Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 11.07.2023, Az.: 202 Cs 53/18
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 11.07.2023
- Aktenzeichen
- 202 Cs 53/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 30624
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgegenstand
Steuerhinterziehung
Tenor:
wird der Antrag des Verurteilten, das Unterbleiben der weiteren Vollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 21.02.2019 anzuordnen, abgelehnt.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Hannover hat mit Urteil vom 21.02.2019 (202 Cs 5312 Js 57455/48 (53/18)) gegen den Verurteilten eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 15 € und die Einziehung von Wertersatz von Taterträgen in Höhe von 13.944,86 € festgesetzt. Seine dagegen erhobene Berufung hat das Landgericht Hannover mit Urteil vom 18.06.2019 verworfen (63 Ns 29/19). Gegen diese Entscheidung legte der Verurteilte Revision ein, die das Oberlandesgericht Celle als unzulässig verwarf. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist wurde nicht gewährt (2 Ss 110/19). Das Urteil ist seit dem 04.07.2019 rechtskräftig und vollstreckbar.
Der Verurteilte zahlte die Geldstrafe bis auf einen Restbetrag von 50 € in Raten. Die Einziehungssumme ist noch in voller Höhe offen.
Mit Schreiben vom 23.05.2023 wandte der Verurteilte sich an die Staatsanwaltschaft und bat dort unter Vorlage diverser ärztlicher Unterlagen, die Restsumme von 13.998,36 € zu "stornieren" oder "aufzuheben". Dazu trägt er weiter vor, nicht nur unter chronischen körperlichen, sondern auch unter psychischen Erkrankungen zu leiden.
Die Staatsanwaltschaft hat dieses Schreiben als Antrag auf Anordnung des Unterbleibens der Vollstreckung nach § 459 g Abs. 5 StPO ausgelegt und dem Gericht vorgelegt. Sie ist der Ansicht, die vorgetragenen Krankheitssymptome rechtfertigen eine solche Maßnahme nicht, weil eine Unverhältnismäßigkeit nicht vorliege.
II.
Das Schreiben des Verurteilten mit der Bitte um Erlass der Restsumme enthält letztlich 2 Anträge. Denn es betrifft in Höhe von 50 € noch die zu vollstreckende Geldstrafe, deren Unterbleiben der Vollstreckung sich nach § 459 d Abs. 1 StPO richtet. In Höhe der Einziehungssumme von 13.944,86 € ist die gesetzliche Grundlage in § 459 g Abs. 5 StPO.
A. Unterbleiben der Vollstreckung der Reststrafe (nebst Kosten)
1. Nach § 459 d Abs. 1 StPO kann das Gericht das Unterbleiben der Vollstreckung einer Geldstrafe anordnen, wenn in demselben Verfahren eine Freiheitsstrafe vollstreckt oder zur Bewährung ausgesetzt wird (Nr. 1) oder eine Freiheitsstrafe in einem anderen Verfahren verhängt worden ist (Nr. 2). Gemäß § 459 d Abs. 2 StPO gilt dies auch für Verfahrenskosten. Weitere Voraussetzung ist, das die Vollstreckung der (Rest)Geldstrafe die Wiedereingliederung erschweren kann.
2. Die gesetzlichen Voraussetzungen liegen indessen nicht vor. Der Gesamtbetrag der Geldstrafe belief sich auf 2250 €. Der Verurteilte hat davon bereits am 21.01.2020 2200 € bezahlt. Lediglich eine Rate von 50 € sowie Verfahrenskosten von 3,50 € stehen noch offen. Bereits die Voraussetzung einer weiteren Verurteilung zu Freiheitsstrafe ist nicht gegeben. Darüber hinaus ist für das Gericht nicht erkennbar, dass der noch zu leistende Betrag einer Wiedereingliederung im Weg stehen könnte. Denn die Höhe der Reststrafe übersteigt die aus den vorliegenden Unterlagen ersichtliche finanzielle Leistungsfähigkeit des Verurteilten, dem monatlich mehr als 800 € an Sozialleistungen zur Verfügung stehen, nicht. Weil es sich bei der Vorschrift um eine Ausnahme handelt, der vom Gericht im Rahmen seiner Ermessensentscheidung zu beachten ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023, § 459d Rdnr. 6), besteht keine Veranlassung für eine solche Anordnung.
B. Unterbleiben der Vollstreckung der Einziehung
1. Nach § 459 g Abs. 5 StPO unterbleibt die Vollstreckung der Einziehung, soweit sie unverhältnismäßig wäre. An die Unverhältnismäßigkeit sind allerdings nicht zu geringe Anforderungen zu stellen. Vielmehr muss eine Verletzung des Übermaßverbotes naheliegen (Meyer-Goßner/Schmitt - Köhler a.a.O. § 459g Rdnr. 13a).
2. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint hier ein Absehen von der Vollstreckung nicht angezeigt. Zwar kann eine Erkrankung und daraus resultierende erhebliche finanzielle Mehrbelastungen eine weitere Vollstreckung unverhältnismäßig erscheinen lassen, so dass die Anordnung zu ergehen hat (Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O.). Allerdings ist bereits nach dem Vortrag des Verurteilten selbst keine Erkrankung erkennbar, die über vergleichbare Fälle hinausgehende Kosten verursachen könnten. Der Entlassungsbericht des Rehabilitationszentrums Bad Rothenfelde gibt im wesentlichen allergiebedingte Diagnosen wieder. Insbesondere wird der Verurteilte als arbeitsfähig eingeschätzt. Soweit eine längerfristige psychotherapeutische Weiterbehandlung empfohlen wird, ergeben sich daraus auch keine Anhaltspunkte für den Verurteilten belastende Kosten. Denn diese werden üblicherweise durch die Krankenkasse finanziert.
3. Schließlich hatte das Gericht auch den Grund der Verurteilung in seine Ermessensentscheidung einzubeziehen. Bei dem einzuziehenden Wert von Taterträgen handelt es sich um vom Verurteilten geschuldete Steuern auf Umsatz und Gewinn. Demgemäß standen ihm die finanziellen Mittel aus gewerblichen Einkünften zunächst als Barmittel zur Verfügung. Dies gilt insbesondere für die Umsatzsteuer, die letztlich vom Verbraucher zu tragen ist und vom Unternehmer auf den Endpreis aufgeschlagen wird (vgl. Bunjes - Robisch, UStG, 21. Aufl. 2022, Vor § 1 Rdnr. 19).
4. Demnach liegt auch für die Einziehung von Wertersatz der Taterträge keine Unverhältnismäßigkeit vor. Der Verurteilte hat nur das zu leisten, was er auf Grund seiner wirtschaftlichen Tätigkeit bereits eingenommen hatte. Nachdem in der gesetzlichen Neufassung seit 01.07.2021 die Entreicherung ausdrücklich nicht mehr erwähnt wird, hat der Gesetzgeber klargestellt, dass eine Entreicherung des Einziehungsbetroffenen der (weiteren) Vollstreckung gerade nicht entgegenstehen soll (Meyer-Goßner/Schmitt - Köhler a. a. O. Rdnr. 13).
5. Soweit der Verurteilte sich in seinem Schreiben vom 19.06.2023 gegen die Verurteilung als solche wendet und die Schuld bei der Steuerberatung sucht, ist dies irrelevant. Zum einen übersieht der Verurteilte, dass er bereits in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht seine Verantwortung eingeräumt und selbst seinen Einspruch gegen den Strafbefehl auf die Rechtsfolgen beschränkt hatte. Zum anderen verkennt er, dass nach der eingetretenen Rechtskraft des Urteils, welches immerhin in 3 Instanzen die Gerichte beschäftigte, dem Gericht und der Staatsanwaltschaft nur noch eingeschränkte Möglichkeiten zustehen und die Sachlage als solche durch das Urteil vorgegeben wird. Ob - wie der Verurteilte anzudeuten scheint - Fehler der Steuerberatung zu der Tat führte, ist daher nicht zu entscheiden. Allerdings muss sich der Verurteilte darüber im Klaren sein, dass für die Steuererklärung und damit für die Tat zunächst er die Verantwortung trägt.
Mangels gesetzlicher Grundlage konnte dem Antrag des Verurteilten daher kein Erfolg beschieden sein. Er war - wie geschehen - abzulehnen.