Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 02.03.2001, Az.: 10 A 10/00
Besoldungsverlust; Dienstleistung; Dienstverpflichtung; Disziplinarmaßnahme; Disziplinarverfahren; Fernbleiben vom Dienst; Feststellung des Verlustes; Hinderungsgrund; Rechtfertigungsgrund; Verkehrsmittel; Verspätung
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 02.03.2001
- Aktenzeichen
- 10 A 10/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 40241
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 121 DO ND
- § 5 DO ND
- § 81 Abs 3 S 1 BG ND
- § 9 BBesG
Gründe
I.
Der Beamte wendet sich gegen die Feststellung des Verlustes seiner Dienstbezüge für den 14. April und 2. Mai 2000.
Er ist am 3. November 1943 in N geboren, Vater von 2 Kindern und ließ sich am 26. August 1994 von seiner damaligen Ehefrau scheiden. Am 29. Februar 1996 heiratete er erneut. Seine Schulzeit schloss er 1963 mit dem Abitur am D in V ab, leistete sodann bis 1965 seinen Wehrdienst und durchlief anschließend eine kaufmännische Lehre bei der Fa. S, die er als Industriekaufmann abschloss. Nach Fachschul- und Hochschulstudien in B und H (Diplom-Kaufmann und Diplom-Handelslehrer) und Ablegen der 2. Staatsprüfung („bestanden“) trat er an der BBS I L in den niedersächs. Schuldienst ein, wo er seit 1982 als Beamter auf Lebenszeit (Studienrat) tätig ist.
Nachdem er bei früheren Urlaubsreisen nach L das Naturdenkmal „W“ (V) nicht hatte erreichen und besichtigen können, plante er das für die Osterferien 2000 und buchte (und bezahlte) demgemäß im November 1999 für die Hin- und Rückreise über das M eine Fährverbindung M - T. Bei Empfang der Tickets Anfang April 2000 wurde ihm eine Zeitdifferenz von 4 Stunden bestätigt, so dass die Anreise nach und von M nach Angaben des Beamten zeitlich „sehr eng bemessen war“. Er begann deshalb, Unterrichtsstunden in Absprache mit den Schülern vorzuziehen, so auf den 4., 5., 7. Und 10. April 2000 (1. Und 2. Stunde bzw. 7. Und 8. Stunde). Hierbei wurde er darauf aufmerksam gemacht, dass ein Vorziehen von Unterrichtsstunden des letzten Tages vor den Ferien wie auch des ersten Tages nach den Ferien „kaum genehmigungsfähig“ sei. Er beschloss deshalb, an den beiden Tagen „voll anwesend zu sein, gleichzeitig aber auch Vorkehrungen zu treffen, falls unvorhergesehene Ereignisse dieses verhindern würden“. Den Unterricht an beiden Tagen wollte er sichergestellt sehen. Mit seinem Schulleiter setzte er sich hinsichtlich dieser Planungen nicht in Verbindung.
Da die Ehefrau seines bei K wohnenden Mitfahrers sodann mitteilte, sie könne ihren Ehemann nicht nach F zum vereinbarten Treffpunkt fahren, brach der Beamte am 14. April vorzeitig in Richtung Ruhrgebiet auf. An diesem Tage - einem Freitag - fand in der 5. Und 6. Stunde eine Informationsveranstaltung statt, die vom Beamten als dem zuständigen Fachlehrer nicht mehr beaufsichtigt wurde. Nach Durchführung der Reise verspätete sich die Fähre von T nach M um rund 4 Stunden, was nach Angaben des Beamten zur Folge hatte, dass anschließend Staustrecken zu ungünstigeren Zeiten als geplant durchfahren werden mussten. Er verspätete sich somit mit seiner Ankunft und erreichte am Nachmittag des 2. Mai die Bildungsgangskonferenz „noch gerade rechtzeitig“. Die 6 Stunden Unterricht, die an sich vom Beamten an diesem Tage vormittags zu erteilen waren, waren z.T. von zwei Kollegen erteilt worden, die der Beamte dafür „geworben“ hatte, z.T. (5. und 6. Stunde) aber auch ausgefallen. Dieses gesamte Vorgehen des Beamten erfolgte unstreitig ohne Absprache mit der Schulleitung
Mit Verfügung vom 6. Juli 2000 stellte die beteiligte Behörde den Verlust der Dienstbezüge des Beamten für den 14. April und 2. Mai 2000 fest und führte zur Begründung aus, der Beamte habe weder seine Abwesenheit noch die Vertretungsregelung für die beiden genannten Tage mit der Schulleitung abgesprochen, obwohl dem Beamten bekannt gewesen sei, dass sein Vorgehen genehmigungsbedürftig sei. Die gebotene Absprache habe er aus Sorge, dann seine Ferienplanung ändern zu müssen, unterlassen.
Mit Schreiben vom 16. Juli 2000, bei der beteiligten Behörde am 18. Juli 2000 eingegangen, beantragte der Beamte die Entscheidung der Disziplinarkammer und bat um eine angemessene Herabsetzung des festgestellten Verlustes an Dienstbezüge. Dieser könne nicht völlig undifferenziert und ohne Rücksicht darauf erfolgen, dass er doch ohne Verringerung der Dienstzeit mit entsprechenden Regelungen ohne jede Benachteiligung der Schüler dem Dienst ferngeblieben sei. Vor allem sei die unplanmäßige Verspätung am 2. Mai 2000 zu berücksichtigen, die er nicht zu vertreten habe. Er beantragt sinngemäß,
den Feststellungsbescheid der beteiligten Behörde vom 6. Juli 2000 aufzuheben und die Feststellung des Verlustes von Dienstbezügen angemessen herabzusetzen.
Die beteiligte Behörde bezieht sich ohne eigenen Antrag auf den ergangenen Bescheid.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsvorgänge der beteiligten Behörde und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Der nach den §§ 81 Abs. 3 Satz 1 NBG, 121 Abs. 1 NDO statthafte, aufschiebende Wirkung (§ 121 Abs. 3 NDO) entfaltende Antrag ist unbegründet. Der feststellende Bescheid der beteiligten Behörde ist aufrecht zu erhalten.
Nach § 9 BBesG verliert der Beamte für die Zeit seines schuldhaften Fernbleibens vom Dienst seine Bezüge. Der durch Verfügung festzustellende Besoldungsverlust (§ 9 S. 3 BBesG), der keine Disziplinarmaßnahme iSv § 5 NDO darstellt, ist nach der Gesetzeskonzeption eine beamtenrechtliche Folge des schuldhaften Fernbleibens vom Dienst und zeigt die Abhängigkeit der Alimentation von der konkreten Dienstleistung auf - wenngleich die Alimentation allgemein kein Entgelt für die Entlohnung zeitlich konkret abgeleisteter Dienste ist (BVerwG Buchholz 232 § 160 BBG Nr. 8). Von diesem Anspruchsverlust, der an enge Voraussetzungen gebunden ist, bleibt der Beamte dann verschont, wenn er zu einer konkreten Dienstleistung nicht verpflichtet ist oder seinem Dienst mit Genehmigung oder aufgrund eines anderen Rechtfertigungs- oder Hinderungsgrundes fern geblieben ist (§ 81 Abs. 1 S. 1 NBG; vgl. BVerwGE 76, 142; BVerwG, DVBl. 1990, 642).
Der Beamte war am 14. April und 2. Mai 2000 zunächst einmal zu konkreten Dienstleistungen verpflichtet, denen er iSv § 9 BBesG fern geblieben ist. Denn er war nicht befugt, die für diese Tage zeitlich und örtlich festgelegten Dienstverpflichtungen eigenmächtig - ohne Genehmigung durch die Schulleitung - in dem Sinne zu „verlagern“, dass er sie an anderen Tagen - hier am 4., 5., 7. und 10. April 2000 - erbringt und sie so „vorzieht“. Das war ihm auch selbst bewusst, da er darauf aufmerksam gemacht worden war, „dass ein Vorziehen von Unterrichts-Std. des letzten und ersten Tages vor/nach Ferien kaum genehmigungsfähig sei“ (vgl. dazu das Schreiben des Beamten vom 3. Mai 2000). Vom Fehlen der erforderlichen Genehmigung abgesehen stellt § 9 BBesG auch nicht darauf ab, „ob die Gesamtbilanz der vom Beamten in einem bestimmten Zeitraum (Monat, Woche) zu erbringenden und von ihm tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden ausgeglichen ist“ (so NDH, Beschl. v. 19.1.1995 - 1 NDH M 13/94 -, veröff. In NdsVBl. 1995, 110). Entscheidend bleibt hier somit das Versäumen von zeitlich fixierten, an bestimmten Tagen - am 14. April und am 2. Mai 2000 - zu erfüllenden Dienstpflichten, von denen der Beamte nicht durch eine von ihm einzuholende Genehmigung seitens der Schulleitung entbunden worden ist.
Auch Rechtfertigungs- oder Hinderungsgründe, wie z.B. dem der Pflichtenkollision (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 20.8.1999, Buchholz 235 § 121 BDO Nr. 10), stehen dem Beamten nicht zur Seite. In Betracht zu ziehen ist hier lediglich der Rechtfertigungsgrund der tatsächlichen Dienstverhinderung (vgl. dazu Schwegmann/ Summer, Bundesbesoldungsgesetz, Loseblattsammlung, § 9 Rz 9 f.). Der hierunter zu subsumierende Ausfall von Verkehrsmitteln bzw. deren nachhaltige Verspätung ist jedoch nur dann eine tatsächliche Dienstverhinderung iSe Rechtfertigungsgrundes, wenn die tatsächliche Be- und Verhinderung im Zeitpunkt der entscheidenden Disposition noch nicht vorhersehbar war und der Beamte auf Grund seiner Kenntnis „noch anders disponieren konnte“ (OVG Münster, ZBR 1983, 243 [BVerwG 22.02.1983 - BVerwG 1 D 31.82]).
Hier liegt es so, dass der Beamte hinsichtlich seiner Abreise am 14. April 2000 selbst nicht vorträgt, durch objektive Umstände be- und verhindert gewesen zu sein. An diesem Tage ist er aus eigenem Entschluss früher abgefahren, wenngleich er dazu durch Veränderungen seiner vorangegangenen Planung (Ausfall eines Treffens in F mit der damit einhergehenden Zeitersparnis) veranlasst worden ist.
Hinsichtlich der Rückreise am 2. Mai 2000, die der Beamte in den Mittelpunkt seines Antrages rückt, war vor Antritt der Reise zwar schon damit zu rechnen, dass die Fähre später in M sein werde, zumal das Fährunternehmen auf eine spätere Abfahrt aus T hingewiesen hatte, was ja für den Beamten überhaupt Veranlassung war, entsprd. Vorkehrungen (Vertretung, Stundenverlagerung) zu treffen. Aber es bestand auch die Möglichkeit, dass die Fähre ohne jede Verspätung in M sein werde und er dann u.U. 4 Stunden früher in der Schule werde sein können. Allerdings wäre auch bei dieser Gestaltung nach den Angaben des Beamten, der erst nachmittags eingetroffen sein will, nur eine Anwesenheit etwa ab der Mittagszeit möglich gewesen, kaum eine solche schon morgens zu Zeiten des normalen Schulunterrichts. Selbst wenn insoweit noch eine um 1 bis 2 Stunden frühere Ankunft im Hinblick auf eine insgesamt kürzere Fahrzeit von M nach H unterstellt wird, wäre eine Wahrnehmung der 6-stündigen Unterrichtsverpflichtungen nicht möglich gewesen. Deshalb muss davon ausgegangen werden, dass der Beamte jedenfalls ab Erhalt des Tickets Anfang April 2000 schon mit seiner Abwesenheit am 2. Mai 2000 rechnete und er aus diesem Grunde entsprechende Vorkehrungen - „Vorziehen“ von Unterrichtsstunden - getroffen hat. Ursächlich für die Abwesenheit des Beamten am 2. Mai 2000 war - hiervon abgesehen - jedoch die Buchung der Fährverbindung M-T überhaupt, bei der bekannt war, „dass sie wahrscheinlich um einige Stunden früher und auf der Rückfahrt später startete als die G-Fähre“ (vgl. das Schreiben des Beamten v. 3. Mai 2000). Hieran muss sich der Beamte festhalten lassen: Die Reise war von Anfang an, als der Beamte noch Einfluss auf die Reisegestaltung und die An- und Abfahrtszeiten hatte, so angelegt, dass sowohl am 14. April als aber auch am 2. Mai 2000 ein normaler Unterricht nicht mehr möglich war.
Damit war der Beamte nicht aus Gründen am Unterricht gehindert, die er nicht zu vertreten hat. Die Tatbestandsmäßigkeit des § 9 BbesG ist also ebenso gegeben wie es zugleich auch an einem Rechtfertigungsgrund (der tatsächlichen Be- und Verhinderung) fehlt (Schwegmann/Summer, aaO, Rz. 9 f S. 23). Der Beamte hat nämlich die Reise mit Umsicht geplant und schon zu einem Zeitpunkt, als erkennbar wurde, dass er aller Voraussicht nach weder am 14. April noch am 2. Mai 2000 seinen Dienst werde verrichten können, dafür Sorge getragen, dass er - so am 2. Mai - durch Kollegen vertreten wird, die sich dazu auch bereit erklärt hatten. Ihm lag daran, einerseits die Reise durchzuführen und andererseits in der Schule für eine Vertretung zu sorgen. Hierbei hat er jedoch den korrekten Weg dazu, nämlich den Schulleiter in seine Planungen einzubeziehen und sein Fernbleiben mit diesem abzustimmen, nicht eingehalten. Vielmehr hat er an der Schulleitung vorbei eigenmächtig für Vertretungsregelungen und Unterrichtsverlagerungen gesorgt - seine eigene Abwesenheit an den beiden Tagen bereits einkalkulierend und voraussehend. Somit ist er ungenehmigt seinem zeitlich fixierten Dienst fern geblieben. Der Beamte hat damit gerechnet, dass er nach den bekannten Informationen nicht zeitgerecht in M werde an- und abreisen können, wenn er an den beiden hier maßgeblichen Tagen noch Schulunterricht erteilt.
Es fehlt bei dieser Lage der Dinge auch nicht an einem Verschulden des Beamten. Dieses liegt grundsätzlich bei vorsätzlichem und fahrlässigem Handeln vor, wobei entscheidend ist, ob der Beamte den Grund seiner Abwesenheit objektiv und unter Berücksichtigung seiner persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten auch subjektiv zu vertreten hat, also die Pflichtwidrigkeit seines Handelns erkannt hat oder aber erkennen musste. Dem Beamten war bekannt, dass er sich hinsichtlich seiner Planungen mit der Schulleitung hätte in Verbindung setzen müssen und dass an den Tagen vor und nach den Ferien eine Genehmigung seiner Abwesenheit kaum in Betracht kam. Deshalb wollte er den Schulleiter erst gar nicht einschalten, vielmehr die Dinge selbst in die Hand nehmen. Der Beamte hat seine Abwesenheit an den beiden Tagen somit von Anfang an einkalkuliert und billigend in Kauf genommen - wissend, dass er sie an sich mit der Schulleitung hätte abstimmen müssen. Das sieht auch der Beamte so. Andernfalls hätte es nicht einer Entschuldigung bedurft (Schreiben v. 21. Juni 2000 an die Bezirksregierung L). Wenn er sein Verhalten damit begründet, er habe den Schulleiter „nicht in eine unangenehme Entscheidungssituation bringen“ wollen, so vermag ihn das nicht zu entlasten. Vor allem hat er angesichts dieser Motivation, mit der er sämtliche Folgen seines Handelns auf sich genommen hat, für das einzustehen, was mit seinem (geplanten) Vorgehen verbunden ist.
Angesichts dessen, dass im Bescheid der beteiligten Behörde vom 6. Juli 2000 ein Verlust der Dienstbezüge lediglich für die „5. und 6. Stunde des 14.04.2000“ sowie für die „1. - 6. Stunde des 02.05.2000“ festgestellt worden ist, kann es dahinstehen, ob mit Rücksicht auf die bei Beamten grundsätzlich anzuwendende (pauschalierende) Berechnungsmethode (vgl. dazu NDH, aaO., NdsVBl. 1995, S. 110) und mit Blick auf die überdies bekannten Besonderheiten bei Lehrern, welche sie von anderen Beamten grundsätzlich unterscheidet, eine andere Berechnung des Verlustes an Dienstbezügen in Betracht zu ziehen gewesen wäre.
Ob hier im disziplinarrechtlichen Sinne eine besondere Fallgestaltung deshalb vorliegt, weil der Beamte sich bemüht hat, negative Auswirkungen auf den Schulunterricht nach Möglichkeit zu vermeiden (vgl. Schreiben des Beamten vom 13. September 2000), ist nicht mehr im vorliegenden, besoldungsrechtlichen Feststellungsverfahren zu entscheiden (vgl. dazu Urt. des BVerwG v. 12.4.2000, Buchholz 232 § 73 Nr. 20).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 3 iVm 113 und 115 NDO. Gemäß § 111 Abs. 1 NDO ist das Verfahren gerichtsgebührenfrei.