Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 21.04.2004, Az.: 2 A 156/03

Abbau; Abwägung; Abwägungsergebnis; Abwägungsmangel; Anpassung; Anpassungspflicht; Auskiesung; Ausschlusswirkung; Ausweisung; Bauleitplanung; Belang; Bodenabbau; Ergebnis; Erheblichkeit; Fachplanung; Fläche; FNP; Harmonisierung; Konzentrationsfläche; Nassauskiesung; Planfeststellung; Planfeststellungsbeschluss; Planung; Planungshoheit; Schutzgut; Vorrang; Vorrangfläche; Widerspruch

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
21.04.2004
Aktenzeichen
2 A 156/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 51087
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 27.02.2003 wird aufgehoben, soweit er die Flurstücke D. und E. der Flur F., Gemarkung G., berührt.

Der Beklagte trägt die Verfahrenskosten. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden für nicht erstattungsfähig erklärt.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen ihn festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

1

Die Klägerin wendet sich unter Berufung auf ihre Planungshoheit gegen einen Planfeststellungsbeschluss des Beklagten.

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Die Beigeladene betreibt Bodenabbau. Den geförderten Sand und Kies benötigt sie für ihr Bauunternehmen (Kultur-, Tief-, Erd- u. Straßenbau). Aufgrund eines Planfeststellungsbeschlusses des Beklagten vom 22.06.1998 (Änderung durch Beschluss vom 21.05.1999) betreibt sie westlich von Wesendorf im Bereich Papenhop einen Nassabbau. Dort ist ein so genannter Baggersee entstanden. Im August 2002 beantragte sie eine Planfeststellung nach § 31 Abs. 2 Satz 1 WHG i. V. m. § 119 Abs. 1 Satz 1 NWG für eine westlich und südlich daran angrenzende Fläche. Die Beigeladene plant, die vorhandene Abbaufläche zu erweitern, so dass der Baggersee größer würde. Die gesamte neue Abbaustätte einschließlich der Bereiche für die Bodenentnahme und für die Kompensations- und Gestaltungsmaßnahmen ist ca. 9,3 ha groß (davon neu hinzukommende Abbaufläche ca. 7,9 ha zuzüglich ca. 2,3 ha Restabbau auf alter Abbaustätte). Die Mächtigkeit der nutzbaren Lagerstätte umfasst mindestens 25 m außerhalb bereits abgebauter Bereiche. Es sollen Sande und Kiese unterschiedlicher Korngrößen gewonnen werden. Der Abbau ist für einen Zeitraum von 10 bis 15 Jahren geplant.

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Im Anhörungsverfahren erhob die Klägerin Einwendungen gegen die Planfeststellung. Sie stimmte dem Ausbau des Sees, eines Gewässers III. Ordnung, lediglich für die Flurstücke H. (vorhandener Abbau) und I. jeweils der Flur J., Gemarkung Wesendorf, zu. Für die Flurstücke D. und K. der Flur F., Gemarkung Wesendorf verweigerte sie die Zustimmung. Die noch im Aufstellungsverfahren befindliche 17. Änderung ihres Flächennutzungsplans weise einen Bodenabbau nur auf dem Flurstück L. aus (Abbaufläche Nr. 3). Die 17. Änderung sehe Vorrangflächen für den Bodenabbau mit Ausschlusswirkung für die übrigen Gebiete der Samtgemeinde Wesendorf vor.

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Die 17. Änderung des Flächennutzungsplans der Samtgemeinde Wesendorf ist mit der Bekanntmachung im Amtsblatt des Beklagten am 28.02.2003 (Amtsbl. Nr. 5, S. 166) wirksam geworden.

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Der Planfeststellungsbeschluss vom 27.02.2003 setzt sich mit den Einwendungen der Klägerin wie folgt auseinander: Die Darstellung von Konzentrationsflächen für den Bodenabbau mit Ausschlusswirkung für andere Bereiche leide an einem Abwägungsfehler und sei daher nichtig. Die Klägerin habe die Interessen der Inhaber einer Abbaugenehmigung verkannt. Diese seien bestrebt, einmal begonnene Investitionsvorhaben fortzusetzen. Ferner seien die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege an einer vollständigen Ausbeutung begonnener Abbaubereiche verkannt worden. Die jeweiligen Kriterien für die Auswahl der einzelnen Abbauflächen seien nicht erkennbar. Aufgrund der nichtigen Ausweisung der Abbauflächen sei die Privilegierung des gesamten Außenbereichs wieder hergestellt. Der Flächennutzungsplan stehe als öffentlicher Belang nicht entgegen.

6

Am 04.03.2003 ist der Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 27.02.2003 der Beigeladenen zugestellt worden. Die Zustellung an die Gemeinde Wesendorf erfolgte durch Empfangsbekenntnis am 12.03.2003. Gleichzeitig erhielt die Klägerin den Beschluss.

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Am 24.03.2003 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt vor, die Beklagte habe die Anpassungspflicht nach § 7 BauGB missachtet. Jedenfalls handele es sich nicht um ein Vorhaben von überörtlicher Bedeutung i. S. des § 38 Satz 1 BauGB. Die Planung erstrecke sich weder auf das Gebiet zweier Gemeinden noch wirke sie sich auf das Gebiet zweier Gemeinden aus. Die 17. Änderung des Flächennutzungsplanes sei mit dem Gebot einer gerechten Abwägung gemäß § 1 Abs. 6 BauGB zu vereinbaren. Das ergebe sich insbesondere aus dem Erläuterungsbericht zum Flächennutzungsplan.

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Die Klägerin beantragt, 

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den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 27.02.2003 aufzuheben, soweit die Flurstücke M. der Flur F., Gemarkung Wesendorf betroffen sind .

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er ist u. a. der Auffassung, es handele sich um ein überörtliches Vorhaben i. S. des § 38 BauGB. Die §§ 29 bis 37 BauGB seien nicht direkt anwendbar. Die planungsrechtlichen Belange der Klägerin seien im Genehmigungsverfahren ausdrücklich geprüft und abgewogen worden. Sie sei in ihren Rechten nicht verletzt. Im Übrigen nimmt er zur Begründung auf den Planfeststellungsbeschluss vom 27.02.2003 Bezug.

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Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie schließt sich den Ausführungen des Beklagten an.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Gerichtsakte in dem Verfahren der Gemeinde Wesendorf (2 A 259/03) und die Verwaltungsvorgänge der Klägerin und des Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen haben dem Gericht bei der Entscheidung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig.

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Der Planfeststellungsbeschluss ist der Klägerin gemäß § 74 Abs. 4 Satz 1 VwVfG zugestellt worden. Die Verwaltungsvorgänge enthalten zwar nur ein von einer Vertreterin der Gemeinde Wesendorf unterzeichnetes Empfangsbekenntnisses (Bl. 425 BA „A“). Die Klägerin hat den Planfeststellungsbeschluss aber gleichzeitig erhalten, so dass eine Heilung des Zustellungsmangels nach § 9 VwZG anzunehmen ist.

17

Eine Klagebefugnis gem. § 42 Abs. 2 VwGO macht die Klägerin geltend, indem sie sich auf eine Verletzung ihrer Planungshoheit durch eine Missachtung ihres Flächennutzungsplanes beruft (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 u. 2 GG).

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Die Klage ist auch begründet.

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Der Planfeststellungsbeschluss ist rechtswidrig, soweit er die Flurstücke D. und E. der Flur F., Gemarkung Wesendorf, betrifft. Insoweit wird die Klägerin in ihrer Planungshoheit als Teil der kommunalen Selbstverwaltung verletzt (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 u. 2 GG, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Der Beklagte hat die Anpassungspflicht nach § 7 Satz 1 BauGB verletzt.

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Nach § 7 Satz 1 BauGB haben öffentliche Planungsträger – ein solcher ist der Beklagte gem. §§ 168 Abs. 3 Satz 1, 170 Abs. 1 Satz 1 NWG als untere Wasserbehörde bei Planfeststellungen nach § 119 NWG -, die nach § 4 oder § 13 (BauGB) beteiligt worden sind, ihre Planungen dem Flächennutzungsplan insoweit anzupassen, als sie diesem Plan nicht widersprochen haben.

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Bei Zustellung des Planfeststellungsbeschlusses an die Beigeladene war die 17. Änderung bereits in Kraft getreten.

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Der Beklagte – untere Wasserbehörde – ist gem. 4 Abs. 1 Satz 1 BauGB im Aufstellungsverfahren der 17. Änderung der Flächennutzungsplans der Samtgemeinde beteiligt worden. Er hat jedoch keinen Widerspruch gem. § 7 Satz 1, 2 BauGB eingelegt. Der Widerspruch ist kein Rechtsbehelf, sondern eine empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, die den Planungsträger von der gesetzlichen Anpassungspflicht freistellt. Aufgrund seines Erklärungsinhaltes ist er ein förmlicher Vorbehalt für – gemessen an dem Flächennutzungsplan – abweichende Planungen im Aufgabenbereich des Planungsträgers, die (erst) später die Gemeinde in ihrem Flächennutzungsplan beeinträchtigen können. Wenngleich die Bezeichnung als Widerspruch nicht zwingend ist, so muss doch dem Vorbringen des Fachplanungsträgers eindeutig zu entnehmen sein, dass er aufgrund geltend gemachter fachplanerischer Belange eine Bindung durch den Flächennutzungsplan mit dem von der Gemeinde beabsichtigten Inhalt nicht hinnehmen will (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Runkel, BauGB, Komm., Stand: 01.10.2003, § 7 Rn. 6 f). Der Stellungnahme vom 17.07.2001 ist ein solcher Erklärungsinhalt nicht zu entnehmen. Die ‚untere Naturschutzbehörde’ wies danach nur darauf hin, dass es für die nachhaltige Entwicklung des Landschaftsraumes sinnvoll sei, die bereits aufgeschlossene Lagerstätte im Bereich der L 284 zwischen Friedhof und dem Kasernengelände bei Wesendorf für die Rohstoffgewinnung festzulegen. Abgesehen davon, dass sich mit der unteren Naturschutzbehörde nicht der zuständige Planungsträger äußerte, wurde auf eine abweichende Planung nicht Bezug genommen, obwohl sich die Erweiterung der Abbaustätte durch den Beigeladenen bereits zu diesem Zeitpunkt abzeichnete, was die Stellungnahme der Wirtschaftsförderung des Beklagten vom 18.07.2001 belegt. Im Folgenden wurde nach Abstimmung mit der Beigeladenen die Vorrangfläche Nr. 3 in den Entwurf aufgenommen. Aufgrund u. a. dieser Änderung nahm die Wirtschaftsförderung unter dem 29.11.2001 erneut – gleichlautend – Stellung. Die untere Wasserbehörde äußerte sich nicht, die untere Naturschutzbehörde verwies auf ihre vorangegangene Stellungnahme vom 17.07.2001. Am 10.07.2002 nimmt die untere Naturschutzbehörde wiederum Stellung. Der Planantrag der Beigeladenen stand kurz bevor (Eingang Ende August 2002). Gleichwohl widersprach der Beklagte nicht.

24

Da der Widerspruch nach § 7 Satz 1 BauGB auch vor Einleitung eines Planfeststellungsbeschlusses möglich ist, hätte spätestens im Juli 2002 widersprochen werden müssen. Aber auch danach war ein Widerspruch gem. § 7 Satz 2 BauGB bis zum Feststellungsbeschluss der Klägerin vom 24.9.2002 noch möglich. Auch ein nachträglicher Widerspruch nach § 7 S. 3 – 5 BauGB liegt nicht vor (er wäre mangels unveränderter Sachlage allerdings unzulässig gewesen).

25

Die 17. Änderung des Flächennutzungsplans der Klägerin ist hinsichtlich der Ausweisung von Vorrangflächen für den Bodenabbau in der Gemeinde Wesendorf wirksam. Die Anpassungspflicht des § 7 Satz 1 BauGB gilt nur für wirksame Flächennutzungspläne (Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, Komm., 8. Aufl., § 7 Rn. 5; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Runkel, BauGB aaO, § 7 Rn. 14). Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Abwägung der öffentlichen und privaten Belange i.S.d. § 1 Abs. 6 BauGB bei der Ausweisung der Vorrangfläche Nr. 3 in Wesendorf mit der Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB nicht fehlerhaft.

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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. hierzu die Zitate bei Schrödter, BauGB, 6. Aufl., § 1 Rn. 156 f.) sind im Rahmen planerischer Abwägung der Abwägungsvorgang und das Abwägungsergebnis zu unterscheiden. Die Planung hat deshalb in zwei Stufen zu erfolgen. Auf der ersten Stufe ist die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials zu sehen, auf der zweiten Stufe findet die Gewichtung und die eigentliche Abwägung der zu wägenden Belange statt. Das Gebot der gerechten Abwägung ist deshalb verletzt, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet. Es ist auch verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach der Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtung einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Innerhalb dieses Rahmens ist nämlich das Vorziehen oder Zurücksetzen bestimmter Belange überhaupt kein nachvollziehbarer Vorgang der Abwägung, sondern eine geradezu elementare planerische Entschließung, die zum Ausdruck bringt, wie und in welcher Richtung sich eine Gemeinde städtebaulich entwickeln will (grundsätzlich: BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 – 4 C 105/66 -, BVerwGE Bd. 34 S. 301).

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Hinzukommen besondere Anforderungen für die Abwägung bei Ausweisung von Vorrangflächen für den nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB als ortsgebunden privilegierten Bodenabbau. Ausgehend vom Zweck der Vorschrift des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, die den Gemeinden ein Steuerungsinstrument gegenüber den nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB grundsätzlich in den Außenbereich gehörenden, privilegierten Vorhaben vermittelt und um eine geordnete städtebauliche Entwicklung des Gemeindegebietes auch über die jeweiligen Gemeindegebiete hinaus zu gewährleisten, sind alle Gesichtspunkte in die Abwägung einzustellen, die nicht nur den Aspekt der Konzentration, sondern auch den der Negativwirkung im Blick haben. Eine Negativplanung, mit der Anlagen der bezeichneten Art ausgeschlossen werden sollen, reicht nicht aus. Durch die Konzentration auf bestimmte Standorte hat die Gemeinde die Möglichkeit, die Zulässigkeit privilegierter Anlagen in bestimmten Standorten auszuschließen. Die Aussage des Gesetzes der grundsätzlichen Privilegierung wird auf diese Weise vom Planungsträger relativiert. Der Flächennutzungsplan und der Erläuterungsbericht müssen deshalb erkennen lassen, dass die Gemeinde nicht nur die positive Darstellung als Zuweisung einer standortbezogenen Nutzung abgewogen hat, sondern sich auch mit der negativ-ausschließenden Kehrseite dieser Darstellung im Sinne einer Konzentrationsfläche befasst hat. Das Plankonzept muss die Schutzgüter benennen und in sich schlüssig sein. Wenn die Gemeinde auch nicht für jede einzelne Fläche eine konkrete Abwägung unter Berücksichtigung aller tatsächlichen und rechtlichen Begebenheiten treffen kann, was eigentlich auf der Hand liegt, und deshalb auch die globalere Abwägung insoweit nicht fehlerhaft ist, verleiht dies aber der negativen Seite der Konzentrationsfläche kein geringeres Gewicht als öffentlichen Belang (vgl. dazu Schrödter, aaO, § 35 Rn. 58, 61 m.w.N.; Nds. OVG, Urt. v. 24.03.2003 – LB 3571/01 -, nicht veröffentlicht; VG Braunschweig, Urt. v. 18.06.2003 – 2 A 499/01 -).

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Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin sämtliche relevanten öffentlichen und privaten Belange in die Abwägung eingestellt, richtig gewichtet und unter Berücksichtigung der Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB fehlerfrei abgewogen.

29

Auf die Bedenken der Wirtschaftsförderung des Beklagten, die im Aufstellungsverfahren zum Sachwalter der Interessen der Beigeladenen wurde, ist die an die vorhandene Abbaustätte angrenzende Fläche Nr. 3 aufgenommen worden. Der Erläuterungsbericht setzt sich u. a. unter Ziff. 1.3.4./5. und Ziff. 2.0 mit der Darstellung von Vorranggebieten und der Ausschlusswirkung im Allgemeinen sowie unter Ziff. 2.4 mit den Abbauflächen in der Gemeinde Wesendorf im Besonderen auseinander. Dabei wird auf die Belange der Beigeladenen insoweit eingegangen als auf die vorhandene Brechanlage und einen direkten Anschluss an die bestehende Abbaufläche verwiesen wird (Ziff. 2.4). Wegen der Darstellung der Fläche Nr. 3 wird auch nicht das naturschutzrechtliche und landschaftspflegerische Gebot, vorhandene Lagerstätte möglichst vollständig auszunutzen, verkannt. Statt einer Fläche von ca. 4,4 ha hätte auch eine größere, dem Planantrag entsprechende Fläche dargestellt werden können. Die Entscheidung über die Größe der Fläche unterliegt der gerichtlich nicht überprüfbaren planerischen Gestaltungsfreiheit der Klägerin. Ein sachgerechter Grund dafür ist u. a. die Gesamtausweisung von ca. 54 ha Abbaufläche, obwohl der Bedarf nur mit ca. 35 ha geschätzt wurde (Ziff. 1.3.4.). Dass die Klägerin die maßgeblichen, teilweise widerstreitenden Belange erkannt, gewichtet und abgewogen hat, wird auch in den Ausführungen des Erläuterungsberichtes zu Ziff. 1.2 sowie Ziff. 1.3.4 u. 5. deutlich (Auswertung erteilter Bodenabbaugenehmigungen, Gunstfaktoren für Standortfindung, Ausschlusskriterien). Auch daran zeigt sich, dass einzelne Standorte, vorhandene Lagerstätten, genehmigte Abbauvorhaben und die Folgen der Konzentration auf einzelne Standorte einbezogen wurden. Eine weiter gehende Abwägung war für das von der Planfeststellung betroffene Gebiet nicht notwendig, da nicht für jede Fläche alle erdenklichen Gesichtspunkte explizit abgewogen werden müssen (s.o. zu den Grundsätzen).

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Aufgrund der Anpassungspflicht nach § 7 Satz 1 BauGB hatte der Beklagte in der streitbefangenen Planfeststellung die Fachplanung so zu gestalten, dass sie als aus dem Flächennutzungsplan entwickelt gelten kann (Ernst/Zinkahn, aaO, § 7 Rn. 10; Battis, aaO, § 7 Rn. 3: wie bei § 8 Abs. 2 S. 1 BauGB). Die Anpassungspflicht ‚überhöht’ die ohnehin bestehende Pflicht zur Berücksichtigung städtebaulicher Planungen im Rahmen der Abwägung. Um eine rechtsatzmäßige Anwendung der einzelnen Darstellungen des Flächennutzungsplanes handelt es sich allerdings nicht. Geboten ist eine planerische Fortentwicklung der im Flächennutzungsplan dargestellten Grundkonzeption der Gemeinde (BVerwG, B. v. 20.07.1990 – 4 N 3.88 – NVwZ 1991, 262 = BRS 50 Nr. 36; Ernst/Zinkahn, aaO, § 7 Rn. 10).

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Indem er die o. g. Flurstücke außerhalb der Konzentrationsflächen nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB mit der Begründung in den festgestellten Plan übernommen hat, der Flächennutzungsplan sei insoweit nichtig, missachtet der Beklagte die Anpassungspflicht. Der Beklagte durfte zwar weiterhin von dem Flächennutzungsplan abweichen, dieser musste aber weiterentwickelt werden. Das ist nicht geschehen. Der Beklagte hat die Darstellung der Vorrangfläche Nr. 3 in Wesendorf-Papenhop vielmehr ignoriert (als nicht existent betrachtet) und damit die planerische Grundkonzeption – Begrenzung der Flächen für Bodenabbau auch in Wesendorf – mit deren Erweiterung außer Kraft gesetzt. Darin liegt ein Abwägungsmangel. Die abweichende Planung ist insoweit rechtswidrig. Ob damit der gesamte Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig ist, muss nach dem Antrag der Klägerin, die auch nur insoweit in ihrer Planungskompetenz betroffen ist, nicht entschieden werden (vgl. zur Teilbarkeit fachplanerischer Entscheidungen BVerwG, Beschl. v. 5.12.1991 – 7 B 118.91 – zit. nach Juris; Beschl. v. 7.12.1988 – 7 B 98.88 – NVwZ-RR 1989, 241, OVG Lüneburg, Urt.v. 7.01.1999 – 3 K 4464/94 – zit. nach Juris).

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Der Mangel ist nach §§ 127 NWG, 75 Abs. 1 a Satz 1 VwVfG erheblich, da er offensichtlich ist und das Abwägungsergebnis beeinflusst hat. Eine Planergänzung nach §§ 127 NWG, 75 Abs. 1 a Satz 2 VwVfG scheidet aus, da eine Ergänzung der Begründung nicht ausreichend wäre. Es bedarf einer vollständigen neuen Abwägung. Auch ein ergänzendes Verfahren kann nicht zu einer Behebung des Mangels führen. Ein ergänzendes Verfahren darf nicht durchgeführt werden, wenn der Mangel nach Art und Schwere die Planung als Ganzes von vornherein in Frage stellt (BVerwG, Urt. v. 27.10.2000 – 4 A 17.99 – BVerwGE 112, 140; Urt. v. 21.03.1996 – 4 C 19.94BVerwGE 100, 370; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Komm., 6. Aufl., § 75 Rn. 42a, 43). Das ist hier der Fall. Denn der Planfeststellungsbeschluss hat die Bauleitplanung der Klägerin missachtet und mit der Planungshoheit einen bedeutsamen Teil der im Grundgesetz verankerten kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG beeinträchtigt. Weiterhin durfte die Planfeststellung einen nicht unerheblichen Teil der vorgesehenen Abbaufläche nicht einbeziehen. Eine Korrektur des Abwägungsmangels setzt ein neues Planungskonzept voraus. Der Antrag der Beigeladenen müsste umfassend geändert werden. Das gesamte Anhörungsverfahren – und nicht etwa nur die Beteiligung eines Trägers öffentlicher Belange – wäre zu wiederholen. Die Kammer hat deshalb nicht auf eine Änderung des Klageantrags zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses hingewirkt (s. BVerwG, Urt. v. 27.11.2000 u. 21.03.1996, aaO u. Bonk, aaO, § 75, Rn. 42 a u. b, 43), sondern den Planfeststellungsbeschluss im beantragten Umfang aufgehoben.

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Auf die Frage einer überörtlichen Bedeutung des Vorhabens nach § 38 Satz 1 BauGB kommt es nach alledem nicht mehr an. Die der Harmonisierung von Fach- und Bauleitplanung dienende Vorschrift des § 7 BauGB ist bei der Planfeststellung zugunsten der Beigeladenen vorrangig zu beachten (Ernst/Zinkahn, aaO, § 38 Rn. 105). Nach § 38 S. 2 BauGB bleibt § 7 BauGB unberührt.

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Gründe, die Berufung zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 u. 4 VwGO).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Nach § 162 Abs. 3 VwGO war über die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu entscheiden. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, waren ihr keine Kosten aufzuerlegen (§ 154 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.