Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 27.11.2008, Az.: L 8 SO 173/08 ER
Sinn und Zweck der Ausschlussregelungen des § 23 Abs. 3 S. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) und des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II); Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch ge. § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 27.11.2008
- Aktenzeichen
- L 8 SO 173/08 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 33846
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2008:1127.L8SO173.08ER.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 10.09.2008 - AZ: S 51 SO 392/08 ER
Rechtsgrundlagen
- Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG
- § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II
- § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII
- § 86b Abs. 2 S. 2 SGG
Tenor:
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 10. September 2008 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die vorläufige Gewährung von Sozialhilfe.
Der 1956 geborene Antragsteller ist polnischer Staatsangehöriger. Er reiste am 4. Juli 2008 nach Deutschland zu seiner Tochter, die hier mit deutschem Ehemann und Tochter im Gebiet des Antragsgegners lebt, ein. Die Tochter und ihre Familie beziehen Leistungen nach dem SGB II. Der Antragsteller erhält eine polnische Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von monatlich 220,38 EUR. Er leidet im Wesentlichen an Diabetes mellitus mit der Folge der Amputation beider Unterschenkel sowie an chronischer Herz- und Niereninsuffizienz.
Der Antragsteller beantragte am 11. Juli 2008 (mit am 7. Juli 2008 ausgefülltem Formularantrag) bei dem Antragsgegner die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII. Der Antragsgegner lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 8. August 2008 ab. Der Antragsteller habe gemäß § 23 Abs. 3 SGB XII keinen Anspruch auf Sozialhilfe, weil der Zweck der Inanspruchnahme von Sozialhilfe für seinen Einreiseentschluss von prägender Bedeutung gewesen sei. Sowohl ihm als auch seiner hier lebenden Familie sei klar gewesen, dass er seinen Lebensunterhalt durch seine Rente nicht sicherstellen könne und auch seine Familie ihn nicht unterstützen könne, weil sie selbst auf staatliche Leistungen angewiesen sei. Zudem stütze sich die Ablehnung der Gewährung von Sozialhilfeleistungen auch auf einen Beschluss des LSG Hessen vom 13. September 2007 - L 9 AS 44/07 ER. Der Antragsteller erhob am 19. August 2008 Widerspruch und legte eine Stellungnahme seines Schwiegersohnes zu seinen Einreisegründen (nicht wegen Sozialhilfe, sondern wegen - in Polen nicht gesicherter - Betreuung und Pflege durch seine Tochter) vor. Über den Widerspruch ist noch nicht entschieden.
Der Antragsteller hat am 1. September 2008 bei dem Sozialgericht Hannover (SG) beantragt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Er hat unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung vom 20. August 2008 im Wesentlichen vorgetragen, er sei nicht zum Zweck der Inanspruchnahme von Sozialhilfe nach Deutschland gekommen, sondern allein deshalb, weil er pflegebedürftig sei und sich in Polen nach der dortigen Trennung von seiner Ehefrau niemand mehr um ihn kümmern könne. Er habe sich bereits einige Tage bevor seine Tochter und seine Enkelin zu ihm nach Polen gekommen seien ohne die erforderliche Hilfe in dem Schrebergarten seiner Familie ohne Wasser und Strom aufgehalten. Weil er aufgrund seiner schweren Diabetes einen lebensgefährlichen Zuckerschock erleiden könne, habe er dem Drängen seiner Tochter nachgegeben und sei zu ihr gezogen, um dort versorgt zu werden. An einen Bezug von Sozialhilfe habe er dabei nicht gedacht. Seine Tochter habe seinen Zuzug am 7. Juli 2008 ordnungsgemäß dem Jobcenter mitgeteilt, welches sie auf die Möglichkeit der Beantragung von Sozialhilfe bei dem Antragsgegner hingewiesen habe. Zugleich sei der Familie seiner Tochter vom Jobcenter der auf ihn entfallende Mietanteil abgezogen worden. Der Antragsgegner hat erwidert, im Rahmen der rechtlichen Würdigung sei § 23 SGB XII in Zusammenschau mit Artikel 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie) zu betrachten, wonach der Aufnahmestaat nicht dazu verpflichtet sei, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls eines längeren Zeitraumes einen Anspruch auf Sozialhilfe zu gewähren. Aber selbst bei isolierter Betrachtung des Wortlautes des § 23 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB XII sei dieser Ausschlusstatbestand erfüllt, weil in Anbetracht der Umstände des Falles die Möglichkeit in Deutschland Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen zu können für den Einreiseentschluss des Antragstellers bedeutsam gewesen sei.
Das SG hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 10. September 2008 im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig - unter dem Vorbehalt der Rückforderung - Sozialhilfe gemäß § 23 Abs. 1 SGB XII für den Zeitraum vom 1. September 2008 bis zunächst zum 31. März 2009 zu gewähren. Der Antragsteller habe das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nach § 23 Abs. 1 SGB XII glaubhaft gemacht. Dem Anspruch stehe § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII nicht entgegen. Möglicherweise stehe dem Antragsteller ein Aufenthaltsrecht wegen Familiennachzugs gemäß §§ 27, 36 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte wegen seiner möglicherweise nicht anders als durch seine hier lebende Familie zu sichernden Betreuung zu. Dies könne im einstweiligen Rechtsschutzverfahren jedoch nicht geklärt werden. Selbst wenn der Antragsteller kein Aufenthaltsrecht in Deutschland habe sollte, stehe dies einem Anspruch auf Sozialhilfe gemäß § 23 Abs. 1 SGB XII nicht entgegen, weil diese Vorschrift allein an den tatsächlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland - unabhängig davon, ob dieser erlaubt sei - anknüpfe. Die Anwendung des Ausschlusstatbestandes des § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB XII i.S. eines Erst-Recht-Schlusses auf Unionsbürger ohne Aufenthaltsrecht sei nicht möglich. Der Ausschlusstatbestand des § 23 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB XII sei nicht erfüllt, weil nach dem glaubhaften Vorbringen des Antragstellers davon auszugehen sei, dass das prägende Einreisemotiv des Antragstellers die Möglichkeit gewesen sei, hier in Deutschland von seiner Tochter betreut zu werden.
Der Antragsgegner hat am 1. Oktober 2008 Beschwerde gegen den Beschluss des SG eingelegt. Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor, angesichts der Umstände sei nicht glaubhaft, dass die Inanspruchnahme von Sozialhilfe für den Einreiseentschluss nur von untergeordneter Bedeutung gewesen sei. Dass die hinreichende Pflege und Betreuung des Antragstellers in Polen tatsächlich - gegebenenfalls unter Inanspruchnahme der dortigen staatlichen Leistungen - nicht möglich gewesen wäre, werde bestritten. Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorgetragen habe, an akut lebensbedrohlichen Krankheiten zu leiden, die in Polen nicht ausreichend medizinisch versorgt werden könnten, sei daraus zu schließen, dass er nach Deutschland eingereist sei, um hier medizinische Versorgung zu erlangen, die nur aus Sozialhilfemitteln bezahlt werden könne. Dass er selbst und seine hier lebenden Familienangehörigen nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügten, sei von Anfang an klar gewesen. Daher sei er eingereist, um Sozialhilfe zu erlangen.
Der Antragsgegner beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 10. September 2008 aufzuheben.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.
Er betont nochmals, nicht nach Deutschland eingereist zu sein, um Sozialhilfe zu beantragen. Vielmehr sei er hierher gekommen, weil er in Polen nicht ausreichend gepflegt werden könne. Er habe in Polen auch keine Familienangehörigen mehr, mit denen er zusammenleben könne. Daher sei er zu seiner Tochter nach Deutschland gekommen. In Polen könne er aufgrund seiner akut lebensbedrohlichen Erkrankungen auch nicht ausreichend medizinisch versorgt werden. Er sei auch nicht eingereist, um hier medizinisch versorgt zu werden, sondern allenfalls, obwohl er für die medizinische Versorgung in Deutschland finanziell nicht aufkommen könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Das SG hat den Antragsgegner zu Recht im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, dem Antragsteller Sozialhilfe gemäß § 23 Abs. 1 SGB XII für den Zeitraum vom 1. September 2008 bis 31. März 2009 zu gewähren. Es hat mit zutreffender Begründung im Einzelnen ausgeführt, dass der Antragsteller den gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG erforderlichen Anordnungsanspruch in Gestalt eines Anspruchs gegen den Antragsgegner auf Sozialhilfeleistungen gemäß § 23 Abs. 1 (Satz 1) SGB XII glaubhaft gemacht hat. Der Senat folgt dieser Begründung und sieht daher insoweit gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Ergänzend bleibt - insbesondere im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen des Antragsgegners - lediglich auszuführen:
Aus Artikel 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie kann der Antragsgegner nichts zu seinen Gunsten herleiten. Sein Vorbringen geht dahin, aus dieser Vorschrift sowie dem Sinn und Zweck der Ausschlussregelungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII und des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ("Sozialtourismus verhindern") ergebe sich, dass auch ein nicht arbeitsuchender (erwerbsunfähiger) Ausländer nicht anspruchsberechtigt nach § 23 Abs. 1 SGB XII sei, wenn er ohne Aufenthaltsrecht sei. Dem ist aber - wie auch schon das SG ausgeführt hat - nicht so. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II und § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB XII entfällt ein Rechtsanspruch auf SGB II-Leistungen bzw. auf Sozialhilfe für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Beide Regelungen gehen auf die von dem Antragsgegner angesprochene Regelung des Artikel 24 Abs. 2 (i.V.m. Artikel 14 Abs. 4b) der Unionsbürgerrichtlinie zurück, wonach ein Mitgliedsstaat nicht verpflichtet ist, einem Unionsbürger und seinen Familienangehörigen während der Zeit der Arbeitsuche Sozialhilfe zu gewähren. Die in dieser Richtlinie zugelassenen Beschränkungsmöglichkeiten beim Zugang zu sozialen Leistungen hat der deutsche Gesetzgeber mit den vorgenannten SGB II- und SGB XII-Regelungen ausgeschöpft. Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB XII ist deren Anwendung allein auf das Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche bezogen. Eine Anwendung dieses Ausschlusses im Wege eines Erst-Recht-Schlusses auf - wie hier - Unionsbürger ohne Aufenthaltsrecht ist daher nicht möglich (vgl LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Juli 2008 - L 7 AS 3031/08 ER - B, [...] Rdnr 17). Dies gilt hier umso mehr, als der Antragsteller sich nicht zum Zweck der Arbeitsuche in Deutschland aufhält. Der genannte Erst-Recht-Schluss ist auch nicht zwingend, weil die deutschen Ausländerbehörden bei fehlendem Aufenthaltsrecht - anders als bei den in § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB XII erfassten Fällen - die Möglichkeit haben, den Aufenthalt des Unionsbürgers (und damit auch dessen Sozialhilfebezug) zu beenden (vgl auch SG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Juli 2008, ebenda).
Der Antragsteller hält sich - wie von § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gefordert - als Ausländer tatsächlich (seit 4. Juli 2008) im Bundesgebiet auf. Sein sich daraus grundsätzlich ergebender Anordnungsanspruch gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ist auch unter Berücksichtigung der Ausschlussregelung des § 23 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB XII zu bejahen.
Ein Anordnungsanspruch ist dann gegeben, wenn der zu sichernde Hauptsacheanspruch dem Antragsteller mit (durch Glaubhaftmachung oder Amtsermittlung herbeigeführter) überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht, wenn also eine Vorausbeurteilung der Hauptsacheklage nach summarischer Prüfung ergibt, dass das Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist (vgl Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Aufl. 2005, Rdnr 293 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 669/05 -, NVwZ 2005, 927 [BVerfG 12.05.2005 - 1 BvR 569/05]) dürfen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für Anfechtungs- und (wie hier) Vornahmesachen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Artikel 19 Abs. 4 GG stellt jedoch besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn - wie hier - ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. In einem solchen Fall müssen die Gerichte nach der vorgenannten Entscheidung des BVerfG, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch sondern abschließend prüfen. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller des Eilverfahrens nicht überspannen; Fragen des Grundrechtschutzes sind einzubeziehen. Ist dem Gericht hingegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundrechtlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern (BVerfG, ebenda).
Der Senat entscheidet anhand einer Folgenabwägung. Es ist hier im Rahmen des Eilverfahrens nicht möglich, die entscheidende Frage, ob der Antragsteller im Sinne von § 23 Abs. 3 Satz 1, 1. Alternative SGB XII in das Bundesgebiet eingereist ist, um Sozialhilfe zu erlangen ("Um-zu"-Einreise), zu klären. Unstreitig verlangt die Vorschrift einen finalen Zusammenhang zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme von Sozialhilfe (vgl nur BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1992, E 90, 212, 214). Dieser erforderliche Zusammenhang ist nicht nur dann gegeben, wenn der Sozialhilfebezug einziger Zweck der Einreise nach Deutschland war. Er liegt vielmehr bereits dann vor, wenn die Einreise des Ausländers auf verschiedenen Motiven beruht, der Zweck der Inanspruchnahme für den Einreiseentschluss jedoch von prägender Bedeutung gewesen, also nicht nur neben vorrangigen anderen Zwecken billigend oder notgedrungen in Kauf genommen worden ist (Schlette in Hauck/ Noftz, SGB XII, K § 23 Rdnr 46 m.w.N.).
Hier sprechen einerseits als Indizien die vom Antragsgegner betonten Umstände, dass der Antragsteller ohne ausreichende eigene Mittel zu seinen ebenfalls hilfebedürftigen und SGB II-Leistungen beziehenden Verwandten eingereist ist und alsbald nach seiner Einreise Sozialhilfe beantragt hat, für eine "Um-zu"- Einreise im vorgenannten Sinne. Andererseits hat der Antragsteller unter Vorlage einer eigenen eidesstattlichen Versicherung und einer Stellungnahme seines Schwiegersohnes nicht unplausibel vorgetragen, nur deshalb nach Deutschland eingereist zu sein, um die für ihn notwendige Pflege und Betreuung - die in Polen nach seiner dortigen Trennung von seiner Ehefrau nicht mehr sichergestellt gewesen sei - hier von seiner Tochter und deren Familie zu erhalten. Das SG hat unter Bezugnahme auf Schlette (a.a.O., Rdnr 46) zutreffend ausgeführt, dass der ernsthafte Wille eines einreisenden Ausländers, mit seinen in Deutschland lebenden Kindern zusammenzuleben, ein den Sozialhilfebezug überlagerndes gewichtiges anderes Einreisemotiv sein kann. Davon ausgehend hat der Antragsteller hier mit seinem schlüssigen Vorbringen die Indizwirkung der für eine "Um-zu"- Einreise sprechenden objektiven Umstände erschüttert. Zudem trägt der Antragsgegner die materielle Beweislast für das Vorliegen der den Tatbestand der "Um-zu"- Einreise begründenden Tatsachen (Schlette, a.a.O. Rdnr 49 m.w.N.).
Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand spricht daher mehr für als gegen einen Anspruch des Antragstellers auf Sozialhilfeleistungen gemäß § 23 Abs. 1 SGB XII. Zudem fällt bei der Folgenabwägung maßgeblich ins Gewicht, dass die Nachteile, die dem Antragsteller bei Versagen der existenzsichernden Sozialhilfeleistungen entstehen, wesentlich schwerer wiegen als die mit einer vorläufigen Leistungsgewährung für den Antragsgegner verbundenen Nachteile. Würden dem Antragsteller bis zum 31. März 2009 bzw. einer zuvor ergehenden Entscheidung in der Hauptsache die begehrten Grundsicherungsleistungen vorenthalten, wäre bis dahin sein Existenzminimum nicht gesichert. Diese nicht unerhebliche und die durch Artikel 1 Abs. 1 GG geschützte Menschenwürde verletzende Beeinträchtigung könnte nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden. Daher müssen die finanziellen Interessen des Antragsgegners zurückstehen. Aus diesen Gründen ist auch der erforderliche Anordnungsgrund - die Eilbedürftigkeit - gegeben.
Die Kostensentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Gerichtskosten werden in Sozialhilfeverfahren dieser Art nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.