Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 17.06.2004, Az.: 14 U 41/04
Pferdekaufvertrags mit Ankaufsuntersuchung; Schriftliches Protokoller von beauftragtem Tierarzt; Untersuchung und Protokoll des Tierarztes als Beschaffenheitsvereinbarung; Festellung des Gesundheitsstatus; Tragen der Kosten der Ankaufsuntersuchung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 17.06.2004
- Aktenzeichen
- 14 U 41/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 30925
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2004:0617.14U41.04.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 14 BGB
- § 476 BGB
- § 474 BGB
Fundstelle
- ZGS 2005, 40 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Rückabwicklung eines Pferdekaufvertrages
Prozessführer
I...
Rechtsanwälte ...
Prozessgegner
A...
Rechtsanwälte ...
Der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg hat
auf die mündliche Verhandlung vom 03. Juni 2004
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 24. Februar 2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aurich wird zurückgewiesen.
Auf die erstinstanzlich erhobene - noch nicht beschiedene - Widerklage des Beklagten wird festgestellt, dass der Klägerin aufgrund des zwischen den Parteien unter dem 05.09.2002 geschlossenen Pferdekaufvertrages keine weitergehenden Ansprüche zustehen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Im Übrigen verbleibt es bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Wegen des diesem Rechtsstreit zugrundeliegenden Sachverhalts nimmt der Senat zunächst auf den Tatbestand und - ergänzend - die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des von der Klägerin angefochtenen erstinstanzlichen Urteils Bezug.
Lediglich ergänzend ist folgendes zu bemerken:
In dem Formular des "Pferdekaufvertrags mit Ankaufsuntersuchung" wird im Eingang auf die geänderte Gesetzeslage hingewiesen. Das "Vertragsmuster" gilt auch für Unternehmer im Sinne des § 14 BGB. Unter der Rubrik "Gesundheitsstatus" ist ausgeführt: "o.k". Weiter heißt es: "Verkäufer und Käufer beauftragen gemeinsam den Tierarzt ..., das Pferd vor Abnahme durch eine tierärztliche Ankaufsuntersuchung untersuchen zu lassen.
Der Tierarzt wird beauftragt, entweder
- a)
ausschließlich eine klinische Ankaufsuntersuchung ohne Röntgenaufnahme vorzunehmen, oder
- b)
eine klinische Ankaufsuntersuchung zzgl. zu vereinbarender Anzahl und Art der Röntgenaufnahmen.
Der von beiden Parteien beauftragte Tierarzt ... fertigt über die Ankaufsuntersuchung ein schriftliches Protokoll. Untersuchung und Protokoll des Tierarztes sind nicht Beschaffenheitsvereinbarung, sondern eigene Erklärung des Tierarztes mit dem von ihm für beide Parteien festgestellten Gesundheitsstatus. Die Kosten der Ankaufsuntersuchung trägt der Käufer, wenn er das Pferd abnimmt, der Verkäufer für den Fall, dass der Käufer wegen gesundheitlicher Mängel das Pferd nicht abnimmt."
Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe den ihr obliegenden Beweis, dass das von ihr erworbene Pferd bereits bei Gefahrübergang mangelhaft gewesen sei, nämlich "webte", nicht führen können. Die in § 476 BGB normierte Beweislastumkehr sei vorliegend nicht anwendbar, weil es sich zum einen um ein Tier handele, das zudem - lediglich - mit einer Verhaltensauffälligkeit, nämlich dem "Weben" nach Gefahrübergang behaftet gewesen sei und die Ursachen für diese Verhaltensauffälligkeit auch nach Übergabe gesetzt worden sein könnten. Demgemäss sei davon auszugehen, dass das Tier bei Übergabe nicht "gewebt" habe.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter.
Sie wendet sich gegen die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung und die im Hinblick auf § 476 BGB getroffenen Erwägungen.
Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Bekräftigung seines erstinstanzlichen Vorbringens und behauptet, die Bestimmung des § 14 BGB (im Ergebnis folglich § 476 BGB) sei nicht anwendbar, weil es sich nicht um einen sog. Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 BGB gehandelt habe; er sei nämlich kein Unternehmer.
Der Beklagte hat erstinstanzlich Widerklage erhoben mit dem Ziel der Feststellung, dass der Klägerin keine weitergehenden Ansprüche aus dem Kaufvertrag zustünden. Hierüber hat das Landgericht versehentlich noch nicht entschieden, jedoch bereits Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt.
Die Partei-Vertreter haben in der mündlichen Verhandlung vom 03.06.2004 übereinstimmend ihr Einverständnis damit erklärt, dass der Senat auch über die Widerklage entscheidet und die entsprechenden Anträge gestellt.
Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg; die Widerklage, über die der Senat angesichts der gestellten Anträge ebenfalls zu befinden hat, erweist sich als begründet.
Dabei geht der Senat auch angesichts des vom Beklagten verwandten Kaufvertragformulars durchaus davon aus, dass er Unternehmer im Sinne des § 14 BGB war und demgemäss ein sog. Verbraucherkauf vorliegt.
Der Senat teilt allerdings die aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme gewonnenen Erkenntnisse des Einzelrichters in vollem Umfang. Die Klägerin zeigt auch mit ihrer Berufung keinerlei konkrete Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen erstinstanzlichen Feststellungen begründen könnten, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Warum der Zeuge Z..., der von Beruf Reitlehrer und demgemäss sachkundig ist, trotz der von ihm angeblich gewonnenen Erkenntnisse der Klägerin nicht vom Abschluss des Kaufvertrages abgehalten hat, bleibt, wie das Landgericht zutreffend hervorgehoben hat,
nach wie vor unverständlich. Zudem haben weder der Arzt, der das Tier vor Abnahme untersucht hat, noch die Zeugen H... und Eheleute Ites die Verhaltensauffälligkeit des sog. Webens erkennen können.
Deshalb hat die Klägerin das Vorliegen eines Mangels bei Gefahrübergang jedenfalls nicht bewiesen. Sie war jedoch, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, beweisbelastet.
Trotz der Voraussetzungen des § 14 BGB ist für die in § 476 BGB geregelte Beweislastumkehr kein Raum.
Dabei kann dahinstehen, ob die Beweislastumkehr mit der Art des Kaufgegenstandes vereinbar ist (vgl. Adolphsen, Agrarrecht 2001, 169, 171). Nach dieser Auffassung dürfe die Umkehr der Beweislast des § 476 BGB "keinesfalls im Tierkauf Anwendung finden" (vgl. auch Westermann "Das neue Kaufrecht", NJW 2002, 243, 251 f sowie die Stellungnahme des Ausschusses für Tierschutzrecht der deutschen Gesellschaft für Agrarrecht zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, Agrarrecht 2001, 312 f sowie Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 11.05.2004 - 8 W 76/04 = 2 0 54/04 LG Aurich).
Denn jedenfalls dann, wenn - wie hier - im "Pferdekaufvertrag mit Ankaufsuntersuchung" vereinbart das Tier vor Abnahme einer tierärztlichen "Ankaufsuntersuchung", deren Kosten der Käufer, sofern er bei negativem Ergebnis das Tier abnimmt, andernfalls der Verkäufer zu entrichten hat, unterzogen worden ist und der Tierarzt in seiner an das erstinstanzliche Gericht gerichteten Stellungnahme ausweist, das von der Käuferin behauptete Krankheitsbild habe er, auch wenn er sein Augenmerk hierauf nicht maßgeblich gerichtet habe, jedenfalls nicht erkannt, ist die in § 476 BGB genannte Vermutung gegenstandslos. Denn es hätte dann der Käuferin, hier der Klägerin, oblegen, den Tierarzt - ggfls. auf eigene Kosten - mit der weitergehenden Untersuchung des Tieres zu beauftragen. Dies wäre für sie kostenrechtlich ohne Risiko gewesen, weil sie im Falle der Abstandnahme vom Kauf angesichts von Beeinträchtigungen des Tieres kostenfrei gestellt worden wäre.
Zudem verbietet vorliegend die Art des Mangels eine Anwendung der Beweislastumkehr. Denn die Verhaltensauffälligkeit des Tieres, nämlich das "Weben" ist, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, erheblich von Haltung, Pflege, Belastung und anderen Umständen abhängig (vgl. auch Adolphsen a.a.O. Seite 172). Gerade im Hinblick auf den hier von der Klägerin gerügten Fehler gilt, dass sich Pferde aufgrund ihrer Art und im Hinblick auf schnelle Veränderungen ihres Allgemein- und Gesundheitszustandes nicht für die Anwendung der Beweislastumkehrregelung eignen (vgl. auch Beschluss des 8. Zivilsenats a.a.O.). Dies gilt um so mehr angesichts der hier vorgenommenen örtlichen Veränderung sowie insbesondere der unstreitig erfolgten Kastration des Tieres durch die Klägerin (vgl. auch Bamberger/Roth/Faust, § 476 RdNr. 4).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.