Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 31.01.2014, Az.: 218 Ls 3161 Js 31640/12 (598/12)

Anfall der Dokumentenpauschale bei Einscannen einer Akte

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
31.01.2014
Aktenzeichen
218 Ls 3161 Js 31640/12 (598/12)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 15630
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:2014:0131.218LS3161JS31640.0A

Fundstelle

  • ZAP EN-Nr. 493/2014

Verfahrensgegenstand

Misshandlung von Schutzbefohlenen

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Erinnerung der Bezirksrevision vom 27.11.2013 werden die mit Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 10.06.2013 festgesetzten Kosten der beigeordneten Pflichtverteidigerin von 711,32 Euro um 44,92 Euro gekürzt und mit 666,40 Euro neu festgesetzt. Die Wiedereinziehung von 44,92 Euro wird angeordnet.

  2. 2.

    Die Erinnerung der Verteidiger vom 20.06.2013 wird als unbegründet zurückgewiesen.

  3. 3.

    Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Fragen wird die Beschwerde zugelassen.

Gründe

Sowohl die Erinnerung der Bezirksrevisorin vom 27.11.2013 wie auch die Erinnerung der Pflichtverteidigerin vom 20.06.2013 betreffen die Festsetzung bzw. Nichtfestsetzung der Dokumentenpauschale für Ablichtungen nach Nr. 7000 VV RVG (Fotokopiekosten).

Durch Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 10.06.2013 wurden die Kosten der Pflichtverteidigerin XXX für die 1. Instanz auf 711,32 Euro festgesetzt. Hierin enthalten waren 37,75 Euro zuzüglich 7,17 Euro Mehrwertsteuer, d.h. insgesamt 44,92 Euro. Gegen die Festsetzung dieser Kosten für Fotokopien richtet sich die Erinnerung der Bezirksrevisorin.

Die Verteidigerin hat mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 05.06.2013 ursprünglich die Festsetzung einer Dokumentenpauschale für Fotokopien (211 Seiten) verlangt. Ihre Erinnerung richtet sich gegen die Nichtberücksichtigung der über die bisher berücksichtigten 135 Kopien hinausgehende Anzahl an Ablichtungen.

Im Verlaufe des Erinnerungsverfahrens hat sich als unstreitig herausgestellt, dass von der Pflichtverteidigerin keinerlei Fotokopien gefertigt wurden. Stattdessen wurden lediglich Akten eingescannt. Diese elektronischen Daten wurden auf einem Datenstick gespeichert. Ein Ausdruck ist nicht erfolgt.

Zu der Frage, ob der mit dem Einscannen und Speichern der Daten auf einem Datenstick verbundene Aufwand mit der Dokumentpauschale Nr. 7000 VV RVG abzugelten ist, hat sich die Bezirksrevision beim Amtsgericht Hannover wie folgt geäußert:

ag-hannover_2014-01-31_218_ls_3161_js_31640_12_598_12-rb-103000001.gif
ag-hannover_2014-01-31_218_ls_3161_js_31640_12_598_12-rb-203000001.gif

Die Verteidigerin vertritt demgegenüber folgende abweichende Auffassung:

ag-hannover_2014-01-31_218_ls_3161_js_31640_12_598_12-rb-303000001.gif

Nach zutreffender Auffassung der Bezirksrevisiorin ist als Kopie im Sinne des Kostenrechts nur die Reproduktion einer Vorlage auf einen körperlichen Gegenstand, beispielsweise auf Papier, Karton oder Folie anzusehen. Dies wird in der Begründung zum zweiten

Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (KostRMOG) 2013 ausdrücklich klargestellt (Drucksache 517/12 zu Nr. 7000 VV RVG, Seite 444 unter Bezugnahme auf § 11 GNotKG, Seite 222). Der Begriff der Ablichtung bzw. Kopie im Sinne des Kostenrechts ist im Lichte dieser ausdrücklich als Klarstellung bezeichneten Gesetzesbegründung zu sehen. Eine Berücksichtigung von bloßen Scans scheidet insoweit aus.

Die Neuregelung, nach der zum Zweck der Überlassung eingescannter Dokumente als Ablichtungen im Sinne der Nr. 7000 Abs. 2 VV RVG vergütet werden, findet im vorliegenden Fall im Verhältnis zwischen Pflichtverteidigerin und Staatskasse keine Anwendung (Mayer/Kroiß, RVG, 6. Auflage, Randzahl 9 zu Nr. 7000 bis 7002 VV RVG. Diese Vorschrift greift nur dann ein, wenn eingescannte Dokumente im Einverständnis mit dem Auftraggeber zum Zwecke der Überlassung von der Papierform in die elektronische Form übertragen werden. Dies ist hier nicht der Fall.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der hier entschiedenen Rechtsfrage wird die Beschwerde ausdrücklich zugelassen.

Anlage zum Beschluss vom 31.01.2014:

Die Erinnerung geht zu Unrecht davon aus, dass der mit dem Einscannen und elektronischen Bearbeiten der Akte verbundene Aufwand mit der Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG abzugelten ist. Grundsätzlich werden Sachaufwendungen nur dann gesondert erstattet, wenn diese in Teil 7 des Vergütungsverzeichnisses gesondert erfasst sind. Ansonsten ist dieser Aufwand mit den Gebühren abgegolten (Vorb. 7 Abs. 1 VV RVG). Für das bloße Einscannen ist kein Gebührentatbestand vorhanden. Der Gesetzgeber hat mit der Begründung zum 2. KostRMoG 2013 für die bisherige Rechtslage klargestellt, dass es sich bei eingescannten Dokumenten nicht um Ablichtungen im Sinne des bis zum 31.07.2013 geltenden Rechts handelt (Drs. 517/12 zu Nr. 7000 VV RVG, Seite 444, unter Bezugnahme auf § 11 GNotKG, Seite 222 - Bl. 149 d.A.). Nur wenn Reproduktionen einer Vorlage auf einem körperlichen Gegenstand erfolgen, z.B. auf Papier, entsteht eine Dokumentenpauschale. Diese Klarstellung durch den Gesetzgeber macht den in der Erinnerung genannten Beschluss des OLG Bamberg vom 26.6.06, NJW 2006, 3504 (Bl. 162 d.A.) und auch die dort erwähnten weiteren älteren Entscheidungen, die auch eingescannte Dokumente als Ablichtungen i.S. Nr. 7000 VV RVG ansahen, hinfällig.

Soweit auf die Neuregelung verwiesen wird, nach der zum Zweck der Überlassung eingescannte Dokumente als Ablichtungen i.S. Nr. 7000 Abs. 2 VV RVG vergütet werden, wird übersehen, dass dies nur gilt, wenn diese im Einverständnis mit dem Auftraggeber zum Zweck der Überlassung von der Papierform in die elektronische Form übertragen werden. Das dürfte in erster Linie die wunschgemäße Überlassung an den Mandanten betreffen, da das beiordnende Gericht keinen derartigen Auftrag erteilt (Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, Nr. 7000-7002 VV Rn. 9 m.w.N.). Wenn der Mandant eine derartige Überlassung in Auftrag gibt, sind die Kosten nicht aus der Landeskasse, sondern vom Mandanten als Auftraggeber zu zahlen.

Der Tatbestand Nr. 7000 VV RVG ist nicht erfüllt. Hier wurden weder Kopien gefertigt noch Dateien im Auftrag des Gerichts überlassen, sondern die betreffenden Aktenteile eingescannt und gespeichert (Bl. 126, 160). Daher ist hier keine Dokumentenpauschale festsetzbar.