Landgericht Aurich
Urt. v. 15.11.2018, Az.: 13 Ns 210 Js 2704/18 (26/18)

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
15.11.2018
Aktenzeichen
13 Ns 210 Js 2704/18 (26/18)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74573
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Berufung des Angeklagten D. R. gegen das Urteil des Amtsgerichts Aurich vom 31.05.2018 wird verworfen mit der Maßgabe, dass die Rechtsfolgen abgeändert und wie folgt neu gefasst werden:

Der Angeklagte wird verwarnt.

Ihm wird auferlegt, bis zum 28.02.2019 80 Stunden gemeinnützige Arbeit nach näherer Weisung der Jugendgerichtshilfe Aurich abzuleisten.

Gegen ihn wird ein Fahrverbot von 3 Monaten angeordnet.

Von der Auferlegung der Kosten des Berufungsverfahrens wird abgesehen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Aurich hat den Angeklagten mit Urteil vom 31.05.2018 wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens verurteilt, in verwarnt und ihm auferlegt, einen Betrag in Höhe von 800 € an eine gemeinnützige Einrichtung zu zahlen. Des Weiteren hat das Amtsgericht dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und die zuständige Straßenverkehrsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von einem Jahr eine neue Fahrerlaubnis nicht zu erteilen. Darüber hinaus hat das Amtsgericht dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens aufgegeben.

Gegen das Urteil hat der Angeklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 01.06.2018 formgerecht und fristgerecht Berufung eingelegt.

Die Berufung hat lediglich dahingehend Erfolg, dass statt einer Fahrerlaubnisentziehung ein Fahrverbot anzuordnen war.

II.

Der Angeklagte ist 20 Jahre alt, ledig und hat keine Kinder. Er ist derzeit arbeitssuchend. Das zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung noch laufende duale Studium bei der Raiffeisen Volksbank ist aufgrund einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung beendet. Grund für die Aufhebung war das laufende Strafverfahren. Neue Bewerbungsverfahren laufen derzeit. Er hat einen Minijob und verdient dort ca. 300 € im Monat.

Strafrechtlich ist der Angeklagte noch nicht in Erscheinung getreten.

In seinem Fahreignungsregister vom 11.5.2018 befindet sich eine Eintragung:

Mit Bußgeldbescheid der Bußgeldbehörde des Landkreises Aurich vom 06.11.2017 wurde gegen den Angeklagten eine Geldbuße vom 70 € festgesetzt, weil er am 17.10.2017 um 16:56 Uhr in D., S.straße, die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften bei zulässigen 50 km/h um 21 km/h überschritten hatte.

Aufgrund des Bußgeldverfahrens hat der Angeklagte im Januar und Februar 2018 an einem Aufbauseminar teilgenommen.

Darüber hinaus hat der Angeklagte im Umfang von 14 Einzelstunden eine verkehrstherapeutische Maßnahme zur Förderung der Fahreignung in Oldenburg durchgeführt. Sie endete Anfang November 2018.

III.

Die Hauptverhandlung führte aufgrund der Angaben des Angeklagten und der Zeugen sowie des Smartphone-Videos des Polizeibeamten K. zu folgenden weiteren Feststellungen:

Am 05.01.2018 hatte sich der Angeklagte mit der Zeugin H. verabredet. Er holte sie mit seinem Fahrzeug, einem BMW E46 331ci, 230 PS, aus F. ab und fuhr mit ihr nach Aurich. Bei M.D.‘s trafen sie auf den Zeugen S.. Im Anschluss fuhren der Angeklagte und der Zeuge S., der zu diesem Zeitpunkt einen Audi A3 nutzte, um kurz vor Mitternacht mit ihren Fahrzeugen bei M.D.‘s los. Sie trafen kurz danach bei der J.-Tankstelle in der E. Straße erneut aufeinander, da der Angeklagte sein Fahrzeug betanken musste. Im Anschluss fuhren beide mit ihren jeweiligen Fahrzeugen – der Angeklagte hatte als Beifahrerin die Zeugen H. bei sich, der Zeuge S. hatte als Beifahrer den Zeugen S. bei sich – durch A. über die V.-J.-Straße, die G. M.straße und die L. Landstraße stadtauswärts Richtung L.. Es regnete leicht. An der S.-Tankstelle in der L. Landstraße hielt der Zeuge S. kurz an, um den Angeklagten mit seinem Fahrzeug vorbeizulassen. Er fuhr unmittelbar hinter dem Angeklagten wieder auf die L. Landstraße. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Polizeibeamten G. und K. in einem Zivilfahrzeug von der P. Straße kommend den beiden Angeklagten angeschlossen, da sie aufgrund des Fahrverhaltens und der Fahrzeugtypen eine Kontrolle, insbesondere des Angeklagten, in Erwägung zogen. Nach dem Passieren des Ortsausgangsschildes beschleunigten der Angeklagte und der Zeuge S. ihre Fahrzeuge stark. Im Bereich der S. Gewerbegebiete fuhren sie unter Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Nach Passieren der zweiten Ampelanlage, als die Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit aufgehoben war, erfolgte erneut eine starke Beschleunigung der Fahrzeuge. Der Zeuge G. musste ebenfalls stark beschleunigen, um folgen zu können. Der Angeklagte hatte sich dabei zunächst deutlich von dem Zeugen S. abgesetzt, bremste sein Fahrzeug jedoch ab, damit der Zeuge S. wieder herannahen konnte. Im weiteren Verlauf fuhren beide Fahrzeuge unter deutlicher Unterschreitung des Sicherheitsabstandes und erneuter Beschleunigung weiter. Nach Passieren der früheren Gaststätte R. überholte zunächst der Zeuge S. den Angeklagten mit deutlich überhöhtem Tempo und unmittelbar anschließend der Angeklagte den Zeugen S., wobei Geschwindigkeiten von zumindest 149 km/h erreicht wurden. Dort galt Überholverbot. Anschließend bremsten beide ihre Fahrzeuge herunter, da die H. Kreuzung mit Radarkontrolle erreicht wurde. Die Polizeibeamten hatten zu diesem Zeitpunkt ihr Blaulicht aktiviert. Unmittelbar hinter der Kreuzung fuhren der Angeklagte und der Zeuge S. ihre Fahrzeuge wegen der Stoppsignale der Polizei rechts an den Fahrbahnrand.

IV.

Der Angeklagte hat sich damit eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens gemäß § 315 d Abs. 1 Nr. 3 StGB schuldig gemacht. Die Fahrweise des Angeklagten und des Zeugen S. nach der zweiten S. Ampel belegt, dass beide ihre Fahrzeuge auf möglichst hohe Geschwindigkeiten beschleunigten, um dann bei möglichst hoher Geschwindigkeit in rennähnlicher Weise Überholvorgänge auf der Landstraße durchzuführen. Dieses grob verkehrswidrige Fahrverhalten bei im Übrigen regennasser Fahrbahn indiziert die erforderliche Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern. Für die Rennähnlichkeit spricht dabei die zeitweise erreichte Höchstgeschwindigkeit von ca. 149 km/h, bei welcher dann riskante Fahrmanöver – Überholen bei geringem Sicherheitsabstand wie aus einem Windschatten - ausgeführt wurden.

V.

Jugendrecht ist auf den Angeklagten anzuwenden, da es sich bei dem vorliegenden Sachverhalt um jugendtypisches Verhalten im Straßenverkehr handelt.

Zur erzieherischen Einwirkung auf den strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getretenen Angeklagten erscheint es erforderlich, aber auch ausreichend, eine Arbeitsauflage im Umfang von 80 Stunden zu verhängen und ihn zu verwarnen. Die Kammer hat dabei berücksichtigt, dass der Angeklagte die objektiven Umstände des Geschehens eingeräumt hat und sich durch das gerichtliche Verfahren beeindruckt zeigte. Auch war zu berücksichtigen, dass dieser Vorfall zu einem Verlust des Ausbildungsplatzes geführt hat.

Daneben war gemäß § 44 StGB ein Fahrverbot von 3 Monaten anzuordnen. Angesichts des Fahrverhaltens und der verkehrsrechtlichen Voreintragung konnte das Fahrverbot nicht im untersten Bereich angeordnet werden. Die Entziehung einer Fahrerlaubnis und die Anordnung einer Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis waren hingegen nicht mehr geboten, nachdem der Angeklagte die Zeit zwischen der erstinstanzlichen Verurteilung und der Berufungsverhandlung genutzt hat, um ein verkehrspsychologisches Training durchzuführen, wodurch er nachgewiesen hat, dass die zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung noch bestehende Vermutung der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr vorliegt.

VI.

Die Kostenentscheidung von aus § 74 abgegeben.