Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 15.11.1993, Az.: 3 W 22/93

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
15.11.1993
Aktenzeichen
3 W 22/93
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1993, 24466
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1993:1115.3W22.93.0A

Tenor:

  1. wird der Beschluß des Landgerichts . vom 6. Mai 1993 auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung -; auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens -; an das Landgericht zurückverwiesen.

Tatbestand:

1

Der Antragsteller hat die Versammlungsbeschlusses vom 20. März 1992 über die Gesamt- und Einzelabrechnung 1991 am 2. April 1992 angefochten. Er hat unter Bezugnahme auf die Teilungserklärung geltendgemacht, die Aufwendungen für Müllabfuhr, Heizung, Verwaltung, Kabelfernsehen und Wasser/Abwasser seien nach Miteigentumsanteilen zu verteilen. Die Antragsgegner haben erwidert, alle Eigentumswohnungen seien zutreffend an den erstgenannten Aufwendungen seit Jahren gleichmäßig und am Wasserverbrauch nach Personenzahl beteiligt

2

Das Amtsgericht . hat die Abrechnungen am 17. November 1992 insgesamt für ungültig erklärt und alle Verfahrenskosten den Antragsgegnern auferlegt. Es hat ausgeführt, nach § 10 der Teilungserklärung seien die Bewirtschaftungskosten ausschließlich im Verhältnis der Miteigentumsanteile umzulegen. Diese verbindliche Regelung könne nur durch einstimmiges Votum der Wohnungseigentümer geändert werden. Daß der Antragsteller die Abrechnungen früherer Jahre nicht angefochten habe nehme ihm nicht das Recht, die Versammlungsbeschlüsse vom 20. März 1992 anzufechten. Bezüglich der Heizkosten werde die Wohnungseigentümergemeinschaft allerdings zu prüfen haben, ob die Teilungserklärung durch die zwischenzeitlich in Kraft getretene Heizkostenverordnung überlagert werde.

3

Die Antragsgegner haben gegen den ihnen am 4. Dezember 1992 zugestellten amtsgerichtlichen Beschluß am 15. Dezember 1992 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde am 6. Mai 1993 auf Kosten der Antragsgegner zurückgewiesen. Es hat sich der Begründung des amtsgerichtlichen Beschlusses angeschlossen. Gegen den am 28. Mai 1993 zugestellten landgerichtlichen Beschluß haben die Antragsgegner am 10. Juni 1993 sofortige weitere Beschwerde erhoben und vorgebracht: Der Kostenverteilungsschlüssel der Teilungserklärung sei durch unangefochten gebliebene Mehrheitsbeschlüsse abgeändert worden. Danach seien die Aufwendungen für Müllabfuhr seit 1. Januar 1986 nach Wohneinheiten zu verteilen (Wohnungseigentümerbeschluß vom 11. April 1986 in Abänderung des Wohnungseigentümerbeschlusses am 21. März 1981 über die Verteilung nach Personenzahl ab 1. Januar 1981). Heizungskosten, Verwalter- und Kabelfernsehgebühren sowie der Grundpreis für Wasser/Abwasser würden ebenfalls seit Jahren unbeanstandet nach Wohneinheiten abgerechnet. Für die Verwaltergebühren sehe der Verwaltervertrag eine solche Abrechnung vor. Die Verbrauchskosten Wasser/Abwasser würden schon seit 1. Januar 1974 unangefochten nach Personenzahl abgerechnet (Wohnungseigentümerbeschluß vom 23. März 1974). Eine zwischenzeitliche Modifizierung durch den Wohnungseigentümerbeschluß vom 15. März 1985 sei durch den Wohnungseigentümerbeschluß vom 7. April 1989 wieder aufgehoben worden.

Gründe

4

Die Rechtsbeschwerde, welcher der Antragsteller entgegengetreten ist, ist zulässig und fuhrt infolge vorinstanzlichen Verstoßes gegen § 12 FGG (Aufklärungspflicht) sowie mangels abschließender Entscheidungsreife insgesamt zur Aufhebung der zweitinstanzlichen Entscheidung und zur Zurückweisung der Sache an das Landgericht.

5

Die Regelung des § 10 der Teilungserklärung über die Verteilung von Bewirtschaftungskosten, die im Mittelpunkt des Streites der Beteiligten steht, kann nicht nur durch eine neue Vereinbarung geändert werden, sondern kann bereits durch einen zwar fehlerhaften, aber unangefochten geblichenen Mehrheitsbeschluß generell geändert worden sein. Wie die vorinstanzlich nicht herangezogenen, sondern von den Antragsgegnern erst in der Rechtsbeschwerdeinstanz vorgelegten Versammlungsniederschriften ergeben, wurde hinsichtlich der Aufwendungen für Müllabfuhr und Wasser/Abwasser von dem Verteilungsschlüssel der Teilungserklärung abgewichen. Die Neufestlegung geschah nach dem Wortlaut der Versammlungsbeschlüsse vom 23. März 1974 für Wasser/Abwasser und vom 11. April 1986 für Müllabfuhr zweifelsfrei nicht bloß für das einzelne Wirtschaftsjahr, sondern sollte -; wie in dem vom OLG Köln NJW RR 1993, 844 entschiedenen Fall -; auch für die zukünftigen Wirtschaftsjahre maßgeblich sein. Die Mehrheitsbeschlüsse waren zwar angesichts des § 10 der Teilungserklärung mangels einstimmiger Entschließung aller Wohnungseigentümer innerhalb der Monatsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG anfechtbar, sollen aber nicht angefochten worden sein, auch nicht nach evtl. schuldloser Anfechtungsfrist-Versäumung, die entsprechend § 22 Abs. 2 FGG zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führen kann (Senatsbeschlüsse 3 W 73/88 vom 16. August 1988 und OLGZ 89, 186 = MDR 89, 915 = Wohnungseigentum 89, 100, BayObLG NJW -; RR 89, 656, Palandt/Bassenge, 52. Aufl. § 23 WEG Rn. 17). Ggf. kam es auf die vom Antragsteller vermißte Einstimmigkeit/Zustimmung aller Wohnungseigentümer zu der Änderung wegen der Verbindlichkeit der Mehrheitsbeschlüsse fortan nicht mehr an, denn ohne Anfechtung und Ungültigkeitserklärung werden ursprünglich fehlerhafte Verteilungsschlüsseländerungen wirksam (BGHZ 54, 65, 69, OLG Braunschweig MDR 77, 583 und 2 W 35/83 vom 22. August 1983), und zwar mit Bestandskraft auch gegen Sondernachfolger von Wohnungseigentümern (§ 10 Abs. 3 WEG).

6

Für Heizungskosten und Verwaltergebühren gelten ersichtlich von § 10 der Teilungserklärung abweichende Sonderregelungen. Bezüglich der Heizkosten, die das Landgericht nur bei der Wiedergabe der Beschwerdebegründung erwähnt hat (S. 4 seines Beschlusses), blieb nicht nur § 11 der Teilungserklärung unbeachtet (Umlage nicht nach Miteigentumsanteilen gemäß § 10 der Teilungerklärung, sondern nach der Heizfläche). Zu berücksichtigen ist insoweit ferner die schon vom Amtsgericht (S. 4 seines Beschlusses) angesprochene HeizkostenVO vom 23. Februar 1981 (BGBl. I S. 261) i.d. Fassung vom 5. April 1984 (BGBl. I S. 592), siehe dazu Palandt/Bassenge a.a.O. § 16 WEG Rn. 14 ff.). Bei der Verwaltergebühr ist ebenfalls nicht § 10 der Teilungserklärung (Ansatz nach Miteigentumsanteilen) zugrundezulegen. Nach § 14 Abs. 5 der Teilungserklärung erhalt der Verwalter von jedem Wohnungseigentümer eine gleichhohe Vergütung.

7

Bezüglich des Kabelfernsehens schließlich stellen sich ebenfalls bisher nicht aufgeworfene Tatfragen. Es wird darauf ankommen, wie bisher vorgegangen wurde und ob konkludent eine Vereinbarung über die Änderung oder Ergänzung der Teilungserklärung zustandegekommen ist (vgl. BayObLG NJW 86, 385, 386). Insoweit erscheint insbesondere von Bedeutung, wann und wie es zu der bisherigen Handhabung gekommen ist und ob sich Tatsachen feststellen lassen, denen entnommen werden kann, daß die bisherige Praxis von vornherein oder inzwischen verbindlich geworden ist.

8

Das Rubrum wurde berichtigt. Der Antragsteller kann im Umfang seiner Antragstellung nicht gleichzeitig Antragsteller und Antragsgegner sein.