Landgericht Oldenburg
Urt. v. 13.08.1991, Az.: 1 S 52/91
Zulässigkeit einer Antragsrücknahme in der Berufung; Schadensersatz bei Verletzung der Aufklärungspflicht als Nebenpflicht eines Bauvertrages
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 13.08.1991
- Aktenzeichen
- 1 S 52/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1991, 20882
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:1991:0813.1S52.91.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Nordenham - 10.12.1990 - AZ: 3 C 108/90
Rechtsgrundlage
- § 633 Abs. 2 S. 1 BGB
Fundstellen
- BauR 1992, 270 (amtl. Leitsatz)
- IBR 1992, 195 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
- NJW-RR 1992, 154-155 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juli 1991
durch
den Vors. Richter am LG Wullert,
den Richter am LG Maniak,
den Richter am LG vom Brocke
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Kläger wird das am 10. Dez. 1990 verkündete Urteil des Amtsgerichts Nordenham geändert:
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Kläger 5.000,- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 9. März 1990 zu zahlen; wegen des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten der I. Instanz tragen die Kläger und die Beklagte zu 1) je die Hälfte der Gerichtskosten und der selbst der Kläger, die Beklagte zu 1) trägt ihre Kosten selbst.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger 33,- DM der Gerichtskosten vorab, 1/6 ihrer eigenen Kosten sowie die Kosten der Beklagten zu 2), die Beklagte zu 1) trägt die übrigen Gerichtskosten, 5/6 der Kosten der Kläger und ihre eigenen Kosten.
Entscheidungsgründe
Von einer Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, § 543 Abs. 1 ZPO.
Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache Erfolg; sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten zu 1).
Ihre Berufung, mit der die Kläger auch eine Verurteilung der Beklagten zu 2) erstrebten, haben die Kläger mit Schriftsatz vom 11. April 1991 zurückgenommen. Die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung erfordert entgegen der offenbar von der Berufung vertretenen Ansicht keine mündliche Verhandlung, ausreichend ist die Einreichung eines Schriftsatzes beim Berufungsgericht; sie hängt nicht einmal von einer ausdrücklichen Rücknahmeerklärung ab, wenn sich nur im Wege der Auslegung der unzweideutige Wille des Berufungsführers entnehmen läßt, das Rechtsmittel nicht durchführen zu wollen. Das ist hier der Fall. Die Berufung hat die im Beschluß der Kammer vom 25. März 1991 geäußerte Rechtsansicht hingenommen und erklärt, sie beschränke sich auf eine Verfolgung ihrer Ansprüche gegen die Beklagte zu 1).
Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ist begründet. Denn die Beklagte zu 1) hat den Klägern den Schaden zu ersetzen, der ihnen dadurch entstanden ist, daß sie ihre Mängelbeseitigungsansprüche gegen die Beklagte zu 2) nicht mehr durchsetzen können. Die Ersatzpflicht beruht auf der Verletzung der der Beklagten zu 1) obliegenden Pflicht, die Kläger dahin zu beraten, bei Abschluß des Bauvertrages mit dem Bauunternehmen eine 5-jährige Gewährleistungsfrist zu vereinbaren.
Der Beklagten ist allerdings einzuräumen, daß die Ausgestaltung des Bauvertrages nicht in den Katalog der von ihr nach dem Betreuungsvertrag zu erbringenden Leistungen aufgenommen ist. Diese Leistung gehörte folglich nicht zu den Hauptleistungen des Betreuungsvertrages. Der Umfang der von den Vertragsparteien zu erfüllenden Pflichten beschränkt sich aber keineswegs auf die Hauptleistungspflichten, vielmehr bestehen daneben häufig zahlreiche Nebenpflichten. Zu diesen Nebenpflichten zählt auch die hier in Betracht kommende Aufklärungspflicht (Palandt, BGB, 50. Aufl., § 242 Rdn. 23 ff). Sie trifft einen Vertragspartner dann, wenn der andere nach den im Verkehr herrschenden Anschauungen redlicherweise Aufklärung verlangen darf.
Nach diesem Grundsatz hatte die Beklagte die Kläger hier darauf hinzuweisen, daß sie bei Abschluß des Bauvertrages darauf achten müßten, mit der Beklagten zu 2) die gesetzliche Regelverjährung für Gewährleistungsansprüche zu vereinbaren. Denn ihr war die weitreichende Bedeutung dieser Regelung bekannt, während diese Kenntnis bei den Klägern nicht zu erwarten war. Bei der Beklagten gehören Abschluß und Abwicklung von Bauverträgen zu ihrem Berufsalltag. Sie hatte daher auf diesem Gebiet eingehende Erfahrungen sammeln können und war mit den wesentlichen Problemen rechtlicher und wirtschaftlicher Art vertraut. Demgegenüber verfügten die Kläger über keinerlei Erfahrung oder Fachwissen. Die Durchführung des Bauvorhabens stieß zudem angesichts ihrer nicht besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnisse an die Grenzen ihrer finanziellen Belastbarkeit. Aus diesem Grunde waren sie auf fachliche Beratung und umfassende Betreuung durch fremde Sachkunde angewiesen. Nicht nur der Informationsvorsprung der Beklagten, sondern auch die Aufmachung des Betreuungsvertrages erzeugten bei den Klägern das Vertrauen, ihre Interessen, insbesondere auch ihre Rechte gegenüber dem Bauunternehmen (entsprechend § 3 Nr. 11 des Betreuungsvertrages) würden durch die Beklagte in bestmöglicher Weise wahrgenommnen. Daher mußte die Beklagte in geeigneter Weise darauf hinwirken, daß die Kläger durch sachgerechte Unterrichtung über drohende Gefahren und wirksame Abwehrmöglichkeiten sich vor Schaden bewahren konnten. Die Beklagte wußte auch um die Gefahr, die den Klägern mit dem Abschluß des Bauvertrages mit der Beklagten zu 2) drohte. Denn durch die Tätigkeit des ... bei beiden Beklagten kannte die Beklagte zu 1) den Inhalt des Bauvertrages und damit auch die den Klägern nachteilige Regelung der Verjährungsfrist.
Durch die unterlassene Aufklärung ist den Klägern ein Schaden entstanden, weil sie infolge der vereinbarten Gewährfrist von 2 Jahren ihre Mängelbeseitigungsansprüche gegen die Beklagte zu 2) nicht mehr durchsetzen können.
Die Beklagte zu 2) hat das Dach des Hauses der Kläger mangelhaft errichtet. Der Sachverständige Arens hat in seinem mündlich vor der Kammer erstatteten Gutachten überzeugend ausgeführt, daß zur handwerksgerechten Errichtung der Dachkonstruktion eine Konterlattung erforderlich ist. Diese soll zwischen der Unterspannbahn und den Dachlatten einen Abstand halten, um u.a. zu verhindern, daß unter die Dachziegel eingedrungener Flugschnee an den Sparren hängen bleibt und zu vorzeitiger Zerstörung führt, was zu besorgen ist, wenn die Sparren auf der Unterspannbahn aufliegen. Die Notwendigkeit der Konterlattung war in den Kreisen der Dachdeckerhandwerker unumstritten.
Erfolglos wendet die Beklagte - mit nicht nachgelassenen Schriftsätzen - ein, die Regeln des Handwerks seien für die Beklagte zu 2) deswegen nicht verbindlich gewesen, weil sie nicht Eingang in die VOB gefunden hätten und weil sie von den maßgebenden Herstellerwerken nicht anerkannt worden seien. Dabei übersieht die Beklagte, daß ein Mangel im Rechtssinne nicht einen Verstoß gegen bestimmte technische - insbesondere schriftlich niedergelegte - Regeln voraussetzt. Ein Mangel kann selbst dann vorliegen, wenn sich noch überhaupt keine anerkannten Regeln herausgebildet haben, sofern nur das hergestellte Werk dem Vergleich mit anderen Anlagen nicht standhält (Palandt, § 633 Rdn. 2 m. Nachw.). Deswegen ist es unerheblich, was die DIN-Normen vorsehen, es genügt, daß aufgrund langjähriger Erfahrung der Dachdecker, die sich in ihren Regeln niedergeschlagen hat, eine Konterlattung zur handwerksgerechten Herstellungsweise geführt, um das Risiko vorzeitiger Zerstörung der Dachlatten zu vermindern. Unmaßgeblich ist deswegen auch die möglicherweise anders lautende Auffassung der Dachziegelhersteller; sie mögen über zuverlässige Kenntnisse über die Qualität und etwaige nachteilige Veränderung von Dachziegeln verfügen, nicht aber auch über Erfahrungen mit der Dachkonstruktion im übrigen, die denen der Dachdeckerhandwerker überlegen wäre.
Wegen dieses Mangels und der weiteren vom Sachverständigen beschriebenen Mängel hatten die Kläger gegen die Beklagte zu 2) einen Mängelbeseitigungsanspruch, § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB. Diesen Anspruch können die Kläger nicht mehr geltend machen, weil der Anspruch verjährt ist und die Beklagte zu 2) die Einrede der Verjährung erhoben hat. Die Kläger sind daher zur Erfüllung ihres Mängelbeseitigungsanspruchs auf die Inanspruchnahme anderer Handwerker angewiesen. Dadurch werden ihnen nach den Ausführungen des Sachverständigen Arens, gegen die überzeugende Angriffe nicht vorgetragen sind, Aufwendungen in Höhe von wenigstens 5.000,- DM entstehen.
Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB. Für einen höheren Zinsanspruch ist eine Anspruchsgrundlage nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2, 100 entsprechend, 515 Abs. 3 ZPO.
Maniak ist im Urlaub und kann daher nicht unterschreiben. Wullert
vom Brocke