Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 20.06.2023, Az.: 3 B 685/23
Auswahlgespräch; Auswahlvermerk; Bewerbungsverfahrensanspruch; Dokumentationspflicht; Gedächtnisprotokoll; strukturiertes Auswahlgespräch; widersprüchlich; Auswahl widersprüchlich und nicht nachvollziehbar begründet; Verstoß gegen Dokumentationspflichten
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 20.06.2023
- Aktenzeichen
- 3 B 685/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 44087
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2023:0620.3B685.23.00
Tenor:
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die ausgeschriebene Stelle einer Ausbildungsmeisterin/eines Ausbildungsmeisters Kraftfahrzeugtechnik (m/w/d), I. bei der Beschäftigungsdienststelle Materialwirtschaftszentrum Einsatz der Bundeswehr-Ausbildungswerkstatt I. in J. - Stellen-ID K. mit dem Beigeladenen zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden ist.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auf 23.206,26 € festgesetzt.
Gründe
Der Antrag hat Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Der Antragsteller hat sowohl die Eilbedürftigkeit der begehrten gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) als auch seine materielle Anspruchsberechtigung (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, da der ausgeschriebene Dienstposten mit dem Beigeladenen besetzt und der Beigeladene ausweislich der ihm erteilten Zusage vom 4. April 2023 zum nächstmöglichen Zeitpunkt als Beamter des gehobenen technischen Verwaltungsdienstes eingestellt werden soll, sofern keine Tatsachen vorhanden sind oder eintreten, die der Begründung des Dienstverhältnisses entgegenstehen. Der Anspruch eines Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG auf beurteilungs- und ermessensfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung auf eine Stelle im öffentlichen Dienst geht mit der Ernennung eines Konkurrenten regelmäßig unter, denn eine endgültige Besetzung der ausgeschriebenen Stelle kann nach dem Grundsatz der Ämterstabilität grundsätzlich nicht mehr rückgängig gemacht werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.11.2010 - 2 C 16.09 - juris). Mit der beabsichtigten Berufung in das Beamtenverhältnis ist die Besetzung des ausgeschriebenen Dienstpostens gleichzeitig mit der Verleihung eines Statusamts verbunden, die wegen des Grundsatzes der Ämterstabilität auch dann nicht ohne weiteres rückgängig zu machen wäre, wenn sich die Auswahlentscheidung als rechtswidrig erwiese (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.11.1996 - 2 A 3.96 - juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.12.2005 - 4 S 1997/05 - NVwZ-RR 2006, 489). Hieran ändert es auch nichts, dass der Beigeladene zunächst als Beamter auf Probe ernannt werden würde, da auch ein Beamtenverhältnis auf Probe nur unter bestimmten, gesetzlich im Einzelnen geregelten Voraussetzungen beendet werden kann (vgl. § 23 Abs. 3 BeamtStG), zu denen gerade nicht die Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung gehört.
Aber selbst in der Annahme, dass die Voraussetzungen für die Begründung des Beamtenverhältnisses beim Beigeladenen nicht gegeben sein sollten, ist davon auszugehen, dass die Einstellung des Beigeladenen im Angestelltenverhältnis erfolgen soll, denn ausweislich der Ausschreibung wird der ausgewählte Bewerber in ein Beamtenverhältnis bzw. mit dem Ziel der Verbeamtung eingestellt. Dies ändert indes nichts an dem Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Der Anspruch eines Bewerbers setzt voraus, dass ein öffentliches Amt existiert, das noch nicht besetzt ist. Dies ist nicht mehr der Fall, wenn die mit dem Amt verbundene Stelle rechtlich verbindlich anderweitig vergeben ist. Eine endgültige Besetzung der Stelle ist dann erfolgt, wenn dem ausgewählten Bewerber eine gesicherte Rechtsposition eingeräumt, ihm also die Stelle rechtswirksam auf Dauer übertragen worden ist. Dies führt zu einer der Beamtenernennung vergleichbaren Verfestigung der Stellenübertragung, die nicht mehr ohne weiteres rückgängig gemacht werden könnte (VG Berlin, Beschluss vom 11.12.2020 - 5 L 293/20 - juris; vgl. OVG Berlin-G.enburg, Beschluss vom 02.07.2018 - 4 S 3.18 - juris; Sächsisches OVG, Beschluss vom 31.03.2015 - 2 B 135/15 - juris; VG München, Beschluss vom 25.05.2020 - M 5 E 19.5164 - juris).
Nach alledem besteht hier die Gefahr, dass im Zuge der Besetzung des Dienstpostens mit dem Beigeladenen Fakten geschaffen werden, die die Rechte des Antragstellers vereiteln würden.
Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch in Form der Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Dabei darf das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach Prüfungsmaßstab, -umfang und - tiefe nicht hinter einem Hauptsacheverfahren zurückbleiben (BVerwG, Urteil vom 04.11.2010 - 2 C 16.09 - juris). Das bedeutet, dass sich das Gericht nicht auf eine wie auch immer geartete summarische Prüfung beschränken darf, sondern eine umfassende tatsächliche und rechtliche Überprüfung der Bewerberauswahl vornehmen muss (Nds. OVG, Beschluss vom 16.05.2023 - 5 ME 22/23 -). Der Anspruch setzt voraus, dass die getroffene Auswahlentscheidung fehlerhaft ist und es jedenfalls möglich erscheint, dass der unterlegene Bewerber bei einer rechtsfehlerfreien Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG ausgewählt würde (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 16.01.2019 - 1 B 229/18 - juris).
Art. 33 Abs. 2 GG gewährleistet das Recht jedes Deutschen auf Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung und sichert so den Bewerbungsverfahrensanspruch. Ein Bewerber um ein öffentliches Amt kann also verlangen, dass seine Bewerbung nur aus Gründen, die durch Art. 33 Abs. 2 GG bzw. die zu seiner Konkretisierung ergangenen einfachgesetzlichen Vorschriften gedeckt sind, zurückgewiesen wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.09.2019 - 1 WDS-VR 7.19 - juris; Hess. VGH, Beschluss vom 28.11.2019 - 1 B 372/19 - juris; VG Kassel, Beschluss vom 10.05.2021 - 1 L 2432/20.KS - juris). Der Grundsatz der Bestenauswahl vermittelt jedem Bewerber ein grundrechtsgleiches Recht auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.05.2019 - 2 C 1.18 - juris). Der Bewerbungsverfahrensanspruch sichert sowohl den erstmaligen Zugang zu einem öffentlichen Amt und steht damit auch Bewerbern zu, die noch außerhalb des beamteten öffentlichen Dienstes stehen und sich insoweit um ein Eingangsamt bemühen, als auch bereits berufenen Beamten den Zugang zu Beförderungsämtern (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.02.2010 - 2 C 22.09 - juris).
Mit den Begriffen "Eignung, Befähigung und fachliche Leistung" eröffnet Art. 33 Abs. 2 GG einen Beurteilungsspielraum des Dienstherrn. Die Beurteilung dieser Merkmale ist überwiegend ein Akt wertender Erkenntnis, der vom Gericht nur beschränkt darauf zu überprüfen ist, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff verkannt, der Beurteilung einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Der pflichtgemäßen Beurteilung des Dienstherrn ist es überlassen, welchen (sachlichen) Umständen er bei seiner Auswahlentscheidung das größere Gewicht beimisst und in welcher Weise er den verfassungsrechtlichen Grundsatz des gleichen Zugangs zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung verwirklicht (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 28.11.2019 - 1 B 372/19 - juris; VG Kassel, Beschluss vom 10.05.2021 - 1 L 2432/20.KS - juris).
Der für die Bewerberauswahl maßgebende Leistungsvergleich ist vorrangig anhand aktueller dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 09.08.2016 - 2 BvR 1287/16 - juris); weitere Beurteilungsgrundlagen - wie beispielsweise Leistungstests, Selbstpräsentationen, Vorstellungsgespräche - dürfen regelmäßig nur ergänzend herangezogen werden (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 11.05.2011 - 2 BvR 764/11 - juris). Ist eine Auswahlbehörde mit nicht unmittelbar vergleichbaren Beurteilungen konfrontiert, die etwa auf der Grundlage unterschiedlicher Beurteilungsstandards und -richtlinien erstellt worden sind, trifft sie die Verpflichtung, für die unterschiedlichen Beurteilungen einen Vergleichsmaßstab zu bilden (Nds. OVG, Beschluss vom 21.12.2015 - 5 ME 196/15 - juris; Nds. OVG, Beschluss vom 16.12.2014 - 5 ME 177/14 - juris; Hessischer VGH, Beschluss vom 30.04. 2003 - 1 TG 363/03 - juris). Dies gilt auch bei einer Konkurrenz zwischen Beamten und externen Bewerbern, die in einem Arbeitsverhältnis stehen (Nds. OVG, Beschluss vom 26.10.2012 - 5 M 220/12 - juris). Diese in erster Linie für die Beförderungsauswahl entwickelte Verpflichtung der Auswahlbehörde, vorrangig dienstliche Beurteilungen heranzuziehen, gilt im Grundsatz auch für die Auswahl von Einstellungsbewerbern (VG Berlin, Beschluss vom 11.12.2020 - 5 L 293/20 - juris) bzw. wenn sich - wie hier Herr I., Regierungssekretär des Besoldungsgruppe A 6m beim Bundeswehrdienstleistungszentrum J. - ein Beamter des nichttechnischen Verwaltungsdienstes und im Übrigen Angestellte beworben haben.
Aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall eine dienstliche Beurteilung dieses Bewerbers nicht eingeholt und auch eine Vergleichbarkeit der Arbeitszeugnisse mit der dienstlichen Beurteilung nicht vorgenommen hat, sondern für die Auswahl der Bewerber entscheidend allein auf das am 3. November 2022 mit fünf verbliebenen Bewerbern - unter ihnen nicht der beamtete Bewerber - durchgeführte Auswahlgespräch abgestellt hat, führt indes nicht bereits zur Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs, denn die im vorliegenden Fall zu beurteilende Fallkonstellation betrifft nicht eine Beförderungskonkurrenz, sodass die Rechtsprechung mit den im Wesentlichen zu dieser Konkurrenzsituation entwickelten Grundsätzen nicht ohne weiteres Geltung beanspruchen kann. Das hier in Rede stehende Auswahlverfahren hat nämlich in erster Linie die Einstellung von Beschäftigten mit abgeschlossener Meisterausbildung bzw. Technikerprüfung im Kfz-Handwerk zum Gegenstand und richtete sich nach erfolgloser interner Ausschreibung vornehmlich an noch nicht im Dienst der Antragsgegnerin befindliche Bewerber, ohne allerdings interne Bewerber - unabhängig davon, ob Beamte oder Angestellte wie den Antragsteller - auszuschließen. Diese Ausrichtung legt die Formulierung der öffentlichen (bzw. externen) Ausschreibung für die zu besetzenden Stelle nahe. Auch der beamtete Bewerber im nichttechnischen Verwaltungsdienst erscheint bei der Bewerbung auf die ausgeschriebene Stelle im technischen Verwaltungsdienst eher als Einstellungsbewerber denn als Beförderungsbewerber. Vor dem Hintergrund ist die Vorgehensweise der Antragsgegnerin, auf die Einholung einer dienstlichen Beurteilung des einzigen beamteten Bewerbers sowie auf die Einholung von qualifizierten Arbeitszeugnissen für die übrigen Bewerber zu verzichten, nicht als rechtsfehlerhaft zu bewerten, zumal sich die Einholung von qualifizierten Arbeitszeugnissen bei den meisten Bewerbern, die sich in einem bestehenden Arbeitsverhältnis befinden, als schwierig bis unmöglich hätte erweisen dürfen. Lässt sich aufgrund dessen eine verlässliche Grundlage für einen Leistungsvergleich anhand von dienstlichen Beurteilungen und qualifizierten Arbeitszeugnissen nicht bilden, so kommen auch andere geeignete Erkenntnismittel wie insbesondere strukturierte Auswahlgespräche in Betracht, auf die der Dienstherr dann seine Auswahlentscheidung maßgeblich stützen darf, wenn sie denn gleichmäßig und nach einheitlichen Maßstäben auf alle Bewerber angewendet worden sind (BVerwG, Beschluss vom 27.04.2010 - 1 WB 39.09 - juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.05.2018 - 6 B 229/18 - juris; OVG Berlin-G.enburg, Beschluss vom 18.01.2019 - OVG 10 S 45.17 - juris).
Schließlich ist die Auswahlbehörde aus Art. 33 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen. Erst eine derartige Dokumentation eröffnet dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen. Soweit eine Auswahlentscheidung maßgeblich auf Tests sowie Eindrücke einer Selbstpräsentation und eines Vorstellungsgespräches gestützt wird, muss sie daraufhin überprüft werden können, ob die Auswahlbehörde von zutreffenden Rechtsbegriffen ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe sowie Verwaltungsvorschriften beachtet und keine sachwidrigen Erwägungen angestellt hat. Dies erfordert kein detailliertes Protokoll, insbesondere kein Wortprotokoll der Gespräche. Vielmehr reicht es aus, wenn die Aufgaben sowie die an Stellenbewerber gerichteten Fragen und die besprochenen Themen, die Antworten der Bewerber, die Bewertung dieser Antworten durch die Auswahlkommission sowie der persönliche Eindruck von den Bewerbern zumindest in Grundzügen festgehalten werden (vgl. OVG Berlin-G.enburg, Beschluss vom 24.04.2020 - 4 S 63.19 - juris).
Hieran gemessen verletzt die Auswahlentscheidung den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers, weil zum einen die Auswahl des Beigeladenen als leistungsstärksten Bewerber anhand des am 17. November 2022 erstellten Auswahlvermerks nicht hinreichend nachvollziehbar ist und die Begründung für die getroffene Auswahl unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren unter Einbeziehung des nachträglich erstellten Gedächtnisprotokolls vom 8. Juni 2023 widersprüchlich ist.
Bei einem strukturierten, nach festgelegten Kriterien bewerteten Auswahlgespräch handelt es sich um eine unmittelbar leistungsbezogene Erkenntnisquelle. Hingegen ist ein Vorstellungsgespräch, bei dem es im Wesentlichen um den persönlichen Eindruck des Bewerbers geht, eher ein Hilfskriterium, auch wenn eine trennscharfe Abgrenzung nicht in allen Fällen möglich ist.
Ausweislich des Auswahlvermerks vom 17. November 2022 wurde am 3. November 2022 ein "mündliches Auswahlverfahren in Form von Einzelinterviews" mit einer Dauer von ca. 45 Minuten abgehalten. Die Kandidaten/-innen hätten im Rahmen des Vorstellungsgesprächs einheitlich anhand eines Modells fünf Fachfragen beantworten müssen, mit denen die Güte ihres fachlichen Wissens geprüft worden sei, welche nach einem Punktesystem mit maximal zehn Punkten bewertet worden sei. Anhand der erzielten Punktzahl sei ein "Ranking" vorgenommen worden. Der Beigeladene habe bei der Fachbefragung acht Punkte erreicht und der Antragsteller habe bei der Fachbefragung sieben Punkte erzielt. Der Auswahlvermerk schließt mit der Feststellung, dass der Beigeladene "nach der Bewertung der leistungsstärkste Bewerber" ist.
Soweit Auswahlgespräche auch als leistungsbezogene Elemente - wie hier nach dem Auswahlvermerk ausschließlich - die Auswahl maßgeblich und entscheidungserheblich bestimmen, setzt dies voraus, dass die Durchführung derartiger Gespräche den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG genügt. Dazu ist es erforderlich, dass alle Bewerber tatsächlich die gleiche Chance haben, ihre fachliche und/oder persönliche Eignung unter Beweis zu stellen. Dies umfasst insbesondere die Befragung zu gleichen oder vergleichbaren (leistungsbezogenen) Themenkomplexen in einem formalisierten Rahmen sowie die Möglichkeit, in gleichem und ausreichend großem Zeitraum zu antworten. Das setzt weiter voraus, dass diese Auswahlgespräche - für die Bewerber erkennbar - nach im Vorhinein festgelegten einheitlichen Kriterien und Maßstäben bewertet und die Ergebnisse hinreichend dokumentiert werden (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.12.2016 - 4 S 2078/16 - juris). Die gestellten Themen sowie die Antworten müssen in den Grundzügen protokolliert werden, um eine Nachprüfbarkeit und eine eventuelle gerichtliche Überprüfung zu ermöglichen (OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 28.10.1996 - 3 M 89/96 - juris). Diese Niederschrift muss zeitnah erfolgen (Hessischer VGH, Beschluss vom 26.10.1993 - 1 TG1585/93 - juris).
Diesen Anforderungen halten die Ausgestaltung des Auswahlverfahrens und der Auswahlvermerk vom 17. November 2022 sowie das nachträglich erstellte Gedächtnisprotokoll vom 8. Juni 2023 über die Auswahlgespräche am 3. November 2022 nicht stand. Die Bewerber sind mit Schreiben vom 19. Oktober 2022 lediglich zu einem "unverbindlichen Vorstellungsgespräch" mit dem weiteren Hinweis eingeladen worden, dass das Vorstellungsgespräch ca. 45 Minuten dauern werde. In dem Einladungsschreiben findet sich indes kein Hinweis darauf, dass ein strukturiertes Auswahlgespräch in der Weise erfolgen soll, dass die fachliche Leistung anhand von gestellten Fachfragen und deren Beantwortung bewertet werden soll. Den Bewerbern musste sich der Eindruck aufdrängen, dass es in dem Vorstellungsgespräch ausschließlich darum gehen würde, einen persönlichen Eindruck zu vermitteln. Ein Hinweis auf eine Überprüfung des fachlichen Leistungsvermögens der jeweiligen Bewerber fehlt indes völlig.
Dem Auswahlvermerk ist nicht zu entnehmen, welche fünf Fachfragen gestellt worden sind und welche Antworten die Bewerber jeweils gegeben haben. Ferner ist nicht festgehalten worden, welche Punktzahl bei der richtigen Beantwortung der jeweiligen Fachfrage zu erzielen war. In dem Auswahlvermerk finden sich keine Ausführungen dazu, wie der Beigeladene letztlich auf eine Punktzahl von acht Punkte gekommen ist und mit welchen Antworten der Antragsteller eine Punktzahl von sieben erreicht hat. Ebenso fehlt es an jeglichen Ausführungen zur persönlichen Eignung der jeweiligen Bewerber. Vielmehr ist nach dem knappen Auswahlvermerk allein auf die gezeigte Leistung bei der Beantwortung der fünf Fachfragen abgestellt worden. Die erforderliche Abwägung zwischen der persönlichen und der fachlichen Eignung lässt sich dem Auswahlvermerk nicht entnehmen. Darauf kam es nach dem Auswahlvermerk nicht an, weil man sich ausschließlich für den nach der Beantwortung der fünf Fachfragen leistungsstärksten Bewerber mit der höchsten Punktzahl entschieden hat.
Soweit die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren mit ihrem Vorbringen nunmehr darauf abstellt, dass es auf eine fehlerfreie Erklärung des Vorkammereinspritz-Systems überhaupt nicht angekommen sei, sondern die von den Bewerbern gezeigten Fähigkeiten im Umgang mit den Auszubildenden im Hinblick auf die Kompetenzen Führung, Fürsorge und Methodik beurteilungsrelevant gewesen seien und das Vorkammereinspritz-System lediglich Mittel zum Zweck gewesen sei, steht diese Einlassung im Widerspruch zu dem Auswahlvermerk, der für die Auswahl des Beigeladenen ausschließlich auf die gezeigte fachliche Leistung der Bewerber bei den Fachfragen abstellt, mit denen gerade die "Güte ihres fachlichen Wissens" geprüft worden sei. Wenn die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren weiter darauf hinweist, dass es nachvollziehbar sei, die für die Aufgabenwahrnehmung eines Ausbildungsmeisters erforderlichen "Softskills" im Rahmen des Auswahlgesprächs abzuprüfen, da die fachliche Kompetenz der Bewerber bereits durch einschlägige Zeugnisse nachgewiesen sei, schlägt sich dieser Ansatz in dem Auswahlvermerk überhaupt nicht nieder. Vielmehr geht es in dem Auswahlvermerk ausschließlich um die von den Bewerbern gezeigte fachliche Leistung bei der Beantwortung der Fachfragen. Jedenfalls ist nicht ansatzweise ersichtlich, dass für gezeigte "Softskills" in irgendeiner Weise Punkte vergeben wurden.
Das nachträglich während des vorliegenden Verfahrens erstellte Gedächtnisprotokoll vom 8. Juni 2023 von insgesamt vier Seiten über die Auswahlgespräche und das Auswahlverfahren am 3. November 2022 steht ebenfalls im Widerspruch zu dem Auswahlvermerk. Insoweit ist zunächst vorab festzustellen, dass dieses Gedächtnisprotokoll den Anforderungen an eine zeitnahe Dokumentation über den Ablauf der Auswahlgespräche nicht mehr entspricht, denn das Gedächtnisprotokoll ist erst über sieben Monate nach den am 3. November 2022 durchgeführten Auswahlgesprächen unter dem Eindruck des vorliegenden Verfahrens gefertigt worden. Dieser lange Zeitraum spricht nach Überzeugung des Gerichts dafür, dass dem Gedächtnisprotokoll eine hinreichende Aussagekraft über den Ablauf der Auswahlgespräche und den Auswahlvorgang nicht mehr beigemessen werden kann. Dieser Eindruck drängt sich auch deshalb auf, weil in dem Gedächtnisprotokoll zum Teil sehr genau und detailliert festgehalten wird, welche Antwort welcher Bewerber gegeben hat, was in Anbetracht des vergangenen Zeitraums von über sieben Monaten eher verwunderlich ist, weil nach so langer Zeit Antworten von einzelnen Bewerbern auf Fragen aus dem Gedächtnis üblicherweise nicht derart präzise wiedergegeben werden können.
Nach dem Gedächtnisprotokoll seien in den gegliederten Auswahlgesprächen jeweils Fragen der Gremienmitglieder gestellt worden, ein Rollenspiel zur fachlichen Prüfung durchgeführt worden und Fragen zur Bundeswehr im Allgemeinen gestellt worden. Zu den Fragen der Gremienmitglieder erschöpft sich das Gedächtnisprotokoll in der für die Auswahl nicht aussagekräftigen Feststellung, dass die Antworten der Bewerbenden auf diese Fragen unterschiedlich ausführlich gewesen seien, aber im Detail nicht dokumentiert seien. Bei dem Rollenspiel hätten die Bewerbenden ihre Fähigkeiten und Kompetenzen in Form eines praktischen Teils im Rahmen eines Rollenspiels unter Beweis stellen sollen, bei dem ein Auszubildender gespielt durch Hauptmann K. den Ausbildungsmeister (hier den jeweiligen Bewerber) kurz vor der Abschlussprüfung bittet, eigene fachliche Defizite in Form von Erklärungen auszuräumen, um die Abschlussprüfung bestehen zu können. Für diese Art von "Lehrprobe" sei exemplarisch das Modell eines Vorkammer-Dieselmotors verwendet worden. Bewertungskriterium für die Dienststelle sei neben der Erklärung der Funktionsweise eines einfachen Dieselmotors, die Art und Weise der Kommunikation sowie die Empathie eines Ausbildungsmeisters mit einem hilfesuchenden Auszubildenden gewesen. In diesem praktischen Anteil sei der Grad der Eignung offensichtlich und durch Oberstleutnant L. in der Zusammenfassung begründet worden, sodass der Beigeladene deutlich an der Spitze positioniert worden sei.
Im zweiten "praktischen Teil" seien weitere Fragen gestellt worden nämlich, welche Einflüsse beim Kfz ohne automatische Lichtregulierung zu einer Veränderung führen würden und die Nachfrage, wie bei diesen Kfz möglichst sinnvoll die Lichtausrichtung eingestellt werde. Die erste Frage habe der Beigeladene sehr genau und ausführlich beantwortet und auch die Nachfrage habe nur der Beigeladene ausführlich und richtig beantwortet. Nach dem praktischen Teil seien noch vier allgemeine Fragen zur Bundeswehr gestellt worden. Nach Beratung des Gremiums sei von den einzelnen Verantwortlichen eine Leistungsreihenfolge für die Bewerbenden abgegeben worden. Sechs Mitglieder des Auswahlgremiums hätten den Beigeladenen als ersten in der Leistungsreihenfolge gesehen und den Antragsteller auf den zweiten Platz verwiesen. Ein Mitglied des Gremiums habe den Antragsteller vorne gesehen und dem Beigeladenen den Rang zwei zugewiesen. Gemäß dieser Vorschläge sei im Auswahlvermerk der Beigeladene als leistungsstärkster Bewerber zum "Ausschreibungssieger" ausgewählt worden. In diesem Gedächtnisprotokoll ist im Gegensatz zum eigentlichen Auswahlvermerk vom 17. November 2022 nicht mehr die Rede davon, dass für Fachfragen Punkte vergeben worden sind und welche Punkte von welchem Bewerber erzielt worden sind oder dass die Gremienmitglieder für ihre Reihenfolge Punkte vergeben hätten. Der Auswahlvermerk beschränkt sich auf die Vergabe von Punkten für beantwortete Fachfragen und auf eine Punktevergabe, die letztlich den Ausschlag gegeben haben soll. Im Gedächtnisprotokoll findet sich dazu überhaupt kein Ansatzpunkt. Vielmehr soll es nach dem Gedächtnisprotokoll aufgrund des gesamten Eindrucks nämlich der Beantwortung der Fragen und aufgrund des praktischen Teils jeweils von jedem Gremiumsmitglied eine Leistungsreihenfolge gegeben haben. Vergleicht man den Auswahlvermerk vom 17. November 2022 mit dem Gedächtnisprotokoll über den Auswahlvorgang am 3. November 2022, fällt auf, dass die Maßstäbe für die Auswahl des Beigeladenen jeweils unterschiedlich und die maßgeblichen Auswahlerwägungen widersprüchlich sind.
Insgesamt bleibt deshalb festzuhalten, dass der Dokumentationspflicht hinsichtlich des strukturierten Auswahlgesprächs nicht hinreichend Rechnung getragen wurde und die Auswahlerwägungen letztlich nicht nachvollziehbar sind und daher nicht geeignet sind, die Auswahlentscheidung zu tragen.
Die Auswahl des Antragstellers im Rahmen einer neuen Auswahlentscheidung erscheint ernstlich möglich. Insbesondere erfüllt der Antragsteller die Anforderungen, die in der Stellenausschreibung festgelegt worden sind. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Antragsteller bei Vermeidung der Rechtsverstöße bei einer neuen Auswahl von vornherein zweifelsfrei chancenlos wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass der Beigeladene, der sich mangels eigener Antragstellung keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 Satz 1 VwGO), seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Nr. 2 GKG und beträgt die Hälfte der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltfähiger Zulagen. Unter dem Begriff der "Bezüge" im Sinne der Neuregelung sind nicht die individuellen Bezüge eines Beamten mit seinen konkreten Dienstalters- bzw. Erfahrungsstufen zu verstehen, sondern das Endgrundgehalt des begehrten Amtes (Nds. OVG, Beschluss vom 25.08.2014 - 5 ME 116/14 - juris). Demnach war das Endgrundgehalt des angestrebten Beförderungsamtes A 9m in Höhe von 3.867,71 € mit dem Faktor 6 zu multiplizieren, was einen Streitwert in Höhe von 23.206,26 € ergibt. Eine Halbierung für das Eilverfahren findet nicht statt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16.05.2013 - 5 ME 92/13 - juris).