Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 01.09.2004, Az.: 7 U 71/04 (L)
Entfernung einer landwirtschaftlichen Maschinenhalle vom Pachtgrundstück bei Pachtende; Scheinbestandteile einer Pachtsache
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 01.09.2004
- Aktenzeichen
- 7 U 71/04 (L)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 24166
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2004:0901.7U71.04L.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Osterholz-Scharmbeck - 03.03.2004 - AZ: 8 Lw 56/03
Rechtsgrundlagen
- § 591a S. 1 BGB
- § 985 BGB
- § 258 BGB
- § 95 BGB
Fundstellen
- NotBZ 2005, IV Heft 4 (Kurzinformation)
- OLGReport Gerichtsort 2005, 112-113
Amtlicher Leitsatz
Eine vom Pächter auf einem 1,919 ha großen landwirtschaftlichen Pachtgrundstück auf 16 Punktfundamenten errichtete landwirtschaftliche Maschinenhalle, die dem landwirtschaftlichen Betrieb des Pächters dient, ist nur Scheinbestandteil des Pachtgrundstücks und kann bei Pachtende vom Pächter entfernt und mitgenommen werden.
In der Landwirtschaftssache
hat der 7. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichtes Celle
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht K.,
der Richterin am Oberlandesgericht K. und
des Richters am Oberlandesgericht K. als Berufsrichter sowie
der Landwirte B. und B. als ehrenamtliche Richter
auf die mündliche Verhandlung vom 16. August 2004
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Landwirtschaftsgerichts - Osterholz-Scharmbeck vom 3. März 2004 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung des Klägers wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn, der Kläger leistet vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Wert der Beschwer: über 20.000 EUR.
Gründe
I.
Der Kläger ist (noch bis zum 30. September 2004) Pächter, der Beklagte Verpächter einer landwirtschaftlichen Fläche in der Gemarkung U. zur Größe von 1,919 ha. Der Beklagte wehrt sich im Berufungsverfahren (jetzt nur noch) gegen die dem Kläger zugesprochene Gestattung, eine von ihm auf dem Pachtland errichtete Maschinenhalle abzumontieren und zu entfernen.
Wegen des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sach- und Streitstandes sowie der Gründe der angefochtenen Entscheidung wird auf das angefochtene Urteil des Landwirtschaftsgerichtes Bl. 82 ff. d. A. verwiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der die Auffassung vertritt, dem Kläger stehe bezüglich der Maschinenhalle ein Wegnahmerecht nicht zu. Diese Halle sei nämlich genau an der Stelle errichtet worden, an der früher eine im Eigentum des Verpächters stehende Scheune gestanden habe. Diese Scheune sei zwar bereits sehr alt gewesen. Gleichwohl habe sie sich zu Beginn des Pachtverhältnisses noch in einem sehr guten Zustand befunden. 1997, als der Kläger die Maschinenhalle errichtet habe, sei eine Instandsetzung der Scheune noch möglich gewesen. Der Kläger habe aber speziell wegen seiner eigenen Zwecke die für ihn in der Nutzung effektivere Maschinenhalle errichten wollen.
Der damalige Verpächter R. sei zwar mit der Errichtung der Halle durch den Kläger einverstanden gewesen, habe aber eindeutig klargestellt, er beabsichtige dafür keine Entschädigung zu zahlen, das Gebäude müsse in jedem Falle auf dem Grundstück verbleiben.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit er verurteilt worden ist, dem Kläger zu gestatten, die auf dem Flurstück 18 der Flur 19 der Gemarkung U. befindliche Maschinenhalle abzumontieren und zu entfernen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angegriffene Entscheidung. Er trägt vor, die über 100 Jahre alte Holzscheune sei völlig vermodert gewesen. Er sei von dem damaligen Verpächter R. ausdrücklich darum gebeten worden, den alten Schuppen abzureißen, da dieser z. B. auch eine Gefahr für spielende Kinder dargestellt habe. Tragende Teile seien schief, angebrochen oder bereits durchgebrochen gewesen. Überall im Dach hätten sich Löcher befunden.
Das Vorbringen des Beklagten in der Berufungsinstanz sowie die Benennung eines Zeugen hierfür hält er für verspätet.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Landwirtschaftsgerichts hat dem Kläger im Ergebnis zu Recht gestattet, die von ihm auf dem von dem Beklagten gepachteten Flurstück errichtete Maschinenhalle abzumontieren und zu entfernen.
Dabei kann dahinstehen, ob dieser Anspruch sich - wie vom Landwirtschaftsgerichts angenommen - aus § 591 a Satz 1 BGB ableiten lässt, denn es ist zweifelhaft, ob es sich bei der vom Kläger errichteten Maschinenhalle um eine Einrichtung im Sinne dieser Vorschrift handelt, also um eine Sache, die der Pachtsache verbunden und dazu bestimmt ist, dem Zweck der Pachtsache zu dienen. Nach übereinstimmendem Vorbringen beider Parteien diente die Errichtung der Halle nämlich betrieblichen Zwecken des Klägers und nicht dem relativ kleinen Pachtgrundstück.
Der Anspruch des Klägers rechtfertigt sich aber jedenfalls aus den §§ 985, 258, 95 BGB. Bei der von ihm errichteten Maschinenhalle handelte es sich nämlich um einen Scheinbestandteil der Pachtsache i. S. d. § 95 BGB, sodass hinsichtlich der Eigentumslage kein Rechtsverlust zugunsten des Beklagten gemäß § 946 BGB eintrat. Scheinbestandteile bleiben selbst dann, wenn sie tatsächlich unbeweglich sind, im Rechtssinne bewegliche Sachen und unterliegen den für diese geltenden Regeln. Ein Scheinbestandteil liegt vor, wenn die Verbindung oder Einfügung nur zu vorübergehendem Zweck erfolgt. Dabei ist der Wille des Errichtenden entscheidend. Der Wille, die Verbindung nur zu einem vorübergehenden Zweck vorzunehmen, ist in der Regel zu vermuten, wenn der Verbindende in Ausübung eines zeitlich begrenzten Nutzungsrechtes, d. h. also z. B. als Mieter oder Pächter, handelt und die Lebensdauer der Sache über die Vertragsdauer hinaus geht (Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 95 Rn. 3).
Diese Voraussetzungen sind unzweifelhaft gegeben. Für die Verbindung der Maschinenhalle mit dem Grundstück lediglich zu einem vorübergehenden Zweck spricht bereits die Vermutung aufgrund der auf einem Pachtverhältnis beruhenden Rechtsbeziehungen der Parteien sowie des Umstandes, dass die Lebensdauer der vom Kläger erst im Jahr 1997 errichteten Halle eindeutig über die Dauer des Pachtverhältnisses hinaus ging. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger davon ausging, die Fläche auf Dauer nutzen zu können. Für die subjektive Vorstellung des Erbauers ist auf den Zeitpunkt der Errichtung abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt im Jahre 1997 war der Kläger Pächter und konnte nur auf eine Verlängerung des Pachtverhältnisses um ein Jahr vertrauen, denn die ursprünglich fest vereinbarte Pachtzeit war abgelaufen.
Nach alledem steht dem Kläger als Eigentümer der Maschinenhalle ein Herausgabeanspruch gegen den Beklagten gemäß § 985 BGB zu, den der Kläger hier nach § 258 BGB durch Ausübung des Wegnahmerechtes geltend macht.
Diesem Anspruch des Klägers stehen nicht die von dem Beklagten behaupteten Erklärungen des damaligen Verpächters R. gegenüber dem Architketen A. entgegen, ein Gebäude müsse unbedingt auf dem Grundstück verbleiben, für das er aber im Falle eines Neubaues keine Entschädigung zu zahlen beabsichtige (Bl. 107 d. A.).
Einseitige Erklärungen einer Vertragspartei entfalten keine Rechtsbindungswirkung. Der Beklagte hat nicht vorgetragen, dieser - bestrittene - Wunsch des damaligen Verpächters R. sei dem Kläger gegenüber geäußert und vom ihm akzeptiert worden. In die vertragliche Vereinbarung der Parteien in dem Landpachtvertrag Bl. 10 f. d. A. aus dem Jahr 1999 hat eine solche Absprache keinen Eingang gefunden. Hierin ist lediglich festgehalten, dass für das Gebäude bei Pachtende vom Verpächter nichts vergütet werde.
Ohne Bedeutung ist auch der Streit der Parteien über den Zustand der ursprünglich auf der Pachtfläche vorhandenen ca. 100 Jahre alten Scheune. Der Kläger schuldete nach dem Pachtvertrag vom 7. November 1980 lediglich die gewöhnlichen Ausbesserungen, nicht aber z. B. einen Neubau. Der Anschlusspachtvertrag der Parteien aus dem Jahre 1999 enthielt keine entsprechende Regelung, sondern verwies in § 11 auf die Anwendung der allgemein gesetzlichen Vorschriften, die gemäß § 586 Abs. 1 Satz 2 BGB dem Pächter ebenfalls lediglich die gewöhnlichen Ausbesserungen auferlegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 543 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Streitwertbeschluss:
Wert der Beschwer: über 20.000 EUR.