Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.10.2015, Az.: 5 K 316/14

Voraussetzungen für die Umsatzsteuerbefreiung der in einer Tanzschule erbrachten Leistungen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
29.10.2015
Aktenzeichen
5 K 316/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 32933
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2015:1029.5K316.14.0A

Fundstellen

  • EFG 2016, 149-152
  • MwStR 2016, 96
  • UStB 2016, 143

Amtlicher Leitsatz

Umsatzsteuerbefreite Leistungen einer Tanzschule ist abhängig von der Art der Leistung.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchtst. a) Doppelbuchtst. bb) Umsatzsteuergesetz (UStG) vorliegen.

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Die Klägerin betreibt ein Tanzstudio unter der Bezeichnung "..." in U. Für die Streitjahre 2007 - 2012 gab die Klägerin Umsatzsteuererklärungen ab. Eine entsprechende Festsetzung wurde von Seiten des Beklagten durchgeführt. Hinsichtlich der Streitjahre 2007 - 2010 hatte die Klägerin sämtliche Leistungen als steuerpflichtige Umsätze erklärt und der Umsatzsteuer unterworfen.

3

In der Umsatzsteuererklärung 2011 wurde erstmalig für Leistungen, die im Zusammenhang mit der Erteilung von Tanzunterricht stehen, die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchtst. a) Doppelbuchtst. bb) UStG beantragt. Für die übrigen steuerpflichtigen Umsätze nahm die Klägerin die Kleinunternehmer-Regelung im Sinne des § 19 UStG in Anspruch. Auch für dieses Jahr führte der Beklagte entsprechend der Umsatzsteuererklärung eine Steuerfestsetzung durch. Der entsprechende Steuerbescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abgabenordnung (AO).

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In der Umsatzsteuererklärung 2012 wurde die Steuerbefreiung für die entsprechenden Leistungen wie im Veranlagungszeitraum 2011 in Anspruch genommen. Der Umsatzsteuererklärung stimmte der Beklagte zu.

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Mit Schreiben vom 11. November 2013 beantragte die Klägerin die Änderung der Umsatzsteuerbescheide 2007 - 2012 gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO. Sie begehrte die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchtst. a) Doppelbuchtst. bb) UStG für Leistungen, die im Zusammenhang mit der Erteilung von Tanzunterricht standen, auch für die Jahre 2007 bis 2010. Für die übrigen Umsätze wurde die Inanspruchnahme der Kleinunternehmer-Regelung gemäß § 19 Abs. 1 UStG in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 UStG beantragt. Bei den übrigen Umsätzen handelt es sich um die Weitervermietung von Räumlichkeiten und den Getränkeverkauf. Die für die Steuerbefreiung notwendige Bescheinigung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur reichte die Klägerin anschließend ein. Die Bescheinigung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur datiert vom 22. Oktober 2013. Hierin bescheinigt das Ministerium, dass der von dem Tanzstudio der Klägerin erteilte Unterricht dazu geeignet sei, ihre Schüler/innen und Vertragspartner/innen im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG auf einen Beruf als Tänzer/in oder eine vor einer juristischen Person des Öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorzubereiten.

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Nach Stellung des Antrags führte der Beklagte eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Streitjahre durch. Der Prüfer kam in seinem Abschlussbericht vom 10. November 2014 zu dem Ergebnis, dass eine Umsatzsteuer-Befreiung der beantragten Art nicht in Betracht komme, da zu den erbrachten Leistungen der Klägerin auch solche gehörten, die nicht unter die Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 21 Buchtst. a) Doppelbuchtst. bb) UStG fallen. Hierzu zählte er folgende Kurse:

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1. Kurs: "Mütter - Baby - Fitness",

2. Kurs: "Fit for 50",

3. Kurs: "body and soul/ Fitness Frauen",

4. Kurs: "Zumba",

5. Kurs: "Pilates",

6. Kurs: "Rückenfitness",

7. Kurs: "Hochzeitstänze".

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Für diese Kurse sei nicht feststellbar, dass es sich um unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen im Sinne des Abschnitts 4.21.4 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) handele. Die o.g. Kurse seien ihrer thematischen Zielsetzung nach auf reine Freizeitgestaltung ausgerichtet und könnten daher nicht unter der genannten Befreiungsvorschrift subsumiert werden. Des Weiteren würden die genannten Leistungen nicht unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienen, denn der Begriff Schul- und Hochschulunterricht umfasse Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führe oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittele sowie andere Tätigkeiten, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt würden, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler und Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hätten. Dies treffe bei den genannten Veranstaltungen nicht zu. Da aus den Buchführungsunterlagen eine Trennung der Umsätze bzw. Zuordnung zu steuerpflichtigen oder steuerfreien Umsätzen nicht möglich sei und der Steuerpflichtige die Obliegenheit habe, den Nachweis einer Steuerbefreiung zu erbringen, könne hier eine Trennung nicht erfolgen, so dass die gesamten Leistungen steuerpflichtig seien.

9

Der Beklagte erließ daraufhin am 21. November 2014 geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2011 und 2012, in denen er jeweils als Leistungen zu 19 % Umsatzsteuer in Höhe von 68.328 € (2011) und 62.558 € (2012) ansetzte. Für die Streitjahre 2007 - 2010 ergaben sich keine Änderungen, da insofern diese Leistungen von der Klägerin zu 19 % versteuert worden waren.

10

Bereits mit Schreiben vom 11. November 2014 hatte der Beklagte eine Änderung der Umsatzsteuerbescheide für 2007 - 2012 abgelehnt. Dagegen erhob die Klägerin Sprungklage gem. § § 45 Finanzgerichtsordnung (FGO). Mit Schreiben vom 18. Dezember 2014 erklärte der Beklagte gemäß § 45 Abs. 1 FGO seine Zustimmung hierzu.

11

Die Klägerin trägt vor, dass der Beklagte an die Bescheinigung des zuständigen Ministeriums gebunden sei. Der Beklagte habe keine eigene Beurteilungskompetenz und müsse diese Bescheinigung gelten lassen. Diese Bescheinigung gelte für die gesamten Leistungen der Klägerin. Auch seien die Leistungen in vollem Umfang der steuerbefreiten Tätigkeit zuzurechnen, da auch die von der Betriebsprüfung aufgeführten Kurse zumindest teilweise für die Ausbildung zum Tänzer geeignet seien. Dies reiche für eine Steuerbefreiung aus. Es komme nach der Rechtsprechung des BFH nicht darauf an, dass nur einzelne Teilnehmer der Kurse unter den Förderungszweck fallen würden.

12

Die Klägerin beantragt,

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unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides über den Antrag auf Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen 2007 bis 2012 vom 11. November 2014 die Umsatzsteuerfestsetzungen der Jahre 2007 bis 2012 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

16

Der Beklagte trägt vor, es handele sich bei den vom Betriebsprüfer festgestellten Leistungen der oben genannten Art um Leistungen, die der Freizeitgestaltung dienten und nicht um unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen privater Schulen. Da eine Trennung von steuerfreien Leistungen, die auf der Bescheinigung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur beruhen, nicht möglich sei, müsse die Umsatzsteuerbefreiung in vollem Umfang versagt werden. Dem Beklagten obliege trotz der Bescheinigung ein eigener Beurteilungsspielraum für die Frage, ob die einzelnen Leistungen der Klägerin unter die Befreiung des § 4 Nr. 21 Buchtst. a) Doppelbuchtst. bb) UStG fallen würden.

Entscheidungsgründe

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I. Die Klage ist nur teilweise begründet.

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Der Ablehnungsbescheid vom 11. November 2014 ist rechtwidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. (§ 101 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die von der Klägerin mit der Tanzschule erbrachten Leistungen sind nur insoweit umsatzsteuerpflichtig, als sie nicht den Ballettunterricht betreffen.

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1. Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen sind nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG steuerfrei die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten. Die Regelung setzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL; vormals Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG) um. Danach befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer: ... den Schul- und Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung.

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2. Die in der Steuerbefreiungsvorschrift bezeichneten Leistungen müssen des Weiteren ihrer Art nach den Zielen der Berufsaus- und Berufsfortbildung dienen (BFH-Urt. v. 12. Dezember 1985 V R 15/80, BStBl II 1986, 499; BFH-Beschl. v. 29. Oktober 1997 V B 86/97, BFH/NV 1998, 626). Es ist deshalb für die Steuerbefreiung weder Voraussetzung, dass der Unternehmer sich dem Auszubildenden gegenüber zivilrechtlich zur Ausführung dieser Leistungen verpflichtet hat noch dass er einen Zahlungsanspruch gegen den Träger der Ausbildung hat. Vielmehr ist nach dem Zweck der Steuerbefreiung, die gleichmäßige umsatzsteuerliche Belastung von privaten und öffentlichen Ausbildungsträgern zu gewährleisten (vgl. dazu BFH-Urt. v. 27. August 1998 V R 73/97, UR 1999, 164), ausreichend, dass die Leistung allein oder zusammen mit den Leistungen anderer Unternehmer die Ausbildung ermöglicht, fördert, ergänzt oder erleichtert.

21

Ein solches Verständnis entspricht auch den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL; denn danach reicht es aus, dass der Unternehmer Dienstleistungen durch Fortbildung oder berufliche Umschulung sowie damit eng verbundene Dienstleistungen erbringt und dafür Gegenstände liefert. Nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 5. Juni 1997 Rs. C-2/95 - SDC (Umsatz- und Verkehrsteuer-Recht 1997, 288) muss der Steuerpflichtige die Leistungen nicht unmittelbar den Auszubildenden schulden und diese müssen umsatzsteuerrechtlich nicht Leistungsempfänger sein. Es genügt, wenn die Art der Leistung des Steuerpflichtigen den Steuerbefreiungszweck verwirklicht.

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3. Des Weiteren ist Voraussetzung, dass es sich um Leistungen handelt, die in Schulen erbracht werden. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL bezieht sich auf verschiedene Unterrichtsformen, ohne diese zu definieren (vgl. EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 Rs. C-434/05, Horizon College, BFH/NV Beilage 2007, 389). Der Begriff "Schul- und Hochschulunterricht" beschränkt sich dabei nicht auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern er schließt andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 Rs. C-445/05, Haderer, BFH/NV Beilage 2007, 394). Das EuGH-Urteil in der Rechtssache Haderer ist zwar zu Art. 13 Teil A Nr. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG ergangen, wonach die Mitgliedstaaten "den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht" von der Steuer befreien. Es gibt aber keine Gründe dafür, den Begriff "Schul- und Hochschulunterricht" in Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL anders auszulegen als in Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL (vgl. EuGH-Urteil Horizon College in BFH/NV Beilage 2007, 389).

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Bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Steuerbefreiungen ist zwar zu berücksichtigen, dass die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL umschrieben sind, eng auszulegen sind, weil Steuerbefreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (EuGH-Urteil vom 19. April 2007 C-455/05, Velvet & Steel, BFH/NV Beilage 2007, 294, UR 2007, 379 Rz 14, m.w.N.). Eine besonders enge Auslegung des Begriffs "Schul- und Hochschulunterricht" würde aber die Gefahr einer unterschiedlichen Anwendung des Mehrwertsteuerrechts in den Mitgliedstaaten hervorrufen (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 Rs. C-445/05, Haderer, BFH/NV Beilage 2007, 394). Deshalb ist entscheidend, ob vergleichbare Leistungen in Schulen erbracht werden und ob die Leistungen der Klägerin der bloßen Freizeitgestaltung gedient haben. Hierbei ist Folgendes zu berücksichtigen.

24

Eine Beschränkung der Steuerbefreiung auf solche Unterrichtsleistungen, die sich an Personen richten, bei denen nach den Umständen anzunehmen ist, dass sie sich auf einen Beruf oder eine Prüfung vor einer juristischen Person vorbereiten, lässt sich nicht daraus herleiten, dass die Leistungen gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 "unmittelbar" dem Schul- und Bildungszweck dienen müssen. Auf die Ziele der Personen, die die Einrichtung besuchen, kommt es für die Steuerbefreiung nicht an. Entscheidend sind vielmehr die Art der erbrachten Leistungen und ihre generelle Eignung als Schul- oder Hochschulunterricht (vgl. zur Berufsaus- oder -fortbildung: BFH-Urt. vom 18. Dezember 2003 V R 62/02, BStBl II 2004, 252; Urt. des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 3. Dezember 1976 VII C 73.75, BStBl II 1977, 334). Deshalb ist es auch ohne Belang, wie hoch der Anteil der Schüler ist, die den Ballettunterricht tatsächlich im Hinblick auf eine Berufsausbildung oder eine Prüfungsvorbereitung besuchten oder später tatsächlich den Beruf des Tänzers ergriffen haben (vgl. BFH-Urt. vom 18. Dezember 2003 V R 62/02, BStBl II 2004, 252, m.w.N.).

25

Die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde vom 22. Oktober 2013 ist nicht nur für die Frage der Anerkennung einer Einrichtung i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL von Bedeutung. Die Bescheinigung hat auch insofern Indizwirkung, als - sofern keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen - davon auszugehen ist, dass Leistungen, die tatsächlich dem Anforderungsprofil der Bescheinigung entsprechen, nicht den Charakter einer bloßen Freizeitgestaltung haben (BFH-Urt. v. 24.01.2008 - V R 3/05, BStBl II 2012, 267; Urt. v. 28. Mai 2013 - XI R 35/11, BStBl. II 2013, 879).

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Solche gegenteiligen Anhaltspunkte, die zur Annahme reiner Freizeitgestaltungen führen, können sich zum Beispiel aus dem Teilnehmerkreis oder aus der thematischen Zielsetzung eines Kurses ergeben. So sind Kurse, die von ihrer Zielsetzung auf reine Freizeitgestaltung gerichtet sind, ausgeschlossen. Darunter fallen zum Beispiel Kurse, die sich an Eltern von Schülern richten, um die Wartezeit während des Unterrichts der Kinder sinnvoll zu nutzen, Kurse für Senioren oder allgemein am Tanz interessierte Menschen (BFH-Urt. v. 24.01.2008 - V R 3/05, BStBl II 2012, 267 [BFH 24.01.2008 - V R 3/05]). Kurse hingegen, die es einem Teilnehmer ermöglichen, die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten durch Vertiefung und Fortentwicklung schließlich beruflich zu nutzen, fallen unter die Steuerbefreiung auch dann, wenn von dieser Möglichkeit nur wenige Teilnehmer Gebrauch machen. Hierfür spricht insbesondere auch Kapitel V Abschn. 1 Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1777/2005 des Rates vom 17. Oktober 2005 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 77/388/EWG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 288, S. 1). Danach umfassen die Dienstleistungen der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung, die unter den Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL erbracht werden, Schulungsmaßnahmen mit direktem Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf sowie jegliche Schulungsmaßnahmen, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dienten (BFH-Urt. v. 24.01.2008 - V R 3/05, BStBl II 2012, 267). Die Dauer der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung ist hierfür unerheblich. Für Schulunterricht und Hochschulunterricht ist ein direkter Bezug zu einem Beruf deshalb nicht erforderlich (BFH-Urt. v. 24.01.2008 - V R 3/05, BStBl II 2012, 267).

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4. Bei Anwendung dieser Grundsätze, sind die vom Prüfer benannten Kurse nicht geeignet als steuerfreie Leistungen i. S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG beurteilt zu werden. Insbesondere sprechen der angesprochene konkrete Teilnehmerkreis (z.B. Mütter mit Babys; Hochzeitstänze) oder der völlig offene Teilnehmerkreis (z.B. bei den Kursen "Pilates", "Rückenfitness") gegen die Indizwirkung der Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde. Sie sprechen dafür, dass es sich um reine Freizeitgestaltungen handelt. Sie sind daher nicht Schulungsmaßnahmen mit direktem Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf bzw. Schulungsmaßnahmen, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dienen.

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Soweit die Klägerin vorträgt, dass auch Auszubildende für den Beruf des Tänzers an diesen Kursen teilnehmen können und berufsspezifische Fähigkeiten erwerben, so kommt es darauf nicht an. Denn der BFH hat gerade diese Umstände für unerheblich erklärt. Es muss sich vielmehr der Art nach um eine Leistung handeln, die in einem Schul- oder Hochschulunterricht Gegenstand des Unterrichts sein kann. Bei den genannten Kursen ist dies aber nicht der Fall.

29

Soweit die Klägerin vorträgt, dass der Beklagte an die Bescheinigung gebunden sei und selbst keine Prüfungskompetenz habe, trifft dies nicht zu. Wie oben dargelegt, kommt eine Bindungswirkung nur insoweit in Betracht, als die Frage der Anerkennung als Einrichtung i.S.v. § 4 Nr. 21 UStG in Frage steht. Darüber hinaus besteht nur eine Indizwirkung für steuerfreie Leistungen, die in Fällen von Kursen der Freizeitgestaltung nicht besteht und die der Prüfungskompetenz der Finanzbehörden und der Finanzgerichte unterliegt (BFH-Urt. v. 24.01.2008 - V R 3/05, BStBl II 2012, 267; Urt. v. 28. Mai 2013 - XI R 35/11, BStBl. II 2013, 879).

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5. Da nach diesen Feststellungen einzelne Kurse die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG nicht erfüllen und eine Trennung von den an sich steuerbefreiten Leistungen der Klägerin konkret nicht möglich ist, nimmt der Senat eine Trennung im Wege einer Schätzung vor. Dabei hat der Senat eine einfachstmögliche Berechnungs- oder Bewertungsmethode anzuwenden, um den auf die steuerbefreite Leistung bezogenen Teil herauszurechnen (BFH-Urt. v. 31. Mai 2001 - V R 97/98, BStBl. II 2001, 658 unter Punkt II.1.d). Im Streitfall werden die steuerfreien Leistungen aufgrund einer Aufteilung der Aufwendungen bzgl. des Kursangebotes einer Woche, die die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegt hat (s. Bl. 67 der FG-Akte), vorgenommen. Der Senat hält dabei den Vortrag der Klägerin für glaubhaft, dass es sich um eine für den Streitzeitraum typische Verteilung der Erlöse handelt. Somit sind ca. 20 v.H. der Erlöse aus dem Tanzstudio dem steuerfreien Bereich zuzuordnen. Die Erlöse aus dem Ballettunterricht sind nach Auffassung des Senats steuerfrei (vgl. BFH-Urt. v. 24.01.2008 - V R 3/05, BStBl II 2012, 267) und umfassten einen Betrag von 955 EUR, so dass sich ein Anteil an den Gesamterlösen der exemplarischen Woche (5197 EUR) von ca. 20 v.H. ergibt. Somit sind die Umsatzsteuerfestsetzungen auf folgende Umsatzsteuerbeträge herabzusetzen:

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Nettoerlöse aus dem Tanzstudio20 v.H.darauf 19% Umsatzsteuerbisher festgesetzte Umsatzsteuerverbleiben an Umsatzsteuer
200763.862,00 €12.772,40 €2.426,76 €7.110,00 €4.683,24 €
200866.517,00 €13.303,40 €2.527,65 €5.992,46 €3.464,81 €
200962.404,00 €12.480,80 €2.371,35 €6.220,00 €3.848,65 €
201061.278,00 €12.255,60 €2.328,56 €7.351,23 €5.022,67 €
201160.457,00 €12.091,40 €2.297,37 €5.746,08 €3.448,71 €
201255.677,00 €11.135,40 €2.115,73 €5.704,24 €3.588,51 €
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Nebenentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.