Landgericht Hildesheim
Urt. v. 08.11.2010, Az.: 12 Ks 17 Js 22753/10

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
08.11.2010
Aktenzeichen
12 Ks 17 Js 22753/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 48080
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BGH - 13.04.2011 - AZ: 4 StR 59/11

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Das Zufahren auf Polizeibeamte, die einen Autofahrer wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung anhalten wollen und zu diesem Zweck die Fahrbahn betreten haben, ist als versuchter Verdeckungsmord zu werten, wenn der Täter, um zu verhindern, dass er wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und seiner Alkoholisierung zur Verantwortung gezogen wird, bis zuletzt mit hoher Geschwindigkeit direkt auf die Polizeibeamten zuhält, unmittelbar vor den Polizeibeamten sein Fahrzeug noch beschleunigt und es den Polizeibeamten nur Dank eines schnellen Beiseitetretens gelingt, ein Erfasstwerden vom Fahrzeug zu verhindern.

2. Ein solcher Fall des Durchbrechens eines Anhaltekommandos bei einer normalen Geschwindigkeitskontrolle ist nicht mit den "Polizeisperren-Fällen" zu vergleichen, in denen der BGH das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes unter Hinweis auf die hohe Hemmschwelle gegenüber der Begehung eines Tötungsdelikts mit dem Argument verneint hat, der Täter habe auf ein Beiseitespringen der Polizeibeamten vertraut.

Tenor:

Der Angeklagte wird wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit vorsätzlichem gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr, mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Es wird eine Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis von vier Jahren festgesetzt.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Angewendete Vorschriften: §§ 211, 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, 315 Abs. 3 Nr. 1b, 113 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 22, 23, 69 a StGB, § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG, § 52 StGB.

Gründe

I.

Zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:

Der gegenwärtig 42 Jahre alte Angeklagte wurde am … in S. ehelich geboren. Sein Vater, zu dem der Angeklagte seit 32 Jahren keinerlei Kontakt mehr hat, ist kaufmännischer Angestellter; seine Mutter war und ist Hausfrau. Der Angeklagte hat eine leibliche Schwester, die eineinhalb Jahre älter ist als er.

In seinen ersten neun Lebensjahren wuchs der Angeklagte gemeinsam mit seiner Schwester im Haushalt seiner Eltern auf. Die familiären Verhältnisse waren problembehaftet, weil der Vater des Angeklagten übermäßigen Alkoholkonsum betrieb und sowohl seine Ehefrau als auch seine Kinder regelmäßig schlug. Die Eltern des Angeklagten trennten sich deshalb, als dieser neun Jahre alt war; ihre Ehe wurde kurze Zeit darauf geschieden. Der Angeklagte verblieb nach der Trennung seiner Eltern gemeinsam mit seiner Schwester bei der Mutter.

Die Mutter des Angeklagten ging etwa ein bis zwei Jahre nach der Trennung von ihrem Ehemann eine Beziehung mit einem neuen Partner ein. Der Angeklagte wuchs fortan gemeinsam mit seiner Schwester im neu begründeten gemeinsamen Haushalt seiner Mutter und seines „Stiefvaters“ auf. Nach gewissen Anfangsschwierigkeiten entwickelte sich ein ausgesprochen gutes Verhältnis zwischen dem Angeklagten und dem neuen Partner seiner Mutter. Seine weitere Kindheit und Jugend verbrachte der Angeklagte in unproblematischen und - auch finanziell - geordneten familiären Verhältnissen.

Der Angeklagte wurde 1975 in eine Grundschule eingeschult, musste dort allerdings die erste Klasse einmal wiederholen. Nach fünf Grundschuljahren wechselte der Angeklagte auf eine Orientierungsstufe, die er zwei Jahre lang besuchte. Anschließend besuchte der Angeklagte drei Jahre lang bis zum Abschluss der neunten Klasse eine Hauptschule. Seinen insgesamt zehnjährigen Schulbesuch beendete der Angeklagte im Jahre 1985 mit einem durchschnittlichen Hauptschulabschluss.

Anschließend absolvierte der Angeklagte ein Jahr lang ein Berufsgrundbildungsjahr in der Fachrichtung Elektrotechnik. Da ihm eine Tätigkeit im Elektrobereich jedoch nicht zusagte, begann er anschließend eine Ausbildung zum Gas- und Wasserinstallateur, die er allerdings nach dreijähriger Ausbildungszeit wegen Schwierigkeiten in seinem Ausbildungsbetrieb abbrach. Im Jahre 1989 begann der Angeklagte dann eine Ausbildung zum Tischler. Diese Ausbildung schloss er nach drei Jahren - also 1992 - erfolgreich mit dem Gesellenbrief ab.

Anschließend arbeitete der Angeklagte, der nicht zum Wehrdienst eingezogen wurde, in seinem erlernten Beruf als Tischler, wobei er allerdings mehrfach seinen Arbeitgeber wechselte. Längere Zeit arbeitete der Angeklagte bei xxx in S.

Im Jahre 1999 entschloss sich der handwerklich sehr begabte und tüchtige Angeklagte, sich selbstständig zu machen. Als selbstständiger „Allround-Handwerker“ verrichtete er Renovierungs- und Umbauarbeiten in Wohnungen sowie diverse Gartenarbeiten.

Nachdem der Angeklagte im Jahr 2000 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt worden war (siehe unten), geriet er wegen der aus dieser Tat resultierenden erheblichen Schadensersatzforderungen in finanzielle Schwierigkeiten. Dies führte dazu, dass er seinen Handwerksbetrieb in der Folgezeit nicht wie geplant weiterführte und ausbaute. Vielmehr beschränkte er sich von 2001 bis zu seiner Verhaftung in vorliegender Sache darauf, als selbstständiger Kleinunternehmer ohne festen Mitarbeiterstab Handwerker- und Gartenarbeiten unterschiedlichster Art für Privatleute zu verrichten. Soweit das hieraus erzielte, häufig schwankende Einkommen des Angeklagten zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes nicht ausreichte, bezog er ergänzende Sozialleistungen von der Agentur für Arbeit.

Seine erste Beziehung zu einer Frau ging der Angeklagte ein, als er 21 Jahre alt war. Von dieser Freundin trennte sich der Angeklagte nach zweieinhalb Jahren. In der Folgezeit hatte der Angeklagte diverse Beziehungen mit anderen Frauen, die jedoch überwiegend nicht lange währten.

Aus einer dieser Beziehungen ging ein Sohn des Angeklagten hervor, der ohne näheren Kontakt zum Angeklagten bei der Kindsmutter aufwuchs, mittlerweile 19 Jahre alt ist und sich derzeit in einer Berufsausbildung befindet. Weitere Kinder hat der Angeklagte nicht.

Seit etwa eineinhalb Jahren ist der Angeklagte mit der Zeugin W. liiert, mit der er sich auch verlobt hat.

Erstmals Alkohol konsumierte der Angeklagte, als er 17 Jahre alt war. In den folgenden Jahren steigerte sich der Alkoholkonsum des Angeklagten, wobei er zwar nicht regelmäßig, wohl aber in Phasen, in denen er größere private oder berufliche Probleme hatte, Alkohol auch im Übermaß zu sich nahm.

Nachdem der Angeklagte im April 2007 unter dem Einfluss von Alkohol stehend eine gefährliche Körperverletzung begangen hatte, absolvierte er - zunächst aus eigenem Antrieb, später, weil ihm im Rahmen seiner Verurteilung wegen dieser Straftat eine entsprechende Bewährungsauflage gemacht worden war (siehe unten) - eine ambulante Alkoholtherapie bei der Suchthilfeeinrichtung „L.“. Diese eineinhalbjährige ambulante Therapie beendete der Angeklagte im März 2009. Anschließend lebte er einige Monate völlig alkoholabstinent. Ende 2009 begann er allerdings - in der irrigen Annahme, seine Alkoholprobleme vollständig im Griff zu haben - wieder mit dem Konsum von Alkohol, wobei er in der Folgezeit bis zu seiner Verhaftung in vorliegender Sache zwar regelmäßig und auch größere Mengen Alkohol konsumierte, jedoch nicht so viel trank, dass sein Konsum negative Auswirkungen auf seine berufliche Tätigkeit gehabt hätte.

Ebenfalls im Alter von 17 Jahren hatte der Angeklagte erstmals Kontakt mit illegalen Betäubungsmitteln, und zwar mit Cannabisprodukten. Den gelegentlichen Konsum von Haschisch und Marihuana stellte der Angeklagte jedoch bald wieder ein und konsumierte dann etliche Jahre lang keine Betäubungsmittel mehr. Vor etwa vier Jahren begann der Angeklagte jedoch damit, hin und wieder nach anstrengender beruflicher Tätigkeit abends „zum Runterkommen“ Haschisch beziehungsweise Marihuana zu rauchen. Zu einem regelmäßigen Drogenkonsum kam es insofern jedoch nicht.

Ausweislich der eingeholten Auskunft des Bundesamtes für Justiz ist der Angeklagte bereits in erheblichem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getreten:

1. Mit Entscheidung vom 20.02.1985 sah die Staatsanwaltschaft B. in einem Verfahren wegen gemeinschaftlichen Diebstahls geringwertiger Sachen gemäß § 45 JGG von der Verfolgung ab.

2. Mit Entscheidung vom 14.10.1985 sah die Staatsanwaltschaft B. in einem Verfahren wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz nach Ermahnung gemäß § 45 JGG von einer Verfolgung ab.

3. Mit Entscheidung vom 20.05.1986 erteilte das Amtsgericht B. dem Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in zwei Fällen, davon in einem Fall fortgesetzt handelnd, eine richterliche Weisung.

4. Am 05.10.1988 verurteilte ihn das Amtsgericht B. wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung zu einer Freizeit Jugendarrest.

5. Am 07.06.1990 verurteilte das Amtsgericht B. den Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in erschwerter Form in drei Fällen zu einer Jugendstrafe von zehn Monaten, deren Vollstreckung für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Jugendstrafe wurde mit Wirkung vom 06.06.1992 erlassen; der Strafmakel wurde beseitigt.

6. Am 13.06.1990 verurteilte das Amtsgericht B. den Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbs und tateinheitlich hiermit begangener teilweiser Abgabe von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 15,- DM.

7. Am 16.03.1993 verurteilte das Amtsgericht B. den Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung für vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nachdem die Bewährungszeit bis zum 19.04.1998 verlängert worden war, wurde die Strafe schließlich mit Wirkung vom 31.03.1998 erlassen.

8. Am 09.11.1994 verurteilte das Amtsgericht B. den Angeklagten wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 25,- DM.

9. Am 30.06.1995 verurteilte das Amtsgericht B. den Angeklagten wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 25,- DM.

Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Während eines Streitgespräches, bei dem es um einen angeblichen Verkehrsverstoß ging, beschimpfte der Angeklagte die Geschädigte am 01.12.1994 in B. mit den Worten: „Ich steck Dir den Finger rein, Fotze!“

10. Am 06.07.1995 verurteilte das Amtsgericht B. den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 25,- DM.

Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Angeklagte versetzte am 25.12.1994 in B. dem Geschädigten P. einen Kopfstoß auf die Nase und unmittelbar danach dem Geschädigten R. mehrere Fußtritte gegen dessen Kopf und Körper, wodurch beide Geschädigten Prellungen erlitten.

11. Am 14.08.1995 verurteilte das Amtsgericht B. den Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 25,- DM. Zudem wurde dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis von noch neun Monaten festgesetzt.

Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 13.06.1995 befuhr der Angeklagte mit einem Blutalkoholgehalt von 1,73 g/‰ im Zustand alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit, die er aufgrund der zuvor genossenen Menge alkoholischer Getränke zumindest billigend in Kauf nahm, mit einem Pkw VW-Golf öffentliche Straßen in B.

12. Mit Beschluss vom 08.03.1996 bildete das Amtsgericht B. unter Aufhebung eines vorherigen Gesamtstrafenbeschlusses aus den Strafen, die gegen den Angeklagten durch das Urteil des Amtsgerichts B. vom 30.06.1995, das Urteil des Amtsgerichts B. vom 06.07.1995 und das Urteil des Amtsgerichts B. vom 14.08.1995 verhängt worden waren, nachträglich eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 150 Tagessätzen zu je 25,- DM. Die Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis, die gegen den Angeklagten mit der Entscheidung des Amtsgerichts B. vom 14.08.1995 verhängt worden war, wurde aufrechterhalten und endete am 13.05.1996.

13. Am 16.08.1996 verurteilte das Amtsgericht B. den Angeklagten wegen Diebstahls geringwertiger Sachen sowie wegen Beleidigung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 25,- DM.

Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 14.12.1995 steckte der Angeklagte in einem Aldi-Supermarkt in B. Ware im Wert von 4,98 DM (eine Packung Pfefferlinge) ein, um sie mitzunehmen, ohne sie zu bezahlen. Er konnte gestellt werden. Bei einer anschließenden Protokollaufnahme beschimpfte er den Geschädigten N. als „Arschloch“ und „Wichser“. Zehn Minuten später betrat er erneut den Laden und beleidigte eine Kassiererin, die ihn an der Kasse bat, sich nicht vorzudrängeln, mit den Worten „Blöde Kuh, Du hast wohl Deine Tage, dass Du so schlechte Laune hast!“

14. Am 16.09.1996 verurteilte das Amtsgericht B. den Angeklagten wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, deren Vollstreckung für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde.

15. Mit Beschluss vom 27.12.1996 bildete das Amtsgericht B. aus den Einzelstrafen, die gegen den Angeklagten durch das Urteil des Amtsgericht B. vom 16.08.1996 verhängt worden waren, sowie der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts B. vom 16.09.1996 nachträglich eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nachdem die Bewährungszeit einmal bis zum 05.02.2001 verlängert worden war, wurde dem Angeklagten die Strafe schließlich mit Wirkung vom 26.03.2001 erlassen.

16. Am 02.02.2000 verurteilte das Amtsgericht H. den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafe wurde schließlich mit Wirkung vom 06.05.2003 erlassen.

Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Angeklagte war der Meinung, dass die Zeugin K. - seine damalige Freundin -, die eine Kur in Bad K. machte, ihn mit dem Zeugen S. betrügen würde. Deshalb begab er sich von B. zum Kurort der Zeugin K. Als er dort am 13.06.1999 gegen 21.00 Uhr den Zeugen S. zusammen mit der Zeugin K. in deren Zimmer sah, nahm er dies als Bestätigung für seine Befürchtungen und griff den Zeugen S. an, ohne ihm eine Abwehrchance zu geben und insbesondere, ohne die Sache vorher durch ein Gespräch zu klären versucht zu haben. Der Angeklagte, der seit vielen Jahren Kickboxer war und deshalb über besondere Schlagtechniken verfügte, versetzte dem Geschädigten S. im Wesentlichen nur einen Schlag in dessen Gesicht. Dieser Schlag war allerdings derart heftig, dass der Zeuge eine Mittelgesichtsfraktur, eine Orbitabodenfraktur, eine Oberkieferfraktur, eine Nasenbeinfraktur sowie Riss- und Quetschwunden im Nasenrückenbereich und im Kinnbereich erlitt. Der Geschädigte musste sich umfangreichen Operationen unterziehen, durch die sein Gesicht weitgehend wiederhergestellt werden konnte. Ihm blieb allerdings eine „Boxernase“ zurück.

17. Am 05.12.2001 verurteilte das Amtsgericht P. den Angeklagten wegen versuchter Nötigung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 30,- DM.

Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 27.07.2001 befuhr der Angeklagte gegen 22.30 Uhr als Führer eines LKW, amtliches Kennzeichen xxx, in P. den S.-Weg zwischen S.-Platz und Aral-Tankstelle. Dabei fuhr er über eine längere Fahrtstrecke mit zu geringem Abstand hinter dem vor ihm fahrenden Pkw BMW des Geschädigten R., um den BMW-Fahrer durch den unzureichenden Fahrzeugabstand zu schnellerem Fahren zu veranlassen, was dieser jedoch nicht tat. Vielmehr fuhr der Geschädigte mit der örtlich zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h weiter.

18. Am 28.08.2003 verurteilte das Amtsgericht B. den Angeklagten wegen Sachbeschädigung sowie versuchter Nötigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 20,- €.

Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 28.11.2002 suchte der Angeklagte den Geschädigten R. in dessen Wohnung auf und beschädigte dort einen Tisch und eine Lampe. Anschließend versuchte er mit der Drohung, dem Geschädigten R. die „Russenmafia“ auf den Hals zu hetzen, diesen zur Regelung einer Angelegenheit bezüglich des PKW seiner Freundin zu zwingen.

19. Am 24.08.2005 verurteilte das Amtsgericht B. den Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 10,- €. Ferner entzog das Amtsgericht dem Angeklagten die Fahrerlaubnis und wies die Verwaltungsbehörde an, ihm vor Ablauf von noch neun Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

20. Am 21.10.2005 verurteilte das Amtsgericht B. den Angeklagten wegen Körperverletzung in zwei Fällen sowie wegen Bedrohung zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 10,- €.

Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 09.09.2005 schlug der Angeklagte der Geschädigten S. mit der Hand ins Gesicht, wodurch diese Schwellungen erlitt, und drohte der Geschädigten S. an, er werde ihr „eine Kugel in den Kopf jagen“. Ferner schlug der Angeklagte am 10.09.2005 der Geschädigten S. mit der Faust gegen die Schulter, wodurch die Geschädigte Kratzer und Rötungen im Schulterbereich erlitt.

21. Am 18.11.2005 verurteilte das Amtsgericht B. den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10,- €.

Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 21.09.2005 versetzte der Angeklagte gegen 18.15 Uhr dem 15 Jahre alten Geschädigten S. in B. an der Endhaltestelle H. im Bereich des Durchgangs zur Z.-Straße mit der flachen rechten Hand eine Backpfeife gegen die linke Wange und anschließend einen Tritt mit dem Fuß in das Gesäß.

22. Mit Beschluss vom 03.03.2006 bildete das Amtsgericht B. aus den Strafen, die gegen den Angeklagten durch das Urteil des Amtsgerichts B. vom 18.11.2005 und das Urteil des Amtsgerichts B. vom 21.10.2005 verhängt worden waren, nachträglich eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 10,- €.

23. Am 29.08.2007 verurteilte das Amtsgericht B. den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Berufung ein. Mit Urteil des Landgerichts B. vom 11.03.2008 wurde die Berufung mit der Maßgabe verworfen, dass die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Dem Angeklagten wurde ferner die Weisung erteilt, eine ambulante Alkoholtherapie beim „L.-Werk“ zu absolvieren.

Dieser Verurteilung lagen folgende Sachverhalte zugrunde:

Am 30.04.2007 betrat der Angeklagte gemeinsam mit dem damaligen Mitangeklagten D. gegen 22.30 Uhr ein Tankstellengelände in W. Auf diesem hielten sich auch die Brüder T. und O. B. auf, die dort Bier tranken. Der Geschädigte O. B. trug eine so genannte Camouflage-Jacke. Diese Jacke wurde zum Auslöser für ein Wortgefecht zwischen den beiden Angeklagten und den Geschädigten, in deren Verlauf der Angeklagte um 22.31 Uhr zweimal in Richtung der Geschädigten den Hitlergruß entrichtete und dazu „Heil Hitler!“ rief.

Etwa ein bis zwei Minuten später begab sich der Geschädigte T. B. zum Verkaufsraum der Tankstelle. Dort erhielt er vom Angeklagten völlig unvermittelt einen Faustschlag in sein Gesicht. Nachdem T. B. zu Boden gegangen war, begannen beide Angeklagten, auf ihn einzutreten. Nun kam der Geschädigte O. B. hinzu, um seinem Bruder zu helfen. Auch er wurde jedoch vom Angeklagten niedergeschlagen und erhielt am Boden liegend Tritte gegen den Kopf. Der Geschädigte O. B. erlitt folgende Verletzungen: Einen dreifachen Nasenbeinbruch, eine Pupillenverschiebung am rechten Auge sowie Kopf- und Nackenschmerzen. Der Geschädigte T. B. erlitt durch die Schläge und Tritte eine Gesichtsprellung, eine Prellung des rechten Ellenbogens und eine Risswunde am Mundvorhof. Zudem hatte er Würgemale am Hals und konnte etwa einen Monat lang nur schlecht sprechen und schlucken.

Die Bewährungszeit für die Strafe aus der vorgenannten Verurteilung endet am 18.03.2011.

Der Angeklagte wurde in vorliegender Sache am 28.07.2010 festgenommen und befindet sich aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts G. vom 28.07.2010 (21 Gs 239/10) seit diesem Tage in Untersuchungshaft.

II.

Die Kammer hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

1. Vorgeschichte

Der Angeklagte, der als selbständiger Kleinunternehmer Handwerker- und Gartenarbeiten verrichtet und seit Jahren keine Fahrerlaubnis mehr hat, fuhr am Morgen des 27.07.2010, einem Dienstag, mit seinem VW-T4, amtliches Kennzeichen xxx, einem Transporter mit Pritsche und Doppelkabine, von seiner Wohnung in B.-W., nach B.-Q., um dort zusammen mit einer anderen Person Rollrasen zu verlegen. Während dieser Arbeiten begann er schon um 11.00 Uhr herum, Alkohol zu konsumieren, und zwar Bier. Als diese Arbeiten beendet waren, fuhr er am späten Nachmittag, nachdem er den Zeugen R. abgeholt hatte, mit diesem nach H., einer Ortschaft nord-westlich von B., um bei einem dort wohnenden Bekannten Reparaturarbeiten an seinem Fahrzeug vorzunehmen beziehungsweise vornehmen zu lassen. Auch während dieser Reparaturarbeiten in H. setzte der Angeklagte seinen Alkoholkonsum fort.

Gegen 22.00 Uhr entschloss er sich, zusammen mit R. von H. aus nach Hause zu fahren. Der Angeklagte erreichte schließlich mit seinem Fahrzeug, das er führte, während R. Beifahrer war, die Ortschaft G.-S., die er in Richtung W. auf der B.-Straße durchfahren wollte.

In G.-S. hatten die Polizeibeamten POK H., KK H. und POK S. gegen 22.00 Uhr auf der B.-Straße ein Lasermessgerät aufgestellt, um dort Geschwindigkeitskontrollen hinsichtlich der in Richtung W. fahrenden Fahrzeuge durchzuführen. Die Messstelle befand sich - aus Fahrtrichtung des Angeklagten gesehen - kurz vor der Ortsausfahrt in Richtung W., und zwar an der rechten Straßenseite im Bereich einer Grundstückseinfahrt zu einem Betriebsgelände. Das Lasermessgerät stellten die Polizeibeamten verdeckt hinter zwei großen grünen Mülltonnen auf; ihren Zivilstreifenwagen parkten sie in der Grundstückseinfahrt, und zwar in Fahrtrichtung auf die Straße hin. POK H. und KK H. hielten sich sodann aus Fahrtrichtung des Angeklagten gesehen hinter dem Zivilstreifenwagen auf, während POK S. verdeckt hinter dem Messgerät stand, so dass die Messstelle und die Polizeibeamten von den auf der Straße in Richtung W. fahrenden Fahrzeugen nicht ohne Weiteres erkennbar waren.

Um 22.24 Uhr wurde das Fahrzeug des Angeklagten, das mit einer Geschwindigkeit von mindestens 84 km/h fuhr, obwohl auf der B.-Straße nur eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h erlaubt ist, vom Lasermessgerät der Polizeibeamten erfasst. Zu dieser Zeit war die Dämmerung langsam in Dunkelheit übergegangen. Es war trocken, mild und wolkenlos. Die Straße wurde im Bereich der Geschwindigkeitsmessstelle beleuchtet von zwei Straßenlaternen (hohe Peitschenlampen), die aus Fahrtrichtung des Angeklagten jeweils vor und nach der Messstelle standen. Außerdem schien der Mond - am Tag vorher war Vollmond gewesen.

2. Tat

Als das Messgerät das Fahrzeug des Angeklagten erfasste, befand sich das Fahrzeug 193,8 Meter von der Messstelle entfernt. Bereits kurz zuvor waren die Polizeibeamten POK H., KK H. und POK S. durch das laute Fahrzeuggeräusch des Dieselfahrzeugs des Angeklagten, das auch deshalb besonders auffällig war, weil der Auspuff des Wagens defekt war, auf das Fahrzeug aufmerksam geworden. Bereits aufgrund der wahrgenommenen Motorgeräusche war den erfahrenen Polizeibeamten klar, dass das Fahrzeug zu schnell fuhr. Wegen der gemessenen Geschwindigkeitsüberschreitung gab das Messgerät Pieptöne von sich und der Messbeamte POK S., der auf dem Display des Geräts eine gemessene Geschwindigkeit von 87 km/h (gefahrene Geschwindigkeit abzüglich 3 km/h Toleranz: 84 km/h) ablas, rief seinen Kollegen POK H. und KK H. zu, dass das herannahende Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 87 km/h gemessen worden war.

Die Polizeibeamten POK H. und KK H., die das Anhaltekommando bildeten und beide - wie auch POK S. - Zivilkleidung trugen, aber anders als POK S. mit leuchtgelben und hell reflektierenden Warnwesten mit der Aufschrift „Polizei“ bekleidet waren, begaben sich nun schnellen Schrittes von ihrem Warteort auf die Straße. Die B.-Straße ist im Bereich der Messstelle etwa 5,25 Meter breit und wird durch eine unterbrochene, allerdings nur noch schlecht sichtbare Mittellinie in zwei Fahrstreifen geteilt. Die aus Sicht des Angeklagten rechte Fahrbahn - seine Richtungsfahrbahn - ist demgemäß gut 2,60 Meter breit.

Der Polizeibeamte POK H. hielt eine beleuchtete Polizeianhaltekelle in seiner rechten Hand, der Polizeibeamte KK H. führte eine große, weiß leuchtende Maglite-Taschenlampe mit sich. Zu dieser Zeit gab es im hier fraglichen Bereich keinen anderen Straßenverkehr. POK H. platzierte sich nun nicht weit von der Mittellinie entfernt auf der für den Angeklagten rechten Fahrbahn, wobei er dem Angeklagten seine Körpervorderseite zuwandte und die beleuchtete Anhaltekelle, die rotes Licht abstrahlte, mit der Leuchtseite in Richtung des Angeklagten über seinem Kopf hielt und leicht hin und her schwenkte. KK H., der sich aus Fahrtrichtung des Angeklagten gesehen rechts von POK H. im Bereich der Gosse auf der Fahrbahn aufstellte, hielt seine eingeschaltete Maglite-Taschenlampe in Kopfhöhe in Richtung auf das sich nähernde Fahrzeug des Angeklagten. In dem Moment, als die beiden Polizeibeamten die beschriebene Position eingenommen hatten - für ihre zurückgelegte Wegstrecke von etwa 7,5 Metern von ihrem Standort hinter ihrem Polizeifahrzeug bis auf die Straße brauchten sie gut drei Sekunden - befand sich der Angeklagte mit seinem Fahrzeug höchstens 120 Meter von den auf der Straße stehenden Polizeibeamten entfernt.

Der Angeklagte, der zu dieser Zeit eine Blutalkoholkonzentration von höchstens 1,64 g‰ hatte und in seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit in keiner Weise beeinträchtigt war, hatte aus seinem Fahrzeug heraus - obwohl die gerade verlaufende B.-Straße in seine Fahrtrichtung leicht ansteigt - freie Sicht auf die gesamte Strecke bis zur Messstelle, zumal die Sichtverhältnisse in der wolkenlosen Vollmondnacht sehr gut waren. Der Angeklagte erkannte sogleich, dass sich Menschen auf seiner Fahrbahn aufhielten, wobei er spontan zunächst an eine Baustelle dachte. Unmittelbar danach realisierte er jedoch, dass es zwei Polizeibeamte waren, die mit reflektierenden Westen mit Polizeiaufschrift auf seiner Richtungsfahrbahn standen und ihn anhalten und kontrollieren wollten. Daraufhin ging ihm durch den Kopf, dass er auf keinen Fall von der Polizei angehalten werden durfte, weil er ohne Fahrerlaubnis fuhr, zu schnell unterwegs war, alkoholisiert war und außerdem auch noch geringe Mengen Haschisch und Marihuana bei sich führte. Deshalb fürchtete er eine Bestrafung und einen Widerruf seiner Bewährungsstrafe - er stand zum Tatzeitpunkt nach einer Verurteilung durch das Amtsgericht B. vom 29.08.2007 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe unter Bewährung. Zudem hatte er spontan Angst, infolgedessen seine Verlobte zu verlieren.

Aus den genannten Gründen, namentlich um seine Identifizierung als Fahrer des Fahrzeuges und damit insbesondere das Bekanntwerden des Umstandes, dass er ohne Fahrerlaubnis ein Fahrzeug führte, zu verhindern, entschloss sich der Angeklagte, auf keinen Fall anzuhalten, sondern sich durch schnelles Weiterfahren auf seiner Fahrbahn um jeden Preis einer Kontrolle zu entziehen, wobei ihm das Schicksal der auf der Straße stehenden Polizeibeamten völlig gleichgültig war und ihm auch klar war, dass er zumindest den nahe der Mittellinie auf der Fahrbahn stehenden Polizeibeamten POK H. durch sein Weiterfahren auf seiner Richtungsfahrbahn mit seinem Fahrzeug erfassen und dadurch nicht nur erheblich verletzen, sondern sogar töten könnte, was er billigend in Kauf nahm. Um sein Ziel, sich auf jeden Fall einer Kontrolle zu entziehen, zu erreichen, entschloss er sich zudem, sein Fahrzeug sogar noch zu beschleunigen, was er auch tat, und zwar, als er noch knapp 45 Meter von den auf der Straße stehenden Polizeibeamten POK H. und KK H. entfernt war, wobei sich - was dem Angeklagten klar war - zumindest POK H. nunmehr in konkreter Lebensgefahr befand.

Der Angeklagte beschleunigte sein Fahrzeug mit 0,3 m/s², sodass dieses letztlich an dem Ort, an dem die Polizeibeamten auf der Straße standen, eine Geschwindigkeit von etwa 86 km/h hatte.

Die Polizeibeamten POK H. und KK H. hatten schon kurz vor Beginn der Beschleunigung des Fahrzeugs des Angeklagten die Vermutung, dass der Angeklagte sie unter Umständen noch nicht bemerkt hatte und deshalb eventuell nicht anhalten würde, was POK H. dazu veranlasste, seine Anhaltekelle mit ausgestrecktem Arm heftig und weit über seinem Kopf hin und her zu schwenken. Als der Angeklagte beschleunigte, bemerkten POK H. und KK H. dies sogleich an den entsprechenden Motorgeräuschen. Auf die Beschleunigung des Fahrzeugs durch den Angeklagten hin entschlossen sich beide Polizeibeamte, die aufgrund der Beschleunigung nun registrierten, dass der Angeklagte sie zwar wahrgenommen hatte, aber gleichwohl nicht anhalten wollte, die Fahrbahn zu verlassen, um sich vor dem herannahenden Fahrzeug in Sicherheit zu bringen. Hierzu hatten sie nach Beginn der Beschleunigung des Fahrzeugs des Angeklagten unter Berücksichtigung einer Reaktionszeit von einer Sekunde noch etwa 0,8 Sekunden Zeit. Als die beiden Polizeibeamten begannen, ihren Standort auf der Straße zu verlassen, war der Angeklagte mit seinem Fahrzeug noch knapp 20 Meter von ihnen entfernt. KK H. musste nur einen Schritt beiseite treten, um auf die Grundstückseinfahrt neben der Fahrbahn zu gelangen, während POK H. im Laufschritt die Straße verlassen musste, wobei er so schnell lief, dass er nach Verlassen der Fahrbahn nicht sogleich stoppen konnte, sondern sich noch einige Meter weiter bewegte.

Die beiden Polizeibeamten POK H. und KK H. blieben ebenso wie POK S., der die ganze Zeit hinter dem Messgerät auf dem Gehweg gestanden hatte, unverletzt. Sie erlitten auch keine nachhaltige psychische Beeinträchtigung durch den Vorfall.

Der Angeklagte fuhr die gesamte Fahrtstrecke bis zur Messstelle, die sich - aus Fahrtrichtung des Angeklagten gesehen - knapp vier Meter hinter dem Ort befand, an dem die Polizeibeamten auf der Straße standen, durchgehend strikt geradeaus, also ohne irgendwann zu bremsen und ohne das geringste Ausweichmanöver, obwohl die Verkehrsverhältnisse ein Ausweichmanöver ohne Weiteres erlaubt hätten. Der Angeklagte hätte, da außer ihm niemand auf der Straße unterwegs war, ohne weiteres auf die Gegenfahrbahn ausweichen und so an den Polizeibeamten vorbeifahren können.

Als der Angeklagte mit seinem Fahrzeug den weglaufenden POK H. passierte, war dieser etwa einen Meter vom Fahrzeug des Angeklagten entfernt, so dass er noch einen starken Luftzug verspürte, der durch das vorbeifahrende Fahrzeug verursacht wurde.

Während seiner Vorbeifahrt an den Polizeibeamten blickte der Angeklagte nach rechts durch die Scheibe der rechten Beifahrertür, um festzustellen, ob die Polizeibeamten zu Schaden kamen. Nachdem er auch die Messstelle - also den Standort des Messgeräts - passiert hatte, fuhr er, sein Fahrzeug weiterhin beschleunigend, in Richtung W. weiter.

3. Nachtatgeschehen

Den drei Polizeibeamten gelang es, das Kennzeichen des Fahrzeuges des Angeklagten abzulesen. Während POK S. an der Messstelle verblieb, begaben sich POK H. und KK H. unverzüglich zu ihrem zivilen Funkstreifenwagen und verfolgten mit diesem den Angeklagten. Dabei schalteten sie das mobile Blaulicht und das Martinshorn ihres Polizeiwagens ein, was der Angeklagte bemerkte. Dadurch wurde ihm klar, dass er von der Polizei verfolgt wurde. Spätestens in der Ortschaft W., nach etwa eineinhalb Kilometern, hatten die Polizeibeamten mit ihrem Polizeifahrzeug zum Angeklagten aufgeschlossen. Der Angeklagte hatte weiterhin die unbedingte Absicht, sich einer Kontrolle durch die Polizei zu entziehen. Um seine Flucht zu ermöglichen, entschloss er sich in W., das Fahrlicht seines Fahrzeuges auszuschalten, wobei er dies in der Hoffnung tat, dass seine Verfolger so seinen weiteren Fluchtweg nicht verfolgen könnten. Nachdem er dies getan hatte, bog er in W. von der S.-Straße spontan nach links in den Z.-Weg ab, was die Polizeibeamten entgegen seiner Hoffnung aber sogleich bemerkten. Der Angeklagte fuhr noch kurze Zeit im Z.-Weg, ehe er dann seinen VW T4 auf der linken Straßenseite zwischen zwei parkende Fahrzeuge lenkte, sein Fahrzeug abrupt anhielt, den Motor abstellte, den Zündschlüssel abzog, aus dem Fahrzeug heraussprang und über ein angrenzendes Hausgrundstück seine Flucht zu Fuß fortsetzte. POK H. und KK H. erreichten diesen Ort unmittelbar darauf und registrierten, dass der Angeklagte sein Fahrzeug abgestellt und seine Flucht zu Fuß fortgesetzt hatte. Sie verließen ihren Polizeiwagen, um den Angeklagten zu Fuß weiter zu verfolgen, stellten aber schnell fest, dass der Angeklagte ihnen in der Dunkelheit über die dicht bewachsenen Gartengrundstücke entkommen war. Sie gaben deshalb die weitere Verfolgung des Angeklagten auf, kehrten zum Fahrzeug des Angeklagten zurück und nahmen dort den weiterhin im VW-Transporter des Angeklagten sitzenden Beifahrer R. fest. Dieser versuchte noch, den Angeklagten zu decken, indem er wahrheitswidrig behauptete, nur dessen Vornamen zu kennen. Da er aber immerhin signalisierte, dass der Fliehende Halter des VW T4 war, konnten die Polizeibeamten schnell den Namen und die Wohnanschrift des Angeklagten feststellen.

Der Angeklagte floh zu Fuß zu seinem etwa fünf Kilometer entfernten Haus in W., wo er gegen 0.40 Uhr eintraf. Er begab sich in sein Haus, weckte seine dort schlafende Verlobte, die Zeugin W., und entschloss sich schließlich, um nicht an seiner Wohnanschrift von der Polizei aufgegriffen zu werden, sondern sich einem polizeilichen Zugriff zu entziehen, mit der Zeugin sein Haus zu verlassen und sich in deren Wohnung zu begeben. Das Haus des Angeklagten wurde jedoch schon seit einiger Zeit von der Polizei beobachtet, weshalb der Angeklagte letztlich um etwa 01.00 Uhr vor seinem Haus von der Polizei festgenommen werden konnte.

III.

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der in der Hauptverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme.

1. Der Angeklagte hat ein weitreichendes Geständnis abgelegt. Er hat insbesondere das objektive Tatgeschehen in der Hauptverhandlung ganz weitgehend so geschildert, wie es von der Kammer festgestellt worden ist.

a) Der Angeklagte hat die Vorgeschichte, soweit er an dieser beteiligt war, in der Hauptverhandlung den Feststellungen der Kammer entsprechend geschildert.

Hinsichtlich des Tatgeschehens hat der Angeklagte eingeräumt, zur festgestellten Tatzeit mit seinem VW-Transporter mit überhöhter Geschwindigkeit auf der B.-Straße in G.-S. in Richtung W. gefahren zu sein. Er selbst sei, so der Angeklagte, davon ausgegangen, mit etwa 80 km/h gefahren zu sein. Der Angeklagte hat weiter eingeräumt, ihm sei klar gewesen, dass er nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war und deshalb sein Fahrzeug nicht hätte führen dürfen. Zudem sei ihm klar gewesen, dass er auch aufgrund des im Laufe des Tages genossenen Alkohols nicht hätte fahren dürfen. Er habe sich allerdings fahrtüchtig gefühlt und sein Fahrzeug auch ohne irgendwelche Schwierigkeiten führen können.

Weiter hat der Angeklagte eingeräumt, er habe schon aus größerer Entfernung rotes Licht, reflektierende Flächen und eine Person auf der Fahrbahn bemerkt, habe jedoch zunächst spontan gedacht, dass es sich um eine Baustelle handele. Unmittelbar darauf sei ihm jedoch klar geworden, dass es sich um eine Polizeikontrolle handelte und er kontrolliert werden sollte. Denn er habe erkannt, dass eine Person, die mit einer Polizei-Warnweste bekleidet gewesen sei, eine rot beleuchtete Anhaltekelle geschwenkt habe.

Der Angeklagte hat weiter eingeräumt, dass ihm - wie von der Kammer festgestellt - daraufhin durch den Kopf gegangen sei, dass er auf keinen Fall von der Polizei angehalten werden durfte, weil er ohne Fahrerlaubnis fuhr, zu schnell unterwegs war, alkoholisiert war und außerdem noch eine geringe Menge Haschisch und Marihuana bei sich führte. Er habe deshalb, so der Angeklagte, eine Bestrafung und den Widerruf seiner Bewährungsstrafe befürchtet. Zudem habe er spontan Angst bekommen, infolgedessen seine Verlobte zu verlieren. Um nicht als Fahrer des Fahrzeuges identifiziert werden zu können und um so eine Bestrafung und die weiteren befürchteten Folgen zu verhindern, habe er sich entschieden, sich der Kontrolle auf jeden Fall zu entziehen.

Der Angeklagte hat weiter eingestanden, er sei, um sich der von ihm erkannten Polizeikontrolle zu entziehen, auf seiner Fahrspur geradeaus weitergefahren und damit direkt auf die Polizeikontrolle zugefahren. Er habe weder gebremst noch irgendein Ausweichmanöver gemacht. Insbesondere habe er nicht versucht, durch ein Ausweichen auf die Gegenfahrbahn, auf der kein Verkehr gewesen sei, die Kontrolle zu umfahren, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre. Der Angeklagte hat darüber hinaus eingeräumt, dass er, kurz bevor er die Kontrollstelle erreichte, sein Fahrzeug sogar noch beschleunigte. Er habe dann, so der Angeklagte weiter, unter fortwährender Beschleunigung seines Fahrzeuges die Kontrollstelle passiert und sei in Richtung W. weitergefahren.

Auch das Nachtatgeschehen hat der Angeklagte ganz weitgehend so geschildert, wie es festgestellt worden ist. Insbesondere hat der Angeklagte eingeräumt, nach dem Passieren der Kontrollstelle mit hohem Tempo in Richtung W. weitergefahren zu sein. Er habe, so der Angeklagte, während dieser Flucht bemerkt, dass er von der Polizei verfolgt worden sei, denn er habe ein mit Blaulicht und Martinshorn fahrendes Fahrzeug bemerkt, dass ihm gefolgt sei. Er habe, so der Angeklagte weiter, in der Hoffnung, den Polizeibeamten so zu entkommen, in W. das Licht an seinem Fahrzeug ausgeschaltet, sei nach links in eine kleinere Straße abgebogen, habe dort sein Fahrzeug abrupt abgestellt und sodann seine Flucht zu Fuß fortgesetzt.

b) Abweichend von den Feststellungen hat sich der Angeklagte lediglich wie folgt eingelassen:

aa) Er habe nur einen Polizeibeamten auf der Straße stehen sehen. Dieser habe etwa mittig auf seiner Fahrbahn gestanden, eine hell reflektierende Warnweste mit der Aufschrift „Polizei“ getragen, wodurch er für ihn gut sichtbar gewesen sei, und eine rot beleuchtete Anhaltekelle geschwenkt. Einen zweiten Polizeibeamten habe er nicht bemerkt.

bb) Als er die Polizeikontrolle bemerkt habe, sei er, so der Angeklagte in der Hauptverhandlung, „total geschockt“ gewesen. Er sei „in Panik verfallen“ und „wie versteinert“ gewesen. Deswegen habe er, um sich einer Kontrolle zu entziehen, „im Schockzustand“ Gas gegeben und sei unter Beschleunigung seines Fahrzeuges einfach geradeaus weitergefahren. Er sei „mit der Situation völlig übergefordert“ gewesen. Er habe niemanden gefährden wollen und es nicht für möglich gehalten, dass er jemanden verletze oder gar überfahre und damit eventuell töte.

cc) Er habe zwar, als er zu Hause angekommen gewesen sei, seine Verlobte aufgeweckt und diese gebeten, ihn in ihre Wohnung zu fahren, doch habe er dies nicht getan, um sich einem polizeilichen Zugriff zu entziehen, sondern um sich „in einem anderen Umfeld zu beruhigen“. Er habe beabsichtigt, am nächsten Morgen einen Rechtsanwalt aufzusuchen und sich in dessen Beisein der Polizei zu stellen.

2. Zweifel an der Richtigkeit der geständigen Angaben des Angeklagten haben sich nicht ergeben, weshalb die Kammer diese ihren Feststellungen zugrunde gelegt hat. Dies gilt auch deshalb, weil die geständigen Angaben des Angeklagten zum eigentlichen Tatgeschehen, wie nachfolgend näher erörtert wird, durch die in der Hauptverhandlung durchgeführte Beweisaufnahme bestätigt worden sind.

3. Die Einlassung des Angeklagten ist, soweit sie von den Feststellungen der Kammer abweicht, durch das Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt.

Die Feststellungen der Kammer, die sich nicht auf die geständigen Angaben des Angeklagten stützen lassen, insbesondere die Feststellungen zu den Zeit- und Entfernungsangaben sowie zum Verhalten der Polizeibeamten, beruhen gleichfalls auf dem Ergebnis der in der Hauptverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme.

a) Die Feststellungen der Kammer zu den örtlichen Verhältnissen, zur Einrichtung der Messstelle, zur durchgeführten Geschwindigkeitsmessung und zum Verhalten der beteiligten Polizeibeamten sowie die Entfernungs- und Zeitangaben beruhen insbesondere auf den glaubhaften Angaben der in der Hauptverhandlung vernommenen Polizeibeamten POK H., KK H. und POK S. sowie auf einem in der Hauptverhandlung erstatteten mündlichen Gutachten des Sachverständigen für Straßenverkehrsunfälle Dipl.-Ing. (FH) K., der unter anderem am 04.08.2010 im Beisein der vorgenannten Polizeibeamten am Tatort eine Rekonstruktion des Tatgeschehens vorgenommen hat.

Im Einzelnen ist insofern Folgendes auszuführen:

aa) Die Feststellungen zu den Maßen und dem Verlauf der B.-Straße in G.-S. sowie zu den generellen dortigen Sichtverhältnissen bei Tag und bei Nacht beruhen in erster Linie auf den diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen K. in der Hauptverhandlung. Dieser hat insofern den Feststellungen der Kammer entsprechende Angaben gemacht. Ferner basieren diese Feststellungen auf einer vom Sachverständigen angefertigten maßstabsgerechten Skizze der Tatörtlichkeit (Sonderheft I Bl. 35), auf zwei Lageskizzen des Ermittlungsbeamten EKHK K. (Bd. I Bl. 47 f. d. A.), die den Verlauf der B.-Straße in G.-S. sowie die unmittelbare Tatörtlichkeit abbilden, auf Lichtbildern, die den Verlauf der B.-Straße sowie den unmittelbaren Tatort aus unterschiedlichen Perspektiven zeigen (Bd. I Hülle Bl. 49 d. A., Bilder 1-4; Sonderheft I Bl. 38-44, Bilder 6, 7, 9-13, 15-24) sowie auf einem bei der Tatrekonstruktion am 04.08.2010 gefertigten Video (CD Sonderheft I Bl. 11R), das gleichfalls den Verlauf der B.-Straße und den Bereich der B.-Straße zeigt, in dem sich das verfahrensgegenständliche Geschehen ereignete. Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgenannten Skizzen und Lichtbilder sowie das vorgenannte Video, die allesamt in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden sind, gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen.

Die Feststellungen der Kammer zum Ort und zur Einrichtung der Messstelle sowie zum Standort der Polizeibeamten in ihrer „Warteposition“ beruhen auf den übereinstimmenden Angaben der beteiligten Polizeibeamten POK H., KK H. und POK S., die den Feststellungen der Kammer entsprechende Angaben gemacht haben, sowie auf Lichtbildern, die die Messstelle und den Standort der Polizeibeamten so wie festgestellt zeigen und im Rahmen einer polizeilichen Vorabrekonstruktion des Tatgeschehens am 28.07.2010 (Bd. I Hülle Bl. 49 d. A., Bild 1) beziehungsweise im Rahmen der vom Sachverständigen K. durchgeführten Tatrekonstruktion am 04.08.2010 (Sonderheft I Bl. 37-38, Bilder 1-5; Sonderheft I Bl. 41, Bilder 13 und 15) gefertigt wurden. Die vorgenannten Lichtbilder, auf die wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen wird, sind in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden. Der Ort der Mess- und Kontrollstelle sowie ihre Einrichtung sind ferner erkennbar auf dem bereits genannten Video (CD Sonderheft I Bl. 11R), auf das auch insofern wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen wird.

Die Feststellungen der Kammer zur Wettersituation sowie zu den Sicht- und Lichtverhältnissen in der Tatnacht basieren auf den übereinstimmenden Bekundungen der Polizeibeamten POK H., KK H. und POK S. Diese haben die Wettersituation sowie die Sicht- und Lichtverhältnisse in der Nacht vom 27.07. auf den 28.07.2010 so geschildert, wie sie von der Kammer festgestellt worden sind.

Die Feststellung, dass sich das Fahrzeug des Angeklagten, als es vom Messgerät der Polizeibeamten erfasst wurde, 193,8 Meter von der Messstelle entfernt befand, beruht auf den glaubhaften Bekundungen des Messbeamten POK S. in der Hauptverhandlung. Dieser hat in der Hauptverhandlung angegeben, diese Entfernung habe er auf dem Display des von ihm bedienten Lasermessgerätes abgelesen.

Auf den glaubhaften Bekundungen des Polizeibeamten POK S. in der Hauptverhandlung beruhen auch die Feststellungen der Kammer zum Zeitpunkt der Messung der Geschwindigkeit des Fahrzeuges des Angeklagten und zur Höhe der dabei gemessenen Geschwindigkeit. POK S. hat glaubhaft bekundet, er habe eine gemessene Fahrgeschwindigkeit in Höhe von 87 km/h auf dem Display des Lasermessgerätes abgelesen. Von dieser angegebenen Geschwindigkeit sei eine Toleranz von 3 km/h abzuziehen, so dass die vorwerfbare Fahrgeschwindigkeit des Angeklagten bei 84 km/h gelegen habe. Die gemessene sowie die nach Abzug der Messtoleranz vorwerfbare Geschwindigkeit sowie die Uhrzeit der Messung habe er direkt nach dem unmittelbaren Tatgeschehen in ein Messprotokoll eingetragen, weshalb er sich auch heute noch bezüglich dieser Daten absolut sicher sei. Der Zeuge POK S. hat ferner glaubhaft bekundet, er habe die auf dem Display des Lasermessgerätes angezeigte Geschwindigkeit unmittelbar nach der Messung seinen Kollegen POK H. und KK H., die das Anhaltekommando bildeten, zugerufen. Das haben die als Zeugen in der Hauptverhandlung vernommenen Polizeibeamten POK H. und KK H. bestätigt. POK H. und KK H. haben darüber hinaus glaubhaft bekundet, sie hätten bereits vor dem Zuruf ihres Kollegen POK S. ein Piepen des Messgerätes gehört, wobei es sich um eine akustische Anzeige einer gemessenen Geschwindigkeitsüberschreitung handelte. Darüber hinaus haben POK H. und KK H. bekundet, sie hätten bereits kurz zuvor damit gerechnet, dass das Messgerät eine Geschwindigkeitsüberschreitung anzeigen würde, weil sie schon aus den lauten Fahrzeuggeräuschen des herannahenden Fahrzeuges darauf geschlossen hätten, dass das Fahrzeug zu schnell unterwegs war.

Die Feststellung der Kammer, dass die Polizeibeamten POK H. und KK H. von ihrer Warteposition hinter ihrem Polizeifahrzeug bis auf die Straße eine Wegstrecke von etwa 7,5 Meter zurückzulegen hatten, beruht in erster Linie auf den Angaben des Sachverständigen K., der in der Hauptverhandlung berichtet hat, er habe die verschiedenen Positionen der Polizeibeamten bei seiner Rekonstruktion am 04.08.2010 nachgestellt und die relevanten Entfernungen nachgemessen. Die Entfernung zwischen der Warteposition der Polizeibeamten und ihrem späteren Standort auf der Straße habe etwa 7,5 Meter betragen. Ferner beruht diese Feststellung auf den glaubhaften Bekundungen der Polizeibeamten POK H. und KK H. in der Hauptverhandlung, auf der in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen maßstabsgetreuen Skizze der Tatörtlichkeit des Sachverständigen K. (Sonderheft I Bl. 35) sowie auf ebenfalls in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbildern der Örtlichkeit (Bd. I Hülle Bl. 49 d. A., Bilder 1-3; Sonderheft I Bl. 37-38, Bilder 1, 3-5; Sonderheft I Bl. 41, Bild 15; Sonderheft I Bl. 44, Bilder 22 und 23). Auf die vorgenannte Skizze und die vorgenannten Lichtbilder wird wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen.

Die Feststellungen der Kammer zum Standort der Polizeibeamten POK H. und KK H. auf der B.-Straße bei ihrem Anhalteversuch, zu ihrer Bekleidung (Warnwesten) sowie zu ihrem Verhalten beim Anhalteversuch, namentlich zum Schwenken einer roten Anhaltekelle und zum Richten einer hell leuchtenden Maglite-Taschenlampe auf das Fahrzeug des Angeklagten, basieren primär auf den glaubhaften Bekundungen der Polizeibeamten POK H. und KK H. in der Hauptverhandlung. Die beiden Polizeibeamten haben unabhängig voneinander und ohne dass es Widersprüche zwischen ihren Bekundungen gab, zu den hier erörterten Punkten den Feststellungen der Kammer entsprechende Angaben gemacht. Zweifel an der Richtigkeit der Bekundungen der Polizeibeamten POK H. und KK H. haben sich nicht ergeben, zumal die Richtigkeit ihrer Angaben gestützt wird durch die Ausführungen des Sachverständigen K. Dieser hat in der Hauptverhandlung berichtet, dass er - wie bereits ausgeführt - am 04.08.2010 im Beisein der beiden genannten Polizeibeamten eine Tatrekonstruktion am Tatort vorgenommen hat. Der Sachverständige K. hat in der Hauptverhandlung weiter ausgeführt, dass und wie ihm die Polizeibeamten POK H. und KK H. ihr Verhalten beim Anhalteversuch darstellten und bei der Rekonstruktion „vorspielten“. Die Angaben des Sachverständigen über das, was er bei der von ihm vorgenommenen Rekonstruktion in Erfahrung brachte, korrespondieren mit den Bekundungen der Polizeibeamten POK H. und KK H. in der Hauptverhandlung. Der Standort der beiden Polizeibeamten und ihr Verhalten beim Anhalteversuch ist zudem erkennbar auf der vom Sachverständigen auf der Basis der von ihm vorgenommenen Rekonstruktion gefertigten maßstabsgerechten Skizze (Sonderheft I Bl. 35) sowie auf Lichtbildern, die im Rahmen der Rekonstruktion am 04.08.2010 gefertigt wurden und auf denen erkennbar ist, dass die Polizeibeamten bei der Rekonstruktion ihr Vorgehen beim Anhalteversuch und ihren Standort auf der Straße den Feststellungen der Kammer entsprechend nachstellten. Auf diese Lichtbilder (Bd. I Bl. 49 d. A., Bilder 2-4; Sonderheft I Bl. 44-45, Bilder 22, 23, 27) wird wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen.

Die Polizeibeamten POK H. und KK H. haben darüber hinaus in der Hauptverhandlung glaubhaft bekundet, sie hätten, als sie auf der Richtungsfahrbahn des Angeklagten standen und in Richtung des herannahenden Fahrzeuges des Angeklagten blickten, registriert, dass der Angeklagte ohne zu bremsen geradeaus immer weiter direkt auf sie zugefahren sei. Sowohl POK H. als auch KK H. bekundeten weiter, schon deshalb hätten sie die Vermutung gehabt, dass der Angeklagte eventuell nicht anhalten würde, wobei sie allerdings zunächst gedacht hätten, dass der Angeklagte sie vielleicht noch nicht bemerkt hatte. POK H. hat in diesem Zusammenhang weiter bekundet, er habe dies zum Anlass genommen, das Schwenken seiner rot beleuchteten Anhaltekelle zu intensivieren. POK H. und KK H. haben weiter übereinstimmend und unabhängig voneinander glaubhaft angegeben, sie hätten kurz darauf aufgrund des lauter werdenden Motorgeräusches des auf sie zufahrenden Fahrzeuges des Angeklagten wahrgenommen, dass das Fahrzeug sogar noch beschleunigt wurde. Daraufhin sei ihnen - unabhängig voneinander - klar geworden, dass der Angeklagte sie bemerkt hatte, aber nicht anhalten wollte, sich also der Kontrolle entziehen wollte. Deshalb hätten sie nun ihren Anhalteversuch aufgegeben und die Straße schnell verlassen. Er sei, so POK H., wegen des auf ihn zurasenden Fahrzeuges so schnell von der Straße herunter gelaufen, dass er nach Verlassen der Fahrbahn nicht sogleich anhalten konnte, sondern erst in Höhe ihres in der Grundstückseinfahrt abgestellten Zivilstreifenwagens zum Stehen gekommen sei.

Die Bekundungen der Polizeibeamten POK H. und KK H. bestätigen damit die geständige Einlassung des Angeklagten, dass er, um der Polizeikontrolle zu entkommen, nicht nur geradeaus und ohne zu bremsen auf seiner Richtungsfahrbahn auf die Polizeibeamten zufuhr, sondern sein Fahrzeug sogar noch beschleunigte. Dies wird im Übrigen auch noch durch die Bekundungen des Zeugen R., des Beifahrers im Fahrzeug des Angeklagten, bestätigt. Auch dieser hat das Fahrverhalten des Angeklagten den Feststellungen der Kammer entsprechend geschildert, also insbesondere das direkte Zufahren des Angeklagten auf die Polizeibeamten und seine Beschleunigung des Fahrzeuges bestätigt.

Die Feststellung der Kammer zum Ausmaß der Beschleunigung des Fahrzeuges des Angeklagten beruht auf den Ausführungen des in der Hauptverhandlung vernommenen Sachverständigen K. Dieser hat vorgetragen, er habe mit dem Tatfahrzeug des Angeklagten auf der B.-Straße in G.-S. im Rahmen der Tatrekonstruktion Fahrversuche vorgenommen und unter Zuhilfenahme eines Messgerätes ausgehend von einer Fahrgeschwindigkeit von 84 km/h die Beschleunigungsfähigkeit des Fahrzeuges auf der während des Tatgeschehens gefahrenen Strecke gemessen. Diese Messung habe unter Berücksichtigung der von den Polizeibeamten POK H. und KK H. bekundeten Erhöhung der Motorgeräusche des Fahrzeuges, aus der abzuleiten sei, dass das Fahrzeug im vierten Gang gefahren worden sei, ergeben, dass die Beschleunigung 0,3 m/s² betragen habe. Dies bedeute, so der Sachverständige K. weiter, dass - ausgehend von einem Beginn der Beschleunigung knapp 45 Meter vor den auf der Straße stehenden Polizeibeamten (siehe hierzu sogleich) - das Fahrzeug des Angeklagten beim Passieren des Ortes, an dem die Polizeibeamten auf der Straße standen, eine Geschwindigkeit von etwa 86 km/h hatte.

Die Feststellung, dass der Angeklagte sein Fahrzeug beschleunigte, als er sich noch knapp 45 Meter von den auf der Straße stehenden Polizeibeamten POK H. und KK H. entfernt befand, beruht in erster Linie auf den diesbezüglichen glaubhaften Bekundungen der Polizeibeamten POK H. und KK H.: Die Polizeibeamten haben in der Hauptverhandlung unabhängig voneinander angegeben, das Fahrzeug des Angeklagten habe sich, als sie - anhand der lauter werdenden Motorgeräusche - bemerkten, dass dieses beschleunigt wurde, in Höhe einer großen und markanten Birke befunden, die - aus Sicht der Polizeibeamten - am linken Straßenrand steht und deren Äste auf die Fahrbahn hinausragen. Diese Birke sei für sie, so die Polizeibeamten, auch in der Tatnacht klar erkennbar gewesen.

Der Sachverständige K. hat in der Hauptverhandlung ausgeführt, er habe die Entfernung zwischen dem im Rahmen der Rekonstruktion ermittelten Standort der Polizeibeamten auf der Straße einerseits und der erwähnten Birke andererseits ausgemessen; die Entfernung betrage 43 Meter. Der Sachverständige hat weiter dargelegt, seine Untersuchungen am Tatort, die er auch bei Dunkelheit vorgenommen habe, hätten ergeben, dass die Birke tatsächlich vom Standort der Polizeibeamten auf der Straße aus selbst bei Dunkelheit klar erkennbar sei und es auch ohne Weiteres möglich sei, vom Standort der Polizeibeamten auf der Straße aus nachts zu erkennen, dass sich ein herannahendes Fahrzeug in Höhe der Birke befindet. Die markante Birke und ihr Standort sind auch auf Lichtbildern (Bd. I Hülle Bl. 49 d. A., Bilder 1-3; Sonderheft I Bl. 38, Bild 6; Sonderheft I Bl. 45-46, Bilder 25-30) zu sehen, die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden sind und auf die wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen wird. Ferner sind die Birke und ihr Standort auch auf dem in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Video zu erkennen, das im Rahmen der vom Sachverständigen K. am 04.08.2010 vorgenommenen Tatrekonstruktion gefertigt wurde (CD Sonderheft I Bl. 11R). Auch auf diese Videobilder wird gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen.

bb) Zwar haben die Polizeibeamten POK H. und KK H. übereinstimmend bekundet, der Angeklagte habe sein Fahrzeug beschleunigt, als er sich mit diesem in Höhe der am Fahrbahnrand wachsenden markanten Birke befand, und hat der Sachverständige K. ausgeführt, dass eine solche Beobachtung am Tatort und zur Tatzeit möglich war. Doch ist der Kammer bewusst gewesen, dass Entfernungsangaben von Zeugen mit besonderer Vorsicht zu würdigen sind, weil die genaue Schätzung von Entfernungen fehlerträchtig ist. Gleichwohl aber ist die Kammer zu der sicheren Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte sein Fahrzeug beschleunigte, als er noch knapp 45 Meter von den auf der Straße stehenden Polizeibeamten entfernt war, und zwar aus folgenden Gründen:

Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei den Zeugen um erfahrene Polizeibeamte handelt, die, wie die Zeugen in der Hauptverhandlung selbst angegeben haben, in der Schätzung von Entfernungen, zumal von solchen im Straßenverkehr, geübt sind. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Zeugen keine bloße Entfernungsschätzung in Metern vorgenommen haben, also nicht lediglich eine Entfernung des Fahrzeuges zum Zeitpunkt der Beschleunigung in Metern bekundet haben, sondern jeweils angegeben haben, das Fahrzeug habe sich zu diesem Zeitpunkt in Höhe der markanten Birke befunden. Sie haben also ihre Wahrnehmung hinsichtlich des Beschleunigungsortes mit einem an dieser Stelle befindlichen großen Baum verknüpfen können, dessen Entfernung zum Standort der Polizeibeamten unschwer ausgemessen werden konnte. Schon dies spricht deutlich für die Richtigkeit der Feststellung der Kammer zur Entfernung des Fahrzeuges des Angeklagten von den Polizeibeamten zum Zeitpunkt des Beginns der Beschleunigung. Vor allem aber werden die Richtigkeit der Bekundungen der Polizeibeamten zum Beschleunigungsort und die diesbezüglichen Feststellungen der Kammer untermauert durch folgende Überlegungen, die zugleich die weiteren Entfernungs- und Zeitfeststellungen der Kammer belegen:

Wie ausgeführt, fuhr das Fahrzeug des Angeklagten, als es von dem Geschwindigkeitsmessgerät gemessen wurde, mit einer Geschwindigkeit von 84 km/h. Es legte damit in einer Sekunde eine Fahrstrecke von 23,33 Meter zurück (84.000 Meter : 3.600 Sekunden). Zum Zeitpunkt der Messung befand sich das Fahrzeug des Angeklagten, wie POK S. glaubhaft bekundet hat, 193,8 Meter vom Aufstellort des Messgerätes entfernt. Der Sachverständige K. hat in der Hauptverhandlung ausgeführt, er habe bei der Rekonstruktion des Tatgeschehens am 04.08.2010 den Abstand zwischen dem Aufstellort des Messgerätes und dem Ort gemessen, an dem die Polizeibeamten - aus Sicht des Angeklagten - vor dem Messgerät auf der Straße standen. Die Entfernung habe knapp vier Meter betragen. Dieser Abstand ergibt sich auch aus der vom Sachverständigen angefertigten und in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Tatortskizze (Sonderheft I Bl. 35), auf die auch insofern wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen wird. Dies bedeutet, dass das Fahrzeug des Angeklagten, als dessen Geschwindigkeitsüberschreitung gemessen wurde, 190 Meter vom (späteren) Standort der Polizeibeamten entfernt war. Die Gesamtfahrdauer des Fahrzeugs des Angeklagten für die Strecke vom Ort der Messung bis zum (späteren) Standort der Polizeibeamten betrug mithin ohne Berücksichtigung der späteren noch kurzzeitigen Beschleunigung des Fahrzeuges 8,14 Sekunden. Die spätere Beschleunigung fällt insofern nicht entscheidend ins Gewicht, denn der Sachverständige hat in der Hauptverhandlung vorgetragen, bei einer Beschleunigung des Fahrzeuges von 84 km/h auf 86 km/h auf den letzten 45 Streckenmetern sei von einer Gesamtfahrzeit von 8,12 Sekunden auszugehen.

Der Sachverständige K. hat weiter ausgeführt, die Polizeibeamten POK H. und KK H. hätten, um die Strecke von ihrem Warteort hinter ihrem Zivilstreifenwagen bis hin zu ihrem späteren Standort auf der Straße - die Entfernung betrug, wie bereits ausgeführt, etwa 7,5 Meter - zurückzulegen, ausgehend von der von beiden Polizeibeamten bekundeten schnellen Gehgeschwindigkeit, die mit gut zwei Metern pro Sekunde zu veranschlagen sei, gut drei Sekunden gebraucht, wobei er, so der Sachverständige, insofern auch eine gewisse Reaktionszeit der Polizeibeamten berücksichtigt habe. Mithin ist davon auszugehen, dass die Polizeibeamten POK H. und KK H. ihren Standort auf der Straße gut drei Sekunden nach der erfolgten Messung des Fahrzeuges des Angeklagten erreicht hatten.

In diesen drei Sekunden legte der Angeklagte mit seinem VW-Transporter eine Strecke von 70 Metern zurück, so dass er sich höchstens 120 Meter vom Aufstellort der Polizeibeamten auf der Straße entfernt befand, als die Polizisten ihre dortige Position bezogen hatten.

Der Angeklagte erkannte, wie er selbst eingeräumt hat, die Situation sogleich, auch wenn er zunächst einen Moment lang von einer Baustelle ausging und sich in der Hauptverhandlung dahingehend eingelassen hat, lediglich eine Person auf der Straße gesehen zu haben. Für ein derart schnelles Erkennen der Situation durch den Angeklagten und damit für die Richtigkeit der diesbezüglichen Feststellungen der Kammer spricht Folgendes: Der Sachverständige K. hat, wie er in der Hauptverhandlung dargelegt hat, am 25.10.2010 gemeinsam mit Polizeibeamten der Polizeiinspektion G. eine weitere Tatrekonstruktion vorgenommen, und zwar diesmal zur Nachtzeit, um herauszufinden, aus welcher Entfernung mit Warnwesten bekleidete und eine beleuchtete Anhaltekelle sowie eine Maglite-Taschenlampe benutzende Polizeibeamte nachts am Tatort zu erkennen sind. Der Sachverständige, der für diese Rekonstruktion ein Fahrzeug mit H4-Scheinwerfern verwendete, wie sie sich auch am Fahrzeug des Angeklagten befanden, und der zudem den rechten Scheinwerfer des Versuchsfahrzeuges ausschaltete, weil der rechte Scheinwerfer am Tatfahrzeug des Angeklagten zum Tatzeitpunkt falsch eingestellt war, hat in der Hauptverhandlung ausgeführt, seine Rekonstruktion vom 25.10.2010 habe ergeben, dass aus einer Entfernung von 125 Metern auf der Straße stehende Polizeibeamten aufgrund der Lichtreflektion ihrer Warnwesten und wegen der beleuchteten Anhaltekelle und der Taschenlampe auch bei Dunkelheit ohne weiteres als Personen auf der Fahrbahn erkennbar waren. Dies zeigt auch ein in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenes Lichtbild (Bd. II Bl. 2 d. A., Bild 5), das der Sachverständige bei seiner am 25.10.2010 vorgenommenen Rekonstruktion aus einer Entfernung von 125 Metern zum Aufstellort des Messgerätes aufgenommen hat und auf dem deutlich die Sichtbarkeit der Polizeibeamten aus dieser Entfernung zu sehen ist. Auf dieses Lichtbild wird wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Sachverständige K. in der Hauptverhandlung ausgeführt hat, die Nacht, in der er die „Nachtrekonstruktion“ vorgenommen habe, sei sehr dunkel gewesen, während die Polizeibeamten POK H. und KK H. - wie bereits ausgeführt - glaubhaft bekundet haben, die Sichtverhältnisse in der Tatnacht - einer wolkenlosen Vollmondnacht - seien sehr gut gewesen, so dass für die Tatnacht sogar noch von einer deutlich besseren Sichtbarkeit der Polizeibeamten ausgegangen werden kann.

Wie ausgeführt, hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung eingeräumt, er habe unmittelbar, nachdem er zunächst von einer Baustelle ausgegangen war, registriert, dass es sich um eine Polizeikontrolle handelte, und zwar deswegen, weil der von ihm wahrgenommene Polizeibeamte durch die von ihm getragene spezielle Warnweste als Polizist gekennzeichnet war und zudem eine polizeitypische Anhaltekelle schwenkte. Da der Angeklagte davon gesprochen hat, unmittelbar nach seiner ersten Wahrnehmung die Polizeikontrolle als solche erkannt zu haben, geht die Kammer davon aus, dass der Angeklagte eine Zeit von etwa einer Sekunde brauchte, um nach seiner ersten Wahrnehmung der Situation zu erkennen, dass es sich bei den auf der Straße stehenden Personen um Polizeibeamte handelte, die ihn anhalten und kontrollieren wollten. Dies bedeutet, ausgehend von einer Fahrgeschwindigkeit des Angeklagten von 23,33 m/s, dass der Angeklagte sich jetzt etwa 100 Meter vom Standort der Polizeibeamten entfernt befand. Diese Feststellung wird unterstützt durch die gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen K. Dieser hat in der Hauptverhandlung dargelegt, die von ihm vorgenommene Nachtrekonstruktion des Tatgeschehens habe ergeben, dass aus einer Entfernung von circa 100 Metern bis zum Messgerät aufgrund der von den Polizeibeamten getragenen Warnwesten, der Taschenlampe sowie der beleuchteten und hin und her geschwenkten Anhaltekelle die Polizeibeamten auch als solche gut erkennbar waren. Dies zeigt auch ein in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenes Lichtbild (Bd. II Bl. 3 d. A., Bild 8), das der Sachverständige bei dieser „Nachtrekonstruktion“ aus einer Entfernung von etwa 100 Metern aufgenommen hat und auf das wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen wird. Auch insofern ist wiederum zu berücksichtigen, dass - wie bereits ausgeführt - die Sichtverhältnisse in der Tatnacht deutlich besser waren als in der Nacht, in der der Sachverständige seine „Nachtrekonstruktion“ vornahm.

Nachdem der Angeklagte also bei einer Entfernung von etwa 100 Metern vom Standort der Polizeibeamten registriert hatte, dass Polizeibeamte auf der Straße standen und ihn kontrollieren wollten, ging ihm ausweislich seiner vom Gericht den Feststellungen zugrunde gelegten Einlassung durch den Kopf, dass er auf keinen Fall von der Polizei angehalten werden durfte, weil er ohne Fahrerlaubnis fuhr, zu schnell unterwegs war, alkoholisiert war und außerdem noch geringe Mengen Haschisch und Marihuana bei sich führte, weshalb er spontan einen Widerruf seiner Bewährungsstrafe sowie den Verlust seiner Verlobten befürchtete und sich daraufhin entschloss, sich der Polizeikontrolle zu entziehen, und zwar durch Weiterfahren auf seiner Fahrspur unter Beschleunigung seines Fahrzeuges. Für diese spontanen Gedanken und die Umsetzung des Entschlusses, auf seiner Fahrbahn weiterzufahren und sein Fahrzeug sogar noch zu beschleunigen, brauchte der Angeklagte nach Einschätzung der Kammer gut zwei Sekunden. Während dieser zwei Sekunden legte der Angeklagte weitere gut 50 Meter Fahrtstrecke zurück.

Diese - überschlägigen - Berechnungen führen mithin zu dem Ergebnis, dass die Beschleunigung des vom Angeklagten geführten Fahrzeuges begann, als sich dieses noch knapp 50 Meter vom Standort der Polizeibeamten auf der Straße entfernt befand.

Diese Überlegungen bestätigen damit die Richtigkeit der Wahrnehmungen der Polizeibeamten POK H. und KK H., dass das Fahrzeug des Angeklagten beschleunigte, als es sich in Höhe der markanten Birke befand, denn der Standort der Polizeibeamten befand sich - wie ausgeführt - knapp 45 Meter von der Birke entfernt.

Bei ihren Kontrollüberlegungen hat die Kammer nicht außer Acht gelassen, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt alkoholisiert war. Wie an anderer Stelle noch näher ausgeführt wird, führte die Alkoholisierung jedoch nicht zu einer Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten des Angeklagten, so dass es nicht erforderlich war, bei den dargestellten Überlegungen der Kammer eine alkoholbedingte Verzögerung der Gedankenführung und Handlungsabläufe des Angeklagten in Rechnung zu stellen.

cc) Davon ausgehend, dass die Beschleunigung des Fahrzeuges des Angeklagten begann, als sich dieses knapp 45 Meter von dem Standort der Polizeibeamten auf der Straße entfernt befand, sowie ausgehend davon, dass die Polizeibeamten aufgrund der von ihnen wahrgenommenen Beschleunigung des Fahrzeuges erkannten, dass der Angeklagte nicht anhalten würde und sie - die Polizeibeamten - von der Fahrbahn fliehen mussten, hatten die Polizeibeamten POK H. und KK H. nach Angaben des Sachverständigen K. lediglich 1,8 Sekunden Zeit, um zu reagieren und die Fahrbahn zu verlassen. Zu dieser Erkenntnis ist der Sachverständige K. ausweislich seiner Ausführungen in der Hauptverhandlung unter Zugrundelegung einer Ausgangsgeschwindigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Beschleunigung von 84 km/h und einer Beschleunigung des Fahrzeuges von 0,3 m/s² gelangt.

dd) Der Sachverständige K. hat weiter in der Hauptverhandlung ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass die Polizeibeamten POK H. und KK H. eine Reaktionszeit von einer Sekunde benötigten, um - nachdem sie erkannt hatten, dass der Angeklagte sein Fahrzeug beschleunigte - zu registrieren, dass der Angeklagte nicht anhalten wollte, sich zu entscheiden, deshalb die Fahrbahn fluchtartig zu verlassen, und mit der Flucht tatsächlich zu beginnen. Das bedeute, so der Sachverständige K. weiter, dass sich der Angeklagte mit seinem Fahrzeug noch knapp 20 Meter von den auf der Straße stehenden Polizeibeamten entfernt befand, als POK H. und KK H. begannen, ihren Standort auf der Straße zu verlassen. Für ihre „Flucht“ von der Fahrbahn hatten die beiden Polizeibeamten mithin 0,8 Sekunden Zeit. Schon hieraus ergibt sich nach dem Dafürhalten der Kammer, dass sich zumindest der Polizeibeamte POK H. ab dem Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte sein Fahrzeug beschleunigte, in konkreter Lebensgefahr befand.

Der Polizeibeamte POK H. hat in der Hauptverhandlung glaubhaft bekundet, das Fahrzeug des Angeklagten habe sich in dem Moment, als er von der Fahrbahn zu laufen begonnen habe, in Höhe einer Mauer am Rande der Grundstückseinfahrt befunden, in deren Bereich die Messstelle aufgebaut war. Der Sachverständige K. hat diesbezüglich ausgeführt, er habe im Rahmen der Tatrekonstruktion am 04.08.2010 die Entfernung zwischen dem Standort der Polizeibeamten POK H. und KK H. auf der Straße einerseits und der genannten Mauer andererseits ausgemessen; die Entfernung habe etwa 18 Meter betragen. Dies ergibt sich auch aus der vom Sachverständigen auf der Basis der von ihm vorgenommenen Rekonstruktion angefertigten maßstabsgerechten Skizze der Tatörtlichkeiten (Sonderheft I Bl. 35), die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden ist und auf die wegen der Einzelheiten auch insofern gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen wird. Die Messung des Sachverständigen K. zeigt erneut die Zuverlässigkeit der Wahrnehmungen und Bekundungen des Zeugen POK H. bezüglich der von ihm bekundeten Entfernungsangaben. Denn wie soeben ausgeführt, folgt auch aus den im Einzelnen bereits entfalteten Berechnungen der Kammer, dass das Fahrzeug des Angeklagten etwa 20 Meter vom Standort der Polizeibeamten entfernt war, als diese begannen, die Straße zu verlassen.

ee) Der Polizeibeamte POK H. hat darüber hinaus bekundet, er sei regelrecht von der Straße gerannt. Er sei so schnell gelaufen, dass er, nachdem er die Grundstückseinfahrt erreicht hatte, zunächst nicht anhalten konnte, sondern noch einige Meter weiter in Richtung des dort abgestellten Zivilstreifenwagens lief. Der Zeuge KK H. hat glaubhaft bekundet, er habe, weil er am Rande der Straße gestanden habe, lediglich einen Schritt beiseite treten müssen. Die Feststellungen der Kammer zum Weglaufen beziehungsweise Beiseitetreten der Polizeibeamten beruhen darüber hinaus auch auf dem Ergebnis der vom Sachverständigen K. am 04.08.2010 vorgenommenen Rekonstruktion des Tatgeschehens, das vom Sachverständigen in der Hauptverhandlung erläutert worden ist, sowie auf Lichtbildern, die im Rahmen dieser Rekonstruktion gefertigt wurden und auf denen zu sehen ist, wie die beiden Polizeibeamten POK H. und KK H. ihr „Fluchtverhalten“ bei der Rekonstruktion nachgestellt haben (Sonderheft I Bl. 46, Bilder 28-30). Auch auf diese in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbilder wird wegen der Einzelheiten gem. § 267 Abs. 3 S. 1 StPO Bezug genommen.

Die Richtigkeit der Bekundungen des Zeugen POK H. zur Geschwindigkeit, mit der er von der Fahrbahn weglief, wird ebenfalls bestätigt durch die Ausführungen des Sachverständigen K.. Dieser hat, wie bereits ausgeführt, vorgetragen, der Polizeibeamte POK H. habe 0,8 Sekunden Zeit gehabt, um von seinem Standort auf der Straße auf den Gehweg zu gelangen und damit die Gefahrenzone zu verlassen. Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, er habe diese Strecke ausgemessen und so in Erfahrung gebracht, dass die von POK H. zurückzulegende Fluchtstrecke 2,7 Meter betragen habe. Dies bedeute, so der Sachverständige K. weiter, dass der Zeuge POK H. mit einer Geschwindigkeit von 3,6 m/s laufen musste, um zu erreichen, dass er nicht vom Fahrzeug des Angeklagten erfasst wurde. Diese Geschwindigkeit entspreche einem schnellen Laufen. Damit wird deutlich, dass der Zeuge POK H. tatsächlich, wie er bekundet hat, schnell laufend die Fahrbahn verlassen musste, um ein Erfasstwerden vom Fahrzeug des Angeklagten zu verhindern.

ff) Die Feststellung, dass der Angeklagte, als er die Kontrollstelle passierte, im Abstand von etwa einem Meter an dem sich zu diesem Zeitpunkt noch schnell laufend auf dem Gehweg befindlichen POK H. vorbeifuhr, beruht auf den diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Zeugen POK H. sowie dem vom Sachverständigen K. in der Hauptverhandlung mündlich vorgetragenen Ergebnis seiner Tatrekonstruktion vom 04.08.2010. Der Sachverständige K. hat insofern ausgeführt, aufgrund der örtlichen Gegebenheiten und der von ihm vorgenommenen Weg-Zeit-Berechnungen sei davon auszugehen, dass der Abstand, mit dem das Fahrzeug des Angeklagten POK H. passierte, etwa einen Meter betragen habe; dies deckt sich mit den eigenen Angaben des Zeugen POK H. sowie mit einer Messung, die im Rahmen der polizeilichen Vorabtatrekonstruktion am 28.07.2010 vorgenommen wurde, wobei diese polizeiliche Rekonstruktion und die dabei vorgenommene Messung auf Lichtbildern (Bd. I Hülle Bl. 49 d. A., Bilder 5-9) zu sehen sind, die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden sind und auf die wegen der Einzelheiten gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen wird.

gg) Die Kammer hat sich sämtlichen im Vorstehenden dargestellten Ausführungen des Sachverständigen für Straßenverkehrsunfälle Dipl.-Ing. (FH) K. nach eigener kritischer Würdigung angeschlossen. Die Ausführungen des Sachverständigen K. waren in sich widerspruchsfrei, für die Kammer ohne weiteres nachvollziehbar und in jeglicher Hinsicht vereinbar mit den glaubhaften Bekundungen der Polizeibeamten POK H., KK H. und POK S.

b) Die Feststellung, dass der Angeklagte während seiner Vorbeifahrt an den Polizeibeamten nach rechts durch die Scheibe der rechten Beifahrertür blickte, um festzustellen, ob die Polizeibeamten zu Schaden kamen, basiert nicht nur auf der diesbezüglichen glaubhaften Einlassung des Angeklagten selbst, sondern auch auf den insofern übereinstimmenden Angaben der Zeugen R. und POK S. POK S. hat in der Hauptverhandlung glaubhaft angegeben, er habe während der Vorbeifahrt des VW-Transporters des Angeklagten in das Führerhaus geblickt und feststellen können, dass der Angeklagte - wie festgestellt - zur Seite blickte. Der Zeuge R., der als Beifahrer im Fahrzeug des Angeklagten mitfuhr, hat in der Hauptverhandlung entsprechende Bekundungen gemacht.

c) Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte - entgegen seiner Einlassung in der Hauptverhandlung - nicht nur einen Polizeibeamten, sondern beide auf der Straße stehenden Polizeibeamten wahrnahm, und zwar zeitgleich.

Insofern ist zunächst einmal festzuhalten, dass tatsächlich zwei Polizeibeamte auf der Straße standen. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass der Sachverständigen K. in der Hauptverhandlung ausgeführt hat, die von ihm vorgenommene „Nachtrekonstruktion“ vom 25.10.2010 habe ergeben, dass beide Polizeibeamte in gleicher Weise erkennbar waren. Dies zeigen auch die vom Sachverständigen während seiner „Nachtrekonstruktion“ vom 25.10.2010 angefertigten Lichtbilder (Bd. II Bl. 1-6 d. A.), die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden sind und auf die auch insofern wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen wird.

Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass auch der Angeklagte beide Polizeibeamte wahrnahm. Denn der Zeuge KOK S. hat in der Hauptverhandlung glaubhaft bekundet, er habe den Angeklagten am Vormittag des 28.07.2010 vernommen. Bei dieser polizeilichen Beschuldigtenvernehmung habe, so KOK S., der Angeklagte von sich aus von Polizeibeamten im Plural gesprochen, die auf der Straße standen. Er könne, so KOK S., sicher ausschließen, dass er dem Angeklagten vorgehalten habe, dass sich zwei Polizeibeamte als Anhaltskommando auf der Straße befanden, denn, so KOK S., zum Zeitpunkt der Vernehmung habe er noch gar nicht gewusst, wie genau sich die Kontrolle abgespielt habe und insbesondere, ob ein Polizeibeamter oder mehrere Polizeibeamte das Anhaltekommando bildeten.

d) Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte, als er auf die Polizeibeamten POK H. und KK H. mit einer Geschwindigkeit von 84 km/h zufuhr, bei einem Abstand von den Polizeibeamten von knapp 45 Metern sein Fahrzeug noch beschleunigte und selbst dann noch beschleunigend und ohne jedes Ausweichmanöver weiter direkt auf die noch immer auf der Straße stehenden Polizeibeamten zufuhr, als er nur noch 20 Meter von diesen entfernt war, es für möglich hielt, zumindest POK H. mit seinem Fahrzeug zu erfassen und dadurch zu töten, und, weil er gleichwohl so wie festgestellt fuhr, um sein unbedingtes Ziel zu erreichen, sich einer Kontrolle zu entziehen, den von ihm für möglich gehaltenen Tod des Polizeibeamten billigend in Kauf nahm, also mit (bedingtem) Tötungsvorsatz handelte. Insofern ist die Kammer auch davon überzeugt, dass die Einlassung des Angeklagten, er sei „in Panik verfallen“, „wie versteinert“ gewesen, „total geschockt“ gewesen und habe es nicht für möglich gehalten, dass er jemanden verletzte oder gar überfahre und damit eventuell töte, unzutreffend ist.

Diese Überzeugung der Kammer, dass der Angeklagte mit (bedingtem) Tötungsvorsatz handelte, ergibt sich aus einer von der Kammer vorgenommenen umfassenden Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände:

Zunächst einmal zeigt das Verhalten des Angeklagten und seine übrige Einlassung, dass er keineswegs aufgrund eines „totalen Schocks“ mit der Situation „überfordert“ und „wie versteinert“ war. Denn das Tatgeschehen und die eigenen Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung zeigen, dass der Angeklagte durchgehend zutreffende Situationswahrnehmungen machte, durchgehend Entscheidungen traf und diesen entsprechend handelte. So hat der Angeklagte eingeräumt, dass er zutreffend wahrnahm, dass es sich um eine Polizeikontrolle handelte, und dass er sich, weil ihm sofort klar wurde, dass er bei einer Kontrolle mit erheblichen negativen Konsequenzen zu rechnen hatte, ganz bewusst dazu entschied, sich der Kontrolle auf jeden Fall zu entziehen. Der Angeklagte hat weiter eingeräumt, dass er innerhalb kürzester Zeit im Einzelnen reflektierte, welche verschiedenen negativen Konsequenzen eine Polizeikontrolle für ihn haben könnte. Zudem fuhr der Angeklagte nicht nur einfach geradeaus weiter, was auf eine Reaktions- und Handlungsunfähigkeit hindeuten könnte, sondern entschloss sich, wie im Einzelnen bereits ausgeführt und von ihm auch eingeräumt worden ist, sein Fahrzeug noch zu beschleunigen; diese Entscheidung setzte der Angeklagte auch in die Tat um, so dass von einer schockbedingten Handlungsunfähigkeit („Versteinerung“) keine Rede sein kann. Der Umstand, dass der Angeklagte während seiner Vorbeifahrt an den Polizeibeamten durch die Scheibe der Beifahrertür blickte, um - wie er selbst sagte - festzustellen, ob die Beamten zu Schaden kamen, zeigt, dass ihm die Gefährdung der Beamten klar war, er also auch die Gefährdungssituation erfasste und bewertete. Dieser Umstand zeigt zudem, dass er in der Lage war, bewusst zu prüfen, ob sich die von ihm erkannte Gefährdung der Polizeibeamten realisierte oder nicht. Auch sein konsequentes und ideenreiches Fluchtverhalten direkt im Anschluss an das Passieren der Kontrollstelle, bei der er sein Fahrzeug voll im Griff hatte, zeigt, dass der Angeklagte keinesfalls mit der Situation vollkommen überfordert und „wie versteinert“ war. Denn POK H. und KK S., die im Anschluss an das eigentliche Tatgeschehen den Angeklagten mit ihrem zivilen Funkstreifenwagen verfolgten, haben glaubhaft bekundet, der Angeklagte habe sein Fahrzeug auf der kurvigen Strecke in Richtung W. weiter beschleunigt, sei aber ohne jegliche Auffälligkeiten gefahren. Die beiden Polizeibeamten haben weiter glaubhaft bekundet, der Angeklagte habe - was dieser auch eingeräumt hat - in der Ortschaft W. das Licht an seinem Fahrzeug ausgeschaltet, sei dann abrupt nach links in den Ziegeleiweg eingebogen, habe dort seinen VW-Transporter in einer Parklücke auf der linken Straßenseite - also „wie geparkt“ und damit in gewisser Weise „versteckt“ - abgestellt und seine Flucht anschließend zu Fuß fortgesetzt. Dieses Fluchtverhalten zeigt, dass der Angeklagte auch jetzt noch in der Lage war, aus seiner Sicht sachgerechte Entscheidungen zu treffen und in die Tat umzusetzen.

Von maßgeblichem Indizwert für die Überzeugung der Kammer, dass der Angeklagte den Tod von zumindest POK H. für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, war die äußerst hohe objektive Gefährlichkeit des Verhaltens des Angeklagten für das Leben dieses mitten auf der Fahrbahn stehenden Polizeibeamten. Insofern sei erneut darauf hingewiesen, dass der Angeklagte mit ausgesprochen hoher Geschwindigkeit (84 km/h) direkt auf die Polizeibeamten zuhielt, in einem Abstand von nur knapp 45 Metern von den Polizeibeamten sein Fahrzeug sogar noch beschleunigte und selbst dann noch ohne irgendein Ausweichmanöver sowie ohne zu bremsen auf die Polizeibeamten zuhielt, als er sich etwa 20 Meter vor diesen befand. Angesichts dieses Tatgeschehens war die konkrete Lebensgefahr, in die der Polizeibeamte POK H. geriet, aber auch die akute Gefährdung seines Kollegen KK H. für jedermann offensichtlich. Da der Angeklagte - wie soeben dargelegt - keinesfalls „wie versteinert“ war, sondern durchgehend zutreffende Wahrnehmungen machte und sein Fahrzeug sicher im Griff hatte, mithin - wie auch an anderer Stelle noch näher ausgeführt wird - in seiner psychophysischen Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt war, ist die Kammer davon überzeugt, dass auch der Angeklagte zumindest die klar auf der Hand liegende konkrete Lebensgefahr, in der sich POK H. befand, zutreffend erkannte, damit dessen Tod für möglich hielt, und, weil er gleichwohl wie festgestellt handelte, auch billigend in Kauf nahm. Im Übrigen zeigt auch der Umstand, dass sich der Angeklagte während seines Passierens der Kontrollstelle nach den Polizeibeamten umdrehte, um festzustellen, ob die Polizeibeamten zu Schaden kamen, dass er die Gefährlichkeit seines Tuns zutreffend erkannte.

Die Kammer hat nicht außer Acht gelassen, dass der möglicherweise alkoholbedingt enthemmte Angeklagte sich spontan und im Zustand gewisser affektiver Erregung entschied, sich durch Zufahren auf die Polizeibeamte einer Kontrolle zu entziehen, und dies sowie die hohe Hemmschwelle, die üblicherweise gegenüber einer auch nur bedingt vorsätzlichen Tötung eines anderen Menschen besteht, der Annahme eines Tötungsvorsatzes im vorliegenden Fall entgegenstehen könnte. Die Kammer hat deshalb erwogen, ob der Angeklagte trotz der von ihm erkannten Gefährlichkeit seines Tuns eventuell darauf vertraute, dass beide Polizeibeamte gewissermaßen „im letzten Moment“ von der Straße rennen und sich so in Sicherheit bringen würden (vgl. insofern BGH, NZV 2000, 88 [BGH 29.06.1999 - 4 StR 271/99]; BGH, NStZ 1983, 407 [BGH 07.06.1983 - 4 StR 51/83]), dies jedoch im Ergebnis verneint. Insofern ist Folgendes zu berücksichtigen:

Gegen die Annahme, der Angeklagte habe darauf vertraut, beide Polizeibeamte - also auch POK H. - würden noch „im letzten Moment“ von der Straße herunter laufen und den unmittelbaren Gefahrenbereich verlassen, spricht zunächst, dass der Angeklagte selbst nie behauptet hat, dass er auf ein derartiges Weglaufen der Polizeibeamten im letzten Moment vertraut habe. Eine solche Einlassung wäre zur Überzeugung der Kammer jedoch nahe liegend gewesen, wenn es ein solches Vertrauen des Angeklagten tatsächlich gegeben hätte. Der Angeklagte hat jedoch in der Hauptverhandlung allein davon gesprochen, dass ihm durch den Kopf gegangen sei, dass er auf keinen Fall von der Polizei angehalten werden dürfe, weil er ohne Fahrerlaubnis fuhr, zu schnell unterwegs war, alkoholisiert war und zudem noch geringe Mengen Betäubungsmittel mit sich führte, weshalb er sich entschlossen habe, auf keinen Fall anzuhalten, sondern sich einer Kontrolle auf jeden Fall zu entziehen. Erst auf eine Nachfrage hin hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung weiter (lediglich) angegeben, er habe niemanden gefährden wollen und es auch nicht für möglich gehalten, dass er jemanden verletze oder gar überfahre und damit eventuell töte. Zudem blieb diese nicht näher vereinzelte Behauptung blass und pauschal; sie wirkte nicht wie von fester innerer Überzeugung getragen, sondern durch verteidigungstaktische Erwägungen motiviert. Schon dieses Aussageverhalten des Angeklagten spricht gegen ein tatsächlich vorhandenes ernsthaftes Vertrauen auf ein rechtzeitiges Beiseitelaufen von beiden Polizeibeamten.

Gegen ein Vertrauen des Angeklagten darauf, dass es auch dem Polizeibeamten POK H., der nahe der Mittellinie auf der Richtungsfahrbahn des Angeklagten stand, noch rechtzeitig gelingen werde, durch schnelles Wegrennen ein Getroffenwerden vom Fahrzeug des Angeklagten zu verhindern, sprechen auch die bereits wiederholt geschilderten konkreten Tatumstände, nämlich die hohe Fahrgeschwindigkeit des Angeklagten, der Umstand, dass der Angeklagte knapp 45 Meter vor den Polizeibeamten sein Fahrzeug sogar noch beschleunigte und selbst dann noch direkt und weiter beschleunigend auf die beiden Polizeibeamten zufuhr, als er sich nur noch knapp 20 Meter von ihnen entfernt befand und POK H. nur noch 0,8 Sekunden Zeit hatte, um sich vor dem herannahenden Fahrzeug in Sicherheit zu bringen, wobei er immerhin eine Strecke bis zum Fahrbahnrand von 2,7 Metern zurücklegen musste. Denn in einer solchen extrem gefährlichen Situation ist für ein ernsthaftes Vertrauen auf ein Ausbleiben des Tötungserfolges - für jedermann und damit auch für den in seinen geistigen Fähigkeiten nicht beeinträchtigten Angeklagten klar erkennbar - kein Raum mehr.

Gegen ein Vertrauen des Angeklagten auf ein Beiseitespringen der Polizeibeamten im letzten Moment sprechen auch die dem Angeklagten bekannten Umstände der Polizeikontrolle: Es handelte sich um eine normale Geschwindigkeitskontrolle innerhalb einer kleinen Ortschaft an einem späten Abend. Dies war zur Überzeugung der Kammer auch dem Angeklagten klar, zumal dieser in seiner Einlassung deutlich gemacht hat, dass auch er von einer „normalen Polizeikontrolle“ ausging. Bei einer solchen „normalen Polizeikontrolle“ besteht aber für die eingesetzten Beamten kein Anlass, besonders wachsam zu sein und damit zu rechnen, dass sich Personen durch ein gezieltes Zufahren auf Polizeibeamte bewusst einer Kontrolle entziehen wollen. So hat der Polizeibeamte POK H. glaubhaft bekundet, er sei seit über zwanzig Jahren im Einsatz- und Streifendienst tätig, habe aber nur ganz wenige Fälle erlebt, in denen Autofahrer ein Anhaltesignal nicht sogleich beachtet hätten, wobei selbst in diesen Fällen die Autofahrer - wenngleich sehr spät - letztlich doch noch gebremst und angehalten hätten. KK H. und POK S. haben entsprechende Bekundungen gemacht. Es besteht mithin bei einer normalen Geschwindigkeitskontrolle wie der im vorliegenden Fall für die eingesetzten Beamten kein Anlass, gewissermaßen jederzeit „auf dem Sprung zu sein“. Dies ist typischerweise auch den Verkehrsteilnehmern, die in eine solche „normale Polizeikontrolle“ geraten, klar. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte davon ausging, dass die Polizeibeamten mit einer Kontrollsituation rechneten, die für sie gefährlich werden könnte, gibt es nicht. Insofern hatte der Angeklagte keinerlei Anlass für ein Vertrauen dahingehend, dass die Polizeibeamten besonders wachsam sein und es deshalb schaffen würden, noch im letzten Moment die Straße zu verlassen. Damit unterscheidet sich der verfahrensgegenständliche Fall entscheidend von den so genannten „Polizeisperren-Fällen“, in denen in der Rechtsprechung von einem Vertrauen des Täters auf ein rechtzeitiges Beiseitespringen der eingesetzten Polizeibeamten ausgegangen und dementsprechend ein bedingter Tötungsvorsatz verneint wurde (vgl. insofern BGH, NStZ-RR 1996, 97 [BGH 21.11.1995 - 4 StR 628/95]; BGH, NZV 1992, 370 sowie die weiteren Nachweise bei MK-StGB-Schneider, Bd. 3, 2003, § 212 Rn. 12 f.). In den so genannten „Polizeisperren-Fällen“, in denen von Polizeibeamten eine Kontrollstelle eingerichtet wird, um einen flüchtenden Täter zu stellen und festzunehmen, steht außer Frage, dass die Polizeibeamten, weil sie einen flüchtenden Täter erwarten, besonders wachsam sind und auch damit rechnen, dass ihrem Anhaltegebot keine Folge geleistet wird, sondern der Täter unter Umständen auch gewaltsam und ohne Rücksicht auf eine damit verbundene Gefahr für die eingesetzten Polizeibeamten versucht, sich einer Kontrolle zu entziehen. Daher ist es in einem solchen Fall durchaus nicht fern liegend anzunehmen, dass ein flüchtender Täter, der auf eine solche Polizeisperre zufährt, darauf vertraut, dass die betroffenen Polizeibeamten die Gefahrstelle rechtzeitig verlassen. Bei einer Polizeikontrolle wie der verfahrensgegenständlichen dagegen gilt dies nicht.

Auch der Eindruck von der Persönlichkeit des Angeklagten, den die Kammer in der Hauptverhandlung gewonnen hat, spricht nach dem Dafürhalten der Kammer für die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes, also dafür, dass der Angeklagte den von ihm für möglich gehaltenen Tod des Polizeibeamten POK H. billigend in Kauf nahm und nicht ernsthaft auf ein rechtzeitiges Weglaufen des Polizeibeamten und damit auf einen glücklichen Ausgang des Geschehens vertraute. Denn der Angeklagte ist ein hochgradig impulsiver und rücksichtslos handelnder Mensch, der eine außerordentlich geringe Hemmschwelle in Bezug auf massive Gewalttaten gegenüber anderen Menschen hat. Diese sehr geringe Hemmschwelle des Angeklagten und seine besonders ausgeprägte Geringschätzung der Integrität anderer Menschen manifestiert sich deutlich an zwei Vorverurteilungen: Wie bereits dargelegt, wurde der Angeklagte am 02.02.2000 vom Amtsgericht Hofgeismar wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt, wobei dieser Verurteilung zugrunde lag, dass der Angeklagte am 13.06.1999 einem vermeintlichen Nebenbuhler einen derart heftigen Schlag in dessen Gesicht versetzte, dass der Zeuge eine Mittelgesichtsfraktur, eine Orbitabodenfraktur, eine Oberkieferfraktur, eine Nasenbeinfraktur sowie Riss- und Quetschwunden im Nasenrückenbereich und im Kinnbereich erlitt, sich umfangreichen Operationen zur Wiederherstellung seines Gesichts unterziehen musste und gleichwohl eine „Boxernase“ zurückbehielt. Am 29.08.2007 verurteilte das Amtsgericht B. den Angeklagten unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe, wobei dieser Verurteilung zugrunde lag, dass der Angeklagte am 30.04.2007 einer anderen Person, mit der er in Streit geraten war, völlig unvermittelt einen Faustschlag in das Gesicht versetzte, durch den der Geschädigte zu Boden ging, und sodann gemeinsam mit einem Mitangeklagten auf den am Boden liegenden Geschädigten eintrat. Als der Bruder des am Boden Liegenden auf das Geschehen hinzukam, um zu helfen, wurde auch dieser vom Angeklagten niedergeschlagen und erhielt am Boden liegend Tritte gegen den Kopf. Durch das Handeln des Angeklagten und seines Mittäters erlitt das erste Opfer einen dreifachen Nasenbeinbruch, eine Pupillenverschiebung am rechten Auge sowie Kopf- und Nackenschmerzen und war deswegen zweieinhalb Wochen lang krankgeschrieben. Das zweite Opfer, das zur Hilfe kommen wollte, erlitt durch die Einwirkung des Angeklagten und seines Mittäters eine Gesichtsprellung, eine Prellung des rechten Ellenbogens sowie eine Risswunde am Mundvorhof.

Für die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes spricht zur Überzeugung der Kammer darüber hinaus, dass der Angeklagte nicht einmal annähernd rechtstreu ist, also den Ge- und Verboten der Rechtsordnung keinerlei Respekt entgegenbringt. Dies zeigen zunächst einmal seine vielen Vorverurteilungen und die Tatsache, dass er zur Tatzeit unter Bewährung stand. Dies zeigt sich weiter daran, dass er am Tattag mit seinem VW-Transporter fuhr, obwohl er seit vielen Jahren nicht mehr im Besitz einer Fahrerlaubnis ist und alkoholisiert war, dass er deutlich zu schnell fuhr und dass er mit einem nicht verkehrssicheren Fahrzeug unterwegs war. In diesem Zusammenhang ist weiter darauf hinzuweisen, dass der Angeklagte nicht nur am Tattag mit seinem VW-Transporter fuhr, obwohl er keine Fahrerlaubnis hat. Vielmehr ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte seit langer Zeit regelmäßig mit seinem VW-Transporter fuhr, obwohl er keine Fahrerlaubnis hatte. Zwar hat sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung dahingehend eingelassen, er sei nur an dem Tag, an dem es zu dem verfahrensgegenständlichen Vorfall kam, selbst gefahren. Dies ist in den Augen der Kammer jedoch eine offenkundige Schutzbehauptung. Denn der Angeklagte ist - wie ausgeführt - als selbstständiger Kleinunternehmer tätig und verrichtet in diesem Rahmen diverse Handwerker- und Gartenarbeiten. Für diese Tätigkeiten ist ein Fahrzeug, wie es der Angeklagte besitzt, unerlässlich. Der Angeklagte hat, wie er selbst eingeräumt hat, keinen Angestellten, der für ihn das Fahrzeug führen könnte. Lediglich der Zeuge R. half dem Angeklagten hin und wieder bei der Arbeit. Der Zeuge R. hat jedoch glaubhaft angegeben, dass er selbst keine Fahrerlaubnis hat und nie den Transporter des Angeklagten fuhr. Die Verlobte des Angeklagten, die Zeugin W., hat in der Hauptverhandlung bestätigt, dass es sich bei dem VW-Transporter des Angeklagten um das „Firmenfahrzeug“ des Angeklagten handelte, mit dem dieser als „Ein-Mann-Unternehmer“ tätig war. Sie hat ferner bekundet, dass der Angeklagte keinen Angestellten oder sonstigen Helfer hatte, der für ihn das Fahrzeug fuhr.

e) Die Feststellung der Kammer, dass der Angeklagte, als er mit bedingtem Tötungsvorsatz auf die auf der Straße stehenden Polizeibeamten zufuhr, in der Absicht handelte, eine andere Straftat zu verdecken, basiert auf der eigenen Einlassung des Angeklagten, der angegeben hat, er habe sich entschieden, sich der Polizeikontrolle zu entziehen, weil ihm durch den Kopf gegangen sei, dass er nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war, und er deshalb eine Bestrafung und einen Widerruf seiner Bewährungsstrafe befürchtete. Diese Überlegungen des Angeklagten zeigen, dass es ihm darauf ankam, seine Identifizierung als Fahrer des Fahrzeuges und damit das Bekanntwerden des Umstandes, dass er ohne Fahrerlaubnis ein Fahrzeug führte, zu verhindern. Es kam ihm also darauf an, eine andere Straftat - das Fahren ohne Fahrerlaubnis - zu verdecken.

f) Die Feststellung, dass der Angeklagte sich entgegen seiner Einlassung in die Wohnung seiner Verlobten begeben wollte, um sich einem polizeilichen Zugriff zu entziehen, beruht auf folgenden Überlegungen: Zunächst einmal ist der vom Angeklagten vorgetragene Grund für seine Entscheidung, sein Haus zu verlassen und sich stattdessen in die Wohnung seiner Verlobten zu begeben, nämlich die Behauptung, er habe sich in einem anderen Umfeld beruhigen wollen, schlicht lebensfern. Denn der Angeklagte befand sich nicht mehr in Tatortnähe, sondern in dem ihm vertrauten eigenen Haus, so dass es keinen Grund gab, „zur Beruhigung“ eine andere, nicht von ihm bewohnte Wohnung aufzusuchen. Hinzu kommt, dass die Verlobte des Angeklagten in der Hauptverhandlung bekundet hat, der Grund für den beabsichtigten Wohnungswechsel sei gewesen, dass sich der Angeklagte, als er seine Flucht zu Fuß fortsetzte, an den Füßen verletzt habe und sie deshalb darauf gedrängt habe, mit dem Angeklagten zu ihrer Wohnung zu fahren, weil sie dort Medikamente verwahrt habe, mit denen sie die Fußverletzungen des Angeklagten behandeln wollte. Der Angeklagte jedoch hat in seiner Einlassung nichts davon gesagt, dass der Wohnungswechsel der Behandlung einer erlittenen Verletzung dienen sollte. Insofern ist die Kammer davon überzeugt, dass es sich sowohl bei dem vom Angeklagten als auch bei dem von der Zeugin W. genannten Grund für den beabsichtigten Wohnungswechsel jeweils um einen wahrheitswidrig vorgeschobenen Grund handelte, tatsächlich aber sich der Angeklagte - wie festgestellt - mit dem Wohnungswechsel einem polizeilichen Zugriff entziehen wollte.

Die Feststellung, dass der Angeklagte sich - entgegen seiner Einlassung - nicht am nächsten Tag im Beisein eines Rechtsanwalts der Polizei stellen wollte, folgt für die Kammer daraus, dass die Zeugin W. glaubhaft bekundet hat, der Angeklagte und sie hätten vor der Festnahme des Angeklagten nicht darüber gesprochen, einen Rechtsanwalt zu konsultieren. Erst nachdem der Angeklagte von der Polizei festgenommen worden sei und bevor er von der Polizei mitgenommen wurde, sei, so die Zeugin W., zwischen ihr und dem Angeklagten kurz über die Konsultation eines Rechtsanwalts gesprochen worden.

4. Zu der Feststellung, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt in seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit in keiner Weise beeinträchtigt war, ist die Kammer aus folgenden Gründen gelangt:

a) Anknüpfungstatsachen dahingehend, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten aufgrund von Schwachsinn oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit vermindert oder gar aufgehoben gewesen sein könnte, haben sich nicht ergeben.

b) Auch für das Vorliegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung haben sich keine Anhaltspunkte ergeben. Zwar hat der Angeklagte - wie ausgeführt - behauptet, er sei, nachdem er die Polizeikontrolle bemerkt habe, in einen „Schockzustand“ geraten und „wie versteinert“ gewesen, doch ist bereits an anderer Stelle dargelegt worden, dass es sich bei dieser Behauptung um eine wahrheitswidrige Schutzbehauptung handelt. Der in der Hauptverhandlung mündlich gehörte Sachverständige Dr. G., der als Facharzt für Rechtsmedizin am Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule H. tätig ist, hat insofern ausgeführt, aus rechtsmedizinischer Sicht sei es nicht zu einer „Schockstarre“ gekommen, wie sie der Angeklagte für sich geltend gemacht habe. Die „Schockbehauptung“ des Angeklagten sei aus rechtsmedizinischer Sicht eine klare Schutzbehauptung, da es für eine Schocksituation keinen Hinweis gebe. Der Angeklagte habe keinen Blutverlust und kein Schädelhirntrauma erlitten. Der Angeklagte habe sich zwar, als er die Polizeikontrolle erkannte, in einer Stresssituation befunden. Auch könnten Stresssituationen in einem Extremfall theoretisch eine Bewusstseinstrübung verursachen. Allerdings zeige das Verhalten des Angeklagten, dass er während des gesamten Tatgeschehens in der Lage gewesen sei, Entscheidungen zu treffen und umzusetzen, also seine Bewusstseinsfunktionen vollständig erhalten geblieben seien.

c) Näher zu prüfen war lediglich, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt aufgrund einer alkoholbedingten krankhaften seelischen Störung erheblich vermindert oder gar aufgehoben war. Tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer krankhaften seelischen Störung aus sonstigen Gründen, etwa für das Vorliegen einer psychischen Erkrankung oder für eine auf den Konsum illegaler Drogen zurückgehende krankhafte seelische Störung, haben sich nicht ergeben. Hinsichtlich einer etwaigen Intoxikation durch illegale Drogen hat der rechtsmedizinische Sachverständige Dr. G. ausgeführt, eine Untersuchung einer dem Angeklagten am 28.07.2010 um 01.40 Uhr entnommene Blutprobe auf Drogen habe zwar einen positiven Nachweis von drei verschiedenen Cannabis-Metaboliten ergeben. Die jeweils nachgewiesenen Mengen seien allerdings so gering gewesen, dass aus rechtsmedizinischer Sicht ausgeschlossen werden könne, dass sie irgendwelche Relevanz für das Tatgeschehen hatten. Vielmehr korrespondierten die nachgewiesenen Mengen mit der Angabe des Angeklagten in der Hauptverhandlung, der sich dahingehend eingelassen hat, letztmalig zwei Tage vor dem Tatgeschehen eine geringe Menge Cannabis konsumiert zu haben. Dass zum Tatzeitpunkt beim Angeklagten kein relevanter Drogeneinfluss vorgelegen habe, zeige sich, so der Sachverständige Dr. G. weiter, auch daran, dass ausweislich des in der Hauptverhandlung verlesenen ärztlichen Berichts über die Blutentnahme am 28.07.2010 um 01.40 Uhr (Bd. I Bl. 67 f. d. A.) beim Angeklagten keine Weitstellung der Pupillen vorgelegen habe.

Hinsichtlich der Auswirkungen der Alkoholintoxikation des Angeklagten auf seine Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt ist Folgendes festzuhalten: Ausweislich des in der Hauptverhandlung verlesenen ärztlichen Untersuchungsberichts zur Blutentnahme vom 28.07.2010 (Bd. I Bl. 67 f. d. A.) und des Gutachtens zur Feststellung der Blutalkoholkonzentration der Abteilung Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 30.07.2010 (Bd. I Bl. 89 d. A.) hatte der Angeklagte zum Zeitpunkt einer ersten Blutentnahme am 28.07.2010 um 01.40 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von 0,79 g/‰. Der gerichtsmedizinische Sachverständige Dr. G. hat hieraus, bezogen auf eine Tatzeit 27.07.2010 um 22.24 Uhr und unter Zugrundelegung eines stündlichen Abbauwertes von 0,2 g/‰ und eines einmaligen Sicherheitszuschlages von 0,2 g/‰ eine maximale Blutalkoholkonzentration des Angeklagten zur Tatzeit von 1,64 g/‰ errechnet. Der Sachverständige Dr. G. hat weiter ausgeführt, die maximale Blutalkoholkonzentration des Angeklagten zur Tatzeit von 1,64 g/‰ habe zu keiner Beeinträchtigung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten geführt. Insofern sei zunächst zu berücksichtigen, dass der Angeklagte seinen eigenen Angaben zufolge in erheblichem Maße alkoholgewohnt sei. Klar gegen die Annahme einer Verminderung oder gar Aufhebung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten spreche, dass seine psychophysische Leistungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt in keiner Weise beeinträchtigt gewesen sei. Der Angeklagte habe in der Hauptverhandlung angegeben, er habe sich vollkommen fahrtüchtig gefühlt. Tatsächlich sei der Angeklagte in der Lage gewesen, ohne irgendwelche Ausfallerscheinungen sein Fahrzeug zu führen, und das, obgleich er mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei. Insbesondere sein Fahrverhalten bei der Flucht im Anschluss an das Passieren der Kontrollstelle zeige, dass der Angeklagte in seiner psychophysischen Leistungsfähigkeit unbeeinträchtigt gewesen sei. So sei er - wie die Zeugen POK H. und KK H. in der Hauptverhandlung bekundet haben - in der Lage gewesen, sein Fahrzeug auf der Flucht vor den ihn verfolgenden Polizeibeamten auch bei hoher Geschwindigkeit über eine kurvenreiche Strecke sicher zu führen. Er sei in der Lage gewesen, sein Fahrzeug in W. aus einer hohen Geschwindigkeit heraus sicher herunterzubremsen, in eine kleine Straße abzubiegen und dort in eine Parklücke einzuparken, ohne dass irgendwelche Fahrfehler zutage getreten seien. Weiter hat der Sachverständige Dr. G. ausgeführt, auch die Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung darüber, was ihm alles durch den Kopf gegangen sei, als er der Polizeikontrolle gewahr wurde, zeige, dass er zum Tatzeitpunkt in seiner psychophysischen Leistungsfähigkeit unbeeinträchtigt gewesen sei. Denn der Angeklagte sei in der Lage gewesen, sehr schnell klare und sachgerechte Überlegungen anzustellen und könne sich auch heute noch genau daran erinnern, was ihm damals „durch den Kopf gegangen“ sei. Auch der Umstand, dass der Angeklagte eine volle Erinnerung an das Tatgeschehen habe und auch einzelne Details erinnere, insbesondere noch genau wisse, dass er sein Fahrzeug beschleunigt habe, zeige, dass seine psychophysische Leistungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt unbeeinträchtigt gewesen sei. Hierfür spreche auch, so der Sachverständige weiter, dass der Angeklagte seiner eigenen Einlassung zufolge in der Lage gewesen sei, spontan eine Entscheidung zu treffen, und zwar die Entscheidung, sich der Polizeikontrolle durch Weiterfahren zu entziehen. Auch der Umstand, dass der Angeklagte ausweislich des ärztlichen Berichts über die Blutentnahme zum Zeitpunkt der Blutentnahme am 28.07.2010 um 01.40 Uhr in seinem Bewusstsein und seinen Denkabläufen klar und orientiert war, spreche gegen die Annahme einer alkoholbedingten Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Angeklagten. Zwar ergebe sich aus dem ärztlichen Untersuchungsbericht, dass der Angeklagte gerötete Augen gehabt habe, doch sei dies, so der Sachverständige Dr. G., kein aussagekräftiges Kriterium für die Beurteilung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten. Denn die geröteten Augen des Angeklagten könnten ohne weiteres auch eine andere Ursache haben, etwa darin begründet liegen, dass der Angeklagte, der am Vortag körperlich hart gearbeitet hatte, müde war. Auch der Umstand, dass im ärztlichen Untersuchungsbericht ein Schwanken des Angeklagten beim Geh- und Drehtest sowie beim Stehen auf einem Bein verzeichnet sei, sei im Hinblick auf die festgestellten Umstände, die klar gegen eine Einschränkung der Schuldfähigkeit des Angeklagten sprächen, ohne Relevanz, zumal dem ärztlichen Untersuchungsbericht auch zu entnehmen sei, dass der Angeklagte keine körperlichen Auffälligkeiten aufgewiesen habe. Das Schwanken, so Dr. G., könne auch darauf zurückzuführen sein, dass der Angeklagte sich nach seinen Angaben bei seiner Flucht zu Fuß im Anschluss an das Tatgeschehen an den Bändern verletzt habe.

Letztlich entscheidend gegen die Annahme einer Einschränkung oder gar Aufhebung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten spreche, so der Sachverständige Dr. G., dass seine Fluchtentscheidung und auch sein tatsächliches Fluchtverhalten durchgängig durch rationales Verhalten geprägt gewesen seien. So habe der Angeklagte aufgrund seiner Entscheidung, sich auf jeden Fall der Polizeikontrolle zu entziehen, sein Fahrzeug noch beschleunigt. Weiter habe er auf der Flucht durch das Ausschalten des Fahrlichtes und das abrupte Abbiegen, also durch ein gezieltes „Täuschungsmanöver“ versucht, den Polizeibeamten POK H. und KK H., die ihn mit ihrem Funkstreifenwagen verfolgten, zu entkommen.

d) Die Kammer hat sich dem ohne Weiteres nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Gutachten des Sachverständigen Dr. G., der ihr aus einer Vielzahl von Verfahren als sehr sorgfältig arbeitender und außerordentlich erfahrener und fachkundiger rechtsmedizinischer Sachverständiger bekannt ist, nach eigener kritischer Würdigung angeschlossen und die Ausführungen des Sachverständigen demgemäß ihren Feststellungen zugrunde gelegt.

IV.

1. Der Angeklagte hat sich durch die Tat gemäß §§ 211, 22, 23 StGB wegen versuchten Mordes strafbar gemacht. Er hat bei seinem Zufahren auf die Polizeibeamten den Tod zumindest von POK H. für möglich erachtet und diesen billigend in Kauf genommen. Nur der schnellen Reaktion der Polizeibeamten POK H. und KK H. „im letzten Moment“ ist es zu verdanken, dass beide Polizeibeamte unverletzt blieben.

Die Tat erfüllt das Mordmerkmal der „Verdeckungsabsicht“. Denn der Angeklagte handelte unter billigender Inkaufnahme des von ihm für möglich erachteten Todes des Polizeibeamten POK H., um sich auf jeden Fall der Kontrolle zu entziehen, weil er seine Identifizierung als Fahrer des Fahrzeuges und damit seine Bestrafung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StGB) verhindern wollte. Der Umstand, dass der Angeklagte „lediglich“ mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, steht vorliegend der Annahme von Verdeckungsabsicht nicht entgegen, da der vom Angeklagten beabsichtigte Verdeckungserfolg seiner Vorstellung nach unabhängig davon, ob die Polizeibeamten tatsächlich zu Schaden kamen oder nicht, bei jeder erfolgreichen Flucht eingetreten wäre (vgl. Fischer, StGB, 57. Aufl. 2010, § 211 Rn. 79).

Das Mordmerkmal der „sonstigen niedrigen Beweggründe“ ist dagegen nicht erfüllt, weil das spezifische Unrecht der Tat bereits durch das Mordmerkmal der „Verdeckungsabsicht“ vollumfänglich erfasst wird.

Ein Rücktritt vom Tötungsversuch gemäß § 24 StGB liegt nicht vor, weil die Tat fehlgeschlagen ist. Nachdem die Polizeibeamten POK H. und KK H. es noch geschafft hatten, rechtzeitig vor dem herannahenden Fahrzeug des Angeklagten die Straße zu verlassen und sich im Bereich der Grundstückseinfahrt in Sicherheit zu bringen, konnte der Angeklagte den „Taterfolg“ - die Tötung zumindest des Polizeibeamten POK H. - nicht mehr erreichen. Da sich der Angeklagte dahingehend eingelassen hat, er habe beim Passieren der Kontrollstelle nach rechts aus dem Beifahrerfenster seines Fahrzeuges geschaut und sei anschließend mit seinem Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit weitergefahren, um eine Verfolgung durch die Polizeibeamten und ein späteres Gestelltwerden zu verhindern, ist die Kammer davon überzeugt, dass auch der Angeklagte erkannte, dass es den Polizeibeamten gelungen war, sich so in Sicherheit zu bringen, dass ihm - dem Angeklagten - ein Erreichen des Taterfolges nicht mehr möglich war.

2. Weiter hat sich der Angeklagte wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß §§ 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, 315 Abs. 3 Nr. 1 b) StGB strafbar gemacht. Indem er, um sich der Polizeikontrolle zu entziehen, mit seinem Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit direkt auf die Polizeibeamten zufuhr und dabei sein Fahrzeug sogar noch beschleunigte, nahm er ein dem Bereiten eines Hindernisses ähnlichen und ebenso gefährlichen verkehrsfremden Eingriff in den Straßenverkehr vor, durch den die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt wurde. Bei dem Tatgeschehen handelte es sich nicht lediglich um ein bloß verkehrswidriges Verkehrsverhalten, sondern um einen zwar im Straßenverkehr vorgenommenen, jedoch verkehrsfremden Eingriff, weil der Angeklagte sein Fahrzeug bewusst zweckwidrig und in verkehrsfeindlicher Absicht als „Schadenswerkzeug“ missbrauchte, also den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr „pervertierte“. Durch sein Verhalten gefährdete der Angeklagte vorsätzlich Leib und Leben zumindest des Polizeibeamten POK H. Der Angeklagte handelte auch mit dem von der Rechtsprechung für Fälle der vorliegenden Art geforderten mindestens bedingten „Schädigungsvorsatz“ (vgl. BGHSt 48, 233 <237 f.> = NJW 2003, 1613 [BGH 20.02.2003 - 4 StR 228/02] <1614>; OLG Hamm, NZV 2008, 261 [OLG Hamm 08.01.2008 - 3 Ss 528/07] <262>). Denn er nahm den von ihm für möglich gehaltenen Tod des Polizeibeamten POK H. billigend in Kauf.

Die Tat des Angeklagten erfüllt die Qualifikation des § 315b Abs. 3 in Verbindung mit § 315 Abs. 3 Nr. 1 b) StGB. Denn der Angeklagte handelte - wie bereits ausgeführt -, um die von ihm begangene Straftat des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu verdecken.

3. Darüber hinaus hat sich der Angeklagte durch die Tat gemäß § 113 Abs. 1 StGB wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte strafbar gemacht, und zwar in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen.

Durch das Zufahren auf die Polizeibeamten in der Absicht, sich dadurch dem Anhaltegebot der beiden Polizeibeamten POK H. und KK H. zu widersetzen, hat der Angeklagte zwei Amtsträgern, die zur Vollstreckung von Gesetzen und Verfügungen berufen sind, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt Widerstand geleistet. Im Hinblick darauf, dass der Angeklagte Widerstand gegenüber zwei eingesetzten Polizeibeamten leistete, hat er den Straftatbestand des § 113 Abs. 1 StGB in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen verwirklicht. Da der Angeklagte dabei POK H. - wie er wusste und zumindest billigend in Kauf nahm - in die Gefahr des Todes, brachte, liegt insofern (also in einem der beiden rechtlich zusammentreffenden Fälle) ein besonders schwerer Fall des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte im Sinne des § 113 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StGB vor.

4. Schließlich hat sich der Angeklagte durch die Tat auch noch wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG strafbar gemacht. Der Angeklagte war nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis, was er auch wusste.

5. Alle verwirklichten Straftatbestände stehen zueinander im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB).

V.

1. Der Strafzumessung hat die Kammer den nach § 23 Abs. 2 StGB in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 211 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt, also einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe von drei Jahren bis zu 15 Jahren.

2. Im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne hat die Kammer zugunsten des Angeklagten namentlich berücksichtigt, dass er ein weitgehendes Teilgeständnis abgelegt und insbesondere auch eingeräumt hat, dass er sein Fahrzeug noch kurz vor Erreichen der Kontrollstelle beschleunigte. Weiter hat die Kammer zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er die Tatbegehung, wie in der Hauptverhandlung deutlich geworden ist, mittlerweile ernsthaft bereut und er sich in einem an den Polizeibeamten POK H. gerichteten Schreiben vom 01.09.2010 bei diesem ausdrücklich für sein, wie es in dem Schreiben heißt, „unverantwortliches Verhalten“ entschuldigt hat. Schuldmindernd war weiter zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bei der Tatbegehung alkoholisch enthemmt war und unter innerer Anspannung stand, ohne dass jedoch insofern die Voraussetzungen des § 21 StGB gegeben waren. Auch hat die Kammer zugunsten des Angeklagten gewertet, dass es sich bei der Tat des Angeklagten um eine Spontantat handelte. Weiter hat die Kammer strafmildernd in Rechnung gestellt, dass es letztlich zu keinem Schaden kam, weil die Polizeibeamten weder körperlich verletzt wurden noch durch das Geschehen einen nachhaltigen psychischen Schaden erlitten, wenngleich dieser glückliche Ausgang des Geschehens kein Verdienst des Angeklagten ist, sondern allein darauf beruht, dass die Polizeibeamten gewissermaßen in letzter Sekunde noch rechtzeitig reagierten. Zudem hat die Kammer bei ihrer Strafzumessung zugunsten des Angeklagten den wahrscheinlichen Widerruf der Bewährungsstrafe aus der Verurteilung durch das Amtsgericht B. vom 29.08.2007in Rechnung gestellt.

Demgegenüber war zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er tateinheitlich mit dem versuchten Mord die Straftatbestände des vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte sowie des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verwirklicht hat. Weiter hat die Kammer den vielen Vorstrafen des Angeklagten strafschärfende Wirkung beigemessen, wobei die Kammer insofern insbesondere strafschärfend gewertet hat, dass der Angeklagte bereits wiederholt wegen körperlicher Gewalttaten strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Zu Lasten des Angeklagten war weiter zu berücksichtigen, dass er zur Tatzeit aufgrund der Verurteilung durch das Amtsgericht B. vom 29.08.2007 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde und die unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, also ebenfalls wegen einer gegen die körperliche Integrität eines Menschen gerichteten Tat erging, unter Bewährung stand. Schließlich hat die Kammer zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er sich - wie an anderer Stelle bereits ausgeführt worden ist - im näheren und weiteren Tatvorfeld insgesamt wenig rechtstreu verhalten hat: Wie dargelegt, fuhr der Angeklagte regelmäßig mit seinem VW-Transporter, obwohl er nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war. Ferner war das Fahrzeug, wie der Sachverständige K. in der Hauptverhandlung glaubhaft dargelegt hat, in einem nicht ordnungsgemäßen Zustand, und zwar unter anderem, weil die Frontscheibe gerissen und der rechte Scheinwerfer falsch eingestellt war. Darüber hinaus hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung glaubhaft eingeräumt, hin und wieder „zur Beruhigung“ Cannabis konsumiert zu haben, was damit korrespondiert, dass bei der polizeilichen Durchsuchung des Fahrzeugs des Angeklagten, wie der Polizeibeamte POK H. glaubhaft bekundet hat, geringe Mengen Marihuana und Haschisch gefunden wurden, die - wie der Angeklagte eingeräumt hat - ihm gehörten.

Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat die Kammer eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet und auf diese erkannt.

3. Aus der Tat ergibt sich, dass der Angeklagte im Sinne des § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Diese Ungeeignetheit hat sich unmittelbar im Tatgeschehen manifestiert. Dadurch, dass der Angeklagte in alkoholisiertem Zustand mit einem nicht verkehrstüchtigen Fahrzeug und mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit fuhr und er nach Erkennen der Polizeikontrolle sein Fahrzeug noch beschleunigte, um mit dem Fahrzeug - dieses gewissermaßen als Waffe einsetzend - unter Inkaufnahme des Todes des auf der Straße stehenden Polizeibeamten POK H. auf diesen zuzufahren, hat der Angeklagte ganz erhebliche charakterliche Mängel offenbart, aus denen sich seine Unzuverlässigkeit im Hinblick auf die Sicherheit des öffentlichen Kraftfahrzeugverkehrs ergibt. Denn in der Tat kommt eine besondere Rücksichtslosigkeit und Gleichgültigkeit des Angeklagten im Hinblick auf die Erfordernisse der Sicherheit des Straßenverkehrs zum Ausdruck.

Da der Angeklagte keine Fahrerlaubnis (mehr) hat, war gemäß § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB in Verbindung mit § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB eine isolierte Sperre für die (Wieder-)Erteilung einer Fahrerlaubnis anzuordnen. Im Hinblick darauf, dass der Angeklagte sich in ganz erheblichem Maße verkehrswidrig verhalten und dadurch ganz gravierende charakterliche Mängel offenbart hat, die ihn als ungeeignet erscheinen lassen, Kraftfahrzeuge zu führen, und im Hinblick darauf, dass ihm in den letzten 15 Jahren schon zweimal die Fahrerlaubnis entzogen wurde, hat die Kammer es für erforderlich, andererseits aber auch ausreichend erachtet, die Dauer der Sperrfrist gemäß § 69a Abs. 1 Satz 1 StGB auf vier Jahre festzusetzen.

VI.

Eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB war nicht anzuordnen.

1. Zwar hat der Angeklagte einen Hang, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen. Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung - glaubhaft - dahingehend eingelassen, dass er regelmäßig auch größere Mengen Alkohol getrunken habe. Er habe im Anschluss an die Tat, die der Verurteilung durch das Amtsgericht B. vom 29.08.2007 zugrunde lag, zunächst freiwillig eine ambulante Alkoholtherapie absolviert, deren Weiterführung ihm mit dem in diesem Verfahren ergangenen Bewährungsbeschluss aufgegeben worden sei. Nach Abschluss dieser ambulanten Alkoholtherapie sei er einige Zeit lang alkoholabstinent gewesen, habe jedoch Ende 2009 (irrtümlich) gemeint, seine Alkoholproblematik im Griff zu haben, und wieder begonnen, regelmäßig Alkohol zu trinken.

Der Hang des Angeklagten, Alkohol im Übermaß zu sich zu nehmen, wird auch durch sein Trinkverhalten am Tattag deutlich: Er begann, obwohl er an diesem Tag seiner Berufstätigkeit nachging, schon gegen 11.00 Uhr, Alkohol zu konsumieren, und setzte seinen Alkoholkonsum den ganzen Tag über bis in den Abend hinein fort.

Zudem konsumierte der Angeklagte seiner eigenen Einlassung zufolge hin und wieder Cannabis.

2. Die Tat des Angeklagten stellt sich jedoch nicht als Symptomtat im Sinne des § 64 StGB dar. Zu dieser Bewertung ist die Kammer in erster Linie aufgrund der gutachterlichen Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. G. vom Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule gelangt.

Der Sachverständige G. hat - wie bereits an anderer Stelle dargelegt worden ist - ausgeführt, dass eine dem Angeklagten am 28.07.2010 um 01.40 Uhr entnommene Blutprobe zwar den Nachweis geringer Mengen von THC-Metaboliten ergeben habe, dass diese Mengen aber so gering gewesen seien, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt nicht unter wirksamem Drogeneinfluss gestanden habe. Zwischen dem Cannabiskonsum des Angeklagten und dem Tatgeschehen gebe es, so der Sachverständige Dr. G., keinen Zusammenhang.

Der Sachverständige Dr. G. hat weiter dargelegt, der Angeklagte habe zwar zum Tatzeitpunkt unter dem Einfluss von Alkohol gestanden - seine Blutalkoholkonzentration lag bei maximal 1,64 g/‰ -, gleichwohl aber stelle sich die Tat des Angeklagten auch insofern nicht als Symptomtat im Sinne des § 64 StGB dar. Denn die Alkoholisierung des Angeklagten habe zu keinerlei Einschränkung seiner psychophysischen Leistungsfähigkeit geführt; sie sei aus rechtsmedizinischer Sicht für die Entscheidung des Angeklagten, die Tat zu begehen, und für die Tatausführung selbst ohne Relevanz. Die Tat gehe nicht auf die Alkoholisierung des Angeklagten oder seinen Hang, Alkohol im Übermaß zu konsumieren, zurück. Sie liege vielmehr in seiner Persönlichkeit begründet.

Die Kammer hat sich den widerspruchsfreien und ohne Weiteres nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. G. nach eigener kritischer Würdigung angeschlossen. Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Hang des Angeklagten zum übermäßigen Alkoholkonsum beziehungsweise seine Alkoholisierung zur Tatzeit nicht tatauslösend gewesen sind, zumal sich der Angeklagte glaubhaft dahingehend eingelassen hat, er habe sich vor allem deshalb dazu entschlossen, sich der Kontrolle durch die Polizeibeamten zu entziehen, weil er eine Bestrafung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis befürchtete.

VII.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO.