Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 31.03.2014, Az.: 1 Ws 47/14
Entscheidungsbefugnis über die Anrechnung einer Unterbringung auf eine verfahrensfremde Freiheitsstrafe
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 31.03.2014
- Aktenzeichen
- 1 Ws 47/14
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 16258
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2014:0331.1WS47.14.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Nieburg - 13.01.2014
Rechtsgrundlagen
- § 67 Abs. 4 StGB
- § 458 Abs. 1 StPO
Amtlicher Leitsatz
1. Über die Anrechnung einer Unterbringung auf eine verfahrensfremde Freiheitsstrafe entscheidet die für die Führung des für eine Anrechnung in Betracht kommenden Verfahrens zuständige Staatsanwaltschaft.
2. Erst gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft kann das Gericht nach § 458 Abs. 1 StPO angerufen werden.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen mit Sitz bei dem Amtsgericht Nienburg vom 13. Januar 2014 aufgehoben, soweit unter III. der Gründe die Nichtanrechnung der Maßregelvollstreckung auf die verfahrensfremde Freiheitsstrafe 6162 Js 48305/05 angeordnet wurde.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe
I.
Mit Urteil des Amtsgerichts Neustadt a. Rbge. - Schöffengericht - vom 20. Februar 2006 in Verbindung mit dem Urteil der 15. kleinen Strafkammer des Landgerichts Hannover vom 20. Juni 2006 wurde der Verurteilte im beigezogenen Verfahren 6162 Js 48305/05 wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 50 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 5 Monaten verurteilt (Bl. 1 f. d. VH 6162 Js 48305/05 der StA Hannover). Mit Beschluss des Amtsgerichts Neustadt a. Rbge. vom 19. April 2007 wurde nach einer Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG die Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt (Bl. 64 d. VH 6162 Js 48305/05 der StA Hannover). Die Reststrafe aus diesem Verfahren beträgt 553 Tage (Bl. 68 d. VH 6162 Js 48305/05 der StA Hannover).
Mit Beschluss vom 24. August 2011, rechtskräftig seit dem 03. September 2011, wurde die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung widerrufen (Bl. 102 d. VH 6162 Js 48305/05 der StA Hannover).
Mit dem dem hiesigen Verfahren zugrundeliegenden Urteil vom 14. April 2011 hat das Amtsgericht Burgwedel den Verurteilten wegen Körperverletzung in zwei Fällen und gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt und die Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Das Urteil wurde am 10. Mai 2011 rechtskräftig (Bl. 2 ff. Bd. I d. VH). Zuvor befand sich der Verurteilte vom 12. Mai 2009 bis 13. November 2009 in Untersuchungshaft. Des Weiteren erfolgte am 24. August 2008 eine vorläufige Festnahme (Bl. 45 Bd. I d. VH).
Der Verurteilte wurde aufgrund eines Vollstreckungshaftbefehls am 17. September 2011 festgenommen (Bl. 34 Bd. I d. VH) und am gleichen Tag in den Maßregelvollzug aufgenommen (Bl. 43 Bd. I d. VH). Die verlängerte Höchstfrist der Unterbringung nach § 64 StGB wurde auf den 14. Juli 2014 berechnet (Bl. 45 Bd. I d. VH).
Mit dem angefochtenen Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen mit Sitz bei dem Amtsgericht Nienburg vom 13. Januar 2014 ordnete die Kammer an, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aus dem Urteil vom 14. April 2011 nicht weiter zu vollziehen und die noch zu vollstreckende Restfreiheitsstrafe aus diesem Urteil nicht zur Bewährung auszusetzen. Des Weiteren entschied die Strafvollstreckungskammer unter III. der Gründe, dass eine Anrechnung der Zeit der Unterbringung auf das Verfahren 6162 Js 48305/05 der Staatsanwaltschaft Hannover nicht zu erfolgen hat (Bl. 8 ff. Bd. II d. VH).
Der Beschluss wurde dem Verteidiger und dem Verurteilten am 13. Januar 2014 zugestellt (Bl. 19, 22 Bd. II d. VH).
Hiergegen hat der Verurteilte durch seinen Verteidiger mit Schriftsatz vom 20. Januar 2014, beim Amtsgericht Nienburg am gleichen Tag eingegangen, sofortige Beschwerde, beschränkt auf die Frage der Anrechnung auf die verfahrensfremde Freiheitsstrafe im Verfahren 6162 Js 48305/05, eingelegt (Bl. 25 Bd. II d. VH). Der Verurteilte vertritt die Auffassung, dass die Ablehnung der Anrechnung mit der Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 27. März 2012, - 2 BvR 2258/09 -) nicht zu vereinbaren sei (Bl. 29 ff. Bd. II d. VH).
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen (Bl. 66 ff. Bd. II d. VH).
II.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
Insbesondere ist der Verurteilte durch die Ausführungen unter III. der Gründe des angefochtenen Beschlusses auch beschwert. Zwar ergibt sich eine Beschwer nicht aus einer bloß unzutreffenden Begründung einer Entscheidung (Paul in KK, StPO, 7. Aufl., Rn. 5 a vor § 296 StPO). In der Entscheidungsformel (Bl. 8 Bd. II d. VH) hat sich die Kammer hier nicht mit der Frage der verfahrensfremden Anrechnung befasst. Der angefochtene Beschluss ist hier jedoch dahingehend auszulegen, dass die Strafvollstreckungskammer unter III. der Gründe nicht nur einen Hinweis auf die Rechtslage bezüglich der Anrechenbarkeit der Unterbringungszeit auf die verfahrensfremde Freiheitsstrafe erteilen wollte, sondern eine Entscheidung darüber getroffen hat. Schon die Formulierung des ersten Satzes der Gründe unter III., wonach eine Anrechnung nicht zu erfolgen habe, spricht dafür, dass die Strafvollstreckungskammer eine verbindliche Entscheidung treffen wollte. Unterstrichen wird dies durch die Formatierung dieser Passage, die im Gegensatz zu den sonstigen Beschlussgründen fett gedruckt ist. Hinzu kommt, dass der Verteidiger im Anhörungstermin ausdrücklich bei der Strafvollstreckungskammer die Anrechnung beantragt (Bl. 205 Bd. I d. VH) und die zuständige Dezernentin der Staatsanwaltschaft Hannover, nach der Bitte der Rechtspflegerin auf eine solche Entscheidung hinzuwirken (Bl. 1 Bd. II d. VH), in ihrer Übersendungsverfügung an die Strafvollstreckungskammer auf diesen Antrag des Verteidigers nochmals hingewiesen hatte (Bl. 2 Bd. II d. VH).
2. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet, da die Strafvollstreckungskammer für die angefochtene Entscheidung nicht zuständig war.
Über die Anrechnung einer Unterbringung auf eine verfahrensfremde Freiheitsstrafe entscheidet nicht die Strafvollstreckungskammer, sondern die für die Führung des für eine Anrechnung in Betracht kommenden Verfahrens zuständige Staatsanwaltschaft (BVerfG, Beschluss vom 27. März 2012, 2 BvR 2258/09, juris, Rn. 66; OLG Braunschweig, Beschluss vom 18. Oktober 2012, Ws 283/12 unter II. 2, bislang unveröffentlicht). Erst gegen deren Entscheidung kann das Gericht nach § 458 Abs. 1 StPO angerufen werden.
Der Senat weist darauf hin, dass die Berechnung der Strafzeit im Vollstreckungsblatt vom 15. Januar 2014 unter 1//1 unzutreffend sein dürfte (Bl. 60 Bd. II d. VH). Von dem noch zu vollstreckenden Restdrittel der Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren ist nach der Rechtsprechung des Senats nur Organisationshaft, nicht aber Untersuchungshaft in Abzug zu bringen (Beschluss vom 29. Mai 2013, 1 Ws 108/13, juris, Rn. 16).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.