Landgericht Hildesheim
Urt. v. 09.10.2010, Az.: 25 KLs 5443 Js 40026/04
Insolvenzverschleppung; Firmenbestatter
Bibliographie
- Gericht
- LG Hildesheim
- Datum
- 09.10.2010
- Aktenzeichen
- 25 KLs 5443 Js 40026/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 48076
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
Der Angeklagte ist der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung in zwei Fällen schuldig.
Er wird unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts T … zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt, von der zwei Monate als vollstreckt gelten.
Die in dem vorbezeichneten Urteil gebildete Gesamtfreiheitsstrafe wird aufgelöst. Die in jener Sache in Spanien erlittene Auslieferungshaft wird im Maßstab 1:1 angerechnet.
Die Vollstreckung der Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Angewendete Vorschriften: §§ 64 Abs. 1, 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG a. F., §§ 14 Abs. 1, 51 Abs. 1, 4, 53 Abs. 1, 55 Abs. 1, 56 Abs. 1, 2 StGB.
Gründe
(abgekürzt nach § 267 Abs. 4 StPO)
A. Feststellungen
I. Zum Werdegang des Angeklagten
1. Jugend, Schul- und Berufsbildung, erste berufliche Tätigkeiten
Der Angeklagte wuchs mit seiner Schwester im Haushalt des Vaters zunächst in W. auf. Seine Mutter wurde früh berentet und reiste 1973 aus der DDR aus, ... 1986 konnte auch sein Vater, der mittlerweile eine aus H. stammende Frau geheiratet hatte, im Wege der Familienzusammenführung die DDR verlassen.
Der Angeklagte erlernte nach seinem Schulabschluss in der 10. Klasse, der etwa dem Realschulabschluss entspricht, den Beruf des Land- und Forstwirts und arbeitete bis Mitte 1989 in diesem Beruf. Aus seiner ersten Ehe ging im gleichen Jahr eine Tochter - das einzige Kind des Angeklagten - hervor; die Ehe wurde im Frühjahr 1989 geschieden.
Im Sommer 1989 floh der Angeklagte mit seiner damaligen Lebensgefährtin, die er 1991/92 heiratete, in die Bundesrepublik und ließ sich nach einer ersten Station im Aufnahmelager in B nieder.
Er arbeitete dort zunächst bei einer Spedition, später vertrieb er bis Ende der 90er Jahre Versicherungen. Er begann 1992 eine zweijährige Ausbildung zum Versicherungsfachmann, die er erfolgreich abschloss. 1994/95 wurde seine zweite Ehe vom Amtsgericht B geschieden.
2. Tätigkeit als Firmenbestatter, Vorstrafen des Angeklagten
Aus dem Kontakt zu Firmenkunden entschloss sich der Angeklagte 1997/98, sich mit der Lösung von Unternehmensproblemen zu beschäftigen, Warenzeichen, Lizenzen und Patente von notleidenden Unternehmen zu verwerten. Er übernahm immer wieder gegen Entgelt die Geschäftsführung und auch die Gesellschaftsanteile von Unternehmen in der Krise. Eine Unternehmensrettung gelang ihm oft nicht. Aus diesem Tätigkeitsfeld, das sich auch als gewerbliche Firmenbestattung beschreiben lässt, resultieren mehrere einschlägige Vorstrafen des Angeklagten:
a) Zunächst verurteilte ihn das Amtsgericht G am 19. April 1999 (..) wegen fahrlässiger Konkursverschleppung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20 DM.
Der Angeklagte hatte es als Geschäftsführer der seit dem 9. Dezember 1996 zahlungsunfähigen I GmbH unterlassen, nach Übernahme der Geschäftsanteile (und der Geschäftsführung) ab dem 7. März 1997 Konkursantrag zu stellen, obwohl er die Zahlungsunfähigkeit und seine hieraus resultierende Verpflichtung hätte erkennen können.
b) Am 13. September 2000 verurteilte ihn das Amtsgericht C (..) ebenfalls wegen fahrlässiger Konkursverschleppung - unter Gewährung eines Härteausgleichs für die bereits vollstreckte Geldstrafe aus dem vorgenannten Urteil des Amtsgerichts G - zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 15 DM.
Der Angeklagte hatte am 9. Juli 1998 die Geschäftsführung der W GmbH übernommen, die zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig und überschuldet war, was der Angeklagte bei Einsatz der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können. Er unterließ es aber, Antrag auf Durchführung des Gesamtvollstreckungsverfahrens zu stellen; am 24. September 1998 wurde dieser Antrag von dritter Seite gestellt.
c) Am 13. Dezember 2002 verhängte das Amtsgericht G (..) gegen den Angeklagten wegen vorsätzlicher Konkursverschleppung eine Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30 €.
Der Angeklagte hatte mit zwei gesondert verfolgten Personen überschuldete Gesellschaften mit beschränkter Haftung aufgekauft und dabei um deren Zahlungsunfähigkeit gewusst. Entgegen den Kaufverträgen zahlte er kein Geld für die Übernahme der Gesellschaften, sondern erhielt solches für die Übernahme der Gesellschaften und ihrer Verbindlichkeiten. Im Einzelnen hatte er am 16. Mai 1997 in dieser Weise die zahlungsunfähige O GmbH gegen Zahlung von 6.000 DM übernommen und bis zur Weiterveräußerung an einen seiner Mittäter im Juni 1997 keinen Konkursantrag gestellt. Zudem hatte er als faktischer Geschäftsführer der zahlungsunfähigen R GmbH ab dem 30. September 1997 keinen Konkursantrag gestellt, sondern vielmehr die Sitzverlegung nach W betrieben.
3. Situation 2003/04; Strafbefehl des Schöffengerichts H
2003 heiratete der Angeklagte zum dritten und bisher letzten Mal.
Nach den nunmehr hier abgeurteilten Taten entschloss er sich, am 26. Juli 2004 mit seiner Ehefrau nach Spanien zu fliegen, um allen (möglichen) Problemen aus dem Weg zu gehen. Er lebte dort von Gelegenheitsjobs.
Am Abflugtag erließ - wohl in Absprache mit dem damaligen Verteidiger des Angeklagten - das Amtsgericht - Schöffengericht - H (..) nach § 408a StPO einen Strafbefehl wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung gegen den Angeklagten und verhängte eine zur Bewährung ausgesetzte sechsmonatige Freiheitsstrafe.
Der Angeklagte hatte am 16. November 2000 die Geschäftsführung der B GmbH mit Sitz in N, Kreis H, in Kenntnis ihrer erheblichen Verbindlichkeiten (mehr als 2 Millionen €) und ihrer Zahlungsunfähigkeit übernommen, damit sich der bisherige Geschäftsführer dieser Verbindlichkeiten entledigen konnte. Die Geschäftsanteile dieser GmbH wurden zugleich an die Beteiligungs-GmbH mit angeblichem Sitz in W, Kreis O, veräußert, deren Geschäftsführer der Angeklagte war. Die B GmbH wurde sodann umfirmiert und ihr Sitz sollte ebenfalls nach W verlegt werden. S. erhielt am 16. November 2000 eine notariell beglaubigte Vollmacht, nach der er berechtigt war, die umfirmierte Gesellschaft (weiter) in allen Angelegenheiten zu vertreten. Ohne dass er zwischenzeitlich Insolvenzantrag gestellt hatte, wurde der Angeklagte am 20. Dezember 2000 als Geschäftsführer wieder abberufen und ein G mit Wohnsitz in Spanien zum neuen Geschäftsführer bestellt. Der Angeklagte wusste, dass er Insolvenzantrag hätte stellen müssen.
Das Amtsgericht H setzte eine zweijährige Bewährungszeit fest, gab dem Angeklagten auf, eine Geldbuße von 2.000 € zu zahlen und jeden Wechsel seines Wohnsitzes dem Gericht mitzuteilen.
4. Verhaftung und Verurteilung durch das Schöffengericht T (2005)
a) Aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts - Schöffengerichts - T vom 2. März 2005 wurde der Angeklagte am 21. September 2005 in Spanien verhaftet und am 10. Oktober 2005 nach Deutschland ausgeliefert, wo er bis zum 8. November 2005 Untersuchungshaft verbüßte. Die Haftbedingungen in Spanien (..) empfand er im Vergleich zu den Bedingungen in der JVA nur insoweit als belastend(er), als er sich mangels hinreichender Kenntnisse der spanischen Sprache dort kaum unterhalten und auch seine Wünsche nicht äußern konnte.
Die Ehefrau des Angeklagten blieb noch anderthalb Jahre in Spanien; die Ehe wurde etwa 2008 geschieden.
b) Am 8. November 2005 verurteilte das Amtsgericht - Schöffengericht - T (..) den Angeklagten wegen Konkursverschleppung in zwei Fällen, wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in sechs Fällen und wegen Untreue in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, deren Vollstreckung - ohne weitere Auflagen oder Weisungen - für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Das Schöffengericht hat auf Grundlage des Geständnisses des Angeklagten folgende Feststellungen getroffen:
1. Seit dem 25. Juni 1998 war der Angeklagte Geschäftsführer der G GmbH, die persönlich haftende Gesellschafterin der G GmbH & Co. KG war. Obwohl der Angeklagte wusste, dass das Unternehmen konkursreif war, stellte er für die KG erst am 4. August 1998 einen Konkursantrag, den er jedoch spätestens am 17. Juli 1998 hätte stellen müssen. Das Amtsgericht wies den Antrag am 3. September 1998 mangels Masse zurück.
2. Auch für die vorgenannte GmbH stellte der Angeklagte keinen Konkursantrag; dies wäre ebenfalls bis zum 17. Juli 1998 erforderlich gewesen.
3.-8. Der Angeklagte unterließ es als Geschäftsführer dafür zu sorgen, dass die den Lohn- und Gehaltszahlungen entsprechenden Beiträge der bei der Gesellschaft Beschäftigten zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bei Fälligkeit am 15. des jeweiligen Folgemonats an die berechtigte Kasse abgeführt wurden. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Fälle:
5.780,30 DM an die K für Juni 1998 (Fall 3),
140,60 DM an die K für Juli 1998 (Fall 4),
2.860,70 DM an die K für August 1998 (Fall 5),
728,16 DM an die BKK für Juni 1998 (Fall 6),
728,16 DM an die BKK für Juli 1998 (Fall 7),
728,15 DM an die BKK für August 1998 (Fall 8).
9.-15. Trotz Zahlungsunfähigkeit ließ der Angeklagte den Mitarbeiter B von den Geschäftskonten der KG verschiedene Geldbeträge abheben; teilweise nahm er diese Geldauszahlungen selbst vor. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Beträge:
11.300 DM am 24. Juli 1998 (Fall 9),
12.000 und 2. 500 DM am 3. August 1998 (Fälle 10 und 11),
6.500 DM am 13. August 1998 (Fall 12),
8.000 DM am 21. August 1998 (Fall 13),
3.300 DM am 28. August 1998 (Fall 14),
7.000 DM am 31. August 1998 (Fall 15).
Überwiegend verwandte der Angeklagte die abgehobenen Beträge für private Zwecke; mit - nicht näher bezifferbaren - Teilbeträgen bezahlte er auch betriebliche Rechnungen.
Das Schöffengericht setzte in den Fällen 1, 2 und 9 bis 15 jeweils eine Freiheitsstrafe von vier Monaten fest und in den Fällen 3 bis 8 eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20 €.
Die Strafzumessung begründete es mit den zum Tatzeitpunkt fehlenden Vorstrafen des Angeklagten, seinem Geständnis und in den Fällen 3 bis 8 ergänzend mit der nicht erheblichen Höhe der vorenthaltenen Beträge. Die Strafaussetzung zur Bewährung begründete es nur wie folgt: "Nach § 56 Abs. 2 StGB konnte die Vollstreckung der Restgesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden, da das Nachtatverhalten und der Eindruck, den der Angeklagte in der Hauptverhandlung hinterlassen hat, dies gerechtfertigt erscheinen lassen.".
Über die Anrechnung der in Spanien erlittenen Auslieferungshaft hat das Schöffengericht nicht entschieden; es hat nur in den Urteilsgründen ausgeführt, dass die Untersuchungshaft nach § 51 Abs. 1 StGB anzurechnen sei.
c) Zu der gebotenen Bildung einer Gesamtstrafe unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts H sah sich das Amtsgericht T nicht in der Lage, weil ihm die Akte nicht vorlag.
Zu der Gesamtstrafenbildung kam es auch in der Folgezeit nicht.
Das Amtsgericht H erließ mit Beschluss vom 20. Mai 2008 die Strafe aus seinem Strafbefehl vom 26. Juli 2004 und führte zur Begründung aus, dass es aufgrund Antrages der Staatsanwaltschaft vom 30. März 2006, wegen der Verurteilung durch das Amtsgericht T die Bewährungszeit zu verlängern, festgestellt habe, dass die dortige Verurteilung gesamtstrafenfähig sei. Es habe daher das Bewährungsheft zur entsprechenden Prüfung und Antragsstellung am 31. August 2006 der Staatsanwaltschaft übersandt. Die Akten hätten dann eine längere Zeit bei der Staatsanwaltschaft gelegen; am 4. April 2008 habe dann die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht H eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung beantragt.
Dies komme aber nicht mehr in Betracht; vielmehr sei die Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts H zu erlassen, weil die Bewährungszeit schon lange abgelaufen und die nachträgliche Gesamtstrafenbildung über Gebühr verzögert worden sei, ohne dass dies dem Verurteilten vorgeworfen werden könne.
5. heutige Situation des Angeklagten; Verurteilung durch das Amtsgericht G
Nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im November 2005 zog der Angeklagte zu seiner Schwester nach S im hiesigen Landgerichtsbezirk.
a) Strafrechtlich ist er seitdem nur noch einmal verurteilt worden:
Das Amtsgericht G verurteilte ihn am 8. Mai 2007 wegen vorsätzlicher falscher Versicherung an Eides statt zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen á 10 €.
Der Angeklagte hatte es bei Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 20. Juni 2006 vor dem zuständigen Gerichtsvollzieher unterlassen, in seinem Vermögensverzeichnis anzugeben, dass er noch Alleingesellschafter der in L eingetragenen Gesellschaften A GmbH, B GmbH und R GmbH war. Bei den beiden letztgenannten Gesellschaften handelt es sich um die hier in Rede stehenden Gesellschaften, die trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht gelöscht waren.
Die Geldstrafe ist inzwischen vollständig gezahlt.
Das Amtsgericht T verlängerte aufgrund der Verurteilung durch das Amtsgericht G die Bewährungszeit in seiner Sache um ein Jahr und teilte nach Ablauf der verlängerten Bewährungszeit dem Angeklagten unter dem 16. Dezember 2009 mit, dass es über den Straferlass vorerst nicht entscheiden werde. Es solle die weitere Entwicklung dieses Verfahrens vor der erkennenden Kammer abgewartet werden.
b) Zwischenzeitlich ging es dem Angeklagten gesundheitlich nicht gut. Er erlitt 2007/08 zwei Bandscheibenvorfälle und einen Niereninfarkt. Er lebte von Unterstützungszahlungen seiner Familie und kleinen Tätigkeiten.
Seit dem 3. Januar 2008 hat er eine neue Lebensgefährtin und arbeitet seit Februar 2010 auf Provisionsbasis als sogenannter Dachscout. Für eine Firma sucht er nach großen Dachflächen, die zur Installation von Photovoltaik-Anlagen angemietet werden können.
Aus dieser Tätigkeit erzielt er monatliche Einkünfte zwischen 700 und 1.500 €. Staatliche Unterstützungszahlungen erhält er nicht; er hofft auf eine Festanstellung ab Januar 2011.
Unterhaltspflichten hat der Angeklagte nicht (mehr); er hat aus seinen oben dargestellten Tätigkeiten und Straftaten Verbindlichkeiten, insbesondere gegenüber Krankenkassen und Finanzämtern. Die genaue Höhe kann der Angeklagte, der keine (regelmäßigen) Zahlungen leistet, nicht beziffern.
II. Zum Tatgeschehen
1. Vorgeschichte
a) Im Februar 1995 hatte der nunmehr gesondert verfolgte L die Geschäftsführung der 1992 gegründeten P GmbH mit Sitz in H übernommen und wurde auch deren Alleingesellschafter (Stammkapital zuletzt 1.431.600 €). Gegenstand des Unternehmens war die Entwicklung, die Produktion und der Vertrieb von (Straßen-)Baumaschinen, vor allem sogenannter Walzenzüge/Vibrationswalzen.
Im Mai 1995 übernahm er ferner die Geschäftsführung der 1989 gegründeten, gleichfalls in H ansässigen, S GmbH, deren Gesellschafter er schon seit 1993 war (Stammkapital zuletzt 260.000 €). Die S vermietete von der P gebaute Straßenbaumaschinen und handelte mit gebrauchten Maschinen (gerade aus der vorherigen Vermietung).
L, ein studierter Betriebswirt, war bis 1992 in einem ursprünglich von seiner Familie gegründeten und 1990 an einen amerikanischen Konzern veräußerten Großunternehmen Geschäftsführer. Dieses Unternehmen fertigte Baustoffverdichtungsmaschinen (Walzen) und Straßenfertiger und schloss den erstgenannten Produktionsbereich.
L baute mit der P GmbH diesen Bereich neu auf, wobei die Fertigungstiefe relativ gering war (Fremdleistungsanteil zuletzt 65-73%). Den Vertrieb überließ er bis 1998 der Unternehmensgruppe A; die von der P GmbH gefertigten Straßenbaumaschinen wurden allesamt an die A-Gruppe ausgeliefert und unter deren Namen vertrieben.
Nach Auslaufen dieses Vertrages mit geringen, aber stabilen Margen baute L einen eigenen, weltweiten Vertrieb auf.
Wegen der hiermit verbundenen Kosten und der gegenüber der zeitnahen Bezahlung durch A nunmehr deutlich verlängerten Zahlungsziele erhöhte sich erheblich der Finanzierungsbedarf des Unternehmens, das zunächst weiterhin einen Jahresumsatz von etwa .. Millionen DM erwirtschaftete. Ab 2000 sanken die Umsätze und vor allem der Jahresertrag deutlich. Die das Unternehmen bis dahin finanzierenden Kreditinstitute, vor allem die Sparkasse, waren nicht mehr bereit, die bestehenden Kreditlinien von insgesamt über .. Millionen DM ohne eine im Frühjahr 2001 gewährte Bürgschaft des Landes Niedersachsen (über . Millionen DM) auszuweiten.
b) Die wirtschaftliche Lage der Unternehmen verbesserte sich nicht.
2001 erwirtschaftete die P GmbH bei Umsätzen von . Millionen € einen operativen Verlust von . Millionen €. Hingegen wies die S GmbH in ihrem Jahresabschluss vom 31. Dezember 2001 noch einen Jahresüberschuss von .. DM (Vorjahr .. DM) aus.
Ab Ende 2001/Anfang 2002 hatte die P GmbH trotz eines von der Sparkasse in Höhe von .. Millionen DM valutierten Gesamtengagements erhebliche Liquiditätsprobleme, die zu Problemen bei der Auftragsannahme und -bearbeitung sowie zu Rückständen bei Finanzamt und Sozialversicherungsträgern führten.
Etwa zeitgleich gründete L über die P GmbH die P AG im Wege einer Sachgründung. Die AG übernahm gegen Aktien das auf Millionen € taxierte Know-How der GmbH. Ohne die "Ausgründung" wäre dieser selbst geschaffene Vermögensgegenstand nicht bilanzierbar gewesen.
Die Liquiditätslage der P GmbH blieb weiter erheblich angespannt. Es kam Ende 2002 zu ersten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von Sozialversicherungsträgern. Der Jahresabschluss zum 31. Dezember 2002 wies bei einer Bilanzsumme von . Millionen € und Umsatzerlösen von gut . Millionen € einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von . Millionen € auf. Die GmbH hatte einen Bilanzverlust von . Millionen € (davon . Millionen € Verlustvortrag) erwirtschaftet und zudem . T€ Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten.
Die S GmbH nahm im Februar 2002 einen Geschäftskredit von . T€ bei der Bank auf, zusätzlich bestand dort eine Diskontlinie über . T€. Die Sparkasse forderte am 7. Mai 2002 die Rückführung der von der S GmbH in Anspruch genommenen Kreditmittel um . T€ auf die vereinbarte Kreditlinie von . T€.
c) In einer Besprechung des Herrn L mit Vertretern des Landes Niedersachsen und der Sparkasse vom 6. März 2003 wurde festgehalten, dass die P GmbH im höchsten Maße insolvenzgefährdet sei. Es wurde - ausdrücklich zur Abwendung der Insolvenz und außergerichtlichen Sanierung - eine Unternehmensberatung eingeschaltet und der Kontakt zu Kooperationspartnern, das heißt Investoren - unter anderem der A-Gruppe - gesucht.
Das Unternehmen musste wegen der sich weiter verschlechternden Liquidität trotz ordentlicher Auftragslage Kurzarbeit anmelden und erzielte in den ersten vier Monaten des Jahres 2003 bei einem Umsatz von .. T€ einen operativen Verlust von . T€. Zugleich liefen . T€ Rückstände bei Sozialversicherungsträgern auf; am 6. Mai 2003 erfolgten Pfändungsmaßnahmen der Kreissparkasse in Höhe von . T€ aus einem wegen geplatzter Wechsel ergangenen Versäumnisurteil des Landgerichts H vom 1. April 2003 über knapp . T€.
Die Sparkasse verlor zunehmend das Vertrauen in L und forderte immer wieder einen Investor und einen anderen kaufmännischen Geschäftsführer.
Die Gesamtverpflichtungen der P GmbH gegenüber der Sparkasse beliefen sich Mitte Juli 2003 auf … T€. In einem Zwischenabschluss zum 31. Juli 2003 wies die Gesellschaft bei einer Bilanzsumme von . Millionen € einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von . Millionen € aus. Der Bilanzverlust hatte sich auf . Millionen € (davon . Millionen € Verlustvortrag) erhöht.
Die S GmbH hatte zugleich Verbindlichkeiten in Höhe von . T€ gegenüber dieser Sparkasse. Am 1. April 2003 erging auf Antrag der Lieferantin .. ein Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts S über . T€. Dem Gerichtsvollzieher gelang zwischen dem 19. Juli 2003 und dem 31. März 2004 nur die Einziehung von etwa . T€, wovon nach dem 4. September 2003 nur noch knapp . € eingezogen wurden.
d) Am 5. September 2003 kündigte die Sparkasse die Geschäftsbeziehung zu beiden Unternehmen und stellte die Kredite fällig.
Sie forderte die P GmbH - vergebens - zur Rückzahlung von insgesamt . Millionen € auf - zuzüglich . T€ bei Nichteinlösung angekaufter Wechsel - und nahm L aus seinen selbstschuldnerischen Bürgschaften in Anspruch. Die P GmbH und Herr L wiesen diese Kündigung als zur Unzeit erfolgt zurück und verwiesen unter anderem auf die weiter anhängigen Verhandlungen mit Kaufinteressenten.
Die Sparkasse forderte die S GmbH vergebens zur Zahlung von .. T€ zuzüglich Zinsen bis zum 10. Oktober 2003 auf.
Die A-Gruppe bestätigte unter dem 20. Oktober 2003 ihr fortbestehendes Interesse an der Übernahme von Vermögensteilen der P GmbH und der P AG. Die Sparkasse signalisierte unter dem 13. November 2003 ihre grundsätzliche Zustimmung zu einer solchen Übernahme.
Am 14. November 2003 verurteilte das Landgericht H die S GmbH, die P GmbH und L als Gesamtschuldner, .. T€ nebst Zinsen an die .. GmbH aus einem von der S GmbH mit dieser Leasinggesellschaft abgeschlossenen Vertrag zu zahlen, für den sich die P GmbH und Herr L selbstschuldnerisch verbürgt hatten.
Zahlungen erfolgten nicht; die .. GmbH erwirkte gegen die S GmbH am 20. Januar 2004 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts H über knapp .. T€.
2. Tatgeschehen
a) Über den Hamelner Rechtsanwalt, Steuerberater und Notar .. kam im Oktober 2003 der Kontakt zwischen dem Angeklagten und Herrn L zustande.
Herr .. war mit letzterem über viele Jahre befreundet, Gründungsgesellschafter der S GmbH gewesen und hatte viele Jahre lang die beiden Gesellschaften betreut, unter anderem die Jahresabschlüsse erstellt und Stammkapitalerhöhungen beurkundet. Herr .. kannte den damaligen Tätigkeitsbereich des Angeklagten.
Der Angeklagte, dem die unter 1) dargestellte Vorgeschichte unbekannt war und weitgehend unbekannt blieb, erklärte sich gegen Entgelt bereit, nach außen hin die Geschäftsführung und alle Gesellschaftsanteile zu übernehmen.
Er ging aufgrund eines entsprechendes Gespräches mit L davon aus, dass dieser nicht mehr nach außen hin auftreten wollte, unter anderem um seinen in H bekannten Namen und Ruf für den nicht fernliegenden Fall einer Insolvenz nicht zu gefährden. Dem Angeklagten war auch ohne Kenntnis von Einzelheiten - wie etwa der Kreditkündigung der Sparkasse und dem Umfang der hohen Verbindlichkeiten der Gesellschaften - klar, dass die Situation der beiden Gesellschaften "ganz schwierig" war. Er rechnete damit, dass beide Gesellschaften zahlungsunfähig und/oder überschuldet waren oder die Insolvenz jederzeit eintreten konnte. Er wusste ferner, dass er bei Übernahme der Geschäftsführung einer GmbH verpflichtet war, sich einen Überblick über die finanzielle Situation der Gesellschaft zu verschaffen und im Falle ihrer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit unverzüglich - spätestens binnen drei Wochen - Insolvenzantrag zu stellen.
Er hoffte, mit einer etwaigen Rettung der Gesellschaften unter Nutzung seiner Kontakte (mehr) Geld - etwa eine Erfolgsprovision - verdienen oder eine Anstellung beim Übernehmer erhalten zu können. Er hielt die Rettung der P GmbH wegen der ihm von L geschilderten Patente und Produkte für möglich, zumal er bei einer späteren Betriebsbesichtigung von der Produktionshalle und den dort stehenden Neumaschinen beeindruckt war.
Vorkenntnisse oder Geschäftserfahrungen im Bereich (Straßen-)Baumaschinen hatte der Angeklagte nicht.
b) Mit einem beurkundeten Kauf- und Abtretungsvertrag vom 6. November 2003 veräußerte L seine Stammeinlage an der S GmbH an den Angeklagten. Der Angeklagte berief L sogleich als Geschäftsführer ab und bestellte sich selbst hierzu. Eine Eintragung in das Handelsregister erfolgte zunächst nicht.
Mit weiterem notariellem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 12. November 2003 veräußerte L seine Stammeinlage an der P GmbH an den Angeklagten. Auch bei dieser Gesellschaft berief er L sogleich als Geschäftsführer ab und bestellte sich selbst hierzu. Dies wurde am 17. November 2003 in das Handelsregister eingetragen.
Entgegen den notariellen Urkunden zahlte der Angeklagte nicht 80.000 € für den Erwerb der Gesellschaften, sondern erhielt für die Übernahme der Gesellschaftsanteile beider Gesellschaften und der Geschäftsführung 10.000 € in bar.
In den Verträgen ist als Anschrift des Angeklagten eine Adresse in der spanischen Hauptstadt Madrid angegeben. Der Angeklagte wohnte dort nie, sondern vor seiner Abreise im Juli 2004 zunächst in B und später in N.
Die spanische Anschrift gab ihm L vor; es handelte sich um die Adresse eines seiner Geschäftspartner. Sinn dieser Anschrift war, Rückfragen oder andere Maßnahmen von Gläubigern beim Angeklagten zu erschweren. Diese bei dem ersten von mehreren Notarterminen vom Angeklagten angegebene ausländische Anschrift wurde nach Vorlage des Reisepasses, in dem sie nicht verzeichnet war, jeweils in die Urkunden aufgenommen.
Der Angeklagte nahm Kontakt zu der A G, einem Zulieferer der Automobilindustrie, in D auf, die unter dem 18./27. November 2003 Interesse an der Übernahme der P AG und von Vermögensteilen der P GmbH - unter Verlagerung der Produktion nach D - bekundete, eine Übernahme der S GmbH dagegen ausdrücklich ausschloss.
Die Sparkasse signalisierte nach Besprechungen mit L und Verantwortlichen der A G am 15. Dezember 2003 ihre grundsätzliche Bereitschaft für eine entsprechende Lösung.
Der Angeklagte war an diesen Gesprächen nicht beteiligt, wusste aber, dass sie stattfanden.
Er verschaffte sich weder einen Überblick über die wirtschaftliche Situation der beiden Gesellschaften, noch erhielt er Einblick in die Buchführungsunterlagen, Jahresabschlüsse oder andere Firmeninterna. Er war von November 2003 bis zum Frühjahr 2004 nur vier- bis fünfmal für kurze Zeit in H und zwischenzeitlich vier Wochen im Urlaub. Er erhielt keine Geschäftspost ausgehändigt, hatte keinen Schlüssel für das Betriebsgebäude und auch keine Bankvollmacht. Über die 10.000 € hinaus erhielt er kein Entgelt oder sonstige Vergünstigungen (etwa einen Dienstwagen) für seine formelle Geschäftsführertätigkeit.
Um die Belange der P GmbH und der S GmbH kümmerte sich weiterhin L. Der Angeklagte war damit einverstanden.
L ordnete am 10. November 2003 die räumliche und buchhalterische Trennung der P AG von der GmbH an. Auch sein Gehalt sollte - rückwirkend ab 1. November 2003 - (nur noch) von der AG gezahlt werden.
Die Mitarbeiter der P GmbH folgten weiterhin seinen Weisungen; von dem Angeklagten, so sie ihn überhaupt kennengelernt hatten, erhielten sie keine Weisungen.
L legte dem Angeklagten bei dessen Besuchen in H Geschäftsbriefe und andere Schreiben der beiden Gesellschaften zur Unterschrift vor, die dieser ohne nähere Kenntnisnahme vom Inhalt der Schreiben leistete. Der Angeklagte unterzeichnete - auf unterschiedlicher Höhe - ferner 100 bis 200 Blankobögen und überließ sie L zur weiteren Verwendung.
c) Am 8. Dezember 2003 meldete der Angeklagte auf Wunsch von L zum Handelsregister die Umfirmierung der P GmbH in R GmbH und die Sitzverlegung von H in das nahe gelegene, aber schon zu Nordrhein-Westfalen gehörende B an. Dies wurde von dem das Handelsregister für den Amtsgerichtsbezirk führenden Amtsgericht L am 21. Januar 2004 eingetragen; im H' Register am 27. Januar 2004.
Zugleich meldete er - gleichfalls auf Ls Wunsch - die Umfirmierung der S GmbH in B GmbH und ihre Sitzverlegung ebenfalls nach B an. Dies - und den vorherigen Geschäftsführerwechsel - trug das Amtsgericht L am 3. Februar 2004 ein; das Amtsgericht H am 10. Februar 2004.
Eine Geschäftstätigkeit entfalteten die beiden Gesellschaften in B nicht. Es gab dort nur ein kleines Büro in einem neuen Gewerbepark, das letztlich nur als Briefkastenadresse diente.
Mit (auch) an den Angeklagten gerichteten Schreiben vom 23. Dezember 2003 mahnte die Sparkasse einen Ausgleich der fällig gestellten Kredite der P GmbH bis zum 12. Januar 2004 unter Androhung von Zwangsmaßnahmen und eines Insolvenzantrages an. Kurz zuvor hatte sie die Zwangsverwaltung des Betriebsgrundstückes veranlasst.
Verhandlungen mit der A-Gruppe gab es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr.
Am 13. Januar 2004 erteilte der Angeklagte L auf dessen Wunsch für beide Gesellschaften Generalvollmacht, die nur insoweit begrenzt war, als sie nicht zum Abschluss von Kreditverträgen über 100.000 €, Abschluss von Leasingverträgen mit Jahresraten über 50.000 €, zu Personalentscheidungen und zur Vertretung gegenüber Finanzbehörden berechtigte.
Die Produktion der P GmbH kam nach dem Jahreswechsel mangels hinreichender Lieferungen von Bauteilen weitgehend zum Erliegen, weil Lieferanten die zur Produktion benötigten Bauteile nur noch gegen Barzahlung zu liefern bereit waren und die P GmbH hierzu nicht in der Lage war. Sie verfügte nicht über ausreichende finanzielle Mittel. Löhne und Gehälter der Beschäftigten der P GmbH für Dezember 2003 und Januar 2004 waren Ende Januar 2004 noch nicht gezahlt worden.
d) Am 29. Januar 2004 gab die A G - auch gegenüber dem Angeklagten - ihr bis dato bekundetes Interesse an der Übernahme der P AG und von Vermögensbestandteilen der P GmbH auf. Auch dem Angeklagten war bewusst, dass mit der Absage der A G keine Aussicht auf Rettung/Übernahme der P GmbH mehr bestand. Weitere Interessenten gab es nicht (mehr).
Am 30. Januar 2004 forderte eine von einem slowenischen Lieferanten beauftragte Inkassogesellschaft die P GmbH zur Zahlung von .. T€ auf.
Unter dem 18. Februar 2004 beantragte die Sparkasse bei dem insoweit auch für B zuständigen Amtsgericht D die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der (nunmehrigen) R GmbH und über das Vermögen der (nunmehrigen) B GmbH. Die Anträge gingen dort am 8. März 2004 ein. Am 23. März 2004 wurden diverse Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern der R "aus wirtschaftlichen Gründen" gekündigt.
Das Amtsgericht Dbestellte am 1. April 2004 einen vorläufigen Insolvenzverwalter für die Rotech und ordnete diverse Sicherungsmaßnahmen (unter anderem ein Verfügungsverbot) nach §§ 21 Abs. 2, 23 Abs. 1 InsO an. Entsprechendes erfolgte zugleich für die B.
Der Angeklagte, dem die Antragstellung durch die Sparkasse erst durch Anschreiben des Insolvenzgerichts D bekannt wurde, stellte als Geschäftsführer der R GmbH und mit gesondertem Schreiben als Geschäftsführer der B GmbH unter dem 6. April 2004 selbst Insolvenzanträge. Die Anträge gingen am Folgetag beim Amtsgericht D ein, das die Verfahren mangels in B entfalteter Geschäftstätigkeit nach H verwies.
Der Angeklagte wusste, dass ihn die Antragstellung durch einen Gläubiger nicht von seiner Verpflichtung zur (unverzüglichen) Antragstellung entband.
e) Das Amtsgericht - Insolvenzgericht - H eröffnete am 1. Mai 2004 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der R GmbH.
Es wurde am 20. Juli 2010 mit festgestellten Insolvenzforderungen von . Millionen € mangels Masse eingestellt.
Am 14. Juni 2004 eröffnete das Amtsgericht H auch das - bis heute anhängige - Insolvenzverfahren über das Vermögen der B GmbH.
Die Bank hat Insolvenzforderungen gegen die B GmbH in Höhe von .. T€; die Sparkasse in Höhe von .. T€.
B. Grundlage der Feststellungen
I. Zum Werdegang der Angeklagten (A I)
Die Feststellungen zu den Vorverurteilungen des Angeklagten ergeben sich aus den diesbezüglich in der Hauptverhandlung verlesenen Urteilen, Strafbefehlen und Beschlüssen der Amtsgerichte G, C, H und T.
Im Übrigen beruhen die Feststellungen auf den entsprechenden Angaben des Angeklagten. Die Kammer hat keinen Anlass, diese Angaben in Zweifel zu ziehen, zumal sie sich teilweise auch aus den verlesenen Urteilen ergeben.
II. Zum Tatgeschehen (A II)
Die Feststellungen zur Vorgeschichte (A II 1) ergeben sich aus den im Selbstleseverfahren (§ 249 Abs. 2 StPO) eingeführten Urkunden (Ablichtungen aus Registerakten, Besprechungsprotokollen mit Kreditinstituten/zur Landesbürgschaft, Korrespondenz mit der Sparkasse, etc.).
Die Feststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen (A II 2 a-d) beruhen in erster Linie auf der glaubhaften Einlassung des Angeklagten; hinsichtlich der Daten der "Übernahme" der Gesellschaften und ihrer Sitzverlegungen (2 b und c) auch auf den entsprechenden, im Selbstleseverfahren eingeführten, notariellen Urkunden und Registerauszügen.
Dass die Absage der A G (2 d) auch dem Angeklagten bekannt wurde, ergibt sich aus einem entsprechenden, ebenfalls im Selbstleseverfahren eingeführten, Schreiben dieser Unternehmensgruppe und einem diesbezüglichen Gesprächsvermerk eines leitenden Mitarbeiters der Sparkasse. Die Insolvenzanträge und die Entscheidungen der Insolvenzgerichte (2 d und e) sind ebenfalls im Selbstleseverfahren eingeführt worden, gleiches gilt für die Forderungsaufstellungen der Sparkasse und der Bank.
C. Rechtliche Bewertung der Feststellungen
Der Angeklagte hat sich der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung in zwei Fällen (Fälle 15 und 29 der Anklage) strafbar gemacht (§§ 64 Abs. 1, 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG a.F., 53 StGB).
I. Allgemeines
Die Strafbarkeit richtet sich nach dem zur Tatzeit geltenden Recht. Nach der damals geltenden Fassung des § 64 Abs. 1 GmbHG war der Geschäftsführer einer GmbH verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens innerhalb von drei Wochen, bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen. Ein vorsätzlicher Verstoß dagegen war nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht.
Zum 1. November 2008 sind § 64 Abs. 1 und § 84 GmbHG neu gefasst worden; seitdem verpflichtet der neu eingefügte § 15a InsO den Geschäftsführer einer juristischen Person, bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Wochen, Insolvenzantrag zu stellen (Abs. 1), und sieht in Abs. 4 bei vorsätzlicher Verletzung dieser Pflicht eine Strafe gleichen Umfangs wie zuvor § 84 GmbHG vor. Mithin entspricht das heute geltende Recht inhaltlich dem zur Tatzeit geltenden Recht, so dass nach § 2 Abs. 1, 3 StGB dieses anzuwenden ist (vgl. BGH wistra 2009, 273ff.).
Der Angeklagte kannte - wie er eingeräumt hat und sich auch aus seinen einschlägigen Vorverurteilungen ergibt - seine Verpflichtung, als Geschäftsführer bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit einer GmbH unverzüglich, spätestens binnen drei Wochen, Insolvenzantrag zu stellen.
Dass der Angeklagte nur formeller Geschäftsführer (Strohmann) war, ändert an seiner Verpflichtung nichts (vgl. BGHSt 31, 118ff.; Siegmann/Vogel ZIP 1994, 1821ff., Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., Rn. 30 zu § 84 GmbHG)
II. Die S GmbH (Fall 29) war spätestens mit der Fälligstellung der von der Sparkasse gewährten Kredite - also noch vor Übernahme der Geschäftsführung durch den Angeklagten - überschuldet (§§ 17 Abs. 2, 19 Abs. 2 S. 1 InsO).
Sie war nicht nur gegenüber der Bank erhebliche Verbindlichkeiten eingegangen, sondern konnte die fällig gestellten Forderungen der Sparkasse noch nicht einmal ansatzweise erfüllen, wie sich auch aus den (überwiegend) fruchtlosen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts S vom 1. April 2003 und aus dem Urteil des Landgerichts H vom 14. November 2003 ergibt. Es bestand auch kein Anlass, auf eine Fortführung/Übernahme der S zu hoffen. Die möglichen Übernahmeinteressenten A und A G waren ersichtlich nur an der P AG und Teilen der P GmbH interessiert.
Der Angeklagte kannte zwar die genaue Höhe der Verbindlichkeiten der S GmbH nicht. Er nahm aber bei Übernahme der Geschäftsführung das Vorliegen eines Insolvenzgrundes (Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung) billigend in Kauf und handelte damit - was ausreicht (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, a. a. O., Rn. 32) - bedingt vorsätzlich. Der Angeklagte war ja gerade dafür entlohnt worden, nur nach außen die Geschäftsführung zu übernehmen, damit der Name L nicht durch eine Insolvenz gefährdet würde. Er fand sich mit dem Eintritt der Insolvenz ab, ohne sich nach Einzelheiten der wirtschaftlichen Situation zu erkundigen.
Dem Angeklagten war auch bewusst, dass es keine Interessenten für die Übernahme der S GmbH gab; der von ihm vermittelte Interessent hatte dies sogar ausdrücklich ausgeschlossen.
Mithin hätte er - wie er wusste - spätestens drei Wochen nach Übernahme der Geschäftsführung, also am 27. November 2003, Insolvenzantrag stellen müssen. Dies hat er jedoch erst am 6. April 2004 getan.
III. Auch die P GmbH (Fall 15) war nicht in der Lage, die Millionenkredite der Sparkasse nach Fälligstellung zurückzuzahlen, und hatte schon vor November 2003 erhebliche Zahlungsschwierigkeiten. Diese Gesellschaft war - wie es auch in ihren Abschlüssen zum 31. Dezember 2002 und zum 31. Juli 2003 ausgewiesen wurde - mithin ebenfalls überschuldet.
(Bilanzielle) Überschuldung verpflichtet aber nicht ohne Weiteres zur unverzüglichen, strafbewehrten Insolvenzantragsstellung, wenn die Fortführung des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich ist und eine Bewertung zu Fortführungswerten (eventuell unter Annahme der Tilgung aller Verbindlichkeiten durch den solventen Übernehmer) vorgenommen werden kann (§ 19 Abs. 2 S. 2 InsO i. d. bis zum 31. Oktober 2008 geltenden Fassung). Ob von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Übernahme der (gesamten) GmbH durch die Interessenten A und A G in objektiver Hinsicht im November 2003 ausgegangen werden konnte, lässt die Kammer offen.
Jedenfalls geht sie zu Gunsten des Angeklagten davon aus, dass er bei Übernahme der Geschäftsführung glaubte, eine Übernahme der P GmbH, etwa durch den von ihm vermittelten Interessenten, sei möglich. Er sah sich daher (subjektiv) zunächst nicht als verpflichtet an, Insolvenzantrag zu stellen.
Nachdem die Gespräche mit der A G am 29. Januar 2004 gescheitert waren und dies auch dem Angeklagten bekannt wurde, hätte er aber unverzüglich, spätestens am 19. Februar 2004, Insolvenzantrag stellen müssen (vgl. zur Antragsverpflichtung nach Scheitern von Sanierungsbemühungen Baumbach/Hueck, a. a. O., Rn. 28, 32 m. w. N.) . Er stellte aber auch für diese Gesellschaft erst am 6. April 2004 Insolvenzantrag.
IV. Konkurrenzen
Die beiden (echten) Unterlassungsdelikte stehen zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB).
Die Verpflichtung zur Insolvenzantragstellung ergab sich für jede der beiden Gesellschaften aus der jeweils gesonderten Übernahme der Geschäftsführung und ihrer - angesichts der nur für die P GmbH geführten Übernahmeverhandlungen - durchaus unterschiedlichen wirtschaftlichen Lage. Die beiden "Schwestergesellschaften" waren - anders als etwa eine GmbH & Co KG und ihre Komplementär-GmbH - auch rechtlich nicht miteinander verbunden.
Es wäre dem Angeklagten tatsächlich und rechtlich möglich gewesen, seiner Verpflichtung zur Insolvenzantragstellung für eine Gesellschaft nachzukommen und für die andere nicht (vgl. zu den Konkurrenzen bei Unterlassen mehrerer gleichartiger Handlungspflichten BGHSt 18, 376, 381; Tiedemann in Scholz, GmbHG, 8. Aufl., Rn. 106 zu § 84).
D. Strafzumessung
I. Bemessung der Einzelstrafen
Vorsätzliche Insolvenzverschleppung ist nach § 84 Abs. 1 GmbHG a. F. mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht.
Bei der Strafzumessung hat die Kammer in beiden Fällen mit erheblichem Gewicht zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er die abgeurteilten Taten in der Hauptverhandlung - und weitgehend auch schon im Ermittlungsverfahren - umfassend eingeräumt hat und auch bereit war, die Hauptverhandlung möglichst kurz zu halten.
Ferner hat die Kammer mildernd berücksichtigt, dass die hier zur Aburteilung stehenden Taten mehr als sechs Jahre, im Fall 29 sogar schon sieben Jahre, zurückliegen und der Angeklagte ersichtlich aus diesen Taten - und der anschließenden Auslieferungs- und Untersuchungshaft in dem Verfahren des Amtsgerichts T - gelernt hat; er ist nach 2004 nicht mehr (einschlägig) in Erscheinung getreten und hat sich ab Ende 2005 eine bescheidene Existenz in S aufgebaut.
Ferner war zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er die genaue, erhebliche Dimension der Überschuldung der beiden Gesellschaften nicht kannte, nur pro forma die Geschäftsführung übernahm, sich im Fall 15 (P) auch um einen ernsthaften Investor/Übernahmeinteressenten bemühte und - wenn auch zum Teil deutlich verspätet - seiner Insolvenzantragspflicht noch nachkam.
Strafschärfend musste sich hingegen auswirken, dass der Angeklagte schon zum Tatzeitpunkt mehrfach einschlägig vorbestraft war, weitere einschlägige Verfahren gegen ihn anhängig waren und er gewerbsmäßig - hier gegen Zahlung von 10.000 € - die Geschäftsführung der beiden Gesellschaften übernahm.
Er hat - wie in dem wenig später vom Amtsgericht H abgeurteilten Geschehen - später auch eine Umfirmierung und Sitzverlegung in ein anderes Bundesland veranlasst, um den bisherigen Geschäftsführer-Gesellschafter aus der öffentlichen "Schusslinie" zu nehmen und den Zugriff der Gläubiger auf die Gesellschaften und ihr Restvermögen zu erschweren. Zugleich hat sich der Angeklagte kaum um die Belange der Gesellschaften und ihrer Mitarbeiter gekümmert, sondern L mehrere Monate lang weiter frei schalten und walten lassen.
Als tat- und schuldangemessen hat die Kammer insgesamt in beiden Fällen eine Einzelstrafe von jeweils sechs Monaten Freiheitsstrafe angesehen.
II. Gesamtstrafenbildung
1. Einzubeziehende Strafen
Dem Angeklagten ist die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts T (A I 4) trotz Ablaufs der Bewährungszeit im Hinblick auf dieses Verfahren noch nicht erlassen worden.
Da die Aburteilung in T nach den hier in Rede stehenden Straftaten erfolgte, hat die Kammer unter Auflösung der vom Amtsgericht T gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe eine neue Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung der dort verhängten Einzelstrafen zu bilden (§ 55 Abs. 1 StGB).
Hingegen war dem Angeklagten kein sogenannter Härteausgleich für die bereits vollständig vollstreckte Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts G (A I 5) zu gewähren, obwohl die hier abgeurteilten Taten auch vor dieser Verurteilung begangen wurden.
Die unerledigte frühere Verurteilung durch das Amtsgericht T führt zu einer dahingehenden Zäsur, dass die spätere, mit der in T abgeurteilten Sache nicht gesamtstrafenfähige Verurteilung durch das Amtsgericht G im Falle ihrer Nichterledigung, das heißt bei nicht (vollständiger) Zahlung der Geldstrafe, nicht in die hier neu zu bildende Gesamtstrafe einzubeziehen gewesen wäre (vgl. zu der Zäsurwirkung des ersten Urteils und der Bedeutung der Gesamtstrafenfähigkeit der Vorstrafen untereinander Fischer, StGB, 57. Aufl., Rn. 11 zu § 55 StGB m. w. N.). Ohne eine solche Einbeziehungsfähigkeit kommt auch ein Härteausgleich nicht in Betracht.
2. Gesamtstrafenbildung im Einzelnen
Nach Maßgabe des § 54 StGB hat die Kammer erneut die für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände abgewogen. Zudem hat sie zu Gunsten des Angeklagten bedacht, dass die beiden hier abgeurteilten Taten in einem sehr engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen und die vom Amtsgericht T verhängten Einzelstrafen eigentlich schon hätten erlassen werden müssen (vgl. zum Gebot der schuldmildernden Berücksichtigung der Erlassreife BGH NStZ 1993, 235).
Sie hat daher eine nicht allzu hohe Erhöhung der höchsten Einzelstrafe - einer der hier verhängten sechsmonatigen Freiheitsstrafen - für geboten erachtet. Die Kammer hat daher unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die neu zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe die nunmehr aufgelöste Strafe nicht unterschreiten darf (vgl. Fischer, a. a.O., Rn. 16 zu § 55 StGB m. w. N.), eine neue Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten gebildet.
III. Anrechnung der Auslieferungshaft
Der Angeklagte hat in dem Verfahren vor dem Amtsgericht T neben einigen Wochen Untersuchungshaft etwa drei Wochen Auslieferungshaft in Spanien erlitten.
Auslieferungshaft/ausländische Untersuchungshaft ist nach Maßgabe des § 51 Abs. 4 StGB auf die Strafe anzurechnen, wobei das erkennende Gericht in der Urteilsformel den Anrechnungsmaßstab zu bestimmen hat (vgl. Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., Rn. 32 zu § 51 m. w. N.).
Diese Bestimmung hat das Amtsgericht T nicht getroffen. Da diese Bestimmung nachholbar ist (Stree/Kinzig, a. a. O., Rn. 34) und die Anrechung auf die hier neu gebildete Gesamtfreiheitsstrafe zu erfolgen hat, hat sie die Kammer nunmehr vorgenommen.
Da der Angeklagte selbst keine besonders belastenden Haftbedingungen - bis auf die aus seinen mangelnden Spanischkenntnissen folgenden Kommunikationsprobleme - geschildert hat, hat die Kammer eine über den Maßstab 1:1 hinausgehende Anrechnung der in Spanien erlittenen Haft für nicht geboten gehalten. Nach neuerer Rechtsprechung ist Auslieferungshaft in einem anderen EU-Staat wie Spanien grundsätzlich im Maßstab 1:1 anzurechnen (Stree/Kinzig, a. a. O., Rn. 35 m. w. N.).
IV. Strafaussetzung zur Bewährung
Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe konnte zur Bewährung ausgesetzt werden.
Die Kammer ist bei dem geständigen Angeklagten angesichts seines nunmehr seit längerem straffreien Lebens, seiner neuen Partnerschaft und seiner beruflichen Neuorientierung davon überzeugt, dass er sich neben der in der einbezogenen Sache erlittenen Inhaftierung das lange Verfahren und die Hauptverhandlung als Warnung dienen lassen und in Zukunft nicht erneut straffällig werden wird (§ 56 Abs. 1 StGB).
Darüber hinaus liegen nach der Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Angeklagten und seiner Taten besondere Umstände vor (§ 56 Abs. 2 StGB), die auch eine Aussetzung der jeweils über einjährigen Gesamtfreiheitsstrafe ermöglichen.
Insoweit maßgebend ist die Summe der bereits angeführten Strafmilderungsgründe. Hinzu kommt der Umstand, dass die Kammer nur deswegen eine überjährige Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hat, weil sie die eigentlich erlassreifen Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts T einzubeziehen hatte. Bei Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe nur aus den beiden hier abgeurteilten Taten wäre eine Gesamtfreiheitsstrafe von deutlich unter einem Jahr verhängt worden.
Unter Fortführung dieser Erwägungen hat die Kammer unter Anwendung des Rechtsgedankens des § 58 StGB in dem zusammen mit diesem Urteil verkündeten Bewährungsbeschluss eine nur zweijährige Bewährungszeit festgesetzt.
Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe ist auch nicht zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten (§ 56 Abs. 3 StGB). Dabei ist auch von Bedeutung, dass seit Beendigung der Taten ein längerer Zeitraum vergangen ist, in dem der Angeklagte nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten ist.
V. Vorliegen und Berücksichtigung von Verfahrensverzögerungen
Die Kammer hat schließlich beachtet, dass das Recht des Angeklagten auf Verhandlung und Entscheidung seines Verfahrens binnen angemessener Frist verletzt und damit dem Gebot des Art. 6 Abs. 1 MRK nicht genügt worden ist:
1. Das fraglos schwierige Ermittlungsverfahren, das die Aufklärung einer Vielzahl von Tatvorwürfen umfasste, ist polizeilich erst durch den Abschlussbericht vom 24. Mai 2007 abgeschlossen worden. Das Verfahren hätte aber insoweit im Dezember 2006 abgeschlossen werden können, nachdem sich auch der damalige Mitbeschuldigte L über seinen damaligen Verteidiger mehr oder minder zur Sache eingelassen hatte. Die Abfassung des Abschlussberichts verzögerte sich aber aufgrund der Befassung der Ermittler mit anderen, vorrangigen Aufgaben bis Ende Mai 2007.
Die Staatsanwaltschaft erhob erst am 5. Dezember 2008 Anklage gegen den Angeklagten wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung in zwei Fällen, vorsätzlichen Bankrotts in vier Fällen und Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in elf Fällen. Die Einarbeitung in die Sache und Erhebung der Anklage hätte ohne Überlastung der Anklageverfasserin in etwa sechs Monaten geleistet werden können.
Mithin sind insgesamt Verfahrensverzögerungen von etwa einem Jahr und fünf Monaten zu verzeichnen.
2. Im Zwischen- und Hauptverfahren liegen hingegen keine der Justiz anzulastenden Verfahrensverzögerungen vor.
Der Kammervorsitzende und der Berichterstatter konnten sich erst ab August 2009 in die Sache einarbeiten, weil der ehemalige Mitangeschuldigte seinen Verteidiger gewechselt hatte, diesem zunächst noch Akteneinsicht gewährt werden musste und es bis Juli 2009 dauerte, bis sich der bisherige Verteidiger nach mehrfacher Aufforderung bequemte, ihm Monate zuvor überlassene Akten zurückzugeben.
Es erfolgte sodann eine Vorbesprechung (§ 202a StPO) unter Teilnahme des Kammervorsitzenden, des Berichterstatters, der Anklageverfasserin und der Verteidiger des Angeklagten und des ehemaligen Mitangeschuldigten am 20. November 2009.
Diese führte zu umfangreichen Verteidigererklärungen für den ehemaligen Mitangeschuldigten L, die sich bis Ende Februar 2010 hinzogen. Die Kammer übersandte mit umfangreichen Hinweisen/Anregungen zu Antragstellungen nach § 154 Abs. 2 StPO sodann die Akten an die Staatsanwaltschaft. Unter dem 22. März 2010 sandte die Staatsanwaltschaft die Akten zurück und beantragte hinsichtlich des Angeklagten, das Verfahren auf die nunmehr abgeurteilten Tatvorwürfe zu beschränken.
Diesem Antrag folgte die Kammer mit Beschluss vom 7. April 2010 und eröffnete am Folgetag das Hauptverfahren. Die Hauptverhandlung konnte wegen Terminsschwierigkeiten mehrerer Verfahrensbeteiligter erst ab 5. November 2010 beginnen.
Am ersten Hauptverhandlungstag ist nach Verlesung der Anklage das Verfahren gegen den Mitangeklagten L im allseitigen Einverständnis zur gesonderten Fortführung, Verhandlung und Entscheidung abgetrennt worden, um einen zügigen Verfahrensabschluss gegen den (weiterhin) einlassungsbereiten Angeklagten zu ermöglichen.
3. Kompensation der Verfahrensverzögerungen
Die Kammer hat deshalb in entsprechender Anwendung des § 51 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 2 StGB (vgl. BGHSt 52, 124ff.) ausgesprochen, dass von der Gesamtfreiheitsstrafe ein angemessener Anteil als vollstreckt gilt.
Hierbei hat sie sich nach Maßgabe der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (StV 2008, 298f.; NStZ 2008, 478f.) unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls und des (eher geringen) Maßes des Fehlverhaltens der Justiz (schlichte Überlastung) an der Höhe der verhängten Strafe orientiert und angeordnet, dass zwei Monate der Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gelten.
E. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO.