Landgericht Oldenburg
Beschl. v. 25.09.1991, Az.: 6 T 495/91

Einstellung eines Konkursverfahrens mangels Masse; Rechtsschutz gegen einen konkursgerichtlichen Beschluss zur Durchführung eines Nachverteilungsverfahrens hinsichtl. der Massekosten

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
25.09.1991
Aktenzeichen
6 T 495/91
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1991, 21124
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:1991:0925.6T495.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Cloppenburg - 02.05.1991 - AZ: N 76/82

Fundstelle

  • ZIP 1992, 200-201 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Früheres Konkursverfahren

...
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
durch
die unterzeichnenden Richter
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Gemeinschuldners gegen den Beschluß des Amtsgerichts Cloppenburg vom 2.5.1991 - N 76/82 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 15.813,58 DM.

Gründe

1

Durch Beschluß vom 8.11.1982 hat das Amtsgericht Cloppenburg über das Vermögen des Kaufmanns ... damals wohnhaft ..., das Konkursverfahren eröffnet.

2

Das Konkursverfahren wurde durch Beschluß vom 22.8.1988 nach §204 KO mangels Masse eingestellt.

3

Nach der damals vorgelegten Schlußrechnung haben die Gläubiger der Massekosten gemäß §58 Nr. 2 KO lediglich eine Quote von 92,082976 % erhalten. An die gemäß §60 KO nachrangigen Massegläubiger und an die Konkursgläubiger gemäß §61 Abs. 1 Nr. 1-6 KO konnten keine Zahlungen geleistet werden.

4

Als unbefriedigte Masseansprüche, die jedoch vor dem Schlußtermin bereits bekannt waren, sind nach Einstellung des Konkurses mangels Masse noch offengeblieben:

Finanzamt Cloppenburg (§58 Nr. 2 KO)11.358,16 DM
Konkursverwaltervergütung (§58 Nr. 2 KO)4.202,07 DM
Vergütung Gläubigerausschußmitglied Thiemann138,55 DM
Vergütung Gläubigerausschußmitglied Göttken114,80 DM
(§58 Nr. 2 KO)
15.813,58 DM.
5

Nach Einstellung und Aufhebung des Konkursverfahrens sind Vermögenswerte freigeworden, die gemäß §166 Abs. 1 KO zur Konkursmasse gehören, jedoch während des Konkursverfahrens nicht realisiert werden konnten. Es handelt sich um den im Konkurs-Inventarverzeichnis unter Teil VII Nr. 6 genannten Sicherheitsbetrag in Höhe von 20.000,- DM (vgl. Bd. II Bl. 196 und Bd. I Bl. 151 d.A.), aus dem eine Betriebsrente zugunsten früherer Arbeitnehmer gezahlt werden mußte. Die Abrechnung und Auszahlung erfolgteüber ein Anderkonto des Notars Dr. B. in Oldenburg. Die hinterlegte Summe stand entsprechend den zuvor getroffenen Vereinbarungen ausschließlich den Sicherungsberechtigten zur Verfügung.

6

Die Rentenberechtigten sind inzwischen verstorben, davon der letzte Anfang 1991, so daß die Verpflichtung zur weiteren Rentenzahlung für die Zukunft weggefallen ist. Der restliche Sicherheitsbetrag wurde somit frei verfügbar. Die Summe des freigewordenen Vermögenswertes einschließlich weiterer Zinsen beläuft sich auf 17.720,40 DM.

7

Am 19.4.1991 beantragte der frühere Konkursverwalter in diesem Verfahren, Herr Dr. V., in dem Konkursverfahren gemäß §166 KO die Anordnung einer Nachtragsverteilung, um die Erfüllung der bisher noch nicht bezahlten Massekosten gemäß §58 Nr. 1, 2 KO zu ermöglichen.

8

Mit Beschluß vom 2.5.1991 hat das Amtsgericht Cloppenburg für den nachträglich freigewordenen Betrag (17.605,67 DM ohne Zinsen) die Nachtragsverteilung gemäß §166 KO angeordnet, soweit es sich um Masseansprüche handelte. Die Vollziehung der Verteilung wurde dem früheren Konkursverwalter ..., übertragen.

9

Dieser führte daraufhin hinsichtlich des freigewordenen Betrages, der auf einem hierfür eingerichteten Treuhandkonto bei der Bremer Landesbank hinterlegt war, die angeordnete Nachtragsverteilung hinsichtlich der noch offenen Massekosten durch. Der verbliebene Restbetrag in Höhe von 1.906,82 DM blieb weiter auf dem Treuhandkonto hinterlegt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht des Dr. V. vom 4.6.1991 (Bl. 323-325 d.A.) verwiesen.

10

Gegen den Beschluß des Amtsgerichtes Cloppenburg, mit dem die Nachtragsverteilung hinsichtlich der Massekosten angeordnet worden war, richtet sich die sofortige Beschwerde des Gemeinschuldners vom 28.5.1991. Er beruft sich darauf, daß eine Nachtragsverteilung unter den gegebenen Verfahrensvoraussetzungen nicht durchgeführt werden könne, da entgegen den gesetzlichen Voraussetzungen des §166 KO das Konkursverfahren nicht nach einer Schlußverteilung aufgehoben worden sei, sondern eine Einstellung mangels Masse erfolgt sei. Er vertritt die Auffassung, daß für eine analoge Anwendung des §166 KO, mit der das Amtsgericht Cloppenburg seinen Nachtragsverteilungsentschluß begründet hatte, hier kein Raum sei, da das Konkursverfahren eingestellt worden sei und somit der besondere Schutz der Massekosten nach Beendigung des Konkursverfahrens nicht wieder aufleben könne.

11

Die sofortige Beschwerde des Gemeinschuldners ist gemäß §§73 Abs. 3, 72 KO, 577 ZPO zulässig.

12

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

13

Die Anordnung der Nachtragsverteilung in analoger Anwendung des §166 KO unter Beschränkung auf die noch offenen Masseansprüche ist zu Recht erfolgt.

14

Die analoge Anwendung ist notwendig, da eine Nachtragsverteilung grundsätzlich nur bei Aufhebung des Konkurses nach dem Vollzug der Schlußverteilung in Betracht kommt (vgl. Kuhn-Uhlenbruck, Kommentar zur KO, 10. Aufl., §166 Rz. 1). Nach einer Einstellung des Konkurses mangels Masse gemäß §204 KO ist die Nachtragsverteilung ausdrücklich nicht vorgesehen. Diese Regelungslücke ist durch eine Gesetzesanalogie hier insoweit zu schließen, daß die Rechtsnorm des§166 KO auf den vergleichbaren Sachverhalt anzuwenden ist.

15

Von der Nachtragsverteilung sollen alle diejenigen Beträge erfaßt sein, die zwar von der Masse zurückgehalten worden sind, jedoch für dieselbe später frei werden. Die nachträgliche Verteilung der zur Masse zurückgeflossenen Beträge erfolgt aufgrund des Schlußverzeichnisses. Es entspricht somit Sinn und Zweck der Vorschrift des §166 KO, daß Gläubiger, deren Forderung in das Schlußverzeichnis aufgenommen worden sind, auch noch nach Aufhebung des Konkurses befriedigt werden können, wenn später zur Masse gehörende Beträge frei werden.

16

Entsprechend dem Beschluß des Amtsgerichts Cloppenburg ist es hier deshalb erforderlich, die Nachtragsverteilung auf die Masseansprüche zu beschränken. Die entsprechende Anwendung des§166 KO findet seine Berechtigung und seine Notwendigkeit darin, daß einerseits der später freigewordene Sicherheitsbetrag im Inventarverzeichnis als Aktivposten aufgeführt wurde und damit seine Zugehörigkeit zur Konkursmasse gekennzeichnet war und andererseits die noch zur Befriedigung stehenden Massekosten bereits zum damaligen Schlußtermin bekannt waren.

17

Zudem ist als entscheidender Gesichtspunkt zu berücksichtigen, daß Massekosten nach §§58, 57 KO einen starken Schutz genießen, so daß die Geltendmachung der Masseansprüche auch unabhängig vom Gang der Verteilung und außerhalb des Verfahrens möglich ist (vgl. Kuhn-Uhlenbruck, Kommentar zur KO., 10. Aufl., §57 Rz. 3). Zudem ist zu berücksichtigen, daß der Gemeinschuldner für Masseschulden grundsätzlich auch nach Konkursbeendigung haftet, wenn die Verbindlichkeit schon vor dem Konkurs entstanden ist (vgl. Kuhn-Uhlenbruck, Kommentar zur KO, §57 Rz. 11, 11 a, 11 b). Den Massegläubigern steht aus diesem Grund gegen den Gemeinschuldner ohnehin ein Anspruch zur Auszahlung des nunmehr freigewordenen Betrages zu, um ihre Ansprüche zu befriedigen.

18

Der vom Gesetz zugedachte starke Schutz der Massegläubiger, dem durch das Recht zur Vorwegbefriedigung Rechnung getragen werden soll, kann für den hier vorliegenden Fall nur dann in ausreichendem Maße gewährleistet werden, wenn für den nach Konkursbeendigung freigewordenen Betrag die Nachtragsverteilung für die noch unbefriedigten Massekosten angeordnet wird. Nur dann wird sichergestellt; daß der Gemeinschuldner mit diesem Betrag tatsächlich die Massegläubiger befriedigt. Bei vorheriger Auszahlung des Betrages an ihn bestünde in der Tat die Gefahr, daß die Befriedigung der Massegläubiger vereitelt würde. Der Gemeinschuldner wäre nicht gehindert, zunächst unkontrollierbar und ohne Einschränkung über den freigewordenen Betrag zu verfügen.

19

In Übereinstimmung hiermit hat auch das OLG Celle in seinem Beschluß vom 17.3.1965 (vgl. Nds. RPfl. 1965, S. 201) festgestellt, daß der Konkursverwalter nach einer Einstellung des Konkursverfahrens gemäß §204 KO nur noch befugt sein soll, Masseansprüche zu befriedigen. Das OLG Celle hat in seiner Entscheidung deutlich gemacht, daß zwar grundsätzlich bei einer Einstellung gemäß §204 KO, also für den Fall, daß eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse nicht vorhanden ist, eine Nachtragsverteilung gemäß §166 KO nicht in Betracht kommt. Zur Begründung führt es jedoch klarstellend an, daß für den Fall der Einstellung "mangels Masse" es nicht Aufgabe des Konkursverwalters sein soll, noch andere als Masseansprüche zu erfüllen.

20

Die Befriedigung der Masseansprüche im Wege der Nachtragsverteilung auch nach Einstellung des Konkursverfahrens gemäß §204 KO hat das OLG Celle in seiner Entscheidung somit grundsätzlich für zulässig angesehen.

21

Aus den genannten Gründen ist die Kammer der Ansicht, daß die analoge Anwendung des §166 KO - beschränkt auf die Masseschulden - auch dann gelten muß, wenn dem Konkursverwalter die nachträgliche Befriedigung von Masseansprüchen nicht ausdrücklich vorbehalten worden ist.

22

Der Schutz der Massegläubiger kann nicht davon abhängig gemacht werden, daß der Vorbehalt nachträglicher Befriedigung von Masseschulden ausdrücklich seinen Niederschlag gefunden hat. Es muß eine grundsätzliche Möglichkeit bestehen, die Nachtragsverteilung in Anwendung des §166 KO stets dann anordnen zu können, wenn nach Beendigung des Konkurses - sei es nach Schlußverteilung oder sei es auch nach Einstellung mangels Masse - nachträglich Beträge oder Vermögensteile frei werden, die zur Konkursmasse gehören und damit zur Erfüllung von Masseansprüchen zu verwerten sind.

23

Die sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus §97 ZPO zurückzuweisen.