Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 23.01.2009, Az.: 4 AR 17/08
Kosten eines Verfahrens der Gerichtsstandsbestimmung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 23.01.2009
- Aktenzeichen
- 4 AR 17/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 16649
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2009:0123.4AR17.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover, 11 O 409/07
Rechtsgrundlagen
- § 15 RVG
- § 19 RVG
- § 37 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Wird der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts abgelehnt, handelt es sich bei dem Verfahren kostenrechtlich um eine besondere Angelegenheit, die nicht mit der von dem Prozessbevollmächtigten im Hauptsacheverfahren verdienten Verfahrensgebühr abgegolten ist.
Tenor:
Die Erinnerung der Kläger vom 27. November 2008 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des 4. Zivilsenates des Oberlandesgerichts Celle vom 6. November 2008 (Kostenfestsetzung zu Gunsten der Beklagten zu 1) wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die nach § 11 Abs. 2 RPflG, §§ 567 Abs. 2, 569 ZPO zulässige, insbesondere form und fristgerecht eingelegte Erinnerung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis mit Recht hat die Rechtspflegerin mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss Kosten festgesetzt. Es führt zu keiner anderen Beurteilung, dass die im angefochtenen Beschluss vertretene Ansicht der Rechtspflegerin, die im Kostenfestsetzungsverfahren vorgebrachten Einwendungen der Kläger seien wegen der getroffenen Kostengrundentscheidung irrelevant sowie die im Nichtabhilfeverfahren vertretene Auffassung, dass mit dem Rechtsbehelf der Erinnerung nicht die Kostenentscheidung des Senates angegriffen werden könne, unzutreffend ist, weil die Einwendungen sich nicht nur gegen die Kostengrundentscheidung richten, und die Auffassung der Rechtspflegerin erkennen lässt, dass sie die erforderliche Differenzierung zwischen Einwendungen gegen zum einen die Kostengrundentscheidung und zum anderen der Frage, ob und welche Gebührentatbestände erfüllt sind, nicht erkannt hat. Unerheblich ist auch, dass die Rechtspflegerin nicht gesehen hat, dass der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln, auf dessen Rechtsprechung sie sich beruft, seit längerer Zeit an seiner zitierten Ansicht nicht mehr uneingeschränkt festhält und bereits mit Beschluss vom 20. August 2007 (AGS 2007, 607) entschieden hat, dass jedenfalls in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden eine Kostenfestsetzung zu unterbleiben hat. Zuletzt ist auch unerheblich, dass die Rechtspflegerin sich mit dem Beschwerdevorbringen der Kläger, es könne aus Rechtsgründen der Gebührentatbestand der Nr. 3403 VV-RVG nicht erfüllt sein, im Abhilfeverfahren nicht auseinander gesetzt hat. nachdem die ordnungsgemäße Durchführung eines Abhilfeverfahrens nicht Voraussetzung für eine Entscheidung durch den Senat ist (vgl. OLG Frankfurt MDR 2002, 1391. OLG Stuttgart MDR 2003, 110 [OLG Stuttgart 27.08.2002 - 14 W 3/02]), hat der Senat gemeint, zu einer Rückgabe der Akte an die Rechtspflegerin zur Gewährung des rechtlichen Gehörs und zur Nachholung einer ordnungsgemäßen Abhilfe absehen zu können.
1. Entgegen der Ansicht der Kläger handelt es sich im Streitfall bei dem Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nicht um ein Verfahren, das kostenrechtlich nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG als zum Rechtszug gehörige Vorbereitungs- und Nebentätigkeit mit der im Hauptsacheverfahren verdienten Verfahrensgebühr mit abgegolten ist. Denn der 4. Zivilsenat hat mit Beschluss vom 26. März 2008 den Antrag der Kläger auf Bestimmung des zuständigen Gerichts abgelehnt. Deshalb handelt es sich um ein besonderes Verfahren im Sinne des § 15 RVG, für das die angefallenen Kosten zu erstatten sind. Das von den Klägern vertretene gegenteilige Verständnis, das von einem Teil der Rechtsprechung jedenfalls für den Fall angenommen wird, in dem - wie im Streitfall - eine ablehnende Entscheidung im Bestimmungsverfahren zu einem Zeitpunkt ergeht, in dem das Hauptsacheverfahren bereits anhängig ist (vgl. OLG München MDR 2007, 1153. OLG München AGS 2008, 276. OLG Köln (8. Zs.) AGS 2008, 406. OLG Dresden OLGR 2006, 233), ist mit der gesetzlichen Regelung und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht in Einklang zu bringen.
2. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 5. Februar 1987 (NJW-RR 1987, 757) entschieden, dass, wenn der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts zurückgenommen oder abgelehnt wird, über die Kosten des Gerichtsstandsbestimmungsverfahrens (bei Zurücknahme nur auf Antrag) zu entscheiden ist. Wörtlich hat er hierzu ausgeführt:
"Zwar gilt das Verfahren nach § 37 ZPO, das mit der Bestimmung des zuständigen Gerichts endet, als Teil des Hauptsacheverfahrens, so daß auch die Kosten des Bestimmungsverfahrens Kosten der Hauptsache sind, die entsprechend der Kostenentscheidung in der Hauptsache zu erstatten sind. Dies gilt jedoch nicht im Falle der Ablehnung oder der Zurücknahme des Bestimmungsantrags. In diesen Fällen kann ein etwaiges gegen die Antragsgegner gerichtetes Klageverfahren nicht als Hauptsache zu dem ohne Bestimmung des zuständigen Gerichts abgeschlossenen Verfahren nach § 37 ZPO angesehen werden. es erscheint daher (entgegen OLG Düsseldorf MDR 1983, 846 [OLG Düsseldorf 14.03.1983 - 19 Sa 42/82]) geboten, über die Kosten des Bestimmungsverfahrens in entsprechender Anwendung des § 91 oder des § 269 Abs. 3 ZPO zu entscheiden und dem Antragsgegner auf diese Weise eine Möglichkeit einzuräumen, die durch die Stellung des unbegründeten oder des zurückgenommenen Antrags entstandenen Kosten erstattet zu erhalten. Dabei ist unerheblich, ob im Streitfall tatsächlich Gebühren oder Auslagen angefallen sind."
Das heißt, dass der Bundesgerichtshof die Auffassung vertreten hat, dass in einem Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dann, wenn der Antrag zurückgewiesen wird, das Bestimmungsverfahren selbst dann nicht Teil des Hauptsacheverfahrens ist, wenn sich ein Hauptsacheverfahren anschließt. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs liegt also in einem Verfahren, in dem der Antrag zur Bestimmung des zuständigen Gerichts zurückgewiesen wird, stets eine besondere Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vor (so auch: BayObLG NJW-RR 2000, 141. OLG Köln AGS 2007, 229. OLG Koblenz OLGR 2000, 419 und 2006, 701. OLG Köln AGS 2003, 205 [OLG Köln 24.02.2003 - 5 W 9/03], OLG Karlsruhe OLGR 2008, 280).
Die Regelung in § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG entspricht hinsichtlich der "Bestimmung des zuständigen Gerichts" wörtlich dem der früheren gesetzlichen Regelung in § 37 Nr. 3 BRAGO. Der Gesetzgeber wollte, wie sich aus der amtlichen Begründung zur gesetzlichen Regelung in § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG ergibt (BT-Drucksache 15/1971 Seite 193), an der gesetzlichen Regelung insoweit nichts ändern. Dies tat er in Kenntnis des Umstandes, dass der Bundesgerichtshof die Ansicht vertreten hat, die Voraussetzung des § 37 Nr. 3 BRAGO und damit ein kostenrechtlich zum Hauptsacheverfahren gehörendes Verfahren auf Bestimmung des zuständigen Gerichts liege dann nicht vor, wenn der Antrag auf Bestimmung abgelehnt wird. Für die Annahme, der Gesetzgeber habe in Kenntnis dieser Rechtsprechung gleichwohl regeln wollen, dass unabhängig vom Ausgang des Bestimmungsverfahrens stets eine kostenrechtlich zum Rechtszug gehörende Tätigkeit vorliegt, wenn es zu einem Hauptsacheverfahren kommt oder ein solches bereits anhängig ist, spricht nichts. Anderenfalls wäre anzunehmen, dass der Gesetzgeber entweder eine klarstellende Formulierung im Gesetzestext aufgenommen hätte oder jedenfalls aber Ausführungen im Gesetzgebungsverfahren gemacht hätte, dass er die Rechtslage anders als der Bundesgerichtshof beurteilt. Derartiges hat der Gesetzgeber aber unterlassen und damit deutlich gemacht, dass er die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs billigt und auch die gesetzliche Neuregelung in diesem Sinne verstanden wissen wollte.
Wenn daher davon auszugehen ist, dass nach der gesetzlichen Regelung ein gebührenrechtlich gesondertes Verfahren i. S. des § 15 RVG vorliegt, wenn vor einem Hauptsacheverfahren ein gesondertes Verfahren auf Bestimmung des zuständigen Gerichts betrieben und der Antrag abgelehnt wird, sieht der Senat keinen Grund, warum derjenige Fall anders zu beurteilen sein sollte, in dem im Rahmen eines bereits rechtshängigen Rechtsstreites ein Antrag der Klägerseite auf Bestimmung des zuständigen Gerichts abgelehnt wird. Auch in diesem Fall fehlt jede Verbindung zum Hauptsacheverfahren, das Bestimmungsverfahren hat keinerlei Auswirkungen auf das Hauptsacheverfahren, weshalb es auch in diesem Fall gerechtfertigt erscheint, das Bestimmungsverfahren als kostenrechtlich selbstständiges Verfahren zu betrachten.
Nicht überzeugend ist in diesem Zusammenhang die Ansicht des Oberlandesgerichts Köln (AGS 2008, 406), dass es einen großen Unterschied mache, ob ein Hauptsacheverfahren bereits im Gange sei oder nicht. Richtig ist zwar, dass bei einem vorgeschalteten selbstständigen Bestimmungsverfahren noch ungewiss ist, ob es zu einem Hauptsachverfahren kommt oder nicht. Wenn aber nach Auffassung des Gesetzgebers kostenrechtlich ein besonderes Verfahren auch dann vorliegt, wenn sich ein Hauptsacheverfahren anschließt, kann nichts anderes gelten, wenn ein Hauptsacheverfahren bereits im Gange ist und der Antrag der klagenden Partei auf Bestimmung des zuständigen Gerichts abgelehnt wird.
Entgegen der u. a. vom Oberlandesgericht Dresden (OLGR 2006, 233) vertretenen Ansicht hat der Bundesgerichtshof auch keineswegs offen gelassen, ob ein Rechtsanwalt bei Zurückweisung des Antrages nach § 36 ZPO auch dann eine gesonderte Vergütung von seinem Mandanten verlangen kann, wenn er im anschließenden Hauptsacheverfahren zugleich als Prozessbevollmächtigter tätig wird. Das Oberlandesgericht hat den Inhalt der Entscheidung des Bundesgerichtshofs verkannt. Richtig ist sicherlich, dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung ausdrücklich ausgeführt hat, dass unerheblich sei, ob im Streitfall tatsächlich Gebühren oder Auslagen angefallen seien. Er hat aber zuvor ausdrücklich ausgeführt, dass wenn der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts abgelehnt wird, gerade kein Teil des Hauptsacheverfahrens vorliegt. Er hat damit ausdrücklich ausgeführt, dass die Voraussetzungen des damaligen § 37 Nr. 3 BRAGO, der der heutigen Regelung in § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG entspricht, in einem solchen Fall nicht vorliegen. Diese Ausführungen betreffen sowohl die zu treffende Kostengrundentscheidung, als auch das anschließende Kostenfestsetzungsverfahren. Warum lediglich für die zu treffende Kostengrundentscheidung nach den ausdrücklichen Ausführungen des Bundesgerichtshofs davon ausgegangen werden müsste, dass bei einer Zurückweisung des Bestimmungsantrages kein Teil des Hauptsacheverfahrens vorliegt, im Kostenfestsetzungsverfahren aber demgegenüber bei gleichem Sachverhalt angenommen werden müsste, das Bestimmungsverfahren sei ein Teil des Hauptsacheverfahrens, wäre nicht verständlich. Hierzu führt das Oberlandesgericht Dresden in seiner Entscheidung auch nicht aus. Der Hinweis des Bundesgerichtshofs macht jedenfalls zwanglos vor dem Hintergrund Sinn, dass für das Bestimmungsverfahren kein Anwaltszwang besteht und der Antragsgegner nicht zwingend Kosten auslösende Maßnahmen ergreifen muss.
3. Zwar rügen die Kläger der Sache nach zu Recht, es sei keine Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV-RVG angefallen. Die Rechtspflegerin hätte keinesfalls diese Gebühr im Rahmen ihrer Entscheidung festsetzen dürfen, nachdem die Voraussetzungen dieser Norm im Streitfall unzweifelhaft nicht vorlagen (die Anwälte waren als Prozessbevollmächtigte bestellt). Durch die Entscheidung der Rechtspflegerin sind die Kläger aber nicht beschwert.
Nachdem den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1 für das Bestimmungsverfahren als besonderem Verfahren ein selbstständiger Verfahrensauftrag erteilt war, kann nicht zweifelhaft sein, dass sich die Vergütung nach Nr. 3100 VV-RVG bestimmt (vgl. auch OLG Karlsruhe, OLGR 2008, 280). Danach hätte die Beklagte zu 1 nicht nur eine 0,8 Gebühr nach Nr. 3403 VV-RVG im Verfahren anmelden können, sondern vielmehr eine 1,3 Gebühr nach Nr. 3100 VV-RVG. Mithin sind die Kläger dadurch, dass die Beklagte nach einer falschen Gebührennummer abgerechnet und die Rechtspflegerin diese unkommentiert festgesetzt hat besser gestellt, als sie stehen würden, wenn die Rechtspflegerin auf entsprechenden Hinweis und neuem Antrag der Beklagten zu 1 zutreffend festgesetzt hätte.
4. Die Kostenentscheidung rechtfertigt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Möglichkeit der Zulassung einer Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof besteht nicht. Die Entscheidung ist unanfechtbar.