Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 11.11.1993, Az.: 4 W 13/93

Kosten eines für erledigt erklärten Rechtsstreits; Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung wegen eines vermeintlich zu Unrecht gelöschten Nacherbenvermerks

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
11.11.1993
Aktenzeichen
4 W 13/93
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1993, 16534
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1993:1111.4W13.93.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG ... - 15.07.1993 - AZ: 10 O 118/93

Fundstelle

  • FamRZ 1995, 443-446 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Grundbuchberichtigung hinsichtlich Nacherbenvermerks

In dem Rechtsstreit
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
am 11. November 1993
durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Beschluß des Landgerichts ... vom 15. Juli 1993 abgeändert.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Beschwerdeverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Der Streitwert wird für die I. Instanz vor Erledigungserklärung auf 7.500,00 DM. für den Zeitraum nach Erledigungserklärung und für das Beschwerdeverfahren auf 1.500,00 DM festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Parteien streiten um die Kosten eines für erledigt erklärten Rechtsstreits; hierin haben die Kläger die Beklagte auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung wegen eines vermeintlich zu Unrecht gelöschten Nacherbenvermerks in Anspruch genommen.

2

Die Kläger sind die Enkel des am 21.04.1988 verstorbenen Erblassers ... nämlich die Kinder seiner am 19.08.1990 nachverstorbenen und von ihrem Ehemann beerbten jüngeren Tochter ... die Beklagte, ihre Tante, ist die ältere Tochter des Erblassers. Der Erblasser und seine noch lebende Ehefrau ... hatten ein notarielles gemeinschaftliches Testament mit folgendem Wortlaut errichtet: "Wir setzen uns gegenseitig zu befreiten Vorerben ein. Nacherbe und Ersatzerbe sind unsere beiden Töchter: 1) ... 2) ... zu gleichen Teilen. Ersatznacherben sind jeweils die Kinder der Nacherben zu gleichen Teilen."

3

Zum Nachlaß des Erblassers gehörte die ideelle Hälfte der im Grundbuch von ... eingetragenen Eigentumswohnung, die zur anderen Hälfte im Eigentum der Ehefrau des Erblassers, Frau ... stand. Mit Vertrag vom 11.10.1991 veräußerte diese die Eigentumswohnung an die Beklagte, wobei sie ihre eigene Hälfte im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertrug und die vom Erblasser herrührende Hälfte verkaufte; als Kaufpreis wurden 40.000,00 DM vereinbart sowie außerdem ein lebenslänglicher Nießbrauch an der Eigentumswohnung; weiterhin verpflichtete sich die Beklagte zur Pflege ihrer Mutter in kranken und gebrechlichen Tagen. Am 13.05.1992 wurde die Beklagte als neue Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Am 19.01.1993 wurde der Nacherbenvermerk, der hinsichtlich der vom Erblasser herrührenden ideellen Hälfte eingetragen war, im Grundbuch gelöscht.

4

Die Kläger haben Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, der Löschung des für den Nacherbenvermerk eingetragenen Löschungsvermerkes zuzustimmen. Sie meinen, der Nacherbenvermerk habe nicht gelöscht werden dürfen, weil ihre Großmutter ... teilweise unentgeltlich verfügt habe; Nießbrauch und Pflegeverpflichtung müßten bei der Bewertung der Gegenleistung außer Betracht bleiben. Sie behaupten, der Verkehrswert der Eigentumswohnung im Zeitpunkt der Übertragung auf die Beklagte habe sich auf 150.000,00 DM belaufen.

5

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten mit der durch ein Wertgutachten belegten Behauptung, der Verkehrswert habe 120.000,00 DM betragen. Aufgrund des Nießbrauchs seien der Vorerbin Mieterträge von über 7.000,00 DM jährlich zugeflossen, so daß dessen im Vertrag angegebener Jahreswert von 7.000,00 DM zutreffe. Die Beklagte meint, unter Einbeziehung des Nießbrauchs, des Pflegeversprechens und der Einräumung eines unentgeltlichen Wohnrechts im Hause der Beklagten sei die Gegenleistung mehr als ausreichend. Darüberhinaus seien die Kläger insoweit nicht beeinträchtigt, als die Beklagte zur Hälfte selbst Nacherbin des Erblassers sei; es reiche aus, wenn ein Gegenwert in Höhe der Erbanteile der Kläger in das Vermögen der Vorerbin gelangt sei.

6

Nach Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die Löschung des Nacherbenvermerks haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Durch den angefochtenen Beschluß hat das Landgericht die Kosten des Rechtsstreits den Klägern auferlegt, da für die Klage das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt habe; da der Nacherbenvermerk nur der Sicherung gegen Verfügungen des Vorerben diene, habe er keine Funktion mehr, nachdem die Beklagte als Eigentümerin eingetragen sei; von ihr könne ein weiterer Erwerber ohne Rücksicht auf die Eintragung eines Nacherbenvermerks in jedem Falle gutgläubig Eigentum erwerben.

7

Gegen den ihnen am 22.07.1993 zugestellten Beschluß haben die Kläger mit am 29.07.1993 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Die Beklagte ist der Beschwerde entgegengetreten.

8

II.

Die sofortige Beschwerde ist nach § 91 a Abs. 2 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch begründet und fuhrt zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses dahin, daß die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

9

Nach § 91 a Abs. 1 ZPO ist über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Danach sind der Beklagten die Kosten deswegen aufzuerlegen, weil ohne die übereinstimmende Erledigungserklärung die Klage voraussichtlich Erfolg gehabt hätte. Die Klage war entgegen der Auffassung des Landgerichts zulässig; sie wäre voraussichtlich auch begründet gewesen.

10

1.

Für die Klage aus § 894 BGB fehlte den Klägern nicht etwa das Rechtsschutzbedürfnis deswegen, weil inzwischen nicht mehr die Vorerbin, sondern die Beklagte als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen war. Entgegen der Begründung des angefochtenen Beschlusses schützt der Nacherbenvermerk den Nacherben nicht nur vor gutgläubigem Erwerb eines Dritten vom Vorerben, sondern auch gegenüber jedem weiteren Erwerber (so ausdrücklich Meikel-Imhof-Riedel, Grundbuchrecht Band II, 6. Aufl. 1968, § 13 Anm. V 143). Dies ist gerade die Funktion des Nacherbenvermerks. Der Vermerk weist aus, daß der Vorerbe in den Fällen der §§ 2113-2115 BGB nicht uneingeschränkt wirksam verfügen kann, im vorliegenden Fall also die befreite Vorerbin Frau ... keine den Nacherben gegenüber endgültig wirksame unentgeltliche Verfügung treffen konnte. Damit war, solange der Nacherbenvermerk eingetragen war, aber auch ein uneingeschränkt wirksamer Grundstückserwerb Dritter von der Beklagten ausgeschlossen. Denn falls bei Eintritt des Nacherbfalls die Veräußerung der der Nacherbschaft unterliegenden Grundstückshälfte an die Beklagte nach § 2113 Abs. 2 BGB unwirksam sein sollte, hätte die Beklagte im Verhältnis zu einem Dritterwerber als Nichtberechtigte verfügt; diese -im Erwerbszeitpunkt nur potentielle- Nichtberechtigung hätte der Dritterwerber aus dem im Grundbuch eingetragenen Nacherbenvermerk, ersehen können, so daß gutgläubiger Erwerb nach § 2113 Abs. 3 i.V.m. § 892 Abs. 1 BGB nicht in Betracht gekommen wäre. Der Klage auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung, mit der die Kläger den dem Nacherbenvermerk innewohnenden Schutz vor endgültig wirksamen Gutglaubenserwerb Dritter wiederherstellen wollten, kann das Rechtsschutzbedürfnis demnach nicht abgesprochen werden.

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2.

Die Kläger waren auch aktivlegitimiert, da davon auszugehen ist, daß sie als Nacherben an die Stelle ihrer nach dem Erblasser verstorbenen Mutter getreten sind. Sie sind nach dem gemeinschaftlichen Testament der Eheleute ... zu Ersatznacherben eingesetzt gewesen. Dennoch wären sie beim Tode der ursprünglichen Nacherbin, ihrer Mutter, nicht Nacherben geworden, wenn das Nacherbenrecht nach § 2108 Abs. 2 S. 1 BGB auf den Vater der Kläger übergegangen wäre, der nach dem vorgelegten gemeinschaftlichen Testament der Eltern der Kläger zum Alleinerben seiner Ehefrau eingesetzt war. Indessen ist das gemeinschaftliche Testament der Eheleute ... im Hinblick auf die ausdrückliche Einsetzung der Kinder der Nacherben zu Ersatznacherben dahin auszulegen, daß diese Ersatznacherbfolge auch und gerade bei Tod eines der Nacherben eintreten und die Vererblichkeit des Nacherbenrechts daher ausgeschlossen sein sollte. Der Senat schließt sich der dahingehenden verbreiteten, von den Klägern zitierten Rechtsauffassung an (ausführlich Behrens in Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1989, § 2108 Rdnr. 14; weiterhin Kipp-Coing, Erbrecht, 14. Aufl. 1990, § 47 IV 2 b -S. 281-; MüKo-Grunsky, BGB, 2. Aufl. 1989, § 2102 Rdnr. 7; vgl. auch Palandt-Edenhofer, BGB, 52. Aufl. 1993, § 2108 Rdnr. 4). Nähere Umstände, die demgegenüber zu einer anderen Auslegung des Testaments und damit zur Vererblichkeit des Nacherbenrechts fuhren könnten, sind von den Parteien nicht vorgetragen worden.

12

3.

Dem Erfolg der Klage hätte auch nicht entgegengestanden, daß die Kläger in der Klageschrift den Antrag angekündigt hatten, die Beklagte zu verurteilen, der Löschung des hinsichtlich des Nacherbenvermerks eingetragenen Löschungsvermerks zuzustimmen. Dies war zwar nicht sachgerecht; vielmehr war die Klage auf Zustimmung zur Wiedereintragung des Nacherbenvermerks zu richten (vgl. Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann, GBO, 4. Aufl. 1991, § 22 Rdnr. 2). Die Kläger hätten ihre Klage jedoch entsprechend umgestellt und den sachlich gebotenen Antrag gestellt, wie sie im Schriftsatz vom 23.06.1993 ausdrücklich klargestellt haben, wenn es nicht zur Erledigungserklärung gekommen wäre.

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4.

Die Kläger hatten auch nach § 894 BGB einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zustimmung zur Wedereintragung des Nacherbenvermerks, weil der Inhalt des Grundbuchs insoweit nicht mit der wirklichen Rechtslage im Einklange stand, als die auf der Nacherbfolge beruhende Verfügungsbeschränkung nicht mehr im Grundbuch eingetragen war. Denn die der Nacherbfolge unterliegende Wohnungshälfte war, auch nachdem die Beklagte sie von ihrer Mutter, der Vorerbin, erworben hatte, nicht aus dem Nachlaß ausgeschieden und unterlag weiterhin dem Nacherbenrecht. Der Nacherbenvermerk wäre zwar gegenstandslos geworden und die zum Nachlaß gehörende Wohnungshälfte endgültig und auch den Nacherben gegenüber wirksam aus dem Nachlaßvermögen ausgeschieden, wenn Frau ... als befreite Vorerbin entgeltlich verfügt hätte (BayObLG Rpfl. 1988, 525 und Rpfl. 1982, 467, 468; KG NJW-RR 1993, 268, 269). Die Veräußerung an die Beklagte ist jedoch als teilweise unentgeltlich anzusehen und kann deshalb nach § 2113 Abs. 2 BGB bei Eintritt des Nacherbfalles unwirksam werden (BGHZ 7, 274, 279 [BGH 02.10.1952 - IV ZR 24/52]: teilweise steht der vollen Unentgeltlichkeit gleich).

14

a.

Abzustellen ist für den Wertvergleich zwischen Leistung der Vorerbin und Gegenleistung der Beklagten nur auf die vom Erblasser herrührende und der Nacherbfolge unterliegende Wohnungshälfte. Deren Wert übersteigt den Vermögenswert der von der Beklagten zu erbringenden Leistungen schon nach deren eigenem Vorbringen und bei dem von ihr angenommenen Verkehrswert der Wohnung von 120.000,00 DM, ohne daß es auf die unter Beweis gestellte Behauptung der Kläger, die Eigentumswohnung habe einen Verkehrswert von mindestens 150.000,00 DM, ankäme.

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b.

Offen bleiben kann auch, ob entsprechend der Auffassung der Kläger der Wert des Nießbrauchs für die Bewertung der Gegenleistung der Beklagten unberücksichtigt bleibt (so BGH bei Johannsen in WM 1970, 2, 4; MüKo-Grunsky, § 2113 Rdnr. 25; Soergel-Harder, BGB, 12. Aufl., 1992, § 2113 Rdnr. 22). Gegen diese Auffassung könnte sprechen, daß es für die Beurteilung der Unengeltlichkeit auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt (BayObLGZ 1957, 285, 289) und daß zu diesem Zeitpunkt der Grundstückswert durch die Belastung mit dem Nießbrauch gemindert ist (vgl. BGH FamRZ 1991, 552, 553 [BGH 30.05.1990 - IV ZR 254/88] und 1992, 802 f, jew.m. abl. Anm. Reiff; zu § 2325 BGB). Jedenfalls kann aber die Einräumung des Nießbrauchs nicht als Gegenleistung der Beklagten angesehen werden, sondern mindert vielmehr den Wert der ihr überlassenen Eigentumswohnung. Denn unabhängig von der Art der rechtstechnischen Durchführung des Geschäfts ist die Beklagte bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise so gestellt gewesen, als hätte sie von vornherein die mit einem Nießbrauch belastete Wohnung erworben (vgl. jew. zu § 107 BGB RGZ 148, 321, 324 -für bewegliche Sachen-, BayObLGZ 1979, 49, 54; vgl. auch BGHZ 24, 372, 374 f) [BGH 06.06.1957 - IV ZB 53/57]. Dies hat zur Folge, daß der von der Beklagten behauptete Verkehrswert der Eigentumswohnung von 120.000,00 DM um den Wert des Nießbrauchs, den die Beklagte sachgerecht mit 20.000,00 DM annimmt, herabzusetzen ist, so daß sich der Gesamtwert der mit dem Nießbrauch belasteten Wohnung auf 100.000,00 DM und der Wert der der Nacherbfolge unterliegenden Wohnungshälfte auf 50.000,00 DM stellen würden.

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Diesem Wert steht eine Gegenleistung nur in Höhe des vereinbarten Kaufpreises von 40.000,00 DM gegenüber. Nicht hinzugerechnet werden kann der Gegenleistung ein Betrag für die von der Beklagten übernommene Pflegeverpflichtung. Dem steht zwar nicht entgegen, daß insoweit keine Gegenleistung in den Nachlaß fließt, sondern die Leistungen der Beklagten lediglich der Vorerbin persönlich zugute kommen; denn da die Vorerbin von den Beschränkungen und Verpflichtungen den Nacherben gegenüber soweit gesetzlich möglich befreit ist (also auch im Hinblick auf § 2134 BGB), ist bei dem Vergleich zwischen Leistung und Gegenleistung auch eine dem Vorerben persönlich zufließende Leistung des Erwerbers zu berücksichtigen (BGH LM Nr. 2 zu § 2136 BGB; Staudinger-Behrends, 12. Aufl. 1989, § 2113 Rdnr. 78). Jedoch ist die Pflegeverpflichtung in dem Vertrag vom 11.10.1991 so unbestimmt gehalten, daß sich hieraus ein konkreter Leistungsumfang, zu dem sich die Beklagte verpflichtet hat, nicht entnehmen läßt; auch kommt dieser Verpflichtung wegen ihres rein persönlichen Charakters und im Hinblick auf die nach §§ 1601 ff BGB bestehende Unterhaltspflicht der Beklagten der Vorerbin gegenüber -und zwar vorrangig vor den Klägern, § 1606 Abs. 2 BGB- kein Vermögenswert zu, der in die Bewertung der Gegenleistung eingehen könnte.

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Ebenfalls unberücksichtigt bleibt die Einräumung eines dinglichen Wohnrechts an die Vorerbin. Denn die entsprechende Verpflichtung der Beklagten war im notariellen Vertrag vom 11.10.1991 gestrichen; wenn die Beklagte später ein solches Wohnungsrecht doch noch bestellt haben sollte, war dies jedenfalls keine Gegenleistung für die Übertragung der Eigentumswohnung.

18

c.

Unentgeltlichkeit i.S.d. § 2113 Abs. 2 BGB setzt subjektiv voraus, daß die Vorerbin die Unzulänglichkeit der Gegenleistungsverpflichtung der Beklagten erkannt hat oder doch bei ordnungsmäßiger Verwaltung des Nachlasses hätte erkennen müssen (RGZ 159, 385, 389; Staudinger-Behrends, a.a.O., Rdnr. 62). Hierzu haben die Parteien Näheres nicht vorgetragen. Bei einer Wertdifferenz von 20 %, um die der von der Beklagten zu entrichtende Kaufpreis von 40.000,00 DM hinter dem Wert der mit dem Nießbrauch belasteten Wohnungshälfte von 50.000,00 DM zurückbleibt, kann von der Erkennbarkeit des wirtschaftlichen Ungleichgewichts jedoch ausgegangen werden. Da es auf die objektive Erkennbarkeit bei ordnungsgemäßer Nachlaßverwaltung ankommt, spielt es auch keine Rolle, ob die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses 88 Jahre alte Vorerbin die Unzulänglichkeit der Gegenleistung selbst erkannt hat oder ihr aus dem Nichterkennen ein persönlicher Vorwurf zu machen ist.

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d.

Entgegen der Auffassung der Beklagten wirkt sich der Umstand, daß sie selbst zu den Nacherben gehört, nicht zu ihren Gunsten aus. Eine unentgeltliche Verfügung des Vorerben verstößt auch dann gegen § 2113 Abs. 2 BGB, wenn sie nicht zugunsten Dritter, sondern eines von mehreren Nacherben erfolgt (vgl. RGZ 159, 385, 388; BayObLGZ 1974, 312, 314 ff). Dadurch, daß für die der Nacherbfolge unterliegende Grundstückshälfte nur eine unzureichende Gegenleistung in den Nachlaß geflossen ist, kann das Nacherbenrecht der Kläger bei Eintritt des Nacherbfalls beeinträchtigt sein; denn die Gegenleistung kommt, sofern sie sich bei Eintritt des Nacherbfalles noch im Nachlaß befindet, nicht etwa nur den Klägern zu, sondern auch der Beklagten in Höhe ihres (Nach-)Erbteils. Rechnerisch hätten dann die Kläger statt eines Erbanteils von 1/4 an der der Nacherbfolge unterliegenden Grundstückshälfte im Wert von 12.500,00 DM nur einen entsprechenden Erbanteil am Kampreis von 40.000,00 DM, also je 10.000,00 DM erhalten. Anders wäre es nur, wenn in dem Vertrag zwischen Vorerben und Beklagter bestimmt wäre, daß sich die Beklagte, soweit in der Übertragung der mit der Nacherbfolge belasteten Wohnungshälfte eine Zuwendung liegt, diese auf ihren Nacherbteil anrechnen lassen müsse (RGZ 159, 385, 391 ff). Eine solche Bestimmung ist aber im Vertrag nicht getroffen. Der Zusatz "im Wege der vorweggenommenen Erbfolge", dem eine solche Anrechnungsbestimmung entnommen werden könnte (vgl. BGH FamRZ 1989, 175), bezieht sich gerade nur auf den nicht durch die Nacherbfolge belasteten Wohnungsanteil, während er die Übertragung der zum Nachlaß des Erblassers Kurt Gemballa gehörenden Wohnungshälfte nicht betrifft.

20

5.

Nach allem hätte die Klage auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung, hätten die Parteien die Hauptsache nicht übereinstimmend für erledigt erklärt, Erfolg gehabt, weil der Nacherbenvermerk im Grundbuch materiell zu Unrecht gelöscht worden ist. Der Beklagten sind deshalb die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, und zwar unabhängig davon, ob durch die Eintragung des Amtswiderspruchs die Hauptsache tatsächlich erledigt war oder ob hierzu nicht die Wiedereintragung des Nacherbenvermerks bzw. die Zustimmung der Beklagten hierzu erforderlich gewesen wären. Denn der Prüfung, ob eine Erledigung der Hauptsache i.S.d. § 91 a ZPO tatsächlich eingetreten ist, ist das Gericht bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen gerade enthoben (Zöller-Vollkommer, § 91 a Rdnr. 12 u. 41).

21

Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren bestimmt sich nach § 3 ZPO, und zwar nach dem Interesse der Kläger an der Wiedereintragung des Nacherbenvermerks. Dieses Interesse besteht darin, gutgläubigen Erwerb von Rechten an der der Nacherbfolge unterliegenden Wohnungshälfte durch Dritte zu verhindern. Der Senat legt den von den Klägern behaupteten Verkehrswert der Wohnung von 150.000,00 DM zugrunde; der Wert der durch den Nacherbenvermerk betroffenen Hälfte liegt dann bei 75.000,00 DM. Mit Rücksicht darauf, daß die Kläger nur je einen Nacherbenanteil von 1/4 hieran haben und der Wert der Wohnungshälfte zum größeren Teil durch die Gegenleistung der Beklagten ausgeglichen ist, bemißt der Senat das Interesse der Kläger auf 1/10 des Wertes der halben Wohnung, also auf 7.500,00 DM.

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Der Streitwert für die Zeit nach Erledigungserklärung und für die Beschwerdeinstanz richtet sich nur nach dem Betrag der streitigen Kosten; dieser Hegt jeweils über DM 1.200,- und unter 1.500,00 DM.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird für die I. Instanz vor Erledigungserklärung auf 7.500,00 DM. für den Zeitraum nach Erledigungserklärung und für das Beschwerdeverfahren auf 1.500,00 DM festgesetzt.