Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 18.11.2008, Az.: L 12 AL 185/05

Anspruch auf Arbeitslosengeld; Verzinsung des Leistungsanspruchs; Vollständiger Leistungsantrag bei fehlender Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
18.11.2008
Aktenzeichen
L 12 AL 185/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 32595
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2008:1118.L12AL185.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg, S 4 AL 554/03 vom 15.03.2005

Fundstelle

  • info also 2009, 262-265

Redaktioneller Leitsatz

Das Vorliegen einer Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers gehört nicht zu den Voraussetzungen eines vollständigen Leistungsantrages, so dass Arbeitslosengeld zu verzinsen ist, wenn sich die Bewilligung wegen fehlender Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers bzw wegen ungeklärter ausreichender Anwartschaftszeit verzögert. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 15. März 2005 und der Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2003 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für das im April bzw. Juli 2003 gezahlte Arbeitslosengeld Zinsen entsprechend den gesetzlichen Vorschriften zu zahlen. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Beklagte für Arbeitslosengeld (Alg), das mehrere Jahre nach der Antragstellung gezahlt wurde, Zinsen an den Kläger zu zahlen hat.

2

Der Kläger, der nach versicherungspflichtigen Beschäftigungen vom 1. Juli 1994 - 31. Mai 1995 bis zum 31. Juli 1995 Arbeitslosenhilfe (Alhi) bezogen hat, war nach eigenen Angaben ab dem 1. August 1995 bei der F. (im Folgenden: G-GmbH) Hamburg versicherungspflichtig beschäftigt und bei der Barmer Ersatzkasse (BEK) und der Rentenversicherung für Angestellte pflichtversichert. Nachdem ihm von der G-GmbH die Lohnsteuerkarten 1995 und 1996 und der Sozialversicherungsausweis blanko und ohne Begleitschreiben übersandt worden waren, beantragte er am 20. Mai 1996 bei der Beklagten Alg. Er teilte mit, er habe Kündigungsschutzklage und Klage wegen noch ausstehenden Arbeitsentgelts beim Arbeitsgericht Hamburg erhoben, und legte die Kopie eines Schriftsatzes seines Prozessbevollmächtigten an die G-GmbH vom 24. Mai 1996 vor, mit dem vorgerichtlich u. a. ausstehende Gehaltszahlungen auf der Basis einer monatlichen Vergütung von 4135,00 DM netto gefordert wurden.

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Auf zweifache Anforderung einer Arbeitsbescheinigung teilte die G-GmbH der Beklagten im Juni 1996 mit, für sie stehe »unverrückbar fest«, dass der Kläger nicht ihr Angestellter gewesen sei, sie gehe von einem Werkvertrag aus, der jedoch nicht erfüllt worden sei. Nach einem Aktenvermerk vom 27. Juni 1996 über ein Telefongespräch mit der AOK (gemeint wohl: BEK) Hamburg West war von dort einem Mitarbeiter der Beklagten mitgeteilt worden, dass am 22. August 1995 eine Anmeldung von der G-GmbH rückwirkend zum 1. August 1995 vorgenommen worden sei. Am 22. März 1996 sei die Anmeldung ab dem 1. August 1995 storniert worden. Ob die abgeführten Beiträge erstattet werden könnten oder dürften, sei zurzeit völlig unklar. Nach einem in Kopie in der Akte befindlichen Schreiben der BEK Hamburg West vom 1. Juli 1996 an die Prozessbevollmächtigten des Klägers seien Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 1. August 1995 bis 31. März 1996 von der G-GmbH entrichtet worden. Einem inzwischen vorliegenden Antrag auf Erstattung dieser Beiträge werde nicht vor Ende des Rechtsstreits entsprochen.

4

Mit Verfügung vom 16./18. Juli 1996 bejahte die Beklagte die Anspruchsvoraussetzungen für Alhi und verfügte deren »Weiterbewilligung«, wobei sie dem Kläger einen Anspruchsübergang mitteilte für den Fall, dass aus dem Arbeitsverhältnis Leistungsansprüche gegen den Arbeitgeber resultierten. Auch nach einer Unterbrechung des Leistungsbezugs mit erneuter Arbeitslosmeldung am 12. Dezember 1996 und erneutem Antrag auf Alg bewilligte die Beklagte weiterhin Alhi. Bei dieser Entscheidung lag der Beklagten bereits das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 17. Oktober 1996 vor, mit dem das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage als unbegründet ansah, weil eine Kündigung nicht vorliege und die G-GmbH unter Annahme eines Arbeitsverhältnisses zur Zahlung von 16.280,00 DM netto ausstehenden Arbeitsentgelts verurteilte.

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Am 11. März 1997 wurde vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg ein Vergleich geschlossen, wonach die Parteien des Arbeitsrechtstreits sich darüber einig waren, dass zwischen ihnen seit dem 1. August 1995 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, das aufgrund der fristgerechten Kündigung der Beklagten vom 17. Mai 1996 aus betrieblichen Gründen mit dem 15. Juni 1996 geendet habe. Weiter seien sich die Parteien darüber einig, dass für das Arbeitsverhältnis vereinbarungsgemäß eine Nettolohnvereinbarung in Höhe von 4.135,00 DM gegolten habe und das Arbeitsverhältnis auf dieser Basis abgerechnet werde.

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Wegen einer Anfechtung des Vergleichs durch den Arbeitgeber wurde das Verfahren vor dem LAG fortgeführt und endete durch Urteil vom 29. Oktober 2002 mit der Feststellung, dass der Rechtsstreit durch den gerichtlichen Vergleich vom 11. März 1997 erledigt sei. Unterlagen darüber erhielt die Beklagte im Februar 2003. Auf Nachfrage der Beklagten bei der BEK Hamburg West, ob sie die Auffassung über die beitragspflichtige Beschäftigung nach dem arbeitsgerichtlichen Urteil teile, teilte diese unter dem 27. März 2003 mit, es sei (für 1995) von einem monatlichem Bruttoentgelt von 8.255,84 DM auszugehen, das - unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenzen - der Berechnung der Beiträge zugrunde zu legen sei; die bisherige Erfassung der unkorrekten Beitragshöhen werde geändert.

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Mit Bewilligungs-Änderungs-Bescheid vom 31. März 2003 erkannte die Beklagte dem Kläger Alg für die Zeit vom 17. Juni 1996 bis zum 15. April 1997 zu und hob gleichzeitig die frühere Bewilligung von Alhi auf. Es ergab sich eine Nachzahlung im Wert von 10.881,10 DM, die an den Kläger ausgezahlt wurde, wobei ein zunächst streitiger Teilbetrag von 1.051,20 DM erst aufgrund einer Verfügung vom 4. Juli 2003 ausgezahlt wurde.

8

Auf die Bitte des Klägers, eine nicht erfolgte Zinsberechnung nachzuholen, teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 8. Juli 2003 mit, dem Antrag könne nicht entsprochen werden, da die Auszahlung der Leistung innerhalb von sechs Monaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags erfolgt sei. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2003 als unbegründet zurück. Anhaltspunkte für eine falsche Entscheidung seien weder genannt noch aus den Unterlagen ersichtlich.

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Am 13. November 2003 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Oldenburg Klage erhoben. Das Fehlen der Arbeitsbescheinigung sei nicht ihm anzulasten. Die Beklagte habe es versäumt, den Arbeitgeber durch Androhung und Festsetzung von Ordnungsmitteln zur Abgabe der Bescheinigung anzuhalten.

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Die Beklagte hat sich demgegenüber auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid bezogen. Es bestehe zwar der Amtsermittlungsgrundsatz, dem Kläger sei auch eine Vorlage von Beweismitteln unter den gegebenen Umständen nicht zumutbar gewesen. Aufgrund dessen seien aber die Anspruchsvoraussetzungen ursprünglich nicht klärbar und der Antrag deshalb nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast abzulehnen gewesen. Bei der Nachzahlung nach der arbeitsgerichtlichen Klärung habe es sich um eine Entscheidung ohne Antrag von Amts wegen gehandelt. In diesen Fällen beginne die Verzinsung nach Ablauf eines Kalendermonats nach Bekanntgabe der Nachzahlungsentscheidung. Hier sei der Betrag aufgrund der Nachzahlungsentscheidung vom 31. März 2003 bereits am 1. April 2003 gezahlt worden. Zinsen könnten somit nicht gezahlt werden.

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Mit Urteil vom 15. März 2005 hat das SG die Klage abgewiesen und die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Es bestehe kein Anspruch auf Zinsen, weil eine Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beginne und dazu auch die Bestätigung der Angaben durch die gesetzlich vorgesehenen Beweismittel, hier die Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gehöre. Das anfängliche Fehlen der Arbeitsbescheinigung sei dem Kläger zwar nicht anzulasten, falle jedoch in seinen Risikobereich, so dass es zu seinen Lasten gehe, während der Beklagten kein Fehlverhalten vorzuwerfen sei. Sie habe in angemessener Weise zunächst den Ausgang des Arbeitsgerichtsverfahrens abgewartet, das erst die Frage der versicherungspflichtigen Beschäftigung geklärt habe. Sie habe sich insbesondere nicht schon im Mai/Juni 1996 an die zuständige Krankenkasse als Einzugsstelle wenden müssen. Auch die Androhung und Festsetzung von Ordnungsmitteln gegenüber dem Arbeitgeber wäre unter diesen Umständen nicht tunlich gewesen. Wegen der schon laufenden arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Kläger und Arbeitgeber habe die Beklagte den Ausgang dieses Verfahrens abwarten dürfen. Nach Eingang des LAG-Urteils habe sie sich unverzüglich um die Feststellung der Höhe des Arbeitsentgelts bemüht.

12

Gegen das ihm am 7. April 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3. Mai 2005 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und sich auf sein Vorbringen erster Instanz bezogen.

13

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

14

das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 15. März 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2003 aufzuheben und die Beklagte zur verurteilen, ihm für das im April bzw. Juli 2003 gezahlte Arbeitslosengeld Zinsen entsprechend den gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie bezieht sich auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils.

18

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Prozessakte - L 12 AL 185/05 (S 4 AL 554/03) - sowie die Verwaltungsakte der Beklagten (Band I und II, Kd.-Nr. 109250) und die Akten des Arbeitsgerichts/Landesarbeitsgerichts Hamburg zu den Az. 3 Sa 11/96 / 4 Ca 271/96 (drei Bände). Diese Unterlagen haben dem Gericht vorgelegen und sind zum Gegenstand der Entscheidungsfindung gemacht worden.

Entscheidungsgründe

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Das Gericht konnte durch den Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich damit gemäß § 155 Abs. 3 und § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt haben.

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Die Berufung ist - unabhängig von ihrer Zulassung - zulässig, da ein Berufungsausschließungsgrund gemäß § 144 Abs. 1 oder 4 SGG in der hier noch anzuwendenden bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung nicht gegeben ist; der Beschwerdewert überschreitet die Grenze von 500 Euro und die Berufung betrifft auch nicht lediglich die Kosten des Verfahrens. Die Berufung ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des SG hat der Kläger Anspruch auf die streitigen Zinsen.

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Gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 v. H. zu verzinsen (Abs. 1); dabei beginnt die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung (Abs. 2).

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Fällig ist ein Anspruch gemäß § 41 SGB I, soweit die besonderen Teile des Sozialgesetzbuchs keine Regelung enthalten, mit dem Entstehen des Anspruchs, das gemäß § 40 Abs. 1 SGB I bei Ansprüchen auf Sozialleistungen gegeben ist, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen.

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Der Anspruch auf Alg setzt nach § 100 Abs. 1 des hier noch anzuwendenden Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) voraus, dass der Antragsteller arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Diese Voraussetzungen waren - worüber auch unter den Beteiligten kein Streit besteht - am 20. Mai 1996 erfüllt. Zwar war die Erfüllung der Anwartschaftszeit von 360 Kalendertagen einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren (§ 104 AFG) zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt, da umstritten war, ob - nach elfmonatiger versicherungspflichtiger Beschäftigung 1994/95 - auch bei der G-GmbH ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden hatte. Rückschauend war dieses jedoch gegeben, wovon auch die Beklagte ausgeht. Dabei ist das beitragspflichtige Beschäftigungsverhältnis von der Beklagten selbständig festzustellen. Es fällt zwar zum großen Teil mit einem Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechtes zusammen, ist aber damit nicht vollkommen deckungsgleich und ist darüber hinaus von der Beklagten (und der Sozialgerichtsbarkeit) unabhängig von der Beurteilung der Arbeitsgerichte festzustellen. Wie sich aus dem Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 17. Oktober 1996 wie auch bereits aus dem Schreiben der BEK Hamburg vom 1. Juli 1996 an die Prozessbevollmächtigten des Klägers ergibt, hatte die G-GmbH den Kläger dort als beitragspflichtig zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung vom 1. August 1995 bis zum 31. März 1996 angemeldet und Beiträge entrichtet. Offenbar waren auch die Lohnsteuerkarten 1995 und 1996 und die Sozialversicherungsunterlagen von der G-GmbH entgegengenommen und erst im Mai 1996 an den Kläger zurückgegeben worden. Außerdem waren bis dahin auch an den Kläger selbst von der G-GmbH Zahlungen erfolgt, die von diesem als Gehaltszahlungen bzw. Abschlagszahlungen auf Gehalt in Höhe von weit mehr als der Hälfte des im fraglichen Zeitraum nach Angaben des Klägers zustehenden Gehaltes angenommen wurden. Des Weiteren spricht für ein Bestehen eines Arbeitsverhältnisses auch der Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg, in dem beide Parteien ein Arbeitsverhältnis zugrunde gelegt haben, während im anschließenden Streit um die Anfechtung des Vergleichs nicht das Arbeitsverhältnis an sich, sondern im Wesentlichen einzelne an den Kläger bereits erfolgte Zahlungen umstritten waren. Es besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass vorliegend trotz eines bestehenden Arbeitsverhältnisses ausnahmsweise ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht bestanden hat. Da somit - unter Berücksichtigung der vorangegangenen Beschäftigung des Klägers - eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung von (mindestens) 360 Kalendertagen vorlag, war auch die Anwartschaftszeit und damit alle im Gesetz bestimmten Voraussetzungen des Alg-Anspruchs gegeben.

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Nicht zu den gesetzlichen Voraussetzungen gehört das Vorliegen einer Arbeitsbescheinigung gemäß § 133 AFG. Diese Bescheinigung ist vom Arbeitgeber zu erstellen und dient (nur) der Beschleunigung des Bewilligungsverfahrens und der Beweissicherung (vgl. zur inhaltsgleichen Nachfolgeregelung Düe in: Niesel, SGB III, 4. Aufl., § 312 Rn. 2). Dementsprechend hat die Beklagte auch zu Recht schließlich das Arbeitslosengeld bewilligt, ohne dass ihr eine solche Arbeitsbescheinigung vorlag.

25

Da auch besondere Regelungen über die Fälligkeit von Alg im AFG nicht enthalten sind, ist gemäß § 41 SGB I mit dem Entstehen des Leistungsanspruchs durch Vorliegen all seiner Voraussetzungen am 20. Mai 1996 auch die Fälligkeit eingetreten.

26

Auch der Eingang des vollständigen Leistungsantrags im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB I war mit der Stellung des Antrags auf Arbeitslosengeld anzunehmen, sodass sechs Monate danach die Verzinsungspflicht beginnt. Die Beklagte hat vom Kläger auch keine weiteren Angaben oder Unterlagen verlangt. Das Vorliegen einer Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers gehört - wie oben schon für die Anspruchsvoraussetzungen ausgeführt - auch nicht zu den Voraussetzungen eines vollständigen Leistungsantrages. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Amtsermittlungspflicht der Beklagten gemäß § 20 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und der dem Arbeitgeber, nicht dem Arbeitslosen, obliegenden Pflicht zur Vorlage einer Arbeitsbescheinigung sowie der Möglichkeiten der Beklagten, dieses auch durchzusetzen. Darüber hinaus gilt sogar ein unvollständiger Antrag als vollständig, wenn das verbliebene Informationsdefizit allein in dem Verantwortungsbereich des Leistungsträgers liegt (Seewald in: KassKomm SGB I, § 44 Rn. 8). Das ist vorliegend im Hinblick auf die Arbeitsbescheinigung der Fall. Selbst wenn man annehmen wollte, dass diese zu einem vollständigen Leistungsantrag gehört, könnte danach der unvollständige Antrag als vollständig gelten, weil hier angesichts der Amtsermittlungspflicht und fehlender Mitwirkungsaufforderung an den Kläger das verbliebene Informationsdefizit allein in den Verantwortungsbereich der Beklagten fällt.

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Es spricht auch viel dafür, dass die Beklagte ohne großen Aufwand die offene Frage wesentlich früher hätte klären können, wobei bemerkenswert ist, dass sie durch die Bewilligung von Alhi, die einen Anspruch auf Alg ausschließt, eine Entscheidung zu Lasten des Klägers bereits getroffen hatte, wenn auch wohl mit dem stillen (oder mündlichen) Vorbehalt, diese Entscheidung ggf. zu revidieren. Bereits mit dem Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 17. Oktober 1996, lag eine ausführliche Darstellung und Bewertung des Arbeitsverhältnisses des Klägers vor, die der Beklagten auch eine Beurteilung der Frage des beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses erlaubt hätte, während der Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht im März 1997 nur noch zusätzlich das - letztlich nicht maßgebliche - Eingeständnis der Arbeitgeberseite enthielt und der nachfolgende Streit um die Anfechtung des Vergleichs die hier relevante Frage überhaupt nicht mehr betraf. Es kann jedoch offen bleiben, ob die Beklagte eine sachgerechte Entscheidung früher hätte treffen können oder müssen, denn auf Verschulden kommt es im Rahmen der Verzinsungspflicht nach § 44 SGB I im Gegensatz zum bürgerlichen Recht nicht an, so dass der Anspruch selbst dann zu verzinsen ist, wenn seine fristgerechte Erfüllung dem Leistungsträger unmöglich war (vgl. Seewald aaO. Rn. 7 und Rn. 8 unter Hinweis auf BSG SozR 1200 § 44 Nr. 16).

28

Nicht durchgreifen kann schließlich der Einwand der Beklagten (im Klageverfahren), es habe sich um eine Entscheidung ohne Antrag gehandelt, bei der die Verzinsungspflicht gemäß § 44 Abs. 2 Halbs. 2 SGB I erst nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung beginne. Denn die Beklagte hat, selbst wenn man die ursprüngliche Bewilligung von Alhi als eine Entscheidung (auch) über den Alg-Antrag ansieht, diese Entscheidung aufgehoben, den ursprünglichen Antrag auf Alg wiederaufgegriffen und nunmehr positiv entschieden. Da der Antrag zu den gesetzlichen Voraussetzungen des Alg-Anspruchs gehört, kam eine - rechtmäßige - Entscheidung ohne Antrag auf Alg auch nicht in Betracht. Da somit die Voraussetzungen für einen Verzinsungsanspruch des Klägers erfüllt sind, war der Berufung stattzugeben.

29

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

30

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Es ist nicht erkennbar, dass hier eine Frage grundsätzlicher Bedeutung berührt wird, die höchstrichterlicher Klärung bedarf.