Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 23.11.2005, Az.: L10 R 418/05

Nachversicherung für die Zeit einer Beschäftigung als Beamter bei der früheren Deutschen Bundespost; Nachversicherung eines Zeitsoldaten nach dem Ausscheiden aus dem Soldatenverhältnis; Verjährung eines Nachversicherungsanspruchs

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
23.11.2005
Aktenzeichen
L10 R 418/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 39671
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2005:1123.L10R418.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg - 12.07.2005 - AZ: S 5 R 6/05

In dem Rechtsstreit
hat der 10. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen
am 23. November 2005 in Celle
gemäß §153 Abs. 4 SGG
durch
den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Dr. C.,
den Richter am Landessozialgericht D. und
den Richter am Verwaltungsgericht E.
beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 12. Juli 2005 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und insgesamt zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Senat hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Nach Anhörung der Beteiligten konnte die Entscheidung über die Berufung daher gemäß §153 Abs. 4 SGG durch Beschluss ergehen.

2

II.

Der Kläger begehrt die Nachversicherung für die Zeit seiner Beschäftigung als Beamter bei der früheren Deutschen Bundespost in der Zeit vom 1. April 1964 bis 1. Januar 1969.

3

Nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Dienst der Deutschen Bundespost wurde eine Nachversicherung mit Rücksicht darauf nicht durchgeführt, dass er als Zeitsoldat der Bundeswehr erneut in einer versicherungsfreien Beschäftigung stand. Eine Nachversicherung allein für die Zeit der Tätigkeit bei der Bundeswehr wurde durchgeführt, nachdem der Kläger 1976 aus dem Soldatenverhältnis ausgeschieden war.

4

Im September 2003 stellte der Kläger einen Antrag auf Kontenklärung. Die Beklagte forderte daraufhin die Deutsche Post AG auf, eine Nachversicherung für die streitige Zeit durchzuführen. Die Deutsche Post AG lehnte dieses mit Schreiben vom 26. November 2003 ab und machte die Einrede der Verjährung geltend.

5

Mit Bescheid vom 14. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2004 lehnte die Beklagte die Durchführung der Nachversicherung ab. Diese könne gem. §9 AVG nicht erfolgen, weil sie, die Beklagte, wegen der Verjährung keine Nachversicherungsbeiträge von dem früheren Dienstherrn mehr einziehen könne und die Deutsche Post AG eine freiwillige Beitragszahlung verweigert habe.

6

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Oldenburg erhoben und zur Begründung vorgebracht, die Entscheidung der Beklagten sei rechtswidrig, weil in seinem Falle die dreißigjährige Verjährung eingreife und Verjährung daher nicht eingetreten sei. Er sei zu keinem Zeitpunkt darüber informiert worden, dass Nachversicherungsbeiträge am 7. Januar 1969 fällig gewesen seien. Unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes und der Grundsätze von Treu und Glauben habe eine Verjährung nicht einsetzen können.

7

Mit Urteil vom 12. Juli 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Eine Nachversicherung könne wegen der Verjährung der Beitragsansprüche nicht mehr durchgeführt werden. Die dreißigjährige Verjährungsfrist greife nicht ein, weil nicht von einer vorsätzlichen Beitragsenthaltung der früheren Deutschen Bundespost ausgegangen werden könne. Dieser sei das Ausscheiden des Klägers aus dem Soldatenverhältnis nicht bekannt gewesen. Die Beklagte habe über die Frage, ob etwa die streitige Zeit auch ohne Nachversicherung als Beitragszeit zu berücksichtigen sei, in den angefochtenen Bescheiden keine Entscheidung getroffen, so dass insoweit das Gericht an einer Entscheidung gehindert sei. Allerdings sei im Hinblick auf die zum 1. August 2004 neu eingefügte Vorschrift des §281 Abs. 2 SGB VI für das Gericht zweifelhaft, ob eine derartige Anrechnung noch in Betracht kommen könne.

8

Gegen das ihm am 20. Juli 2005 zugestellte Urteil wendet sich die am 22. Juli 2005 bei dem Sozialgericht eingegangene Berufung des Klägers, mit der er den Anspruch auf Durchführung der Nachversicherung weiterverfolgt und zur Begründung sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt.

9

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 12. Juli 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2004 aufzuheben,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, die Nachversicherung für die Zeit vom 1. April 1964 bis 1. Januar 1969 durchzuführen.

10

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 12. Juli 2005 zurückzuweisen.

11

Sie hält das angefochtene Urteil und die mit ihm überprüften Bescheide für zutreffend.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

13

III.

Das Sozialgericht hat zu Recht festgestellt, dass die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig sind. Sie verletzen den Kläger demzufolge nicht in seinen Rechten.

14

Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht dem Kläger über die im Zusammenhang mit der Durchführung der Nachversicherung für seine Tätigkeit bei der früheren Deutschen Bundespost die gesetzlich vorgesehene - in diesem Fall negative - Mitteilung der in seinem Versichertenkonto gespeicherten Daten erteilt, §185 Abs. 4, §149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI.

15

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Vormerkung der Zeit vom 1. April 1964 bis zum 1. Januar 1969 als mit Pflichtbeiträgen belegt. Eine Belegung dieser Zeit kommt nur im Wege der Nachversicherung in Betracht. Allerdings setzt sowohl für eine nach aktuellem Recht, §185 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, als auch für eine nach dem vor 1992 geltenden Recht, §281 Abs. 2 SGB VI in der seit dem 1. August 2004 geltenden Fassung, durchzuführende Nachversicherung voraus, dass die Nachversicherungsbeiträge tatsächlich gezahlt worden sind. Daran fehlt es im vorliegenden Fall aktuell und voraussichtlich auch auf Dauer. Denn die Deutsche Post AG hat mit Schreiben vom 26. November 2003 gegenüber der Beklagten die Zahlung der Beiträge verweigert und sich dazu auf die eingetretene Verjährung berufen.

16

Der Kläger kann im Rahmen des Nachversicherungsverhältnisses von der Beklagten auch nicht verlangen, die Nachversicherungsbeiträge für die streitige Zeit von der Deutschen Post AG anzufordern, um auf diesem Weg die Voraussetzungen einer Anrechenbarkeit der Nachversicherungszeit herbeizuführen. Der Senat sieht dieses Begehren als hilfsweise in dem Berufungsantrag enthalten an. Soweit die Befugnis der Beklagten gegenüber der Deutschen Post AG, die gemäß §1 Abs. 1 des Postpersonalrechtsgesetzes die dienstrechtlichen Rechte und Pflichten auch hinsichtlich der früheren Beamten der Deutschen Bundespost wahrnimmt, sich auf eine formlose Anforderung der Beiträge beschränken sollte, hat die Beklagte diese bereits mit dem Schreiben vom 9. Oktober 2003 - vergeblich - vorgenommen. Ein Anspruch auf Tätigwerden der Beklagten besteht aber auch nicht, soweit diese die Beitragsforderung mit Verwaltungsakt geltend zu machen befugt ist (so, ohne nähere Begründung, BSG, Urteil vom 1. September 1988, Az.: 4 RA 18/88, SozR 2200 §124 Nr. 6 zu der Rechtslage unter der Geltung des Angestelltenversicherungsgesetzes). Denn der Beitragsanspruch kann nicht mehr geltend gemacht werden, weil er verjährt ist und bei der Stellung des Kontenklärungsantrages des Klägers bereits verjährt war.

17

Die Nachversicherung richtet sich gemäß §233 Abs. 1 SGB VI nach den zum Zeitpunkt des Nachversicherungsfalles geltenden Vorschriften, im Falle des Klägers mithin nach dem Rechtsstand vom 2. Januar 1969. Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob damals eine Aufschubentscheidung der nach §6 Abs. 2 AVG zuständigen Stelle gemäß §125 Abs. 3 AVG erfolgt ist, die neben dem Vorliegen eines Aufschubgrundes im Sinne des §125 Abs. 1 AVG eine weitere Voraussetzung dafür ist, dass im Sinne der Rentenversicherung die Nachentrichtung der Beiträge aufgeschoben ist (vgl. BSG, Urteil vom 11. September 1980, Az.: 1 RA 81/79, SozR 2200 §1403 Nr. 2). Selbst unter Annahme eines Aufschubes der Fälligkeit des Beitraganspruches wäre der Nachversicherungsfall spätestens mit dem Ende des Bezuges der Übergangsgebührnisse im Anschluss an das Ausscheiden des Klägers aus dem Dienst bei der Bundeswehr am 31. Dezember 1976, also Mitte 1978 eingetreten, wie sich aus §125 Abs. 1 Buchst. d) Unterbuchst. cc) AVG ergibt. Die Verjährung eines zu diesem Zeitpunkt fällig gewordenen Beitragsanspruches richtet sich nach dem am 1. Juli 1977 in Kraft getretenen §25 SGB IV. Nach Absatz 1 Satz 1 der genannten Vorschrift verjähren Beitragsansprüche in vier Jahren seit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind, im vorliegenden Fall also Ende 1982. Sollte der Beitragsanspruch entgegen der vorstehenden Annahme vor dem 1. Juli 1977 fällig gewesen sein, so würden auf seine Verjährung zunächst die Vorgängervorschriften der §205 AVG in Verbindung mit §29 RVO anwendbar sein. Sollte die sich daraus ergebende Verjährungsfrist am 1. Juli 1977 noch nicht abgelaufen gewesen sein, so richtete sich die Verjährung des Anspruches gemäß Art. II §15 SGB IV ebenfalls nach §25 SGB IV.

18

Die Voraussetzungen einer dreißigjährigen Verjährung gemäß §25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV liegen offensichtlich nicht vor. Denn es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beiträge vorsätzlich vorenthalten worden sind. Insoweit geht der Senat nach Aktenlage davon aus, dass bei dem Ausscheiden des Klägers aus dem Postdienst zunächst tatsächlich ein Aufschubgrund im Sinn der §125 Abs. 1 Buchst. a), §6 Abs. 1 Nr. 6 AVG vorgelegen hat und dass die Deutsche Bundespost vor der genannten Anfrage der Beklagten keine Kenntnis von dem Wegfall des Aufschubgrundes erlangt hat. Etwas Anderes hat auch der Kläger nicht behauptet. Im Übrigen würde wohl auch allein die Annahme der Kenntnis des Wegfalls des Aufschubgrundes nicht zwingend zur Annahme eines vorsätzlichen Vorenthaltens der Beiträge führen (vgl. zu der versehentlich unterlassenen Beitragsentrichtung LSG für das Saarland, Urteil vom 11. November 2004, Az.: L 1 RA 65/02).

19

Abgesehen davon, dass der Kläger durch die frühere Deutsche Bundespost im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden aus dem Postdienst mit Schreiben vom 13. Dezember 1971 über die Notwendigkeit einer Nachversicherung und eines diesbezügliches Antrages bei dem Ende des Soldatenverhältnisses informiert worden und ein diesbezügliches Vertrauen des Klägers - worauf ? - kaum vorstellbar ist, finden sich in den vorgenannten Vorschriften keine Anknüpfungspunkte für eine Vertrauensschutzregelung zu seinen Gunsten.

20

Ob schließlich die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden - wenigstens konkludent - auch über die Frage entschieden hat, ob die streitige Zeit auch ohne Beitragszahlung wie eine Beitragszeit anzurechnen hat, kann dahingestellt bleiben. Wenn in den Bescheiden eine derartige Regelung enthalten sein sollte, ist diese jedenfalls im Hinblick auf §281 Abs. 2 SGB VI in der seit dem 1. August 2004 geltenden Fassung rechtmäßig.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung der §§183, 193 SGG. Anlass für die Zulassung der Revision gemäß §160 Abs. 2 SGG besteht nicht.

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RECHTSMITTELBELEHRUNG UND ERLÄUTERUNG ZUR PROZESSKOSTENHILFE

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I. RECHTSMITTELBELEHRUNG

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Dieser Beschluss kann nicht mit der Revision angefochten werden, weil sie gesetzlich ausgeschlossen und vom Landessozialgericht nicht zugelassen worden ist.

25

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Revision nur zu, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.

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II. ERLÄUTERUNGEN ZUR PROZESSKOSTENHILFE

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Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch einen Bevollmächtigten der unter I. a und b genannten Gewerkschaften, Vereinigungen oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.

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