Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 08.12.2003, Az.: L 4 B 44/03 KR

Beschwerde ; Gewährung von Versorgung ; Absenden ; Entscheidung nach billigem Ermessen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
08.12.2003
Aktenzeichen
L 4 B 44/03 KR
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 38833
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:1208.L4B44.03KR.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen - AZ: S 16 KR 136/01

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Ein Vertragsarzt ist Leistungserbringer der gesetzlichen Krankenkasse. Seine Maßnahmen und Unterlassungen sind der gesetzlichen Krankenkasse zuzurechnen.

  2. 2.

    Erkennt eine gesetzliche Krankenkasse den Anspruch eines Versicherten erst im Klageverfahren an, weil der behandelnde Vertragsarzt erst im Klageverfahren die hierfür erfoderlichen Angaben macht, so hat sie die außergerichtlichen Kosten des Versicherten zu tragen.

In dem Rechtsstreit

A.

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte B.,

gegen

Hanseatische Krankenkasse Hamburg,

Wandsbeker Zollstraße 86 - 90, 22041 Hamburg,

Beklagte und Beschwerdegegnerin,

hat der 4. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen am 8. Dezember 2003 in Celle durch die Richterin Schimmelpfeng-Schütte - Vorsitzende -, den Richter Schreck und den Richter Wolff

beschlossen:

Tenor:

  1. Der Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 30. Juni 2003 wird aufgehoben.

    Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens zu erstatten.

GRÜNDE

1

I.

Die Klägerin beantragte bei der Beklagten die Gewährung einer US-Fußorthodese wegen MFK-V-Fraktur links und legte die Verordnung ihres behandelnden Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. C. vor, der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist. Nach Einholung von ärztlichen Stellungnahmen des Dr. C. und des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheiden vom 12. Februar 2001 und 19. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2001 ab. Es liege keine Indikation für eine Fußorthodese nach Maß vor.

2

Hiergegen hat die Klägerin am 10. Oktober 2001 Klage beim Sozialgericht Bremen (SG) erhoben und die Bescheinigung des Dr. C. vom 13. März 2002 vorgelegt. Dr. C. hat darin ausgeführt, dass zusätzlich zu der bestehenden bekannten MFK-V-Fraktur links ein erheblicher postkontusioneller Hautschaden bestanden habe. Aus diesem Grunde sei ein geschlossener Gipsverband nicht möglich gewesen. Daraufhin hat die Beklagte den Klageanspruch anerkannt. Die Klägerin hat das Anerkenntnis angenommen.

3

Mit Beschluss vom 30. Juni 2003 hat das SG entschieden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten seien. Denn nach Vorlage der Bescheinigung des Dr. C. vom 13. März 2002 habe die Beklagte ein sofortiges Anerkenntnis abgegeben.

4

Gegen den ihr am 16. Juli 2003 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 5. August 2003 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat.

Gründe

5

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

6

Nach § 193 Abs. 1 Halbsatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht auf Antrag durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird. Die Entscheidung ist unter Beachtung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu treffen.

7

Nach Auffassung des Senats entspricht es im vorliegenden Fall billigem Ermessen, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt. Zwar ist dem SG darin beizupflichten, dass die Beklagte nach Vorlage der Bescheinigung des Dr. C. vom 13. März 2002 den Anspruch der Klägerin unverzüglich anerkannt hat. Gleichwohl hat sie - und nicht die Klägerin - Veranlassung zur Klage gegeben. Die Kosten des Klageverfahrens sind daher der Beklagten zuzurechnen.

8

Anlass für die Klageerhebung war die späte Mitteilung des behandelnden Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. C., bei der Klägerin bestehe nicht nur eine MFK-V-Fraktur links, sondern außerdem ein erheblicher postkontusioneller Hautschaden. Wegen dieses Hautschadens bestand die Notwendigkeit einer US-Fußorthodese. Hätte Dr. C. der Beklagten das Vorliegen des Hautschadens schon während des Verwaltungsverfahrens mitgeteilt, hätte die Klägerin kein Klageverfahren anstrengen müssen.

9

Für das Versäumnis des behandelnden Arztes Dr. C. hat nicht die Klägerin, sondern die Beklagte einzustehen.

10

Dr. C. ist zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und hat die Klägerin als Vertragsarzt behandelt. Damit ist er im Auftrag der Beklagten tätig geworden. Denn ein Vertragsarzt erfüllt mit seiner vertragsärztlichen Behandlung den Behandlungsanspruch des gesetzlich Versicherten gegen seine gesetzliche Krankenkasse. Er ist insoweit Leistungserbringer der Krankenkasse. Nicht der gesetzlich Versicherte, sondern die gesetzliche Krankenkasse hat daher für Maßnahmen oder Unterlassungen einzustehen, die ein in ihrem Auftrag handelnder Vertragsarzt vornimmt. Nach der Systematik des Vertragsarztrechts steht der Vertragsarzt als Leistungserbringer der Krankenkassen im Lager der Krankenkassen und nicht im Lager des Versicherten. Demgemäß muss sich die Beklagte und nicht die Klägerin das Versäumnis des Dr. C. zurechnen lassen. Auf den Umstand, dass es letztlich die Klägerin war, die die Bescheinigung des Dr. C. vom 13. März 2001 vorgelegt hat, kommt es nicht an.

11

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

12

Schimmelpfeng-Schütte

13

Schreck

14

Wolff