Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 04.12.2019, Az.: 7 U 434/18

Vom Dieselskandal betroffener Pkw vom Typ VW Caddy 1.6 TDI mit Motor EA 189

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
04.12.2019
Aktenzeichen
7 U 434/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 51365
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 12.10.2018 - AZ: 17 O 408/17

Amtlicher Leitsatz

Kann der Käufer eines vom "Diesel-Abgasskandal" betroffenen Fahrzeugs dieses ungehindert nutzen und sodann ohne Abzug eines Minderwerts weiterveräußern, hat er nach der maßgeblichen Differenzhypothese keinen Schaden erlitten, sodass ihm auch kein Schadensersatzanspruch zusteht.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 17. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 12.10.2018 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das angefochtene landgerichtliche Urteil sowie das vorliegende Berufungsurteil sind vorläufig vollstreckbar.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 11.462,85 €.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt Schadensersatz, insbesondere aus §§ 823, 826 BGB, weil das von ihm ursprünglich erworbene, bereits vorprozessual aber wieder an den Händler zurückverkaufte Neufahrzeug VW Caddy Maxi Trendline 1.6 TDI mit einem Motor EA 189 ausgestattet, also vom "Diesel-Abgasskandal" betroffen war.

Der Kläger hat bis zur vertragsgemäßen Rückgabe des VW Caddy im Oktober 2017 an die Autohaus K. KG gegenüber der V.-Bank GmbH das Finanzierungsdarlehen bedient, und zwar in Höhe von insgesamt 22.144,32 €. Er verlangt die Erstattung dieses Betrages, gesteht jedoch den Abzug einer Nutzungsvergütung in Höhe von 10.681,47 € zu. Hieraus errechnet der Kläger die streitgegenständliche Forderung von (22.144,32 € - 10.681,47 € =) 11.464,85 € (Bl. 16 d. A.).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es greife weder eine Anspruchsgrundlage ein, noch sei ein Schaden erkennbar. Der Kläger habe das Fahrzeug bis zur Rückgabe an die Autohaus K. KG genutzt, so wie er auch ein Fahrzeug ohne Software-Manipulation genutzt hätte. An den Finanzierungsbedingungen habe sich dadurch nichts geändert.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen Schadensersatzanspruch in zweiter Instanz weiterverfolgt. Der Kläger greift das landgerichtliche Urteil an, soweit nach den einzelnen von ihm angeführten Anspruchsgrundlagen eine Haftung bereits dem Grunde nach jeweils verneint worden ist.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die Beklagte hält die Berufung schon für unzulässig, weil das landgerichtliche Urteil hinsichtlich der Verneinung eines Schadens des Klägers nicht angegriffen worden sei. Ein Schaden im Sinne von § 249 BGB liege im Übrigen tatsächlich nicht vor.

Auf die nähere Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 i. V. m. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO verzichtet.

II.

Die Berufung des Klägers könnte schon unzulässig sein, ist aber jedenfalls unbegründet.

1. Bedenken gegen die Zulässigkeit bestehen, so zutreffend die Beklagte, deshalb, weil selbst bei grundsätzlichem Eingreifen einer Anspruchsgrundlage - nach der Senatsrechtsprechung käme hier ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB in Betracht (vgl. Urt. v. 20.11.2019 - 7 U 244/18) - ohne Schaden ein Schadensersatzanspruch nicht durchgreifen kann. Insoweit sind die landgerichtlichen Urteilsgründe, es greife zum einen keine Anspruchsgrundlage ein, zum anderen fehle es aber auch einem Schaden, nicht kumulativ, also so, dass nur beides zusammen die Klageabweisung rechtfertigt, sondern alternativ zu verstehen, also in dem Sinne, dass jede der beiden Begründungen die Klageabweisung alleine trägt. In einem solchen Fall müssen beide Begründungen mit der Berufung angegriffen werden (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2016 - IX ZB 88/15 -, juris, Rn. 9: "Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig.").

Letztlich kann die Frage der Zulässigkeit der Berufung des Klägers hier aber auch dahinstehen. Denn seine Schadensersatzklage ist jedenfalls mangels Vorliegens eines Schadens unbegründet.

Ein sog. Frustrationsschaden (vgl. BGH, Urt. v. 10.12.1986 - VIII ZR 349/85 -, BGHZ 99, 182-203, Rn. 42) scheidet aus, weil der Kläger das Fahrzeug trotz der Software-Manipulation uneingeschränkt nutzen konnte. Etwas Gegenteiliges ist jedenfalls weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Die Aufwendungen des Klägers im Rahmen der Vertragsabwicklung sind somit nicht vergeblich gewesen.

Der Kläger hat weiterhin, so zutreffend das Landgericht, die vertraglich vorgesehen Raten gezahlt, ohne dass sich insoweit eine Änderung ergeben hätte. An der nach den geschlossenen Verträgen (Kaufvertrag, Darlehensvertrag, Rückkaufvertrag) vorgesehenen Leistung und Gegenleistung hat sich nichts geändert. Die Verträge sind vollständig abgewickelt worden. Der Kläger hat "nur" die vertraglich vereinbarten Darlehnsraten an die V.-Bank gezahlt und hat nach Ende der Vertragszeit den vereinbarten Rückkaufpreis in voller Höhe, durch Verrechnung mit der restlichen Darlehensschuld, erhalten. Auch nach der Differenzhypothese kann daher ein Schaden nicht festgestellt werden (vgl. zur Differenzhypothese allgemein: BGH, Urt. v. 28.10.2014 - VI ZR 15/14 -, juris, Rn. 17).

Allerdings sieht der Senat den Schaden des Käufers in Fällen aus dem "Diesel-Abgasskandal-Komplex" grundsätzlich in dem Abschluss des ungewollten Kaufvertrages über sein mit einem Sachmangel behaftetes Fahrzeug (a. a. O.; vgl. auch BGH - VI ZR 15/14 -, a. a. O.). Insoweit ist der Kläger hier aber dadurch schadlos gestellt worden, dass seine Vertragspartnerin, die Autohaus K. KG, den VW Caddy vertragsgemäß, nämlich entsprechend der Vereinbarung "Verbrieftes Rückgaberecht" (Anl. K5), zu dem vereinbarten Kaufpreis von 9.816,21 € zurückgekauft hat. Der Kläger ist hierdurch von dem ungewollten Kaufvertrag wieder befreit worden.

Fehlt es somit objektiv an einem Schaden, was der Kläger im Übrigen, wie bereits dargestellt, mit der Berufung nicht angegriffen hat, kommt ein Schadensersatzanspruch, egal aus welchem Rechtsgrund, von vornherein nicht in Betracht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 Satz 1, 2, § 711 und § 713 ZPO i. V. m. § 544 ZPO und § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 3 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.