Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 11.12.2003, Az.: L 5 VS 6/03
Nichteinhaltung der Berufungsfrist; Zugang des Urteils durch Übergabeeinschreiben; Unmöglichkeit des Nachweises der Zustellung durch Rückschein; Heilung von Zustellungsmängeln; Fiktion der Zustellung bei tatsächlichem Zugang
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 11.12.2003
- Aktenzeichen
- L 5 VS 6/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 21024
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:1211.L5VS6.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Lüneburg - AZ: S 11 VS 3/01
Rechtsgrundlagen
- § 158 Satz 2 SGG
- § 151 Abs. 1 SGG
- § 151 Abs. 2 Satz 1 SGG
- § 63 Abs. 2 SGG
- § 166 ZPO
- § 168 Abs. 1 Satz 1 u. 2 ZPO
- § 175 ZPO
- § 189 ZPO
Tenor:
Die Berufung wird verworfen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) E. vom 21. August 2003, das seine Klage abgewiesen hat. Mit der Klage hat der Kläger Aufhebung des Bescheides vom 23. März 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2001 sowie Versorgung nach einer MdE um mindestens 25 v.H. über das Teil-Anerkenntnis vom 27. Februar 2002 hinaus beantragt.
Das Urteil des SG E. ist am 9. September 2003 mit Einschreiben abgesandt und dem Kläger am 10. September 2003 übergeben worden. Die Berufungsschrift ist am 17. Oktober 2003 bei dem SG und am 23. Oktober 2003 bei dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen eingegangen.
Die Berufung ist gem. § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verwerfen. Denn sie ist nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt. Die Senatsentscheidung kann durch Beschluss ergehen, § 158 Satz 2 SGG.
Gem. § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem SG schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird, § 151 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat die Berufungsfrist von einem Monat nach Zustellung des Urteils nicht eingehalten:
Die Zustellung des Urteils erfolgt gem. § 63 Abs. 2 SGG i.V.m. §§ 166 ff. Zivilprozessordnung (ZPO). Die Geschäftsstelle führt die Zustellung nach §§ 173 bis 175 ZPO aus, § 168 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Sie kann einen nach § 33 Abs. 1 des Postgesetzes beliehenen Unternehmer (Post) oder einen Justizbediensteten mit der Ausführung der Zustellung beauftragen, § 168 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Die Zustellung erfolgt durch Aushändigung auf der Amtsstelle oder Zustellung gegen Empfangsbekenntnis oder durch Einschreiben mit Rückschein, §§ 173 bis 175 ZPO. Im vorliegenden Fall ist dem Kläger das Urteil durch Übergabeeinschreiben zugegangen. Die Form des § 175 ZPO, nämlich Einschreiben mit Rückschein, ist nicht eingehalten. Der Nachweis der Zustellung kann mithin nicht durch Rückschein geführt werden.
Dies macht jedoch die Zustellung nicht etwa fehlerhaft mit der Folge, dass das Urteil nicht zugestellt wäre. Vielmehr können gem. § 189 ZPO Zustellungsmängel geheilt werden. Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Schriftstücks nicht nachweisen oder ist das Schriftstück unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es nach dieser Vorschrift in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Schriftstück der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Die Zustellung wird in diesem Fall fingiert. Sie steht nicht im Ermessen des Gerichts. Ihre Wirkung wird auch auf Zustellungen erstreckt, die eine Notfrist in Gang setzen (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 25. Auflage 2003 § 189 Rdnrn. 1 und 3; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 62. Auflage 2004, § 189 Rdnrn. 2 und 4).
Nach der schriftlichen Mitteilung der Deutschen Post vom 7. November 2003 an den Senat ist dem Kläger am 10. September 2003 das Urteil mit Einschreiben zugestellt worden. Der Kläger, der auf das Problem der möglicherweise verfristeten Einlegung der Berufung durch Verfügung des Senats vom 7. November 2003 hingewiesen worden ist, hat sich hierzu nicht geäußert. Nach dem zeitlichen Ablauf hätte der Kläger die Berufung mit Ablauf des 9. Oktober (Donnerstag) bei dem SG oder dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen einlegen müssen. Dies ist jedoch erst am 17. Oktober 2003 (bei dem SG) geschehen. Die Berufungsfrist war damit überschritten.
Gründe, die etwa zur Wiedereinsetzung des Klägers in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Versäumnis der Berufungsfrist hätten führen können, hat der Kläger nicht vorgetragen. Demgemäß war die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Ein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs. 2 SGG.