Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 14.07.2006, Az.: 1 B 26/06

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
14.07.2006
Aktenzeichen
1 B 26/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 44584
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2006:0714.1B26.06.0A

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin erstrebt eine Neubescheidung ihres Antrages auf Gewährung eines Forschungssemesters.

2

Sie ist Professorin der Stiftungsuniversität C., die ihr zuletzt im Wintersemester 2000/2001 ein Forschungssemester bewilligt hatte. In der Zeit vom 1. Oktober 2002 bis zum 30. August 2005 (WS 02/03 - SS 2005) war die Antragstellerin an die Universität D., Fachbereich Rechtswissenschaften, abgeordnet, um dort im Rahmen des gemeinsamen Studienprojekts "E." für die beteiligten Länder Niedersachsen/Bremen/Niederlande tätig werden zu können.

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Mit Schreiben vom 23. März 2006 beantragte die Antragstellerin abermals ihre Freistellung nach § 24 Abs. 3 NHG für ein Forschungs- und Praxissemester im WS 2006/2007, u.zw. - wie sich den Anlagen zu diesem Antrag entnehmen ließ - für eine Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der "F.". Dabei soll mit dem führenden europäischen Konzern - G. - kooperiert werden, der bereits in schriftlicher Form zugesagt hat.

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Durch Bescheid vom 2. Mai 2006 - bekannt gegeben am 17. Mai 2006 - wurde der Antrag mit der Begründung abgewiesen, als angemessener Zeitabstand für Freistellungen gelte nach der Senatsrichtlinie zu § 24 Abs. 3 NHG eine ununterbrochene Lehrtätigkeit von 8 Semestern, wobei vorausgesetzt sei, dass diese Wartezeit auch an der Hochschule erbracht worden sein muss, welcher die Professorin oder der Professor angehöre. Da während der Abordnung nach D. an der Universität C. keine Dienstaufgaben wahrgenommen worden seien, könne daraus auch keine Wartezeit hergeleitet werden. Vielmehr handele es sich um eine schädliche Unterbrechung der achtsemestrigen Wartezeit.

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Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin Klage erhoben - Az. 1 A 132/06 - und daneben im vorliegenden Verfahren um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit der Begründung nachgesucht, ab Beginn des WS 2006/2007 zum 1. Oktober 2006 (Vorlesungsbeginn 9. Oktober 2006) könne die Gewährung eines Forschungssemesters weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht rückgängig gemacht werden. Durch eine negative Entscheidung würden ihr unzumutbare Nachteile zugefügt, zumal schon fortgeschrittene Verhandlungen mit der H. eingeleitet seien. Im Übrigen stehe die Gewährung eines Forschungssemesters im Ermessen des Präsidiums der Antragsgegnerin, das jedoch sein Ermessen offensichtlich fehlerhaft ausgeübt habe. Denn durch ihre Abordnung habe sie ihre Zuordnung zur sog. Stammdienststelle - der Universität C. - nicht verloren, die ihr auch die Bezüge weiterhin gezahlt habe. Zudem sei sie als Gutachterin weiterhin in C. involviert gewesen und habe auch Diplomanden betreut. Bei einer Abwägung zwischen der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG und der Sicherstellung eines Lehrangebotes, wofür sie gesorgt habe, müsse in einem summarischen Verfahren zu ihren Gunsten entschieden werden.

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Sie beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung unter Aufhebung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 2.5.2006, zugegangen am 17.5.2006, zu verpflichten, über den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung eines Forschungssemesters zum Wintersemester 2006/2007 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

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Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

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Sie bezieht sich zur Begründung auf den ergangenen Bescheid und legt dar, Klageziel und Antragsziel stimmten überein, so dass die Hauptsache vorweggenommen, wenn dem Antrag stattgegeben würde. Es sei zudem nicht einmal ansatzweise erkennbar, dass bei einem späteren Antritt des Forschungssemesters die Bearbeitung des Themas obsolet würde. Die Antragstellerin habe jedoch die Planungen für ihr Forschungssemester nicht fristgerecht begonnen und so dazu beigetragen, dass die Entscheidung hierüber nicht mehr innerhalb der vorgesehenen Frist habe erfolgen können. Eine Ermessensentscheidung über den Freistellungsantrag habe hier letztlich auch gar nicht getroffen werden können, da der erforderliche Abstand zwischen den Freistellungszeiträumen - die Wartezeit - nicht erfüllt sei, es also am notwendigen Tatbestand für eine Ermessensentscheidung schon fehle. Maßgeblich für die Wartezeit seien nur solche Zeiten, die an der eigenen Hochschule erbracht worden seien. Die Antragstellerin aber habe der Universität 3 Jahre lang - bis auf wenige Ausnahmen - nicht zur Verfügung gestanden. Im Übrigen habe der Fachbereichsrat Wirtschaftsrecht seine Zustimmung zur Verlängerung der Abordnung an die Universität D. nur unter der Voraussetzung erteilt, dass die Abordnung gerade nicht auf den Zeitabstand zum nächsten Forschungssemester angerechnet werde. Das sei von der Präsidentin der ehem. Fachhochschule im April 2003 akzeptiert worden. Hinsichtlich der Bezüge sei korrigierend festzustellen, dass diese vierteljährlich von der "E." erstattet worden seien.

9

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten nebst den beigezogenen Verwaltungsvorgängen Bezug genommen.

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II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

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1. Dahinstehen kann, ob ein Anspruch auf Neubescheidung, wie er im Klageverfahren 1 A 132/06 verfolgt wird, in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes überhaupt sicherungsfähig ist.

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Die noch h.M. lehnt das grundsätzlich ab und gelangt ausnahmsweise nur dann zur Sicherungsfähigkeit im vorläufigen Rechtsschutzverfahren, wenn sich ein Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes feststellen lässt (Finkelnburg/Jank, NJW-Schriften 12, 4. Auflage Rdn. 237 m.w.N.). Eine Mindermeinung hält es dagegen für möglich, auch eine hinter einem solchen Anspruch zurückbleibende Neubescheidung zu sichern (Finkelnburg/Jank, aaO., Rdn. 238 m.w.N.). Allerdings ist auch nach der Mindermeinung Voraussetzung einer vorläufigen Regelung, dass sich über die Rechtsfehlerhaftigkeit der Ablehnung hinaus mit "zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit" feststellen lässt, dass die erneute Entscheidung (Bescheidung) zu Gunsten des Antragstellers ergehen wird, worüber eine positive Prognose abzugeben ist. Gestaltet sich eine Vorausbeurteilung schwierig, kann in Ausnahmefällen - falls das die einzige Möglichkeit ist, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (Art. 19 Abs. 4 GG) - auch noch der bloße Anspruch auf eine rechtsfehlerfreie Bescheidung gesichert werden (vgl. etwa OVG Münster, NVwZ-RR 1988, 102/103).

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2. Diese Voraussetzungen für eine Überschreitung des Hauptsacheverfahrens liegen hier indes nicht vor.

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2.1 Schon eine Fehlerhaftigkeit der getroffenen Entscheidung ist bei summarischer Betrachtung der Sach- und Rechtslage in hohem Maße zweifelhaft. Nach dem Erlass des Nds. MWK v. 15. August 1994 ist es so, dass die 8-semestrige Wartezeit

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"an der Hochschule verbracht worden sein (muß), der die Professorin oder der Professor angehört."

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Andere Zeiten - Lehrtätigkeiten an einer anderen Hochschule vor der Berufung an diese Hochschule - können auf Antrag ggf. bis zu einem Bruchteil angerechnet werden. Dieser Erlass, der zu einer früheren Fassung des NHG ergangen ist, enthält nicht nur ermessenslenkende, sondern auch norminterpretierende Ausführungen (Nds. OVG, NdsVBl. 2005, S. 240/242). Nun ist zwar die Zeit einer Abordnung in diesem Erlass nicht ausdrücklich angesprochen worden, aber aus dem dargestellten Grundsatz ist herzuleiten, dass Wartezeiten an derjenigen Universität zu erfüllen sind, der die Professorin oder der Professor angehört. Eine solche hochschulbezogene Betrachtung hat hier offenbar auch der Fachbereichsrat Wirtschaftsrecht angestellt, der vor der Abordnung und auch vor deren Verlängerung auf 3 Jahre seine Zustimmung ausdrücklich nur unter der Voraussetzung erteilt hat, dass die 3-jährige Abordnung nicht auf den Zeitabstand zum nächsten Forschungssemester angerechnet wird (vgl. Schreiben des Dekans des Fachbereichs v. 3.4.2003 an die Präsidentin der I.). Diese Voraussetzung - es war eine von drei Bedingungen - ist von der Präsidentin akzeptiert worden. Sollte es aber hier an der erforderlichen Wartezeit fehlen, die durch die Abordnung zur Universität J. unterbrochen sein könnte, so stellte sich die getroffene Entscheidung vom 2. Mai 2006 nicht als fehlerhaft dar.

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2.2 Selbst dann, wenn man mit der Antragstellerin die Wartezeit - das sei einmal unterstellt - als erfüllt betrachtete, so wäre hier nicht erkennbar, dass die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes für die Antragstellerin unzumutbare und irreparable Nachteile hätte. Soweit die Antragstellerin darauf hinweist, dass hier bereits in sehr weit fortgeschrittene Verhandlungen mit einem großen Konzern - G. - eingetreten worden sei, ist zu betonen, dass die Antragstellerin den Zeitablauf selbst bestimmt und ihren Antrag erst im Februar 2006 konkreter bearbeitet und ihn dann sogar nicht zur ersten Arbeitssitzung des Fakultätsrates am 17. März 2006 eingereicht, sondern "eher spätestens zur dritten Sitzung im 10. Mai" vorgelegt hat. Damit hat sie die entstandene zeitliche Enge selbst geschaffen und zu vertreten. Soweit sie unter diesen Voraussetzungen - offenbar zeitgleich - schon Verhandlungen geführt hat (vgl. G. -Schreiben vom 24.2.2006), obwohl ihr Antrag weder eingereicht noch beschieden war, muss sie sich das selbst zurechnen. Das Stadium dieser Verhandlungen, die verantwortlich nur unter Vorbehalt zu führen waren, kann nicht im vorliegenden Verfahren zu Gunsten der Antragstellerin ausschlagen.

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Dabei mag ergänzend berücksichtigt werden, dass nach der Senatsrichtlinie zu § 24 Abs. 3 NHG (Senatsbeschluss vom 7.7.2004) die Planungen für Forschungs-/Praxissemester "mit einem Vorlauf von i.d.R. einem Jahr vorzunehmen" sind (Präambel Abs. 2).

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3. Unter diesen Umständen besteht kein Anlass, zur Sicherung der im Verfahren der Hauptsache erstrebten Neubescheidung deckungsgleich auch eine vorläufige Regelung zu Gunsten der Antragstellerin zu treffen. Auch der bloße Anspruch auf eine Neubescheidung bedurfte unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutz nicht einer Sicherung.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 und 2 GKG.