, da ein planmäßiges in einer auf Verdeckung der wahren Absicht berechneten Weise dem Angeklagten, trotz der Aussage des Zeugen Dr. Xxxxx, der ein "Heranschleichen" an den Geschädigten wahrgenommen haben will, nicht nachweisen lassen, da es sich zur Überzeugung des Gerichts um eine Spontantat handelte und der Angeklagte auf seinem Motorroller schneller war, als der Geschädigte.

Daneben hat sich der Angeklagte auch des vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach § 315 Abs. 1 Nr. 3 StGB mit dem Qualifikationstatbestand des § 315 Abs. 3 Nr. 2 StGB schuldig gemacht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. u.a. BGH Beschluss vom 14.09.2021 - 4 StR 21/21) setzt § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB voraus, dass durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Tathandlungen die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt und diese Handlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus zu einer kritischen Verkehrssituation geführt hat, in der eines der genannten Individualrechtsgüter im Sinne eines "Beinaheunfalls" so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht. Der Tatbestand des § 315b Abs. 1 StGB kann auch dann erfüllt sein, wenn die Tathandlung unmittelbar zu einer konkreten Gefahr oder Schädigung führt. In diesem Fall ist aber eine einschränkende Auslegung der Norm geboten, als unter einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert nur verkehrsspezifische Gefahren verstanden werden dürfen. Dies ist der Fall, wenn die konkrete Gefahr - jedenfalls auch - auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte (Dynamik des Straßenverkehrs) zurückzuführen ist.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der zielgerichtete Schlag auf den Kopf des mit einer Geschwindigkeit von 30 km/Rennradfahrenden Nebenklägers stellt einen Eingriff in den Straßenverkehr dar, der sodann unmittelbar durch den Kontrollverlust des Nebenklägers über sein Rennrad zu einer Schädigung im Sinne des unkontrollierten Einschlagens mit dem Kopf in eine vertikale Heckscheibe geführt hat.

Der Angeklagte war hinsichtlich des Anklagevorwurfs des unerlaubten Entfernens vom Unfallort freizusprechen.

Das Gericht verkennt dabei nicht, dass der Zusammenhang hinsichtlich der Schlagbewegung und des anschließenden Weiterfahrens durchaus in einem Wertungswiderspruch stehen könnte. Aufgrund des Umstandes, dass der Angeklagte jedoch einen sogenannten Integralhelm mit teilweise Geräuschunterdrückung aufhatte, er seit Jahren an einer Tinnituserkrankung leidet und auch der unabhängige Zeuge Dr. Xxxxx den Aufprall nur gesehen, aus nächster Nähe nicht jedoch gehört hatte, ist der Angeklagte zu seinen Gunsten teilweise freizusprechen.

V.

1. Der Strafrahmen der schweren Körperverletzung des § 226 Abs. 1 StGB sieht wie der Qualifikationstatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr des § 315b Abs. 1, Abs. 3 StGB i.V.m. § 315 Abs. 3 StGB eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 10 Jahren vor, während die gefährliche Körperverletzung des § 224 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu 10 Jahren vorsieht.

2. Das Gericht hat eine jeweilige Strafrahmenverschiebung für einen minder schweren Fall nach §§ 226 Abs. 3, 315b Abs. 3 StGB, der einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren sowie der Strafrahmenverschiebung des minder schweren Falls des § 224 Abs. 1 StGB der eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu 10 Jahren vorsieht, geprüft und dabei den vertypten Strafmilderungsgrund des § 21 StGB, für den im Übrigen keinerlei Anhaltspunkte alkohol-/betäubungsmittel- oder psychisch bedingter Weise feststellen lassen konnten, zunächst aus der Betrachtung ausgeklammert.

Bei der Prüfung eines minder schweren Falls ist zu beurteilen, ob der Tathergang einschließlich aller subjektiven Momente unter Berücksichtigung der nachgenannten Strafmilderungsgründe von dem Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in besonderem Maße abweicht. Zu diesem Zweck waren alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichviel, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Nach der Abwägung aller schuldmindernden und schulderhöhenden Umstände war ein jeweiliger minder schwerer Fall nicht anzunehmen.

Im Rahmen der Abwägung hat das Gericht zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er sich geständig eingelassen hat und die Tat bereut und weder über Einträge im Bundeszentralregister noch im Fahreignungsregister verfügt. Ein minder schwerer Fall kam jedoch maßgeblich aufgrund der durch den Geschädigten erlittenen körperlichen lebenslangen Verletzungsfolgen nicht in Betracht.

3. Bei der Strafzumessung hat sich das Gericht von folgenden Erwägungen leiten lassen, welche sich an den Prinzipien des § 46 StGB orientieren:

Das Gericht hat zugunsten des Angeklagten zunächst berücksichtigt, dass er nicht vorbestraft ist. Der Angeklagte hat sich zudem weitestgehend geständig eingelassen und den Vorfall als solchen bereits gegenüber der Polizei grundsätzlich eingestanden. Zudem hat er sich ausführlich bei dem Geschädigten entschuldigt, wenn dieser auch -insbesondere aufgrund der erst in der Hauptverhandlung und damit fast ein Jahr nach Tatbegehung- erfolgten Entschuldigung diese derzeit lediglich zur Kenntnis nehmen konnte und dem Angeklagten nicht verzeihen konnte.

Zudem musste -wenn auch nicht aufgrund der Wahrnehmung seiner Verteidigungsrechte nicht strafschärfend, so jedoch zumindest nicht gesondert strafmildernd berücksichtigt werden, dass der Angeklagte -wenn auch auf anwaltlichen Rat- bis zum Beginn der Hauptverhandlung keinerlei Wiedergutmachungsanstrengungen unternommen hat, wobei wiederum strafmildernd berücksichtigt wird, dass der Angeklagte nach Beginn der Hauptverhandlung binnen einer Woche bis zum Fortsetzungstermin einen Betrag von fast 40.000,00€ für den Geschädigten bereitstellen konnte.

Demgegenüber war zum Nachteil des Angeklagten zu sehen, dass der Angeklagte mit seiner Tat das Leben des Geschädigten zumindest für fast ein Jahr komplett zum Erliegen gebracht hat, dieser aufgrund des Unfalls sieben Mal operiert wurde und bis heute und sein Leben lang mit den Folgen der Tat zu kämpfen haben wird. Der Geschädigte wird auch aufgrund der Gesichtsnarbe stets an den Vorfall im Spiegel erinnert.

Der Angeklagte handelte aus einem lapidaren Anlass und verübte durch die Tat Selbstjustiz, um den Geschädigten, der ihn zuvor beleidigt hat, zu verurteilen. Zudem handelt es sich hierbei gegenüber dem Geschädigten um eine Tat aus dem sprichwörtlichen Nichts, gegenüber der der Geschädigte keinerlei Abwehrmaßnahmen ergreifen konnte.

Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände erschien eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren tat- und schuldangemessen.

4. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe konnte gemäß § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden, weil zu erwarten ist, dass sich der Angeklagte bereits die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe zur Bewährung zur Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Das Gericht hat berücksichtigt, dass der Angeklagte erstmals im fortgeschrittenen Alter straffällig geworden ist. Bei dem festgestellten Sachverhalt handelt es sich um eine Spontantat. Der Angeklagte ist schuldeinsichtig und von Reue geprägt. Der Angeklagte hat eine Arbeitsstelle sowie geregelte Einkünfte sowie eine fürsorgende Familie, die ihm u.a. auch bei der Zahlung des ausgeurteilten Schmerzensgeldes sowie während der Hauptverhandlungen zur Seite stand und steht. Bei dem Angeklagten handelt es sich um gefestigtes Mitglied der Gesellschaft. Der Angeklagte hat es innerhalb einer Woche, auch unter Beteiligung seiner Mutter erreicht, dass ein Betrag in Höhe von 35.000,00€ bis zu 40.000,00€ noch am zweiten Hauptverhandlungstermin gezahlt werden kann.

Durch die Unterstellung des Angeklagten unter die Aufsicht und Leitung der Bewährungshilfe kann zudem die (psychische) Aufarbeitung der Spontantat mit ihren Folgen auf Seiten des Angeklagten begleitet werden.

Die Verteidigung der Rechtsordnung gebietet die Vollstreckung der Strafe nicht. In Kenntnis der dargelegten Umstände hätte die wohl unterrichtete, rechtstreue Bevölkerung Verständnis für eine Strafaussetzung zur Bewährung. Sie würde dadurch nicht in ihrem Vertrauen in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert und das Urteil nicht als ungerechtfertigte Nachgiebigkeit und unsicheres Zurückweichen vor dem Unrecht und der Kriminalität empfinden. Der Angeklagte ist zu der maximal möglichen Freiheitsstrafe, die eine Bewährung noch gestattet verurteilt worden und hat sich im Affekt zu dieser Tat hinreißen lassen. Zudem ist er der Aufsicht und Leitung der Bewährungshilfe zunächst für 18 Monate unterstellt worden.

Darüber hinaus muss er als Zahlungsauflage das Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,00€ binnen drei Monate an den Geschädigten zu zahlen. Zudem ist ihm als Nebenentscheidung überdies die Fahrerlaubnis entzogen worden.

5. Die Entscheidung über den Entzug der Fahrerlaubnis, die Einziehung des Führerscheins und die Sperre für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis folgt aus §§ 69, 69a StGB. Dem Angeklagten war die Fahrerlaubnis zu entziehen nach § 69 Abs. 1 StGB. Nach dieser Vorschrift wird demjenigen der wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt wurde, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, die Fahrerlaubnis entzogen, wenn sie aus der Tat ergibt das er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Diese Voraussetzungen liegen bei dem Angeklagten vor.

Aus der Tat als solche ergibt sich, dass der Angeklagte zum derzeitigen Führen von Kraftfahrzeugen charakterlich ungeeignet ist. Die Sperre des § 69a Abs. 1, Abs. 4 StGB. Zwar handelt es sich bei dem von dem Angeklagten begangenen schweren Körperverletzung und vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr nicht um eine Katalogtat des § 69 Abs. 2 StGB. Unter Gesamtwürdigung des Tathergangs und der Persönlichkeit des Angeklagten liegt eine charakterliche Ungeeignetheit vor. Der Angeklagte hat sich aus einem lapidaren Anlass dazu hinreißen lassen, einen radfahrenden und dabei im Vergleich zu einem Autofahrer weniger geschützten Verkehrsteilnehmer bei hohem Tempo zu verletzen.

Ferner hat er durch die Tat die mit schwersten Verletzungsfolgen bei dem Angeklagten hervorgerufen und diesen in eine lebensgefährliche Situation gebracht, die nur durch den Zufall nicht in dem Tod des Geschädigten geendet ist. Dass der Angeklagte nicht vorbelastet ist, die Tat zutiefst bereut und sich bei dem Geschädigten im Rahmen der Hauptverhandlung mehrfach entschuldigt hat, lässt diese Wertung nicht entfallen. Es wäre für den Angeklagten ein Leichtes gewesen, aufgrund der vorangegangenen Beleidigungen kommentarlos an dem Geschädigten vorbeizufahren.

Im Hinblick auf diese Erwägungen war der Verwaltungsbehörde zu untersagen, dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

VI.

Über die Adhäsionsanträge war wie folgt zu entscheiden:

Der Adhäsionskläger hat einen Anspruch gegen den Angeklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 € aus §§ 823 Abs. 2, 253 Abs. 2 i.V.m. §§ 226 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5, 315b Abs. 3 StGB, wenngleich der Adhäsionskläger lediglich eine Mindestsumme in Höhe von 25.000,00€ beantragt hat.

Gemäß § 253 Abs. 2 BGB kann auch wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden, wenn wegen der Verletzung des Körpers und der Gesundheit Schadensersatz zu leisten ist. Durch das Schmerzensgeld soll der Verletzte einen Ausgleich für erlittene Schmerzen und Leiden erhalten; das Schmerzensgeld soll ihn in die Lage versetzen, sich Erleichterungen und Annehmlichkeiten zu verschaffen, die die erlittenen Beeinträchtigungen jedenfalls teilweise ausgleichen; darüber hinaus soll das Schmerzensgeld dem Verletzten Genugtuung für das verschaffen, was ihm der Schädiger angetan hat. Da Schmerzen und Beeinträchtigungen höchst individuell wahrgenommen und empfunden werden, ist im Rahmen der Bemessung auf objektivierbare Umstände wie die Art und Schwere der unfallbedingten Verletzungen, die Dauer von Krankenhausaufenthalt, Arbeitsunfähigkeit und weiterer Heilbehandlung sowie den Umfang der Medikation abzustellen.

Vorliegend sind die bei dem Adhäsionskläger bereits aufgezeigten erheblichen und dauerhaften körperlichen als auch psychischen Folgen durch die Tat entstanden. Der Adhäsionskläger hat die Tat nur aufgrund der zufälligen Anwesenheit mehrerer Ärzte überlebt und musste unmittelbar im Krankenhaus notoperiert werden und verblieb mehrere Wochen im Krankenhaus. Der Adhäsionskläger befindet sich in ununterbrochenen ärztlicher Behandlung und musste aufgrund der schicksalhaften Risikoverwirklichung im Rahmen der ersten Operation insgesamt sieben Operationen über sich ergehen lassen. Der Alltag des Adhäsionsklägers hat sich massiv verändert. So ist unter anderem ein problemloses Anziehen von Kleidung als auch der alleinige Stuhlgang auch ein Jahr nach der Tat noch nicht möglich. Der Adhäsionskläger hat eine dauerhafte mehrere Zentimeter lange Narbe vom Mundwinkel bis zu dem Gehörgang sowie eine großflächige Narbenpartie um das Ohr erlitten und wird somit tagtäglich durch einen Blick in den Spiegel an das Geschehen erinnert. Der Erfolg des Wiedereingliederungsversuchs bei seiner Arbeitsstelle ist weiterhin ungewiss, sodass auch ein vorzeitiger krankheitsbedingter Ruhestand im Raum steht. Die von dem Angeklagten ausgeübte Tat wurde vorsätzlich verübt, so dass der Adhäsionskläger ein verstärktes Interesse an Genugtuung hat. Die Tat wurde ohne Abwehrmöglichkeiten für den geschädigten Adhäsionskläger begangen, wobei die Tat als solche eine lapidare Vorgeschichte hatte, nach der sich der Angeklagte zu einer Art von Selbstjustiz hat hinreißen lassen. Vor diesem Hintergrund erachtet das Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,00€ für angemessen.

Der weitere Schadensersatzanspruch basiert auf den geltend gemachten Lohnnachteilen wie unter Ziffer II. aufgeführt in Höhe von 7.654,16€.

Dem Adhäsionskläger steht des Weiteren gegen den Angeklagten ein Anspruch auf Feststellung zu.

Der Feststellungsantrag war gemäß § 256 ZPO zulässig. Eine dahingehende Feststellung setzt voraus, dass aus dem festzustellenden Rechtsverhältnis mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Ansprüche entstanden sind oder entstehen können. Bei schweren Verletzungen kann ein Feststellungsanspruch nur dann verneint werden, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Beurteilung kein Grund bestehen kann, mit Spätfolgen wenigstens zu rechnen. In diesen Fällen kann es genügen, dass eine nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Schadensersatzpflicht durch das Auftreten weiterer Leiden besteht. Dass ein künftiger Schaden aber bloß möglich ist, reicht auch insoweit nicht aus. Vorliegend sind weitere Spätfolgen aufgrund der massiven Verletzung und der erfolgten Operationen sowie des aktuellen Gesundheitszustandes des Geschädigten absehbar. Laut der Aussage des Sachverständigen ist eine Besserung des derzeitigen Ist-Zustandes nicht zu erwarten, lediglich durch die auch bislang motivierte Mitarbeit des Adhäsionsklägers kann der status quo gehalten werden. Wie sich der weitere Heilungsverlauf entwickeln wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilt werden, weshalb ein Feststellungsinteresse besteht. Der Feststellungsausspruch war im Hinblick auf § 116 SGB X bzw. § 86 VVG unter den Vorbehalt zu stellen, dass eine Ersatzpflicht nur insoweit besteht, als die Ansprüche nicht auf die Sozialversicherung übergegangen sind.

Der Adhäsionskläger hat jeweils Anspruch auf Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Schmerzensgeldanspruch und dem Schadensersatzanspruch gemäß § 404 Abs. 2 StPO, §§ 291 Satz 1, 187 Abs. 1 BGB analog ab dem auf den mit Eingang des Antrages bei Gericht erfolgenden Eintritt der Rechtshängigkeit der Zahlungsansprüche folgenden Tag. Der Adhäsionsantrag hinsichtlich des Schmerzensgeldes ist am 03.02.2023 und der sich auf die Lohnnachteile beziehende erweiternde Adhäsionsantrag ist am 20.02.2023 eingegangen.

Die Forderung des Adhäsionsklägers rührt aus einer nach den vorstehenden Ausführungen aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung her, was im Hinblick auf §§ 256, 850f Abs. 2 ZPO, § 302 Nr. 1 InsO festzustellen war.

Nach § 406 Abs. 3 S. 2 StPO erklärt das Gericht die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar, ohne dass es hierfür eines konkreten Antrags bedarf. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Adhäsionsentscheidungen - jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages - beruhen auf § 709 S. 1 und 2 ZPO. Hinsichtlich der Kosten war die Entscheidung nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären, weil die Kostenentscheidung alleine auf den strafprozessualen Kostenvorschriften der §§ 465 ff. StPO beruht.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465, 467 Abs. 1 StPO.

Hinsichtlich der Kosten und Auslagen für das Adhäsionsverfahren und der Nebenklage gilt Folgendes:

Die gerichtlichen Auslagen für das Adhäsionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen hat gemäß § 472a Abs. 1 StPO der Angeklagte zu tragen, weil den beiden Anträgen des Adhäsionsklägers auf Zuerkennung des Schmerzensgeldes und der Schadensersatzpflicht aus der Straftat erwachsenen Ansprüche jeweils in vollem Umfang stattgegeben worden ist.

Darüber hinaus hat der Angeklagte auch die Auslagen der Nebenklage zu tragen, § 472 Abs. 1 StPO.

Osterwold Richter am Amtsgericht