Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.03.2022, Az.: 11 K 119/17
Keine Steuerbefreiung für die Umsätze aus angebotenen Tanzkursen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 10.03.2022
- Aktenzeichen
- 11 K 119/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2022, 40793
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - AZ: V B 30/22
Rechtsgrundlage
- § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG
Fundstellen
- StX 2022, 265-266
- UStB 2022, 175
Tatbestand
Streitig ist die Steuerbefreiung für die Umsätze aus den von der Klägerin angebotenen Tanzkursen "Welttanzprogramm und Medaillentanzen" gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb des Umsatzsteuergesetzes (UStG).
Die Klägerin betreibt seit dem 1. Januar 2006 in der Rechtsform einer GbR eine im Allgemeinen Deutschen Tanzlehrer Verband (ADTV) organisierte Tanzschule in A, die insbesondere Leistungen im Bereich "Medaillentanzen" und "Welttanzprogramm I und II" für Anfänger und Fortgeschrittene anbietet. Die Medaillentanzkurse (Deutsches Tanzabzeichen) bauen dabei auf dem Welttanzkurs auf.
In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 2007 bis 2011 erklärte die Klägerin zunächst steuerpflichtige Umsätze. Die eingereichten Umsatzsteuererklärungen standen einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 der Abgabenordnung - AO -).
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2012 stellte das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur für die Klägerin eine Bescheinigung aus, wonach bestimmte Tanzkurse geeignet seien i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG auf einen Beruf als Tänzer/in oder eine von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorzubereiten. Hierzu zählten die tänzerische Früherziehung, Kindertanzen im frühen Vorschulalter, Kindertanzkurse im Grundschulalter, Kurse ab 9 Jahre, Tanzen im Welttanzprogramm Einstieg I und II, Welttanzprogramm komplett 1. und 2. Teil, Medaillentanzkurse ab Bronze bis Goldstar sowie Tanzschuljahr (Welttanzprogramm und Medaillentanzen komplett). Die Bescheinigung wurde mit Wirkung ab 1. Januar 2006 unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs erteilt. Ausweislich der Bescheinigung sollte die Finanzbehörde in eigener Zuständigkeit entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit im Übrigen oder für die Umsätze im Einzelnen vorliegen.
Mit Schreiben vom 5. bzw. 21. Dezember 2012 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf die genannte Bescheinigung die Umsatzsteuerfestsetzung für die Streitjahre 2007 und 2011 zu ändern und unter anderem die Umsätze aus den Kursen "Welttanzprogramm I und II" sowie "Medaillenkurs" gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG steuerfrei zu behandeln und die Umsatzsteuer entsprechend neu festzusetzen.
Eine entsprechende Änderung erfolgte jedoch nicht. Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat die Prüferin vielmehr die Auffassung, dass die Umsätze aus den Erwachsenenkursen "Welttanzprogramm" und "Medaillentanzen" im Unterschied zu den Kinder- und Jugendkursen nicht steuerbefreit seien, weil die streitigen Kurse von ihrer Zielsetzung her nach der allgemeinen Verkehrsauffassung auf reine Freizeitgestaltung gerichtet seien. Die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde sei als Grundlagenbescheid nur insoweit bindend, dass und für welchen Zeitraum die Bildungseinrichtung auf einen Beruf oder auf eine von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereite. Bei dem Tanzunterricht im Rahmen des "Welttanzprogramms" gehe es um das Erlernen von Tänzen und Tanzformen, die zu den weltweit gespielten Musikrichtungen passen würden, wie z.B. Disco, Swing und Walzer. Unterrichtsziel sei, zu jedem gesellschaftlichen Anlass den passenden Tanz zu erkennen und anzuwenden. Die Medaillenkurse bauten auf den Welttanzkursen auf und dienten dazu, die bis dahin erworbenen Fähigkeiten zu erweitern und zu verfeinern. Auch in diesen Kursen würden Gesellschaftstänze geübt, also im Privatleben angewandte Fähigkeiten ausgebaut.
Dass nach der Ausbildungsordnung des ADTV das Tanzen der Paartänze des "Welttanzprogramms" Teil der Ausbildung zum Tanzlehrer sei, führe zu keiner anderen Beurteilung, weil die verbandsinterne Richtlinie nicht rechtlich verbindlich sei. Die Ausbildung zum Tanzlehrer nach dieser Ausbildungsordnung sei weder Voraussetzung für die Tätigkeit als Tanzlehrer noch für das Führen einer Tanzschule. Vielmehr würden die Kurse nach der allgemeinen Lebenserfahrung von erwachsenen Teilnehmern besucht, die generell am Tanz interessiert seien.
Am xx.xx. 2013 reichte die Klägerin ihre Umsatzsteuererklärung für 2012 ein, in der sie neben Umsätzen zu 19 % in Höhe von xxx € und abziehbaren Vorsteuerbeträgen in Höhe von xxx € steuerfreie Umsätze in Höhe von xxx € erklärte. Der Beklagte folgte den Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung und erließ nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre und einen Umsatzsteuerbescheid für 2012, in denen jeweils die Umsätze aus den Kinder- und Jugendkursen umsatzsteuerfrei gestellt und die Umsätze aus den Erwachsenenkursen Welttanzprogramm und Medaillentanzen zu 19 % besteuert wurden.
Den hiergegen eingelegten Einspruch begründete die Klägerin unter anderem damit, dass mit den Tanzschulleistungen des Welttanzprogramms und der Medaillenkurse neben einer rein sportlichen Zielrichtung wichtige Ausbildungsinhalte im sozialadäquaten Miteinander vermittelt würden. Es gehe nicht nur um das Erlernen von Tanzformen und Tänzen, um bei gesellschaftlichen Anlässen "mithalten" zu können. Vermittelt würden vielmehr auch notwendige, teils vernachlässigte Umgangsformen, Benimmregeln, das Miteinander von Mann und Frau und somit soziale Standards. Schulische Ausbildungsinhalte würden ergänzt. Die Reduzierung auf einen möglichen "Spaßfaktor" müsse bei der umsatzsteuerlichen Leistungsbeurteilung daher ausscheiden. Im Vordergrund der Abgrenzung einer (steuerfreien) Bildungsleistung von einer (steuerpflichtigen) freizeitgestaltenden Leistung sollte vielmehr stets sein, ob überhaupt Kenntnisse und/oder Fähigkeiten vermittelt würden und diese zumindest theoretisch beruflich nutzbar seien.
Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Er vertrat unverändert die Auffassung, dass es sich bei den streitigen Tanzkursen um Freizeitgestaltungen handeln würde, die nicht unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG fielen. Ergänzend führte er aus, dass das im "Medaillentanzen" zu erwerbende Deutsche Tanzabzeichen in erster Linie eine Belohnung für das tänzerische Bemühen des Einzelnen sei. Auch in diesen Kursen würden Gesellschaftstänze geübt. "Welttanzprogramm" und "Medaillentanzen" richteten sich somit von ihrer thematischen Zielsetzung her an einen Teilnehmerkreis, der generell am Tanzen interessiert sei und das Tanzen als reine Freizeitbeschäftigung verstehe (Freizeittänzer). Dementsprechend würden diese Kurse auch traditionell mit persönlicher Erfüllung durch Erlebnis, Entspannung und Spaß beim Tanz, also dem Tanzen als Freizeiterlebnis, beworben. Einzelne beruflich ambitionierte Teilnehmer, die nicht lediglich im Privatleben angewandte Fähigkeiten ausbauen möchten, vermögen dem angesprochenen Teilnehmerkries kein anderes Gepräge geben. Etwas Anderes könne dann gelten, wenn sich der Unterricht an einen anderen Teilnehmerkreis als nur allgemein am Tanz interessierte Menschen richten würde. Dies könne die Ausbildung an speziellen Berufsausbildungseinrichtungen für Tanzlehrer oder entsprechende, speziell auf die Bedürfnisse angehender Tanzlehrer ausgerichtete Kursangebote betreffen, die also der Berufsausbildung dienten. Solche Kurse seien seitens der Klägerin jedoch nicht durchgeführt worden.
Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Ergänzend zum Vorbringen im Einspruchsverfahren weist sie darauf hin, dass die vom EuGH entwickelte einschränkende Definition des Begriffs Schul- und Hochschulunterricht (EuGH-Urteil vom 21. Oktober 2021 C-373/19) nicht für die hier in Rede stehenden Tanzschulleistungen greife. Die Steuerbefreiung folge bereits direkt und unmittelbar aus der nationalen Norm des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG, die insoweit nicht unionskonform sei. Die Klägerin könne sich daher auf das für sie günstigere nationale Recht berufen (Umkehrschluss aus dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts).
Sie ist der Auffassung, dass sich eine verallgemeinernde Aussage aus den EuGH-Urteilen vom 14. März 2019 (C-449/17) und vom 21. Oktober 2021 (C-373/19) sowie aus dem EuGH-Beschluss vom 7. Oktober 2019 (C-47/19) auch für andere Schulleistungen wie etwa vorliegend Tanzschulleistungen schon deshalb verbiete, weil der EuGH eine konkrete Antwort schuldig geblieben sei, was er unter einer "punktuellen" Wissensvermittlung genau verstehe und wie die Abgrenzung zu einem breiten und vielfältigen Spektrum der Stoffvermittlung im Rahmen eines integrierten Systems der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch aufeinander aufbauende und ineinander greifende Unterrichte zu erfolgen habe. In letzter Konsequenz wären bei wörtlicher Anwendung der Aussagen des EuGH alle (gewerblichen) Bildungseinrichtungen, die sich auf bestimmte Themen spezialisiert hätten, von der Befreiung ausgeschlossen.
Mit der Vorgabe eines "integrierten Systems der Vermittlung" umschreibe der EuGH offensichtlich den äußeren Rahmen, in dem sich begünstigte Bildungsleistungen abspielen sollten. Die Fehlerhaftigkeit dieses Ansatzes dokumentiere sich bereits in dem Umstand, dass die Bildungssysteme der einzelnen Mitgliedstaaten überhaupt nicht deckungsgleich seien. Konsequent umgesetzt, seien mit diesen Aussagen des EuGH auch Unterrichtsleistungen der Volkhochschulen ebenso wie Nachhilfeunterricht eines gemeinnützigen Vereins zur Förderung und Unterstützung benachteiligter Jugendlicher zukünftig steuerpflichtig.
Die streitgegenständlichen Tanzschulleistungen unterfielen als Aus- und Fortbildung dem Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL. Die Tanzkurse dienten als Schulungsmaßnahme dem Erwerb beruflicher Kenntnisse für den Beruf als Tanzlehrer. Grundvoraussetzung für die Ausbildung zum Beruf des Tanzlehrers sei die erfolgreiche Teilnahme am Welttanzprogramm I und II sowie den Medaillenkursen (Bronze, Silber, Gold und Goldstar). Zum Nachweis übersandte die Klägerin die Ausbildungsordnung für die Berufsausbildung zum/zur ADTV Tanzlehrer/in (Stand: 7. März 2020). Im Übrigen attestiere dies auch die Bescheinigung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur vom 21. Dezember 2012.
Höchstrichterlich sei darüber hinaus geklärt, dass nicht alle Personen, die die betreffenden Tanzschulleistungen in Anspruch nehmen auch tatsächlich den Beruf des Tanzlehrers ergreifen müssten (BFH-Urteil vom 3. Mai 1989 V R 83/84, BStBl. II 1989, 8125).
Unabhängig von der möglichen Eingruppierung der hier in Rede stehenden Tanzschulleistungen als Aus- und Fortbildungsmaßnahme erfüllten die Leistungen auch den engen Begriff der "Schul- und Hochschulleistungen". Die Klägerin sei als eine im ADTV organisierte Tanzschule Teil des in Deutschland praktizierten Bildungssystems. Der Tanzschulunterricht mit den hier in Rede stehenden Unterrichtsleistungen finde sich als fester Bestandteil in den Lehrplänen allgemeinbildender Schulen in den Unterrichtsfächern "Darstellendes Spiel, Musik und Sport" (Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 8. November 2017 5 K 5108/15). Bereits im Jahr 2003 habe das Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend in Rheinland-Pfalz festgestellt, dass "die Grundlagen, die im Sportunterricht von engagierten Lehrkräften gelegt würden, ... im Angebot der Ganztagsschulen von interessierten Schülerinnen und Schülern unter Anleitung von ausgebildeten Fachkräften der ADTV-Tanzschulen vertieft werden" könnten (Pressemitteilung des Ministeriums für Bildung, Frauen und Jugend, Rheinland-Pfalz vom 3. Juli 2003). Notwendig werde nach wie vor die Heranziehung der im ADTV organisierten Tanzschulen als außerschulischer Partner, weil die staatlichen allgemeinbildenden Schulen schon seit längerem nicht mehr in der Lage seien, die durch die Tanzschulen erbrachten Bildungsleistungen gerade im Bereich der sozialen Kompetenz abzudecken. Es existierten insoweit vielfältige Koorperationsprogramme der im ADTV organisierten Tanzschulen mit den staatlichen Ganztagsschulen. Die Klägerin reichte hierzu unter anderem die Rahmenverträge der ADTV mit dem Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend des Landes Rheinland-Pfalz vom 3. Juli 2003 und dem Land Niedersachsen vom 2. März 2016 ein sowie diverse Kooperationsverträge der Tanzschule X aus S und der Tanzschule P aus T mit verschiedenen (Hoch-)Schulen.
Tanzunterricht vermittele auch nicht nur punktuelles Wissen wie Fahrschulen, Segel- und Schwimmschulen. Wesentliche Elemente des im Rahmen des Tanzschulunterrichts vermittelten Wissens betreffe den geschlechterübergreifenden Verhaltenskodex. In diesem Zusammenhang weist die Klägerin zudem darauf hin, dass die hier streitigen Tanzschulleistungen ein besonders hohes Gemeinwohlinteresse aufwiesen.
Unabhängig davon hätten in den vom EuGH entschiedenen Fällen die von § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG geforderte Bescheinigungen der zuständigen Landesbehörden nicht vorgelegen, weshalb den Klägern nur die direkte Berufung auf das Unionsrecht geblieben sei. Dies sei im Streitfall anders. Denn die Klägerin besitze die entsprechende Bescheinigung, die für die Abgrenzung der begünstigten Unterrichtsleistung zu einer Tätigkeit, die den Charakter einer bloßen Freizeitgestaltung aufweise, indizielle Beweiswirkung habe.
Insoweit sei auch der konkrete Teilnehmerkreis der Kurse unerheblich. Die Abgrenzung zu reinen Freizeitgestaltung verlange nicht einen Adressatenkreis, der aus angehenden Tanzlehrern bestehe. Ausreichend sei, dass die angebotenen Leistungen die generelle Eignung als Schul- oder Hochschulunterricht besäßen. Ausweislich einer vom ADTV im Jahr 2018 durchgeführten Erhebung hätten im Durchschnitt über 530 Kursteilnehmer je Kalenderjahr eine Ausbildung zum Tanzlehrer angestrebt und absolviert.
Die Klägerin beantragt,
xxx
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner bisher vertretenen Rechtsauffassung fest. Beim Tanzunterricht handele es sich um einen spezialisierten Unterricht, der gerade keine umfassende Wissensvermittlung abdecke, weshalb der Tanzunterricht nicht allgemeinbildend im Sinne der Rechtsprechung des EuGH sei. Überdies liege die Fähigkeit zum Tanzen von Gesellschaftstänzen im Privatleben allein im Interesse des Einzelnen und stelle kein besonderes Gemeinwohlinteresse dar. Hinzu trete, dass Tanzunterricht zu Standardtänzen regelmäßig den Charakter einer bloßen Freizeitgestaltung habe.
Auch wenn es nicht auf die konkreten Teilnehmer der Kurse ankomme, sei die Zielrichtung, für die die Kurse angeboten werden relevant. Die Kurse Welttanzprogramm und Medaillenkurs richteten sich an einen offenen Teilnehmerkreis von Personen, die allgemein an Gesellschaftstänzen interessiert seien und dienten daher der reinen Freizeitgestaltung. Allein die Möglichkeit, zur Freizeitgestaltung erlernte Fähigkeiten auch beruflich nutzen zu können, reiche für die Steuerbefreiung der Leistungen nicht aus. Darauf, dass auch Auszubildende für den Beruf des Tanzlehrers an diesen Kursen teilnehmen könnten, komme es nicht an (Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 29. Oktober 2015 5 K 316/14). Kenntnisse und Fähigkeiten, die ein Tanzlehrer für die Ausübung seiner Tätigkeit benötige, würden nicht in diesen Kursen, sondern im Rahmen der Berufsausbildung zum ADTV-Tanzlehrer vermittelt. Die Teilnahme an den hier strittigen Kursen sei keine Voraussetzung für die Zulassung zur Ausbildung zum Tanzlehrer.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Umsatzsteuerbescheide für 2008 bis 2010 und 2012 sowie die Ablehnung einer weitergehenden Herabsetzung der Umsatzsteuer für 2007 und 2011 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - bzw. § 101 Satz 1 FGO).
I. Zurecht hat der Beklagte keine Steuerbefreiung für die Tanzkurse "Welttanzprogramm" und "Medaillentanzen" gewährt.
Insbesondere kommt vorliegend keine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG in Betracht.
Gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG sind die Umsätze aus den unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen steuerfrei, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten. Die Vorschrift geht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL zurück, wonach die Mitgliedstaaten die Umsätze aus der Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- und Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die eng damit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung von der Umsatzsteuer befreien.
Ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 132 MwStSystRL (vgl. EuGH-Urteile vom 21. Oktober 2021 C-373/19, Dubrovin & Tröger - Aquatics, ABl EU 2021, Nr. C 502, 3; vom 7. Oktober 2019 C-47/19, Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst, ABl EU 2020, Nr. C 77, 9; vom 14. März 2019, A & G Fahrschul-Akademie, C-449/17, ABl EU 2019, Nr. C 155, 7) sind die Befreiungstatbestände von der Umsatzsteuer eng auszulegen, da sie eine Ausnahme von dem allgemein sich aus Art. 2 MwStSystRL ergebenden Grundsatzes darstellen, dass jede Leistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Dieses bedeutet jedoch nicht, dass die zur Definition der Steuerbefreiung des Art. 132 MwStSystRL verwendeten Begriffe in einer Weise auszulegen sind, die den Befreiungen ihre Wirkung nähme (vgl. EuGH-Urteile vom 21. Oktober 2021 C-373/19, Dubrovin & Tröger - Aquatics, ABl EU 2021, Nr. C 502, 3; vom 7. Oktober 2019 C-47/19, Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst, ABl EU 2020, Nr. C 77, 9; vom 14. März 2019 C-449/17, A & G Fahrschul-Akademie, ABl EU 2019, Nr. C 155, 7).
1. Im Streitfall ist bereits zweifelhaft, inwieweit die der Klägerin erteilte Bescheinigung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur geeignet ist, den Nachweis im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG zu erbringen, dass sie im Streitzeitraum mit den Kursen Welttanzprogramm und Medaillentanzen Leistungen erbracht hat, die auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten. Dabei ist es nach Auffassung des erkennenden Senats aufgrund des Normverweises nicht entscheidend, dass in der Bescheinigung das Wort "ordnungsgemäß" fehlt.
a) Allerdings dienten nach den Angaben der Klägerin die Tanzkurse Welttanzprogramm und Medaillentanzen in den Streitjahren nicht dazu, die Teilnehmer auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorzubereiten. Die Prüfung der Tanzlehrer/innen wird vielmehr vom Prüfungsausschuss der Tanzlehrerakademie des ADTV (§§ 1 und 2 der Prüfungsordnung für die Durchführung der Zwischenprüfungen und Abschlussprüfung zum/zur ADTV Tanzlehrer/in) abgenommen.
b) Darüber hinaus ist der Bescheinigung lediglich zu entnehmen, dass die von der Klägerin angebotenen Kurse geeignet sind, auf den Beruf als Tänzer/in vorzubereiten. Die Ausbildung zum/zur Tanzlehrer/in ist dort nicht angesprochen, obwohl es sich hierbei um einen abweichenden Beruf mit einem abweichenden Ausbildungsweg handelt.
Während der Beruf des/der Tanzlehrerin ein Ausbildungsberuf beim Tanzlehrerverband ist, erfolgt die Ausbildung zum Tänzer im Regelfall entweder in Form einer schulischen Ausbildung mit staatlicher Abschlussprüfung oder in Form eines Hochschulstudiums an einer Hochschule für Musik und Darstellende Kunst. Die unterschiedlichen Ausbildungswege lassen darauf schließen, dass die für den Beruf als Tänzer/innen ausgestellte Bescheinigung keine Anwendung auf die Berufsausbildung zum/zur Tanzlehrer/in findet. Vorliegend wurde von der Klägerin zu keinem Zeitpunkt dargelegt, dass sie ihre Kurse im Streitjahr als Vorbereitung für angehende Tänzer/innen angeboten hat. Vielmehr hat sie für Zwecke der Steuerbefreiung ausschließlich auf die vom ADTV organisierte Ausbildung zum/zur Tanzlehrer/in ADTV verwiesen.
2. Ungeachtet dessen scheidet eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG schon deshalb aus, weil es sich bei den von der Klägerin angebotenen Tanzkursen Welttanzprogramm und Medaillentanzen nicht um eine unmittelbar dem Schul- oder Bildungszweck dienende Leistungen einer privaten Schule oder anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtung handelt.
Allgemeinbildend ist eine Schule bzw. Einrichtung, wenn sie ein breit gefächertes Wissen vermittelt, das Gegenstand der Allgemeinbildung und nicht nur Gegenstand eines begrenzten speziellen Lehrstoffs ist, und auf diese Weise Grundlagen für die Bildung und Ausbildung der Schüler bzw. Besucher schafft (vgl. BFH-Urteile vom 14. März 1974 V R 54/73, BStBl. II 1974, 527 und vom 18. Dezember 2003 V R 62/02, BStBl. II 2004, 252; BVerwG-Urteil vom 3. Dezember 1976 VII C 73.75, BStBl. II 1977, 334; Nieskens, UR 2013, 175 (177)).
Berufsbildende Schulen bzw. Einrichtungen erbringen demgegenüber Leistungen, die ihrer Art nach den Zielen der Berufsausbildung, der Berufsfortbildung oder der Umschulung dienen (vgl. BFH-Urteile vom 18. Dezember 2003 V R 62/02, BStBl. II 2004, 252 und vom 10. Juni 1999 V R 84/98, BStBl. II 2999, 578; Nieskens, UR 2013, 175 (177)). Sie müssen spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln, die zur Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten notwendig sind (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 2003 V R 62/02, BStBl. II 2004, 252; Nieskens, UR 2013, 175 (177)). Darüber hinaus können auch Leistungen befreit sein, die auf einen Beruf schlechthin vorbereiten wie z.B. Leistungen der beruflichen Orientierung oder zur Vorbereitung auf die Wahl eines Berufs (vgl. BVerwG-Beschluss vom 12. Juni 2013 9 C 4/12, DVBl. 2013, 1193).
Weder allgemeinbildend noch berufsbildend sind Leistungen, die der bloßen Freizeitgestaltung dienen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 24. Januar 2008 V R 3/05, BStBl. II 2012, 267 und vom 28. Mai 2013 XI R 35/11, BStBl. II 2013, 879; EuGH-Urteile vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, ABl EU 2007, Nr. C 183, 9 und vom 21. Oktober 2021 C-373/19, Dubrovin & Tröger - Aquatics, ABl EU 2021, Nr. C 502, 3).
Anhaltspunkte, die zur Annahme reiner Freizeitgestaltungen führen, können sich zum Beispiel aus dem Teilnehmerkreis oder aus der thematischen Zielsetzung eines Kurses ergeben (vgl. BFH-Urteile vom 24. Januar 2008 V R 3/05, BStBl. II 2012, 267 und vom 28. Mai 2013 XI R 35/11, BStBl. II 2013, 879). Zu Kursen, die von ihrer Zielsetzung auf reine Freizeitgestaltung gerichtet sind, gehören insbesondere Kurse, die sich allgemein an am Tanz interessierte Menschen richten (vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 2008 V R 3/05, BStBl. II 2012, 267). Kurse hingegen, die es einem Teilnehmer ermöglichen, die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten durch Vertiefung und Fortentwicklung schließlich beruflich zu nutzen, fallen unter die Steuerfreiheit auch dann, wenn von dieser Möglichkeit nur wenige Teilnehmer Gebrauch machen (BFH-Urteil vom 24. Januar 2008 V R 3/05, BStBl. II 2012, 267).
a) Gerade soweit es den hier streitigen Bereich der Erwachsenenkurse betrifft, vermag der Senat nicht erkennen, dass durch die Klägerin in den Streitjahren ein breit gefächertes Wissen vermittelt wurde, das Gegenstand der Allgemeinbildung und nicht nur Gegenstand eines begrenzten speziellen Lehrstoffs ist. Auch das Vorbringen der Klägerin, dass neben dem Erlernen von Tanzformen und Tänzen auch notwendige, teils vernachlässigte Umgangsformen, Benimmregeln, das Miteinander von Mann und Frau und somit soziale Standards vermittelt wurden, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Ziel der Kurse ist die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten im Zusammenhang mit Gesellschaftstänzen und damit Spezialwissen. Überdies geht es bei den hier streitigen Kursen um die von der Klägerin für Erwachsene angebotenen Kurse und nicht um die vom Beklagten bereits als steuerfrei anerkannten Umsätze aus den Kursen für Kinder und Jugendliche. Insoweit ist es auch unerheblich, inwieweit Tanzen fester Bestandteil in den Lehrplänen allgemeinbildender Schulen in den Unterrichtsfächern "Darstellendes Spiel, Musik und Sport" ist bzw. inwieweit die Klägerin nunmehr Kooperationen mit (Ganztags-)Schulen unterhält. Zumal letzteres auch nicht für den Streitzeitraum nachgewiesen worden ist und daher keine Auswirkungen auf die Verhältnisse der Klägerin im Streitjahr hat.
Die hier streitigen Leistungen stellen daher keine allgemeinbildenden Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG dar.
b) Die Klägerin hat in den Streitjahren mit den Erwachsenenkursen Welttanzprogramm und Medaillentanzen keine berufsbildenden Leistungen angeboten.
Zurecht hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass sich die Kurse an einen offenen Teilnehmerkreis und ihrer thematischen Zielsetzung nach an Erwachsene, die allgemein an Gesellschaftstänzen interessiert sind, gerichtet haben. So hat der Leiter der Tanzlehrerakademie des ADTV, ..., in seiner Stellungnahme aus November 2012 ausgeführt, dass die im Welttanzprogramm zu erreichenden Kenntnisse und Lernziel, das Erkennen des jeweiligen Tanzes anhand der Musik und das Erlangen der Sicherheit, sich im jeweiligen Takt und Rhythmus eines Tanzes bewegen zu können, das Anpassen der Schrittgröße auf die Gegebenheit der Praxis und das Erlernen der Grundprinzipien des Führens und Geführtwerdens sind, mithin also Fähigkeiten und Kenntnisse, die von allen am Tanz interessierten Erwachsenen benötigt werden, um sich bei gesellschaftlichen Anlässen entsprechend zur Musik bewegen zu können.
Beim Medaillentanzen erfolgt anknüpfend an den Kenntnissen und Fähigkeiten aus dem Welttanzprogramm eine intensivere Vermittlung des Aufbaus der Körperhaltung, einer kompakteren Tanzhaltung, eines ausgefeilteren Bewegungsstils, das Hinzufügen von technischen Elementen wie Fußarbeit, Schwung, Hüftbewegungen, Drehungen, Linienführung, Heben und Senken, eines umfangreicheren Figurenrepertoires und neuer Führungsprinzipien (vgl. Ausführungen in der Stellungnahme von ... aus November 2012). Die Kurse haben daher das Ziel, die im Welttanzprogramm erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten zu verfeinern und das Erreichen bestimmter Leistungsstufen durch Tanzabzeichen (Bronze bis Gold) zu belohnen. Die Kurse im Medaillentanzen vermitteln insoweit die Kenntnisse und Fähigkeiten, die für das Bestehen der Medaillenabzeichen erforderlich sind. Es geht dabei jedoch nicht darum, die Teilnehmer unmittelbar auf einen bestimmten Beruf vorzubereiten.
Der Leiter der Tanzlehrerakademie führte in diesem Zusammenhang in seiner Stellungnahme aus, dass es seiner Meinung nach zwingend erforderlich ist, alle Kursstufen vom Welttanzprogramm bis zum Medaillenabzeichen Gold absolviert zu haben, um überhaupt den Einstieg in die Ausbildung zum/zur Tanzlehrer/in ADTV zu beginnen. Dies war jedoch - zumindest in den Streitjahren bis 2012 - nicht zwingend und - ausgehend von den Angaben von Herrn ... - auch nicht in der Prüfungsordnung als fester Bestandteil vorgesehen. Im Gegenteil führte Herr ... in seiner Stellungnahme aus, dass die Ausbildung zum/zur Tanzlehrer/in ADTV die Kenntnisse und Fähigkeiten aus den Tanzprogrammen Welttanzprogramm und Medaillenkurs voraussetzen, es jedoch den ADTV-Tanzschulen freistand, auch einen Personenkreis in die Ausbildung aufzunehmen, die diese Kenntnisse nicht in den vom ADTV angebotenen Kursen erworben haben. Die Empfehlung der Tanzlehrerakademie ging sogar dahin, bei Personen, die die aus den Welttanzprogramm und Medaillentanzkursen erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse noch nicht hatten, ein Praktikumsjahr der Ausbildung vorzuschalten. Zumindest in den Streitjahren waren diese Kurse dementsprechend keine Bestandteile der Ausbildung zum/zur Tanzlehrer/in ADTV.
Die Situation der Klägerin ist daher vergleichbar mit den von der Rechtsprechung bereits entschiedenen Fällen der Fahr- und Jagdschulen. Das Bestehen der Fahrprüfung der Fahrerlaubnisklassen B und C1 bzw. der Jagdprüfung führt zwar zum Erwerb des Führerscheins bzw. des Jagdscheins, die wiederum zur Ausübung einiger Berufe notwendig sind. Dennoch stellen die Leistungen der Fahr- bzw. Jagdschule zur Vorbereitung auf diese Prüfung keine umsatzsteuerbefreiten berufsbildenden Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG dar, weil die Leistungen zum Erwerb des Führer- bzw. Jagdscheins die Teilnehmer auf keinen bestimmten Beruf vorbereiten (vgl. BFH-Urteile vom 18. Dezember 2003 V R 62/02, BStBl. II 2004, 252 zur Jagdschule und vom 14. März 1974 V R 54/73, BStBl. II 1974, 527 sowie Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 26. Mai 2016 11 K 10284/15, EFG 2016, 1481 zur Fahrschule).
Ungeachtet dessen konnte von der Klägerin auch lediglich eine Kursteilnehmerin benannt werden, die die Ausbildung zur Tanzlehrerin ADTV bei ihr absolviert hat. Die darüber hinaus benannten zwei Teilnehmer haben demgegenüber nicht die Tanzkurse der Klägerin, sondern der Tanzschule ... besucht. Diese äußerst geringe Anzahl spricht ebenfalls dagegen, dass die hier streitigen Kurse der Klägerin in den Streitjahren unmittelbar für Zwecke der Berufsausbildung, Berufsfortbildung oder Umschulung angeboten worden sind und nicht lediglich zum Zweck der allgemeinen Freizeitgestaltung. Dem steht auch nicht das BFH-Urteil vom 24. Januar 2008 (V R 3/05, BStBl. II 2012, 267) entgegen. Denn auch in dem vom BFH entschiedenen Fall, in dem es - abweichend vom vorliegenden Fall - um die Vorbereitung auf eine vor einer Person des öffentlichen Rechts abzulegenden Prüfung (Aufnahmeprüfung an der staatlichen Musikhochschule) ging, haben mindestens 2 % der Teilnehmer diese Prüfung abgelegt. Ausgehend von den Angaben der Klägerin kann der Senat bezogen auf den vorliegenden Streitfall nicht erkennen, dass mindestens 2 % der Teilnehmer im Streitzeitraum die Kurse Welttanzprogramm und Medaillentanzen der Klägerin für Zwecke einer Berufsausbildung besucht haben. Wie viele Kursteilnehmer jedes Jahr in ganz Deutschland vom ADTV zum/zur Tanzlehrer/in ausgebildet werden, ist insoweit unerheblich.
Der vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur unter dem 21. Dezember 2012 ausgestellten Bescheinigung kommt vorliegend auch keine Indizwirkung dafür zu, dass die in den Kursen Welttanzprogramm und Medaillentanzen erbrachten Leistungen der Klägerin auf die Ausbildung von Tanzlehrer/innen ausgerichtet waren und daher nicht den Charakter einer bloßen Freizeitgestaltung hatten. Denn die Bescheinigung wurde - wie bereits dargelegt - für die Ausbildung zum/zur Tänzer/in und nicht für die Ausbildung zum/zur Tanzlehrer/in ausgestellt. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin im Streitzeitraum im Rahmen der angebotenen Erwachsenenkurse Welttanzprogramm und Medaillentanzen tatsächlich (Berufs-)Tänzer ausgebildet hat, sind nicht ersichtlich. Dies wurde insbesondere nicht von der Klägerin dargelegt.
c) Für die Steuerbefreiung unerheblich ist, inwieweit dem Tanzunterricht unter Umständen ein ausgeprägtes Gemeinwohlinteresse zukommt (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2021 V R 31/21 und EuGH-Urteil vom 21. Oktober 2021 C-373/19, Dubrovin & Tröger - Aquatics, ABl EU 2021, Nr. C 502, 3).
3. Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg unmittelbar auf die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i oder j MwStSystRL berufen.
Der deutsche Gesetzgeber hat die Vorgabe der MwStSystRL bisher lediglich insoweit umgesetzt, als teilweise bereits im UStG 1951 enthaltene Steuerbefreiungstatbestände im Wesentlichen unverändert weitergeführt wurden (vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 2008 V R 3/05, BStBl. II 2012, 267 zur Vorgängernorm des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG). Nach der Rechtsprechung des BFH kann sich der Steuerpflichtige daher unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL berufen, ohne dass es einer Entscheidung darüber bedarf, ob die Steuerfreiheit der streitigen Leistung aus § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG folgt und inwieweit eine richtlinienkonforme Auslegung dieser Vorschrift möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 28. Mai 2013 XI R 35/11, BStBl. II 2013, 879).
a) Vorliegend fehlt es für eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL bereits an einem erteilten Schul- und Hochschulunterricht.
So hat der EuGH zur unionsrechtlichen Regelung des Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL mit Urteil vom 21. Oktober 2021 (C-373/19, DStR 2021, 2524 [BFH 18.05.2021 - I R 62/17]) entschieden, dass ein spezialisierter, punktuell erteilter Unterricht wie z.B. Schwimmunterricht für sich allein nicht der für den Schul- und Hochschulunterricht im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkommt und daher nicht von der Umsatzsteuer befreit ist (ebenso für Fahrschulunterricht EuGH-Urteil vom 14. März 2019 C-449/17, A & G Fahrschul-Akademie, ABl EU 2019, Nr. C 155, 7 und für eine Segelschule EuGH-Urteil vom 7. Oktober 2019 C-47/19, Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst, ABl EU 2020, Nr. C 77, 9). Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass die in den Tanzkursen "Welttanzprogramm" und "Medaillentanzen" für Erwachsene vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten über einen spezialisierten, punktuell erteilten Unterricht hinausgehen. Soweit die Klägerin auf Kooperationen des ADTV mit dem Land Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 2003, der Tanzschule P aus T mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften und der Tanzschule X aus S mit diversen Schulen verweist, betrifft dies nicht unmittelbar die Klägerin. Die Kooperationsvereinbarung des ADTV mit dem Land Niedersachsen aus dem Jahr 2016 über die Zusammenarbeit in Ganztagsschulen betrifft zudem nicht den Streitzeitraum. Überdies geht es im Streitfall nicht um Tanzkurse für Kinder und Jugendliche, sondern ausschließlich um Tanzkurse für Erwachsene.
b) Aus den oben bereits dargelegten Gründen kommt auch eine Berücksichtigung als Aus- oder Fortbildung im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL bei den hier streitigen Tanzkursen nicht in Betracht. Als Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung gelten dabei sowohl Schulungsmaßnahmen mit direktem Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf als auch jegliche Schulungsmaßnahmen im Hinblick auf den Erwerb oder die Erhaltung beruflicher Kenntnisse, und zwar unabhängig von ihrer Dauer (Art. 44 EU-Verordnung Nr. 282/2011). Den hiernach erforderlichen beruflichen Bezug der von der Klägerin in den Streitjahren in den Kursen Welttanzprogramm und Medaillentanzen erbrachten Leistungen in Abgrenzung zu einer bloßen Freizeitgestaltung vermag der Senat - wie unter Ziffer I.2. ausgeführt - nicht festzustellen.
Die Klage war daher abzuweisen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.