Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 24.09.2004, Az.: 15 WF 214/04
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 24.09.2004
- Aktenzeichen
- 15 WF 214/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 42111
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2004:0924.15WF214.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hildesheim - AZ: 37 F 37303/04
Fundstellen
- JWO-FamR 2004, 329
- MittBayNot 2006, 243-244
In der Familiensache
wegen Abänderung von Ehegattenunterhalt;
hier: Prozesskostenhilfe
hat der 15. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 30. August 2004 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hildesheim vom 11. August 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Landgericht ... am 8. September 2004 beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Dem Kläger wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. B. in A. zu den Bedingungen eines am Amtsgericht Hildesheim zugelassenen Rechtsanwalts (§§ 121 Abs. 3 ZPO, 46 Abs. 1 RVG) Prozesskostenhilfe bewilligt.
Gründe
I.
Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Der Kläger bezieht seit dem 1. September 2002 Altersrente, die am 11. Juni 1941 geborene Beklagte ist nicht erwerbstätig. Der Kläger hat seine mit monatlichen Einkünften von rund 307 EUR verbundene Aushilfstätigkeit zum 31. Dezember 2002 verloren. Er begehrt die Herabsetzung des in der Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung vom 7. März 2002 (UR.Nr. 146/2002 des Notars O.H in H.) vereinbarten Ehegattenunterhalts von monatlich 766,94 EUR auf monatlich 500 EUR. Das Amtsgericht hat dem Kläger die für seine Abänderungsklage nachgesuchte Prozesskostenhilfe versagt.
II.
Die gemäß §§ 127 Abs. 2 S. 2 u. 3, 569 Abs. 1 S. 1 u. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet. Die Rechtsverfolgung bietet im Sinne des § 114 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es kommt auf die Beurteilung einer schwierigen Rechtsfrage an, die zudem eine umfassende tatrichterliche Würdigung erfordert. Beides kann im summarischen Prozesskostenhilfeverfahren nach dessen Zweck nicht vorweggenommen werden, sondern ist dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten (vgl. BVerfG NJW 2004, 1789 [BVerfG 04.02.2004 - 1 BvR 596/03] unter III.2 a der Gründe; BGH FamRZ 2003, 671, 672 unter II.1.).
Das Amtsgericht hat zutreffend erkannt, dass sich aus den in § 3 der Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung der Parteien unter Nrn. 1. bis 3. getroffenen Regelungen die Vereinbarung eines vom Kläger geschuldeten Mindestunterhalts ergibt, der weder von der tatsächlichen Höhe seiner dort mit rund 1.280 EUR monatlich - statt derzeit lediglich bezogener monatlich 1.159,13 EUR - angenommenen Rente (und somit von dem durch die ehelichen Lebensverhältnisse geprägten Bedarf der Beklagten) noch von der Einhaltung des dem Kläger zu belassenden Selbstbehalts abhängig ist. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Kläger mit seinem im Wege der Abänderungsklage (auch) erhobenen Einwand der Unwirksamkeit dieser Vereinbarung ausgeschlossen ist, wovon das Amtsgericht jedoch ersichtlich ausgeht.
Zwar wird Hauptanwendungsfall der Grundsätze, die das BVerfG im Urteil vom 6. Februar 2001 (NJW 2001, 957 [BVerfG 06.02.2001 - 1 BvR 12/92]) zu dem aus Art. 2 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG folgenden Schutz vor einseitiger Lastenverteilung zwischen Ehegatten und der BGH im Urteil vom 11. Februar 2004 (NJW 2004, 930 [BGH 11.02.2004 - XII ZR 265/02]) zur Beurteilung der Wirksamkeit von Eheverträgen (§§ 1408, 1410 BGB) aufgestellt haben, eine mögliche Benachteiligung der infolge Schwangerschaft bzw. Kinderbetreuung über keine oder unzureichende Erwerbseinkünfte verfügenden und deshalb im Verhältnis zum erwerbstätigen Ehemann sozial schwächeren Ehefrau, d.h. des unterhaltsberechtigten Ehegatten sein. Aber der verfassungsrechtliche Schutz vor einer mit dem Gedanken der ehelichen Solidarität nicht in Einklang zu bringenden und von wesentlichen Elementen der gesetzlichen Unterhaltsnormen abweichenden vertraglichen Regelung kommt ebenso dem unterhaltsverpflichteten Ehegatten zu. Auch für ihn kann es durch einen Ehevertrag zu einer offenkundig einseitigen und durch individuelle Besonderheiten nicht gerechtfertigten Lastenverteilung kommen, die bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint und wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam ist.
Ob dies im Hinblick auf die hier zu beurteilende Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung, für deren Inhaltskontrolle die vorgenannten Kriterien gleichermaßen gelten (vgl. Senat NJW 2004, 1961 [OLG Celle 25.02.2004 - 15 UF 178/03]; Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber, Eherecht, 4. Aufl., § 630 ZPO Rn 10 m.w.N.), der Fall ist, wird das Amtsgericht im Hauptsacheverfahren zu prüfen haben, und zwar nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien zu ihrer der Vereinbarung im einzelnen zugrunde liegenden und die jeweilige Verhandlungsposition bestimmenden Lebenssituation sowie nach einer eventuell zum Zustandekommen der Vereinbarung durchzuführenden Beweisaufnahme. Diese Prüfung ist nicht dadurch entbehrlich, dass der Kläger, wie hier zu unterstellen, durch den beurkundenden Notar hinreichend über Inhalt und Konsequenzen der Regelungen belehrt wurde (vgl. BGH a.a.O., 934 unter 3.).
Gegen die Wirksamkeit der in § 3 Nrn. 2. und 3. der Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung getroffenen Regelungen könnte sprechen, dass der Kläger in Abkehr von dem das gesetzliche Leitbild des Unterhaltsrechts wesentlich prägenden Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe der Ehegatten an den die ehelichen Lebensverhältnisse prägenden Einnahmen und geldwerten Vorteile (so genannte Halbteilung) und ohne Rücksicht auf seine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit zur Zahlung eines Mindestunterhalts verpflichtet ist, wohingegen die Beklagte im Fall eigener (Renten) Einkünfte Anspruch auf einen sich nach Maßgabe des Halbteilungsgrundsatzes eventuell ergebenden noch höheren Unterhalt hat. Bei Festhalten am vereinbarten Unterhalt hätte der Kläger derzeit rechnerisch weniger als das Existenzminimum an Einkünften zur Verfügung. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein bei der Bemessung der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigender Wohnvorteil des Klägers besteht, wird noch festzustellen sein. Bei der vorzunehmenden Wirksamkeitskontrolle ist auch zu berücksichtigen, dass es sich um eine schon 1961 geschlossene und damit sehr lange Ehe handelt, was sich hinsichtlich beider Parteien auf das Maß ihrer Pflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme und damit auf die Beurteilung der Rechtfertigung der getroffenen Unterhaltsvereinbarung auswirken kann.
Sollten sich danach die vertraglichen Regelungen zum Unterhalt als unwirksam erweisen, werden sie bei gemäß § 139 BGB nach dem mutmaßlichen Willen der Parteien anzunehmender Aufrechterhaltung der übrigen Vertragsbestandteile (Vereinbarung der Gütertrennung, Regelung des Zugewinnausgleichs, Hausratsteilung und Zuweisung der Ehewohnung) durch die gesetzlichen Regelungen zu ersetzen sein, nach denen sich kein höherer Unterhaltsanspruch der Beklagten als im Umfang zugestandener monatlich 500 EUR ergeben dürfte.
Haben dagegen die durch die Parteien getroffenen Regelungen nach einer Wirksamkeitskontrolle Bestand, wird das Amtsgericht im Rahmen der Ausübungskontrolle zu prüfen haben, ob der Kläger unter angemessener Berücksichtigung der berechtigten Belange der Beklagten und ihres Vertrauens in den Bestand der Vereinbarung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) an dieser festzuhalten oder ob sie im Sinne eines Interessenausgleichs an die jetzt eingetretene Situation anzupassen ist. Dabei wird im Hinblick auf § 313 Abs. 1 und 2 BGB auch festzustellen sein, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sich die (subjektive und/oder objektive, vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 313 Rn 4 ff.) Geschäftsgrundlage des Vertrages schwerwiegend, d.h. wesentlich (§ 323 Abs. 1 u. 4, 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) geändert hat. Insoweit wäre nicht nur die bei Abschluss der Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung zutage getretene Vorstellung der Parteien von einer bestimmten Höhe der künftigen Altersrente des Klägers von Bedeutung, sondern auch die Zugrundelegung seiner inzwischen weggefallenen Nebeneinkünfte.
Im Beschwerdeverfahren entstandene Anwaltsgebühren, die gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet werden, berechnen sich nach dem Wert der Hauptsache, § 2 Abs. 2 (Nr. 3335 Vergütungsverzeichnis) RVG.