Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 25.08.2005, Az.: 22 W 51/05

Abschiebehaftanordnung; Abschiebungshaftanordnung; Analogie; Antragsrücknahme; Auslagenerstattungsanspruch; entsprechende Anwendung; Freiheitsentziehungsverfahren; freiwillige Gerichtsbarkeit; Haftantrag; Kostenerstattungsanspruch; Rechtsmittelinstanz; Verfahrenserledigung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
25.08.2005
Aktenzeichen
22 W 51/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 50915
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG - 26.06.2005 - AZ: 28 T 38/05

Tenor:

Der Beschluss des Landgerichts Hannover vom 26. Juni 2005 sowie der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 1. April 2005 werden aufgehoben.

Die Beteiligte hat dem Betroffenen die aufgrund des Antrags vom 23. März 2005 entstandenen Auslagen zu ersetzen.

Die Erstattungspflicht betrifft auch die Auslagen des Betroffenen im Beschwerde- und im weiteren Beschwerdeverfahren.

Der Beschwerdewert wird auf bis zu 500,- € festgesetzt.

Gründe

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1. Der Betroffene begehrt in vorliegendem Verfahren den Ersatz der ihm nach Rücknahme eines Antrags auf Anordnung der Abschiebungshaft entstandenen Auslagen.

2

Mit Beschluss vom 13. März 2003 hatte das Amtsgericht Hannover gegen den Betroffenen Abschiebungshaft für die Dauer von sechs Wochen angeordnet, beginnend mit der Entlassung aus der Untersuchungs- oder Strafhaft. Diese Entscheidung wurde zunächst nicht vollzogen, weil der am 6. März 2003 festgenommene Betroffene für die Dauer von zwei Jahren zunächst Untersuchungs- und nachfolgend Strafhaft verbüßte. Mit Verfügung der Beteiligten vom 18. Februar 2004 wurde der Betroffene ausgewiesen und aufgefordert, das Bundesgebiet innerhalb von zwei Wochen nach Entlassung zu verlassen. Sollte dies nicht der Fall sein, wurde die zwangsweise Abschiebung angedroht. Mit Schriftsatz vom 23. März 2005 hat die Beteiligte hilfsweise (soweit das Amtsgericht dies für erforderlich erachte) beantragt, gegen den Betroffenen, der sich nach seiner Entlassung aus der Strafhaft aufgrund des Beschlusses vom 13. März 2003 nunmehr in Abschiebungshaft befand, erneut die Abschiebungshaft anzuordnen. Mit Beschluss ebenfalls vom 23. März 2005 hat das Amtsgericht auf Antrag des Betroffenen die Anordnung der Sicherungshaft vom 13. März 2003 aufgehoben und die sofortige Entlassung des Betroffenen angeordnet. Zugleich wurde aufgrund des neuen Antrags der Beteiligten vom 23. März 2005 ein Anhörungstermin auf den 30. März 2005 anberaumt und dem Betroffenen der Antrag der Beteiligten zugeleitet. Mit Schriftsatz vom 29. März 2005 hat die Beteiligte sodann ihren Antrag vom 23. März 2005 zurückgenommen.

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Mit Beschluss vom 1. April 2005 hat das Amtsgericht Hannover den Antrag des Betroffenen auf Ersatz seiner Auslagen abgelehnt. Mit seiner weiteren sofortigen Beschwerde wendet er sich gegen einen Beschluss des Landgerichts Hannover vom 26. Juni 2005, mit dem die gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 1. April 2005 gerichtete sofortige Beschwerde zurückgewiesen worden war.

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2. Die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen ist zulässig. Zwar ist im Bereich des Freiheitsentziehungsgesetzes eine isolierte weitere Kostenbeschwerde nicht statthaft. Dies gilt aber nur, soweit eine Entscheidung in der Hauptsache getroffen wurde. Liegt eine solche etwa nach Erledigung der Hauptsache oder nach Rücknahme des Antrags aber nicht vor, bleibt eine (weitere) Beschwerde gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts zulässig (vgl. Marschner/Volckart, 4. Aufl., § 7 Rn. 6). Dies gilt auch für eine Entscheidung über die Auslagen.

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3. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

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Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts hält der auf die weitere sofortige Beschwerde hin vorzunehmenden rechtlichen Nachprüfung nach § 27 Abs. 1 FGG nicht stand. Die Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes.

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Nach der (vom Amtsgericht insoweit unzutreffend zitierten) Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts ist eine entsprechende Anwendung von § 16 FreihEntzG nicht auf den Fall der Rücknahme eines Antrags in der Rechtsmittelinstanz beschränkt (vgl. BayObLG vom 11.10.2002, InfAuslR 2003, 66 und vom 10.7.1979, BayObLGZ 1979, 211). Diese Vorschrift gilt nach allgemeiner Auffassung in jedem Verfahrensstadium entsprechend, wenn die antragstellende Behörde einen Haftantrag nicht weiterverfolgt oder wenn sonstwie eine Erledigung des Verfahrens eintritt (BayObLG vom 6.2.2002, 3Z BR 407/01; OLG Zweibrücken vom 22.1.2001, 3 W 7/01; OLG Celle InfAuslR 1999, 463).

8

Maßgeblich für einen solchen Anspruch ist, ob zum Zeitpunkt der Antragsstellung ein begründeter Anlass zur Stellung desselben nicht vorlag. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die materiellrechtlichen Anordnungsvoraussetzungen tatsächlich vorlagen (Marschner/Volckart, § 16 Rn. 3). Maßgeblich ist vielmehr, wie die Behörde den Sachverhalt zur Zeit der Antragstellung beurteilen durfte, wenn sie alle ihr zumutbaren Ermittlungen angestellt hätte (OLG Zweibrücken a.a.O). Unter Berücksichtigung dieses Beurteilungsmaßstabs hat ein begründeter Anlass zum Stellen des Antrags auf Abschiebungshaft vom 23. März 2005 nicht vorgelegen.

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Hierbei kann dahinstehen, ob die Beteiligte die Zeit der Untersuchungs- bzw. Strafhaft hinreichend genutzt hat, um die Abschiebung vorzubereiten. Unerheblich ist ebenfalls, ob zum Zeitpunkt der Antragstellung die materiellrechtlichen Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 AufenthG tatsächlich vorlagen. Denn ein begründeter Anlass zum Stellen eines Haftantrags bestand zu diesem Zeitpunkt bereits deshalb nicht, weil die Beteiligte mit der Verfügung vom 18. Februar 2004 den Betroffenen ausgewiesen und aufgefordert hatte, das Bundesgebiet innerhalb von zwei Wochen nach Entlassung (freiwillig) zu verlassen. Erst für das fruchtlose Verstreichen dieser Frist wurde die zwangsweise Abschiebung angedroht. Vor Ablauf dieser ab Entlassung beginnenden Frist war für eine erneute Anordnung der Sicherungshaft somit aber kein Raum. Aufgrund eben dieser Erwägung hat die Beteiligte ihren Antrag schließlich auch zurückgenommen. Dass der Betroffene sich zum Zeitpunkt der Antragstellung noch in Haft befunden hatte, erlaubt hierbei keine andere Wertung, denn die maßgebliche Frist von zwei Wochen begann mit der (zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht erfolgten) Entlassung des Betroffenen erst zu laufen. Dies musste für die Beteiligte auch erkennbar gewesen sein.

10

Hiernach waren in entsprechender Anwendung von § 16 FreihEntzG der Beteiligten die aufgrund des Antrags vom 23. März 2005 entstandenen Auslagen des Betroffenen aufzuerlegen.

11

4. Für die Auslagen des Betroffenen im Beschwerde- und im weiteren Beschwerdeverfahren gilt nichts anderes. Auch insoweit gilt eine entsprechende Anwendung von § 16 FreihEntzG (vgl. hierzu BayObLG vom 10.7.1979, a.a.O.). Von den Gerichtskosten ist die Beteiligte nach § 15 Abs. 2 FreihEntzG freigestellt.