Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 27.03.2001, Az.: 4 A 234/99

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
27.03.2001
Aktenzeichen
4 A 234/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40201
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Übernahme von Kosten für eine Studienfahrt.

2

Die am 21. Mai 1978 geborene Klägerin ist Staatsangehörige Bosnien-Herzegowinas. Sie ist 1994 mit ihrer Mutter nach Deutschland eingereist und seitdem im Besitz von jeweils befristeten Duldungen. Die Klägerin besuchte von August 1997 bis Juli 1998 an den Berufsbildenden Schulen W.  die Berufsfachschule Sozialassistentin. Anschließend besuchte sie dort ab dem 3. September 1998 die Fachschule Sozialpädagogik, um sich zur staatlich anerkannten Erzieherin ausbilden zu lassen. Ihren Antrag vom 29. September 1998, die monatlichen Fahrtkosten für die Zugfahrt von ihrem Wohnort in F.  nach W.  zu den Berufsbildenden Schulen zu übernehmen, lehnte die Stadt F. mit Bescheid vom 8. Oktober 1998 ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung Lüneburg mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 1998 zurück. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Kosten der Zugfahrkarte nicht zum notwendigen Lebensbedarf nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz gehörten. Auch nach § 6 Asylbewerberleistungsgesetz könnten die Fahrtkosten nicht übernommen werden, da sie weder zur Sicherung des Lebensunterhalts noch zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten seien. Der Besuch der Fachschule Sozialpädagogik sei für die Klägerin nicht zur Erfüllung der Schulpflicht erforderlich. Auch sei er nicht für den Abschluss der Ausbildung notwendig, da die Klägerin bereits eine Ausbildung zur Sozialassistentin durchlaufen habe. Dabei handele es sich um eine abgeschlossene Berufsausbildung, die auch nicht auf Niedersachsen beschränkt sei. Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, dass ihr die Möglichkeit gegeben werde, mehr als eine Berufsausbildung abzuschließen.

3

Mit Schreiben vom 28. September 1999 beantragte die Klägerin bei der Stadt F. die Übernahme von Kosten für eine Studienfahrt vom 1. bis zum 6. November 1999 in Höhe von 276,50 DM für Übernachtung und Verpflegung, Fahrtkosten in Höhe von 40,00 DM und Taschengeld in Höhe von 50,00 DM. Beigefügt war eine Bescheinigung der Berufsbildenden Schulen W. vom 23. September 1999, nach der die einwöchige Studienfahrt in den Harz im Rahmen der Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin unternommen werde. Deren Programmpunkte seien Inhalte der Ausbildung und in die Unterrichtsfächer Sozialpädagogik mit Übungen sowie Wahlpflichtangebote integriert. Eine Teilnahme sei dementsprechend für alle Schüler verpflichtend. Mit Bescheid vom 4. Oktober 1999 lehnte die Stadt F.  den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung verwies sie auf die ablehnenden Bescheide bezüglich der Übernahme der Fahrtkosten zu den Berufsbildenden Schulen W.  nach denen der Besuch der Schule in W.  aus leistungsrechtlicher Sicht nicht als notwendig anerkannt werden könne. Die Kosten der Studienfahrt gehörten nicht zum notwendigen Lebensbedarf nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz. Sie könnten auch nicht als sonstige Leistungen nach § 6 Asylbewerberleitungsgesetz gewährt werden, zumal der Besuch der Fachschule Sozialpädagogik nicht als notwendig im Sinne des Asylbewerberleitungsgesetz anerkannt werden könne. Der Besuch der Schule sei weder zur Erfüllung der Schulpflicht noch für den Abschluss der Ausbildung erforderlich. Mit Schreiben vom 14. September 1999 legte die Klägerin dagegen Widerspruch ein. Sie führte aus, dass die von ihr begonnene Ausbildung als Erzieherin im Juli 2000 beendet werde. Die Ausbildung zur Sozialassistentin könne nicht als abgeschlossen angesehen werden. Frau R. von den Berufsbildenden Schulen W. erläuterte mit einem an die Stadt F.  gerichteten Schreiben vom 20. Oktober 1999, dass sich die Klägerin im letzten Ausbildungsjahr einer vierjährigen Ausbildung zur Erzieherin befinde. Die vorab geleistete Ausbildung zur staatlich geprüften Sozialassistentin könne nicht als vollwertige sozialpädagogische Ausbildung angesehen werden, da sie lediglich für Kindertagesstätten nach der Kindertagesstättengesetzgebung nicht aber nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz anerkannt werde. Eine Fachschulausbildung sei demzufolge zwingend notwendig, um auf dem deutschen sowie ausländischen Arbeitsmarkt vermittelbar zu sein. Bei der Studienfahrt handele es sich um eine unterrichtsbezogene Fahrt mit der Thematik "Erlebnispädagogik". Dieses Thema sei prüfungsrelevant und vor Ort an der Schule in der Intensität der Erfahrungen nicht vermittelbar. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 1999 wies die Bezirksregierung Lüneburg den Widerspruch der Klägerin zurück.

4

Die Klägerin hat am 2. Dezember 1999 Klage erhoben.

5

Sie macht geltend, dass die Ausbildung zur Erzieherin von allen Dienststellen anerkannt sei. Sie habe eine weitere Duldung erhalten, um ihre Ausbildung beenden zu können. Ihre Klassenlehrerin habe die von ihr verauslagten Kosten in Höhe von 275,00 DM zurückgefordert.

6

Die Klägerin beantragt,

7

den Bescheid der Stadt F.  vom 4. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 5. November 1999 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Kosten der Studienfahrt vom 1. bis 6. November 1999 in Höhe von 275,00 DM als Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu gewähren.

8

Der Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitsstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung Lüneburg verwiesen.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

13

Der Bescheid der Stadt F.  vom 4. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 5. November 1999 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen für anlässlich der Studienfahrt vom 1. bis 6. November 1999 entstandene Kosten.

14

Da der geltend gemachte Bedarf nicht zu den Grundleistungen nach § 3 AsylbLG gehört, könnte sich ein Anspruch der Klägerin nur aus § 6 AsylbLG ergeben. Danach können sonstige Leistungen insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind. Die Tatbestandsvoraussetzungen einer dieser genannten vier Fallgruppen liegen hier nicht vor.

15

Grundsätzlich können zwar die Kosten für die Teilnahme an einer Klassenfahrt als zur Deckung der besonderen Bedürfnisse von Kindern erforderlich sein. Kinder im Sinne des § 6 AsylbLG sind in Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG Minderjährige, d. h. noch nicht 18 Jahre alte Personen. Die Klägerin war bei Durchführung der Studienfahrt jedoch bereits 21 Jahre alt, so dass diese Fallgruppe die von ihr begehrte Leistung nicht mehr erfassen konnte. Die von der Klägerin begehrte Leistung kann auch nicht als im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts unerlässlich im Sinne der ersten Fallgruppe angesehen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zwischen den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und dem notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG keine Deckungsgleichheit besteht. Dies hat zur Folge, dass nicht jeder dem notwendigen Lebensunterhalt zugehörige Bedarf auch zur Sicherung des Lebensunterhalts unerlässlich im Sinne des § 6 Abs. 1 AsylbLG ist. Unerlässlich im Sinne des § 6 Satz 1 AsylbLG bedeutet eine Beschränkung auf solche Leistungen, die zur Realisierung des Sicherungszweckes (Lebensunterhalt) unverzichtbar sind. Davon kann bei den begehrten Leistungen für die Studienfahrt nicht ausgegangen werden. Nach der Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. vom 09.02.1995 - BVerwG 5 C 2.93 -, FEVS 45, 397) können die Kosten für eine mehrtägige Klassenfahrt zum notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des Sozialhilferechts gehören, da es sich bei Klassenfahrten von der allgemeinen Schulpflicht unterliegenden Schülern um einen besonderen Bedarf von Kindern und Jugendlichen im Sinne von § 12 Abs. 2 BSHG handeln kann. Für volljährige Schüler besteht ein derartiger besonderer jugendspezifischer Bedarf jedoch nicht mehr. Insofern ist bereits zweifelhaft, ob der in Streit stehende Bedarf überhaupt zum notwendigen Lebensunterhalt gehört. Jedenfalls kann er nicht als unerlässlich zur Sicherung des Lebensunterhalts eingestuft werden.

16

Zwar kann die Behörde nach § 6 Satz 1 AsylbLG, wie sich aus der Formulierung "insbesondere" ergibt, auch über die Fallgruppen hinaus in besonderen Fällen weitere sonstige Leistungen im Wege des Ermessens gewähren. Dieses Ermessen ist allerdings im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Vorschrift restriktiv auszuüben und kommt nur bei außergewöhnlichen Umständen wie z.B. einem Todesfall, besonderem Hygienebedarf oder körperlichen Beeinträchtigungen in Betracht ( vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucksache 12/2746, S. 16, abgedruckt in GK - AsylbLG III - § 6). Dass die Teilnahme an einer Studienfahrt im Rahmen einer Ausbildung diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist offensichtlich. Dabei stellt sich schon die Frage, ob der Beklagte überhaupt verpflichtet gewesen war, der Klägerin für ihre zweijährige Ausbildung zur Sozialassistentin durch Übernahme der Fahrtkosten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu gewähren. Denn Ausbildungskosten dürften ohnehin nicht zu den Leistungen nach § 6 Satz 1 AsylbLG gehören. Es ist daher jedenfalls nicht zu beanstanden, dass der Beklagte es abgelehnt hat, der Klägerin noch für eine zweite Ausbildung Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu gewähren. Dass die Ausbildung zur Erzieherin auf der Ausbildung zur Sozialassistentin aufbaut, ändert nichts daran, dass die Klägerin mit der Ausbildung zur Sozialassistentin bereits eine abgeschlossene Ausbildung durchlaufen hat.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.