Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 27.01.2011, Az.: 12 A 837/09

Äquivalenzprinzip; IHK-Beitrag; Mittelverwendung; Pflichtmitgliedschaft

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
27.01.2011
Aktenzeichen
12 A 837/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 45203
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Pflichtmitgliedschaft in der IHK ist verfassungsgemäß und europarechtskonform. Der IHK-Beitrag ist keine verfassungswidrige Sonderabgabe (Abgrenzung zur CMA-Abgabe). Einwände gegen die Verwendung des durch Beiträge erhobenen Aufkommens berühren die Beitragsfestsetzung grundsätzlich nicht.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Beitragsheranziehung durch die Beklagte.

Die Klägerin zu 1. ist die persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin zu 2., einer KG. Die im April 2006 gegründete Firma ist in dem Bereich der Vermögensverwaltung tätig und an anderen Unternehmen beteiligt. Der Firmensitz liegt in L. und damit im Bezirk der Beklagten.

Mit den Bescheiden vom 6. Februar 2009 zog die Beklagte die Klägerin zu 1. zu einem Beitrag von 89,50 € für das Jahr 2007, von 89,50 € (vorläufig) für das Jahr 2009 und die Klägerin zu 2. zu einem Beitrag von 179,- € für das Jahr 2007 und 179,- € (vorläufig) für das Jahr 2009 heran.

Die Klägerinnen haben am 3. März 2009 Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus: Eine Beitragspflicht bestehe nicht, da die der Beitragserhebung zugrunde liegende Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten verfassungswidrig sei und zudem gegen das Europäische Gemeinschaftsrecht verstoße. Die Zwangsmitgliedschaft der gewerbesteuerpflichtigen Unternehmen verstoße gegen die durch Art. 9 GG geschützte negative Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit. Verletzt seien neben der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG auch die Schutzbereiche des Art. 12 und des Art. 5 GG. Die Erhebung der Sonderabgabe sei nur aus besonderen sachlichen Rechtfertigungsgründen zulässig. Diese Gründe lägen aber jedenfalls seit 2002 nicht mehr vor. Nach Vollendung des Europäischen Binnenmarktes stünde der Zweck der Stärkung und des Schutzes der deutschen Industrie und des deutschen Handels, der die Pflichtzugehörigkeit in der Vergangenheit noch gerechtfertigt habe, im Widerspruch zu den Zielen eines gesamteuropäischen Marktes. Wegen des veränderten europarechtlichen Umfeldes sei das Aufkommen der Sonderabgabe nicht mehr gruppenmäßig zu verwenden, denn jede Förderung bezirksansässiger Unternehmen benachteilige Gewerbetreibende aus anderen Mitgliedsstaaten. Nachdem sich die Situation der deutschen Industrie und des Handels seit 2002 zu deren Gunsten entwickelt und stabilisiert habe - wie die DIHK-Umfrage Sommer 2008 gezeigt habe -, sei der legitime öffentliche Zweck der Wirtschaftsförderung durch die IHK weggefallen. Deshalb verstoße die Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten auch gegen Art. 11 EMRK und schränke in unzulässiger Weise den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr ein.

Auch die Höhe der Beitragsfestsetzung sei zu beanstanden. Für viele der von der Beklagten wahrgenommenen Aufgaben und Tätigkeiten sei ein Nutzen für die Beitragspflichtigen nicht erkennbar. Es würden das Äquivalenzprinzip und das Willkürverbot verletzt. Die Beklagte habe nicht nachgewiesen, wie sich die Beitragshöhe zusammensetze (Willkürverbot) und ob mit den Beiträgen beitragsfähige Kosten abgegolten würden (Äquivalenzgrundsatz). Auch der von der Beklagten vorgelegten Bilanz und der Erfolgsrechnung für das Wirtschaftsjahr 2007 lasse sich die Art der getätigten Aufwendungen und Investitionen im Einzelnen nicht entnehmen. Außerdem müsse der 2007 erwirtschaftete Gewinn beitragsmindernd berücksichtigt werden.

Die Klägerinnen beantragen,

die Bescheide der Beklagten vom 6. Februar 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Sie führt aus: Die der Beitragserhebung zu Grunde liegende Pflichtmitgliedschaft der Klägerinnen sei rechtlich nicht zu beanstanden. Dies habe das Bundesverfassungsgericht bereits 2001 erneut festgestellt. Daran habe sich in der Folgezeit auch nichts geändert. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Februar 2009 zur CMA-Abgabe sei auf den IHK-Beitrag nicht zu übertragen: Bei der CMA-Abgabe habe es sich um eine Sonderabgabe gehandelt, die besonderen verfassungsrechtlichen Zulässigkeitsanforderungen unterlegen habe. Die Beiträge der IHK dienten der allgemeinen Finanzierung der Tätigkeit einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft durch ihre Mitglieder, ein unmittelbarer Vorteil für jeden Beitragspflichtigen sei nicht erforderlich. Auch das Unionsrecht stehe der Beitragspflicht nicht entgegen. Es fehle schon der erforderliche grenzüberschreitende europarechtliche Bezug. Auch der durch das IHK-Gesetz vorgegebene Aufgabenrahmen werde nicht überschritten. Diese Frage sei im Übrigen für die Beitragserhebung unerheblich. Der für das Jahr 2007 in der Buchführung ausgewiesene Überschuss sei entsprechend des von der Vollversammlung der IHK beschlossenen Finanzstatus der Ausgleichszulage zugeführt worden. Die erhobenen Beiträge seien somit in der Höhe nicht zu beanstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässigen Klagen sind unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 6. Februar 2009 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerinnen nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu den IHK-Beiträgen durch die Beklagte ist § 3 Abs. 2 und Abs. 3 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern vom 18. Dezember 1956 (BGBl. I S. 920) in den Fassungen (für das Beitragsjahr 2007) des Art. 130 Neunte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) und (für das Beitragsjahr 2009) des Art. 7 des Vierten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 11. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2418) - IHK-G - i.V.m. § 1 Abs. 1 der Beitragsordnung der Beklagten vom 28. November 2006. Danach werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der

Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht (§ 3 Abs. 2 Satz 1 IHK-G). Zum Kreis der Kammerzugehörigen zählen nach § 2 Abs. 1 IHK-G neben natürlichen Personen auch Handelsgesellschaften, andere Personenmehrheiten und juristische Personen des privaten und öffentlichen Rechts, welche im Bezirk der IHK eine Betriebsstätte unterhalten. Die Klägerinnen erfüllen als GmbH bzw. KG mit ihren Betriebssitzen im Kammerbezirk der Beklagten unstreitig diese Voraussetzungen.

Der Auffassung der Klägerinnen, die Beitragspflicht sei gleichwohl fehlerhaft, weil die ihr zugrunde liegende Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten verfassungswidrig sei, folgt das Gericht nicht.

Das Bundesverfassungsgericht hat durch Beschluss vom 7. Dezember 2001 - 1 BvR 1806/98 - (NVwZ 2002, 335 = GewArch 2002, 111) die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, die die auch von den Klägerinnen im vorliegenden Verfahren wiederholten verfassungsrechtlichen Einwände unter Hinweis auf die ältere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurückgewiesen hatte, nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Verfassungsbeschwerde keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung habe, denn die aufgeworfenen Fragen ließen sich anhand der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. die Entscheidungen vom 19. Dezember 1962 - 1 BvR 541/57 -, BVerfGE 15, 235 und vom 18. Dezember 1974 - 1 BvR 430/65 u.a. -, BVerfGE 38, 281) beantworten. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 1962 (a.a.O.) entschieden, dass die Pflichtzugehörigkeit zur IHK weder die vom Grundgesetz gewährleistete Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG) und die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) noch das Auffanggrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt. Eine nachhaltige Veränderung der tatsächlichen gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Rahmenbedingungen vermochte das Bundesverfassungsgericht auch 2001 nach der genannten Entscheidung vom 7. Dezember 2001 nicht festzustellen. Nur bei einer Änderung der Verfassungswirklichkeit in diesem Sinn entfiele für die Instanzgerichte - und damit auch für das erkennende Gericht - die sich aus § 31 Abs. 1 BVerfGG ergebende Bindungswirkung. Eine solche Änderung liegt auch heute nicht vor. Nach § 1 IHK-G haben die Industrie- und Handelskammern die Aufgabe, das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrzunehmen und für die Wirtschaftsförderung zu wirken. Dabei soll die Selbstverwaltungskörperschaft der Wirtschaftstreibenden deren Sachverstand und Interessen bündeln, strukturieren und ausgewogen in den wirtschaftspolitischen Willensbildungsprozess einbringen und gleichzeitig den Staat in der Wirtschaftsverwaltung entlasten. An diesen Aufgaben besteht nach wie vor ein gesteigertes Interesse der Gemeinschaft, so dass es sich um legitime öffentliche Aufgaben handelt, die der Staat nach seinem weiten Gestaltungsspielraum durch öffentlich-rechtliche Verbände mit Pflichtmitgliedschaft erledigen lassen darf. Dass sich die Situation der deutschen Wirtschaft in Industrie und Handel - wie die Klägerinnen ausführen - in den letzten Jahren stabilisiert habe, spricht nicht gegen die nach wie vor bestehende Notwendigkeit der Aufgabenerledigung (das "Ob" der Aufgaben), sondern betrifft allein die Ausgestaltung (das "Wie" der Aufgabenerledigung). Diese Ausgestaltung reagiert darauf, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ständig entwickeln und damit auch ändern. Dass sich die Verhältnisse im Hinblick auf die vom Gesetzgeber vorgesehenen Aufgaben der Industrie- und Handelskammern der Wirtschaftsförderung und -verwaltung in den letzten Jahren nachhaltig geändert haben, ist entgegen der Auffassung der Klägerinnen weiterhin nicht anzunehmen. Auch wenn sich die Gewichtung der Aufgaben im Laufe der Zeit ändert, hat sich an der der Beklagten übertragenen Aufgabe, die Gesamtinteressen der gewerblichen Wirtschaft zu vertreten, nichts geändert. Da die Aufgabenwahrnehmung über die reine Interessenvertretung von Fachverbänden hinauszugehen hat, ist es auch unerheblich, ob einzelne Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Verbandes durch private Organisationen wahrgenommen werden könnten. Soweit die Klägerinnen behaupten, dass die Beklagte die ihr übertragenen Aufgabenbereiche überschritten habe, sind sie auf die Geltendmachung ihrer Mitgliedschaftsrechte in den Gremien und ggf. auf den Klageweg zu verweisen (BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2001, a.a.O.; OVG Koblenz, Urteil vom 20. September 2010 - 6 A 10282/10 -, GewArch 2010, 370; vgl. zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der sog. Limburger Erklärung durch eine IHK: BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2010 - 8 C 20.09 -, GewArch 2010, 400 = NVwZ-RR 2010, 882 [BVerwG 23.06.2010 - BVerwG 8 C 20.09]). Die IHK unterliegt nach § 11 Abs. 1 IHK-G zudem der Aufsicht des Landes, ob sie sich bei Ausübung ihrer Tätigkeit im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften hält. Das Vorbringen der Klägerinnen, die Beklagte habe bei der Aufgabenerfüllung ihre Kompetenzen überschritten, ist also nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Entgegen der Auffassung der Klägerinnen handelt es sich bei dem Beitrag zur IHK auch nicht um eine verfassungswidrige Sonderabgabe. Sonderabgaben unterliegen - darauf weisen die Klägerinnen allerdings zutreffend hin - besonderen verfassungsrechtlichen Zulässigkeitsanforderungen, da sie der Verwirklichung besonderer Sachaufgaben dienen und nicht als Gegenleistung für besondere Leistungen erhoben werden. Beiträge sind dagegen Abgaben, die der allgemeinen Finanzierung der Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Körperschaft durch ihre Mitglieder dienen und damit den besonderen Vorteil des sich aus der Mitgliedschaft ergebenden Nutzens abgelten sollen. Bei den von der Beklagten erhobenen Beiträgen handelt es sich um Beiträge in diesem Sinn. Sie sind mit der CMA-Abgabe, deren Verfassungsmäßigkeit Grundlage der von den Klägerinnen zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Februar 2009 (Az.: 2 BvL 54/06, NVwZ 2009, 641) war, nicht vergleichbar. Bei der Abgabe nach dem Absatzfondgesetz handelte es sich entgegen der gesetzlichen Terminologie gerade nicht um einen Beitrag, da die Abgabe nicht für die potentielle Inanspruchnahme einer staatlichen Einrichtung oder Leistung erhoben wurde, sondern der Finanzierung einer allgemeinen Absatzförderung im Wege staatlich organisierter "Selbsthilfe" diente (BVerwG, Urteil vom 3. Februar 2009, a.a.O.). Der IHK-Beitrag belegt dagegen die Mitglieder der IHK mit der Abgabe, da sie in Sachnähe zu dem mit der Beitragserhebung verfolgten Zweck stehen. Er trifft die homogene Gruppe der Mitglieder, für deren Zwecke das Abgabenaufkommen verwendet wird. Selbst wenn die Beklagte in den von den Klägerinnen angeführten Beispielen ihre Aufgabenzuweisung überschritten haben sollte, änderte eine solche Aufgabenüberschreitung die rechtliche Einordnung des Beitrags nicht. Die Gruppennützlichkeit des Beitragsaufkommens wird durch einzelne Übertretungen, wenn diese angenommen werden sollten, wie die Klägerinnen meinen, nicht in Frage gestellt. Dass die Beklagte sich in ihren Tätigkeiten in der Wirtschaftslenkung und -förderung auf die internationale und globale Verpflichtung ihrer Mitglieder bezieht und den deutschen Außenhandel erfasst, beseitigt die für die Beitragserhebung erforderliche Gruppennützlichkeit nicht. Das Bedürfnis nach einer allen Mitgliedern dienenden Interessenvertretung hat - im Gegenteil - diese in den letzten Jahren gewachsene Exporttätigkeit der deutschen Wirtschaft zu berücksichtigen. Die Wirtschaftsverwaltungsaufgaben der Industrie- und Handelskammern haben demnach nicht abgenommen, geschweige denn sind sie überflüssig geworden, sie haben vielmehr deutlich zugenommen.

Die Pflichtmitgliedschaft nach § 2 Abs. 1 IHK-G unterliegt auch keinen europarechtlichen Bedenken, insbesondere liegt ein Verstoß gegen die nunmehr in Art. 49 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV - geregelte Niederlassungsfreiheit nicht vor. Nach den zur Verwirklichung des Europäischen Binnenmarktes geltenden Grundfreiheiten sollen alle Hemmnisse im innergemeinschaftlichen Handel beseitigt werden. Dabei sind nicht nur die Mitgliedsstaaten, sondern auch ihre Untergliederungen wie die öffentlich-rechtlichen Körperschaften, auch wenn ihr Zuständigkeitsbereich regional begrenzt ist, an die Grundfreiheiten gebunden. Nach Art. 49 AEUV umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen. Art. 54 AEUV stellt die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben, den natürlichen Personen gleich, die Angehörige der Mitgliedsstaaten sind.

§ 2 Abs. 1 IHK-G differenziert nicht zwischen in- und ausländischen Unternehmen und hat demnach insoweit keine diskriminierende Wirkung, so dass die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit grundsätzlich nicht beeinträchtigt wird. Die Pflichtzugehörigkeit zur IHK knüpft nämlich allein an die Ausübung eines Gewerbebetriebes an und differenziert nicht nach der Staatsangehörigkeit. Sie trifft damit deutsche und ausländische Unternehmen gleichermaßen. Die Niederlassungsfreiheit wird darüber hinaus aber auch schon durch solche Maßnahmen beschränkt, die ihre Ausübung unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 17. Juli 2008 - C-500/06 -, ABl. C 42 vom 24.02.2007, m.w.N.; vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 16. Januar 2009 - 8 ME 123/08 - unter Hinweis auf ein weiteres Urteil des EuGH vom 28. Februar 2008 - C 293/06 -). Die Niederlassungsfreiheit ist aber nur berührt, wenn - wie in den vorliegenden Fällen - ein nicht nur rein innerstaatlicher Sachverhalt vorliegt. Im Übrigen sind die Pflichtmitgliedschaft und die damit verbundene Beitragspflicht lediglich Folgen der Ausübung der niedergelassenen Gewerbeausübung und stellen damit lediglich eine Ausübungsmodalität dar, die die gewerbliche Tätigkeit nicht erheblich behindert, so dass auch aus diesem Grund ein Eingriff in die Niederlassungsfreiheit nicht vorliegt. Schließlich wäre der Eingriff in die Niederlassungsfreiheit auch gerechtfertigt, weil die Industrie- und Handelskammern legitime öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Aus diesen Gründen liegen auch die weiteren von den Klägern angeführten europarechtlichen Bedenken nicht vor. Dies gilt auch im Hinblick auf Art. 11 EMRK, der das Recht der Vereinigungsfreiheit - auch der negativen Koalitionsfreiheit - gewährleistet. Diese Regelung ist schon nicht auf Körperschaften öffentlichen Rechts anwendbar. Im Übrigen ist jedenfalls der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wegen der Verfolgung legitimer staatlicher Zwecke gewahrt (vgl. zur Vereinbarkeit der Pflichtmitgliedschaft in der IHK mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht und der EMRK aus neuerer Zeit: OVG Koblenz, Urteil vom 20. September 2010, a.a.O.; OVG Münster, Beschluss vom 26. Mai 2010 - 17 A 2617/08 -, BeckRS 2010, 49593; OVG Lüneburg, Beschluss vom 16. Januar 2009, a.a.O.; VG Ansbach, Urteil vom 4. Februar 2010 - AN 4 K 09.00157 -, BeckRS 2010, 51244; VG Hannover, Urteil vom 27. April 2009 - 11 A 5427/08 -; Kirchberg, NJW 2009, 1313, jeweils mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen).

Rechtliche Bedenken bestehen auch hinsichtlich der Bemessung der Beitragshöhe nicht.

Die Beitragserhebung der Beklagten stützt sich auf § 3 Abs. 2 und Abs. 3 IHK-G i.V.m. der Beitragsordnung vom 28. November 2006 und der jeweiligen Wirtschaftssatzung und erfolgt durch Grundbeiträge und Umlagen. Die Grundbeiträge, den Hebesatz der Umlage sowie die Freistellungsgrenze setzt die Vollversammlung der Beklagten jährlich in der Wirtschaftssatzung fest (§ 1 Abs. 3 der Beitragsordnung). Darin wird auch die Staffelung und die Höhe der Grundbeiträge festgesetzt (§ 1 Abs. 1 Beitragsordnung). Die Berechnung der Umlage richtet sich gemäß § 7 Beitragsordnung nach dem Gewerbeertrag. Für Komplementärgesellschaften kann der Grundbeitrag ermäßigt werden (§ 14 Beitragsordnung). Nach Abschnitt III Nr. 2 der Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2007 ist der Grundbeitrag für IHK-Zugehörige, die im Handelsregister eingetragen sind oder deren Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetrieb erfordert, mit einem Verlust oder Gewerbeertrag, hilfsweise Gewinn auf Gewerbebetrieb, bis 52.000,- € auf 179,- € festgelegt, für Komplementärgesellschaften ermäßigt um 50 %. Diese Beiträge wurden auch für das Wirtschaftsjahr 2009 in der Wirtschaftssatzung 2009 Unterabschnitt II festgesetzt.

Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden diese Regelungen angewandt und die Klägerinnen zu den Grundbeiträgen von 179,- € bzw. 89,50 € herangezogen. Die Klägerinnen wenden sich auch nicht gegen die fehlerhafte Anwendung der Regelungen. Sie halten die Regelungen selbst hinsichtlich der Höhe der Beiträge für verfassungswidrig, insbesondere seien der Gleichheitsgrundsatz und das Äquivalenzprinzip verletzt. Dem folgt die Kammer nicht.

Zutreffend weisen die Klägerinnen zwar darauf hin, dass sich die Grenzen der Festsetzungen in der Beitragsordnung und der Wirtschaftssatzung aus dem IHK-Gesetz und der Verfassung ergeben. Dabei sind das Äquivalenzprinzip als beitragsrechtliche Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten. Das erkennende Gericht hat im Urteil vom 14. November 2006 - 12 A 857/05 - (Entscheidungsdatenbank des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts: www.dbovg.niedersachsen.de ) für vergleichbare Festsetzungen des Grundbeitrages für das Rechnungsjahr 2005 ausgeführt:

"Die Bedenken der Klägerin gegen die Festsetzung greifen nicht durch. Der auf 179,00 € festgesetzte Grundbeitrag trägt insbesondere dem nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, auch bei Industrie- und Handelskammerbeiträgen (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 - 1 C 45.87 -, GewArch 1990, 398) zu beachtenden Äquivalenzprinzip sowie dem Gleichheitssatz Rechnung.

Eine Verletzung des Äquivalenzprinzips ist nicht ersichtlich. Nach diesem Prinzip, welches als beitragsrechtliche Ausprägung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes grundsätzlich auch bezüglich der Mitgliedsbeiträge zu den Kammern zu beachten ist, darf die Höhe der Beiträge nicht im Missverhältnis zu dem Vorteil stehen, den sie abgelten soll und einzelne Mitglieder dürfen nicht im Verhältnis zu anderen übermäßig hoch belastet werden (BVerwG, a.a.O.). Eine Verletzung dieses Grundsatzes ist vorliegend nicht ersichtlich. Der Vorteil, den die Klägerin als Mitglied der Beklagten aus der Kammertätigkeit zieht, besteht darin, dass die Beklagte die ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben erfüllt, insbesondere das Gesamtinteresse der ihr zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrnimmt und für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft wirkt (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 IHKG). Der Vorteil dieser Interessenvertretung kommt allen Mitgliedern zu Gute. Die Anknüpfung an den Nutzen, der sich aus der Wahrnehmung des Gesamtinteresses der Kammerangehörigen ergibt, stellt einen hinreichenden Bezug zwischen Vorteil und Beitragshöhe dar. Aus dem Äquivalenzprinzip ergeben sich für Beiträge der vorliegenden Art keine weiteren konkreten Anforderungen. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass der Beitrag einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil ausgleicht, der sich bei den einzelnen Kammerangehörigen messbar niederschlägt. Eine solche Bemessungsweise kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte in erster Linie die Gesamtbelange ihrer Mitglieder zu wahren hat und sich diese Tätigkeit regelmäßig nur mittelbar bei den einzelnen Mitgliedern auswirken kann (BVerwG, Urteil vom 21. Juli 1998 - 1 C 32.97 -, BVerwGE 107, 169). Im Hinblick auf diese Ausführungen ist ein Missverhältnis zwischen Beitragshöhe und Vorteil nicht gegeben. … Das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass das Äquivalenzprinzip bei einem Jahresbeitrag von 179,00 € verletzt sein könnte. Ob die Erhöhung durch tatsächliche Gegebenheiten, wie z.B. einen Aufgabenzuwachs oder allgemein steigende Kosten, insbesondere Personalkosten, gerechtfertigt ist, bedarf keiner Entscheidung, da sich der Jahresbeitrag 2005 auch in seiner absoluten Höhe als angemessen darstellt. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Festsetzung willkürlich erfolgt ist und die Beklagte mit dem erhöhten Beitragsaufkommen ihr fremde Aufgaben erfüllen will, insbesondere bestrebt ist, Gewinne zu erzielen. … Zunächst ist festzuhalten, dass auch das Äquivalenzprinzip nicht eine exakt bestimmbare Beitragshöhe verlangt. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Beschlussfassung über den Haushaltsplan und damit über die Beitragshöhe um eine Selbstverwaltungsangelegenheit der Beklagten handelt. bei der Festsetzung der Beiträge hat sie einen weiteren Ermessens- und Gestaltungsspielraum, der zur Begründung für eine bestimmte Beitragsfestsetzung eine nachvollziehbare Abwägung der verschiedenen für die Kammerfinanzierung wichtigen Gesichtspunkte ausreichen lässt (Frentzel/Jäkel/Junge, Industrie- und Handelskammergesetz, 6. Auflage, 1999,. § 3 Rn. 38, 50 mit weiteren Nachweisen). Für die erkennende Kammer sind angesichts der Ausführungen im Protokoll der Sitzung der Vollversammlung zur Beschlussfassung über die Beitragshöhe keine sachfremden Gesichtspunkte zu erkennen. Vielmehr zeigt sich gerade angesichts der kritischen Stimmen in der Vollversammlung und angesichts des Abstimmungsergebnisses, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung und eine sachgerechte Abwägung stattgefunden hat. Auch die Klägerin trägt insoweit nichts Gegenteiliges vor.

Mit den Ausführungen im Rahmen der Beratung und Beschlussfassung über die Beitragsfestsetzung durch die Vollversammlung geht auch der Einwand der Klägerin, die Erhöhung der Beiträge sei nicht ausreichend begründet, ins Leere.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Kläger selbst die Möglichkeit hatte, über die Vollversammlung entsprechenden Einfluss auf die Beitragshöhe zu nehmen. Dass sie von den ihr eingeräumten Möglichkeiten (vgl. §§ 4, 5 IHKG) Gebrauch gemacht und versucht hat, auf eine niedrigere Beitragshöhe hinzuwirken, ist nicht ersichtlich und wird von ihr auch nicht behauptet. Gleichfalls hat die Kammer keinen Anlass zur Annahme, dass die Beklagte ihre aus dem Äquivalenzprinzip abzuleitende Pflicht zu einem sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsgebaren verletzt hat. Insoweit wendet die Klägerin - vorprozessual - lediglich ein, kostspielige Neujahrsempfänge brächten keinen Nutzen. Empfänge, die die Möglichkeit bieten, informelle Kontakte zwischen den Mitgliedern der Beklagten und den Repräsentanten des Staates und der Kommunen herzustellen, dienen der Förderung der Wirtschaft. Nach § 1 Abs. 1 IHKG bestehen die Aufgaben der Industrie- und Handelskammern darin, das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirkes wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen. Diese Aufgabenbereiche lassen sich danach allgemein in "Vertretung der gewerblichen Wirtschaft gegenüber dem Staat" und "Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben auf wirtschaftlichem Gebiet" unterscheiden. Diese Tätigkeitsfelder lassen die Durchführung von solchen Empfängen zu. Die Empfänge bieten die Möglichkeit, informelle Kontakte zwischen den Mitgliedern der Beklagten und den Repräsentanten des Staates und der Kommunen herzustellen und eröffnen im weitesten Sinne die Chance zur Beteiligung und Mitwirkung an öffentlichen Entscheidungsprozessen, wenn auch nur informell. Damit dienen sie letztendlich auch der Förderung der Wirtschaft (vgl. Verwaltungsgericht Gießen, Urteil vom 29. Juni 2005 - 8 E 3197/03 -, GewArch 2006, 30 [VG Gießen 29.06.2005 - 8 E 3197/03] zu einem "Sommerempfang"). Auch die Rechnungsprüfungsstelle für die Industrie- und Handelskammern hat in ihrem Prüfbericht vom 13. April 2006 der Beklagten ausdrücklich bestätigt, dass die Buchführung mit der Haushaltsrechnung und dem Vermögensnachweis übereinstimmt, dass die Geschäfte der Finanzverwaltung ordnungsgemäß geleitet und abgewickelt und die Bücher sorgfältig geführt wurden. Weiter heißt es dort (vergleiche unter V/3), dass die Beklagte die ihr zur Verfügung stehenden Mittel im Rahmen des Haushaltsplanes und nach den Grundsätzen zweckmäßiger, auf Sparsamkeit bedachter Finanzwirtschaft verwendet hat. Die Kammer hat keinen Anlass, an diesen Ausführungen zu zweifeln."

An dieser Rechtsprechung hält die Kammer fest. Hervorzuheben ist im Hinblick auf die Kritik der Klägerinnen an einzelnen Aktivitäten der Beklagten, dass der Vorteil, für den von den Mitgliedern ein Beitrag erhoben wird, die Erfüllung aller Aufgaben ist, nicht dagegen das Ergebnis bestimmter einzelner Tätigkeiten (vgl. für den vergleichbaren Mitgliedsbeitrag für die Handwerkskammer: BVerwG, Urteil vom 1. März 1977 - I C 42.74 -, NJW 1977, 1893). Einwände gegen die Verwendung des durch Beiträge erhobenen Aufkommens berühren die Beitragsfestsetzung selbst dann nicht, wenn einzelne Verwendungen tatsächlich rechtlich bedenklich wären. Dass sich die IHK wie andere öffentliche Verbände nur insoweit betätigen darf, als ihr der Gesetzgeber ein Tätigkeitsfeld eröffnet hat, ist nämlich keine Frage des Beitragsrechts. Die Mitglieder haben - wie ausgeführt - bei Aufgabenüberschreitungen das Recht, diesen in den Verbandsgremien und ggf. im Wege einer Unterlassungsklage zu begegnen (OVG Lüneburg, Urteil vom 20. Mai 1996 - 8 L 647/95 -, GewArch 1996, 413). Die Reduzierung des Beitrags bei Aufgabenüberschreitungen - wenn diese angenommen werden - würde zudem lediglich das gesamte Beitragsaufkommen verkürzen, aber nicht bewirken, dass die IHK die von dem jeweiligen Mitglied beanstandeten Tätigkeiten einstellt. Die Beiträge richten sich nach im Voraus festgelegten Berechnungen und sodann beschlossenen Beträgen, die die gesetzlich übertragenen Aufgaben sicherstellen sollen. Mit der den Industrie- und Handelskammern übertragenen Aufgaben und dem ihnen zukommenden Zweck wäre es nicht vereinbar, wenn über jeweilige Mittelverwendungen bei der Beitragserhebung gestritten würde.

Ob und unter welchen Voraussetzungen bei einem groben Missverhältnis zwischen unzulässiger Aufgabenerfüllung und Beitragserhebung eine Reduzierung überhaupt in Betracht kommt, kann dahinstehen, da die Klägerinnen zum einen solche offensichtlich fehlerhaften Betätigungen der Beklagten, die beitragsrechtlich zu Buche schlagen könnten, nicht geltend machen und sie zum anderen auf das ihnen zustehenden Recht, innerhalb der Gremien der Beklagten ihren Anspruch durchzusetzen, zu verweisen sind.

Aus diesem Grund bedarf es der von den Klägerinnen beantragten Vorlage der Haushaltspläne und Bilanzen in diesem Verfahren nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.