Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 27.09.2017, Az.: 5 A 2395/15

Biogasanlage; fiktive Freistellungserklärung; Gülleseparation; Separationsanlage; wesentliche Änderung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
27.09.2017
Aktenzeichen
5 A 2395/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53971
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Eine gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG durch Nichtreaktion innerhalb der Monatsfrist erteilte fiktive Freistellungserklärung ist ein Verwaltungsakt, der nach den Voraussetzungen des § 48 VwVfG zurückgenommen werden kann.
2. Eine fiktive Freistellungerklärung ist materiell rechtswidrig, wenn tatsächlich die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 BImSchG vorliegen, es sich bei der angezeigten Änderung also um eine wesentliche handelt.
3. Eine höhere Biogaserzeugung ist wesentlich i.S.v. § 16 BImSchG, weil nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt hervorgerufen werden können.
4. Gegen die Anwendung von § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG im Falle illegal betriebener Anlagen bestehen erhebliche Bedenken.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung einer zugunsten der Klägerin ergangenen fiktiven Freistellungserklärung.

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, deren Gesellschafter die ... GmbH als Komplementärin sowie die Kommanditisten B. B. und J. F. sind. Auf dem Grundstück des Kommanditisten B. B. … Straße in F. (Flurstück 81/4 der Flur 6 der Gemarkung F.) befand sich vormals nur eine Tierhaltungsanlage. Mit Bescheid vom 22. August 2005 wurde ihm antragsgemäß die immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung für den Bau einer Biogasanlage auf dem angrenzenden Flurstück 81/2 (jetzt Flurstück 81/3) erteilt, das (derzeit) im Eigentum der Komplementärin der Klägerin steht. Die Biogasanlage durfte mit einem Input von 2.650 t/a Flüssigmist und 5.290 t/a nachwachsenden Rohstoffen betrieben werden. Als die Klägerin - die offensichtlich den Betrieb der Anlage übernommen hatte - die Eingangsstoffe und -mengen verändern wollte, beantragte sie hierfür eine Genehmigung, die mit Bescheid vom 18. Februar 2010 erteilt wurde.

In dieser immissionsschutzrechtlichen Genehmigung wurden der Klägerin folgende Inputmengen bewilligt:

Wirtschaftsdünger

Menge in t/a

Rindergülle

2.650 

Putenmist

400     

Schweine- und Rindergülle aus Fremdbetrieben

1.350 

Geflügelmist aus Fremdbetrieben

600     

Maissilage

3.340 

gesamt

8.340 

Alternativ zur Maissilage sollte der Einsatz von Stoffen der Nr. 1 bis 4 der Positivliste Nr. III der Anlage 2 zu § 27 Abs. 4 Nr. 2 Erneuerbare-Energien-Gesetz a.F. (EEG 2009) möglich sein. In den Hinweisen des Bescheides gab der Beklagte unter Nr. 2 an, dass bei der Genehmigungsbehörde ein schriftlicher Antrag zu stellen sei, sollten nachträglich andere Eingangsstoffe oder Eingangsmengen eingesetzt werden.

Im Rahmen einer routinemäßigen Überprüfung der Biogasanlage der Klägerin wurde am 24. Juli 2012 in Erfahrung gebracht, dass die Art und die Menge des Inputmaterials - ohne dass die Klägerin zuvor einen Antrag beim Beklagten gestellt hatte - offensichtlich verändert worden waren. Statt den genehmigten Inhaltsstoffen verwendete die Klägerin auch GPS (Ganzpflanzensilage) und CCM (Corn-Cob-Mix). Die abgelesene Einspeisemenge betrug 497,80 kW.

In einer Verfügung vom 30. Juli 2012 fasste der Beklagte zusammen, bei dem Ortstermin am 24. Juli 2012 habe man feststellen können, dass für einige Veränderungen an der Anlage keine Genehmigungen vorlagen. Der Beklagte erörterte im Einzelnen, dass aus dem Flächennachweis sowie dem vorgelegten Umweltgutachten der Z. Ingenieurgesellschaft mbH zu entnehmen sei, dass die Klägerin die Art und Menge des Inputmaterials geändert habe. Für die Jahre 2010 und 2011 habe sich ein Gesamtinput von 9.309,00 t/a respektive 10.732,00 t/a ergeben. Zudem habe die Klägerin die mit Bescheid vom 22. August 2005 ebenfalls genehmigte Silageplatte um ca. 30 m verlängert. Die Silageplatte Nr. 15 habe man zur Festmistlagerfläche umgenutzt. Bezüglich dieser Veränderungen der Betriebsweise der Biogasanlage erklärte der Beklagte, es sei erforderlich, einen entsprechenden Antrag zu stellen, um sie nachträglich legalisieren zu können. Mit dem Hinweis am Ende des Bescheides stellte der Beklagte klar, dass er die vorgenommenen Änderungen als wesentliche Änderungen i.S.v. § 16 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BlmSchG) einstufe.

Die Problematik betreffend die offenbar veränderten Inputmengen wurde mit der Klägerin und der B. GmbH & Co. KG (...)- die ... hatte am 27. Juli 2012 gegenüber dem Beklagten angezeigt, mit der Antragsbearbeitung (Nachgenehmigung Input) beauftragt worden zu sein - in einem Gespräch am 6. September 2012 diskutiert. Die Klägerin sagte zu, einen Antrag einzureichen, tat dies aber - trotz mehrfacher Aufforderung - zunächst nicht.

Als die Klägerin am 19. Juli 2013 ein Konzept für die Sanierung der Silageplatte vorstellte, traf sie auch Aussagen über die Erweiterung der Biogasanlage um eine Separationsanlage und eine Gärrestetrocknung sowie eine Lagerhalle für die separierten Feststoffe.

Bei einer routinemäßigen Ortsbesichtigung am 28. Oktober 2013 erinnerte der Beklagte mündlich an den seinerseits für erforderlich gehaltenen Antrag zur Erhöhung und Veränderung der Inputmengen. Nach verschiedenen Gesprächen mit der Klägerin informierte der Beklagte diese mit Schreiben vom 4. November 2013, dass man einer beabsichtigten Teilstilllegung der Anlage entgehen könne, wenn nachträglich die Genehmigung zur Änderung der Inputstoffe unter Einreichung sämtlicher erforderlicher Unterlagen beantragt werde. Ansonsten werde man anordnen, dass die Inputwerte aus dem Bescheid vom 18. Februar 2010 eingehalten werden müssten. Der Beklagte äußerte, dass nach seiner Information (laut Rechner des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft) bei Verwendung der genehmigten Inputmengen und -stoffe und bei dem Einsatz eines Gas-Otto-Motors knapp 250 kWel (Kilowatt elektrisch) erzeugt werden könnten. Das Aggregat der Klägerin werde jedoch mit einer Leistung von etwa 500 kWel betrieben. Es bestehe daher der Verdacht, dass die Anlage mit mehr Input betrieben werde als im Bescheid vom 18. Februar 2010 genehmigt worden sei. Das Z. Umweltgutachten führte für die Jahre 2012 und 2013 einen Gesamtinput von 11.863,00 t/a respektive 11.247,00 t/a auf.

Am 7. Februar 2014 ging statt dem angeforderten nachträglichen Antrag eine Änderungsanzeige vom 6. Februar 2014 beim Beklagten ein. Darin bekundete die Klägerin, eine Leistungserhöhung solle nicht erfolgen. Ebenso wenig sei eine Erhöhung der eingesetzten Inputmaterialien geplant. Die in der Anzeige dargestellten Inputstoffe sollten lediglich im Austausch gegen die genehmigten Inputstoffe verarbeitet werden. Als Inputstoffe und -mengen gab die Klägerin die folgende Zusammensetzung an:

Inputbezeichnung

Inputmenge t/a

Lieferant

Wirtschaftsdünger
(Feststoffe aus der Separation von insgesamt 3.450 m³ Rindergülle)

 1.060
320

 a) 2.650 m³ Rindergülle der eigenen Tierhaltung
b) 800 m³ Rindergülle aus dem Betrieb B. H-

Putenmist
Putenmist

400
400

a) Putenmist aus der eigenen Putenhaltung
b) Putenmist aus den Putenställen der … Agrarveredelung (Stall B.)

Nachwachsende Rohstoffe
Maissilage
CCM
Getreidemehl

 4.960
1.000
200

 Wird auf selbst bewirtschafteten Flächen bzw. auf Flächen nahe gelegener Betriebe angebaut

Summe:

8.340 m²

Die Klägerin wies bezüglich der separierten Rindergülle darauf hin, dass die Separation jeweils direkt auf dem jeweiligen Rindviehbetrieb durch eine mobile Separationsanlage erfolge. Dort verbleibe auch die „flüssige Phase“ aus der Separation, was bedeute, die flüssige Phase werde den Güllegruben der jeweiligen Stallanlage wieder zugeführt. Als Output plane man 6.297 Nm³/a (Normkubikmeter pro Jahr) zu erreichen. Mit den Gärresten und eventuell verunreinigtem Oberflächenwasser von 500 m³ komme man insgesamt auf 6.797 m³. Durch das Gärrestelager Nr. 12c (Lagerkapazität: 3.887 m³) und die ehemalige Vorgrube unter dem Technikgebäude 12a (Lagerkapazität: 400 m³) ergebe sich ein Lagerraum für 4.287 m³. In dem vorhandenen Gärrestelager könnten Gärreste für etwa 7,5 Monate gelagert werden.

Mit Antwortschreiben vom 7. März 2014 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die beabsichtigten Änderungen seiner Auffassung nach wesentliche Änderungen i.S.v.         § 16 BImSchG seien, mithin ein Änderungsgenehmigungsverfahren durchgeführt werden müsse. Da das Schreiben der Klägerin nicht innerhalb eines Monats nach Zugang der Änderungsanzeige, sondern erst am 11. März 2014 zugestellt wurde, gingen die Beteiligten davon aus, dass damit eine Freistellungserklärung für die veränderten Inputmengen und -stoffe sowie für die damit verbundenen grundsätzlichen Veränderungen in der Art und Weise des Betriebes der Anlage erteilt worden sei.

In einer Stellungnahme des Ansprechpartners für Biogas- und Windkraftanlagen des Beklagten vom 19. Juni 2014 merkte dieser an, dass der Energiegehalt des Inputmaterials in der Genehmigung vom 18. Februar 2010 nicht berücksichtigt werde. Mit dem genehmigten Input sei eine Dauerleistung von 237 kWel möglich. Um die Dauerleistung zu erhöhen, könne die Maissilage durch energiereicheres Material der zugelassenen Positivliste ersetzt werden. CCM und GPS seien Materialien aus der Positivliste. Ein Austausch der genehmigten Maissilage durch Stoffe der Positivliste III Nr. 1 - 4 sei möglich. Wenn man 3.000 t Maissilage durch 3.000 t CCM ersetze, sei auch eine Dauerleistung von 450 kWel möglich. Tatsächlich habe die Klägerin aber - beispielhaft im Produktionsjahr 2013 - den Input der Maissilage fast verdoppelt und zusätzlich GPS und CCM verwendet. Dies stehe nicht mit der Genehmigung vom 18. Februar 2010 in Einklang.

Mit Schreiben vom 30. Juli 2014 gab der Beklagte der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme, da er plante, die versehentlich durch Nichtreaktion innerhalb der Monatsfrist erteilte Freistellungserklärung zurückzunehmen. Die Rücknahme der - von beiden Beteiligten angenommenen - Freistellungserklärung begründete der Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid vom 30. September 2014: Sie erfolge, weil es sich bei der angezeigten Inputänderung um eine wesentliche Änderung handele und daher ein förmliches Verfahren nach § 16 BImSchG erforderlich gewesen sei.

Die Klägerin habe angegeben, dass einer anfallenden Gärrestemenge von 6.797 m³ eine Gärrestelagerkapazität von 7,5 Monaten gegenüber stehe. Die in der Anzeige als Lagerraum genannte Vorgrube sei jedoch nicht als Lagerraum für Gärreste genehmigt worden. Sie habe nach dem aktuellen Genehmigungsverfahren als Sammelbehälter für verunreinigtes Oberflächenwasser der Silageplatte dienen sollen. Bei einer Umnutzung der Vorgrube sei zu prüfen, ob an den geänderten Gebrauch weitergehende oder andere Anforderungen zu stellen seien. Das aufgefangene Silagewasser solle mittels Pumpe und Schwimmerschaltung zusätzlich dem Gärrestlager zugeführt werden. Es ergebe sich sogar eine Reduzierung der Gärrestlagerkapazität um 400 m³. Maximal könne die Lagerkapazität daher 6,16 Monate betragen. Darüber hinaus sei gemäß § 41 Abs. 2 NBauO die ordnungsgemäße Beseitigung und Entsorgung der Gärreste nachzuweisen. Dazu gehöre auch die ordnungsgemäße Lagerung, da Gärreste nicht ganzjährig ausgebracht werden dürften. Eine fundierte Überprüfung der Mindestlagerkapazität könne nur im Genehmigungsverfahren durchgeführt werden. Außerdem beabsichtige die Klägerin, zusätzlich 2.820 t/a nachwachsende Rohstoffe sowie separierte Gülle einzusetzen, wobei fraglich sei, woher diese stamme und wo sie gelagert werde. Die Separation sei ein emittierender Vorgang, sodass auf jeden Fall Stellungnahmen des Veterinäramtes und des technischen Immissionsschutzes erforderlich seien. Durch die geänderten Inputstoffe und -mengen könnten erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft entstehen. Biogas sei enorm klimaschädlich.

Hinzu komme, dass der Klägerin das Genehmigungserfordernis bekannt gewesen sei, sodass Vertrauensschutzgesichtspunkte keine Rolle spielten. Bei illegalen Anlagen sei § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG ohnehin nicht anwendbar.

Am 6. Oktober 2014 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Rücknahmebescheid ein. In dem angefochtenen Bescheid werde zunächst fehlerhaft davon ausgegangen, dass die Vorgrube bei der Berechnung der Lagerkapazität einbezogen worden sei. Die Anzeige weise nach, dass allein in dem vorhandenen Gärrestelager Nr. 12c eine Lagerkapazität für 7,5 Monate bestehe. Die Vorgrube stehe informationshalber in der Anzeige, da das dort anfallende Oberflächenwasser für die Fütterung der Biogasanlage mit zu berücksichtigen sei. Es gebe keine bindende Anordnung, dass über die gesetzliche Mindestlagerkapazität von sechs Monaten hinaus für die konkrete Anlage eine Lagerkapazität vorzuhalten sei. Die Frage, woher die separierte Gülle bezogen werde, sei keine Frage der Rechtmäßigkeit der Anzeige. Es sei nicht ersichtlich, dass der Betrieb einer Gülleseparation, sofern er außerhalb der Biogasanlage erfolge, genehmigungsbedürftig sei. Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft könnten aus den geänderten Inputstoffen schlechterdings nicht entstehen. Das Schweigen auf die Anzeige habe die gleichen Rechtswirkungen wie eine Freistellungserklärung und schaffe einen entsprechenden Vertrauenstatbestand.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2015 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BImSchG sei die Änderung einer immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlage, sofern eine Genehmigung nicht beantragt werde, der zuständigen Behörde mindestens einen Monat vor Durchführung der Änderung schriftlich oder elektronisch anzuzeigen. Hier habe der Beklagte bei einer Überprüfung am 24. Juli 2012 festgestellt, dass die Art und Menge der Input-Materialien wesentlich verändert worden sei. Erst unter dem 7. Februar 2014 habe die Klägerin schließlich eine Anzeige gemäß § 15 BImSchG eingereicht, also frühestens anderthalb Jahre nach der tatsächlichen Änderung. Eine Freistellungserklärung habe angesichts des Verstoßes der Klägerin gegen die Pflichten aus § 15 Abs. 1 BImSchG nicht erteilt werden können. Das Vertrauen der Klägerin sei zudem nicht schutzwürdig. Die Klägerin sei bereits mit Verfügung vom 30. Juli 2012 und danach mehrfach mündlich wie schriftlich aufgefordert worden, einen Antrag einzureichen, um die Betriebsänderung nachträglich zu legalisieren. Im ursprünglichen Genehmigungsbescheid vom 18. Februar 2010 sei die Klägerin ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Änderung der Eingangsstoffe und Eingangsmengen bei der Genehmigungsbehörde schriftlich zu beantragen sei.

Die Klägerin hat am 18. Juni 2015 Klage erhoben.

Zur Begründung ihrer Klage stützt sie sich im Wesentlichen auf ihre Argumentation aus der Widerspruchsbegründung. Ergänzend und erläuternd führt sie aus, die vom Beklagten aufgeworfene Problematik, woher die separierte Gülle stamme, sei für das vorliegende Verfahren unbeachtlich. Die Separationsanlage werde im Rahmen des Tierhaltungsbetriebes eingesetzt und betreffe nicht den Betrieb der Biogasanlage. Dass die Änderung der Inputstoffe zu einer erheblichen Belästigung der Allgemeinheit, insbesondere der Nachbarschaft führen könne, sei nicht belegt. Dies sei vor allem in Abrede zu stellen, weil die Gesamtmenge nicht geändert worden sei. Die Freistellungserklärung wiederum decke die Änderung des Nährstoffgehaltes ab. Diese sei selbst dann rechtmäßig, wenn eigentlich eine wesentliche Änderung i.S.v. § 16 BImSchG vorliege. Im Bescheid vom 18. Februar 2010 sei geregelt, dass die Maissilage gegen andere Stoffe aus der Positivliste ausgetauscht werden könne. Der Beklagte verkenne, dass die Feststellungen aus dem Jahr 2012 überholt seien, da mit der Anzeige aus dem Februar 2014 der Betrieb auf die in der Anzeige genannten Inputstoffe umgestellt worden sei, unabhängig davon, welche Inputmengen und -stoffe sie zuvor im Jahr 2012 oder 2013 verwendet habe. Hinzu komme, dass sich die Gärrestemenge (Outputmenge) durch die Änderung des Anlagenbetriebes erheblich verringere. Für die Gärreste und eventuell anfallendes verunreinigtes Oberflächenwasser sei ein Volumen von 6.797,00 m³ errechnet worden. Insofern sei mit der Anzeige der Abnahmevertrag vom 25. Februar 2005 für 6.800 m³ vorgelegt worden. Dieser sei für die Genehmigung vom 18. Februar 2010 geprüft worden. Die Anlage sei für einen Betrieb mit der geänderten Zusammensetzung der Einsatzstoffe geeignet. Für die Änderungsanzeige sei die Einreichung eines qualifizierten Flächennachweises in aktueller Fassung nicht erforderlich. Eine Regelung, nach der die Genehmigungsbehörde vom Antragsteller im Genehmigungsverfahren zur Errichtung und zum Betrieb von Biogasanlagen die Vorlage eines Verwertungskonzeptes - unter anderem eines Qualifizierten Flächennacheises - verlangen könne, gebe es erst seit dem 13. Mai 2015 mit dem Gem. Rd.Erl. des ML, MS und des MI zur „Verbesserung der düngerechtlichen Überwachung durch Zusammenarbeit zwischen Genehmigungsbehörden und Düngungsbehörde“.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 30. September 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2015 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er erwidert, die Änderungen der Betriebsweise der Biogasanlage seien wesentlich. Mit der durch die Genehmigung vom 18. Februar 2010 zugelassenen Inputzusammensetzung könne laut KTBL-Biogasrechner ca. 979.634 Nm³/a Biogas bzw. 1.947.097 kWh elektrische Energie erzeugt werden. Aus dem angezeigten Input könnten dagegen mindestens 1.912.162 Nm³/a Biogas erzielt werden, woraus sich wiederum ca. 3.953.191 kWh Strom gewinnen ließen, obwohl der Input ebenfalls 8.340 t/a betrage. Die erhöhte Stromgewinnung erfülle schon für sich genommen das Merkmal der wesentlichen Änderung. Sie werde erreicht, indem im Wesentlichen energieärmere Stoffe durch energiereichere Stoffe ersetzt worden seien. Einerseits geschehe dies durch die Separation der Rindergülle. Da dieser anschließend der flüssige Anteil fehle, könne man zudem deutlich mehr energiereiche nachwachsende Rohstoffe einsetzen, was auch zu einem höheren Nährstoffgehalt des Outputs führe.

Unter die in § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG genannten „sonstigen Gefahren“ falle unter anderem der Schutz der Rechtsordnung. Im Anzeigeverfahren sei nicht angegeben worden, auf welchen Flächen der erheblich energiereichere Stoff ausgebracht werden solle. Sollten keine neuen Flächen zur Verfügung stehen, sei eine Überdüngung der vorhandenen Flächen zu befürchten. Der nach § 41 Abs. 2 NBauO - als Teil der Rechtsordnung - erforderliche Nachweis für die gesicherte Entsorgung des nährstoffreicheren Gärrestes müsse in einem förmlichen Verfahren nach § 16 BImSchG geführt werden. Der Verbleib der Gärreste sei allein dann gesichert, wenn die Klägerin nachweise, dass sie über Flächen verfüge, die diese Stoffe nach Maßgabe der Düngeverordnung aufnehmen könnten. Der Abnahmevertrag vom 25. Februar 2005 regle die Nährstoffabnahme ohne die Abnahmewerte bzw. Abnahmegrößen der einzelnen Nährstoffe genau zu beziffern.

Probleme gebe es auch angesichts der Gärrestelagerkapazität. Der Wirtschaftsdüngerverordnung zufolge müssten Gärreste pflanzenbedarfsgerecht ausgebracht werden. Durch die Düngemittelbehörde sei individuell betriebsspezifisch zu ermitteln, inwiefern dies auf den vorhandenen Flächen möglich sei. Aus diesen Feststellungen ergebe sich die vorzuhaltende Lagerkapazität. Änderungen des Inputs könnten die notwendige Mindestlagerkapazität beeinflussen.

Es sei unklar, wie die aus der Separation gewonnenen Feststoffe der Rindergülle gelagert werden sollten. Die Menge der eingesetzten Gülle sei insgesamt erhöht worden. Wo der Flüssigkeitsanteil der separierten Rindergülle verbleibe und ob dieser für die aufnehmenden Flächen geeignet sei, bleibe unklar. Dass das flüssige Endprodukt der Separation den Güllegruben der jeweiligen Stallanlage zugeführt werde, sei nicht zulässig. Dies führe zu einer Verdünnung der gesammelten Rindergülle, die dann wiederum unter erhöhtem Aufwand zu separieren sei.

Als dauerhaft notwendiger Verfahrensschritt für den einzubringenden Einsatzstoff sei die Separationsanlage nach § 1 Abs. 1 4. BImSchV genehmigungspflichtig. Die Separation selbst sei ein emittierender Vorgang. Bei einer Errichtung auf dem Gelände der Biogasanlage stelle dies einen Eingriff in die apparative Ausstattung der Biogasanlage dar. Dazu sei in einem förmlichen Genehmigungsverfahren eine Stellungnahme des technischen Immissionsschutzes einzuholen. Der Betrieb der mobilen Separation werde nicht hinreichend genau beschrieben.

Die gesteigerte Produktion von Biogas und Elektrizität habe des Weiteren eine erhöhte Wärmeproduktion zur Folge. Die Erzeugung elektrischer und thermischer Energie stehe in direkter Korrelation. Im Falle der Klägerin habe sich die thermische Energie von 2,4 Millionen kWh auf 4,3 Millionen kWh erhöht. Ein aktuelles Wärmekonzept, welches die nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG vorgeschriebene sparsame und effiziente Verwendung von Energie nachweise, sei nicht vorgelegt worden.

Die Klägerin habe die Rechtswidrigkeit des Betriebes der Anlage mit den geänderten Inputstoffen aufgrund der zahlreichen Gespräche und der vielen Anschreiben gekannt, sodass ihr Vertrauen in die Freistellungserklärung nicht schützenswert sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der auf § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 1 NVwVfG gestützte Rücknahmebescheid vom 30. September 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2015 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

I.

Der Beklagte hat mit Bescheid vom 30. September 2014 eine der Klägerin erteilte Freistellungserklärung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG zurückgenommen. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG liegen vor. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 zurückgenommen werden. Maßgebend ist hier die Vorschrift des § 48 Abs. 3 VwVfG. Denn die Freistellungserklärung ist weder eine Geldleistung noch eine teilbare Sachleistung im Sinne von § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG.

1. Die Freistellungserklärung konnte nach den Grundsätzen der genannten Vorschrift zurückgenommen werden.

Die Rechtsfolge des § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG (sog. fiktive Freistellungserklärung) wird ausgelöst, wenn nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BImSchG die Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebes einer genehmigungsbedürftigen Anlage, die sich auf in § 1 genannte Schutzgüter auswirken kann, mindestens einen Monat vor der Änderung angezeigt, eine Genehmigung nach § 16 BImSchG nicht beantragt wird und die Behörde nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BImSchG innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige dem Antragsteller nicht mitgeteilt hat, dass die angezeigte Änderung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf (OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15. Januar 2015 - 2 L 40/12 -, juris Rn. 76). Diese Voraussetzungen waren hier zunächst erfüllt, da der Beklagte auf die am 7. Februar 2014 eingegangene Änderungsanzeige erst mit einem Schreiben vom 7. März 2014 reagierte, das der Klägerin am 11. März 2014 zuging.

a. Vorliegend begegnet indessen schon die Anwendung des § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG erheblichen Bedenken.

Zwar spielt es keine Rolle, dass die Klägerin die Änderungen im Jahr 2012 nicht einen Monat vor deren Vornahme angezeigt hatte. Denn mit der Anzeige vom 7. Februar 2014 sollten nicht - wie abgesprochen - die im Jahr 2012 vorgenommenen Änderungen (andere Zusammensetzung der Inputstoffe bei 11.863,00 t/a respektive 11.247,00 t/a Inputmenge in den Jahren 2012 und 2013) nachträglich legalisiert werden, sondern dem Beklagten bisher nicht bekannte Änderungen der Einsatzstoffe angezeigt werden. Beispielsweise entschied sich die Klägerin, nunmehr separierte Gülle zu verwenden.

Gleichwohl ist § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG auf illegal betriebene Anlagen nicht anwendbar (Feldhaus, BImSchG, Bd. 1 Teil 1, 196. Ergänzungslieferung (Stand: April 2017), § 15 Rn. 95). Die Klägerin betrieb ihre Biogasanlage vor der Anzeige der Änderungsabsichten illegal, weil sie eine wesentlich andere Zusammensetzung der Inhaltsstoffe verwendete. Zwar war nach der Ausgangsgenehmigung vom 18. Februar 2010 alternativ zur Maissilage der Einsatz von Stoffen der Nr. 1 bis 4 der Positivliste Nr. III der Anlage 2 zu § 27 Abs. 4 Nr. 2 Erneuerbare-Energien-Gesetz a.F. (EEG 2009, BGBl. I S. 2074) möglich, also insbesondere auch das Einbringen von CCM. Allerdings hatte die Klägerin die Maissilage nicht durch andere nachwachsende Rohstoffe der Positivliste ersetzt, sondern statt den genehmigten 3.340 t/a Maissilage 5.110,00 t/a (in 2012) und 6.096,00 t/a (in 2013) Maissilage verwendet und zusätzlich 1.022,00 t/a bzw. 709,00 t/a CCM und 1.387,00 t/a bzw. 853,00 t/a Ganzpflanzensilage eingesetzt. Diesen Feststellungen des Beklagten ist die Klägerin nicht entgegengetreten. Die veränderte Betriebsweise hatte die Klägerin weder angezeigt noch - trotz vielfacher Aufforderung des Beklagten - genehmigen lassen. Zwar hatte der Beklagte nicht innerhalb der Monatsfrist die Einholung der entsprechenden Ausgangsgenehmigung verlangt, jedoch hatte er dies seit dem 24. Juli 2012 bereits mehrfach getan, bevor die Änderungsanzeige am 7. Februar 2014 einging und sich dabei auch darauf gestützt, dass der erhöhte Einsatz nachwachsender Rohstoffe (Veränderung der Eingangsmengen) einer Genehmigung bedürfe.

b. Im Übrigen war die fiktive Freistellungserklärung rechtswidrig, weil sie nicht hätte ergehen dürfen. Vielmehr lagen die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 BImSchG vor, sodass ein förmliches Änderungsgenehmigungsverfahren hätte durchgeführt werden müssen. Ist dem Vorhabenträger fälschlicherweise eröffnet worden, eine Änderung der Anlage bedürfe keiner Genehmigung, ist - entgegen der Meinung der Klägerin - eine Rücknahme der Freistellungserklärung nach § 48 VwVfG möglich (Jarass, BImSchG, BImSchG, 11. Auflage, 2015, § 15 Rn. 47; Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. III, 81. Ergänzungslieferung (September 2016), § 15 Rn. 71, 78). Sie ist nicht allein deswegen auf jeden Fall rechtmäßig, weil die Frist des § 15 Abs. 2 Satz 1 BImSchG verpasst wurde. Die Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG greift zwar auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 BImSchG vorliegen (Jarass, a.a.O., § 15 Rn. 44). Der Regelungsinhalt der Freistellungserklärung beschränkt sich aber auf eine Aussage zur formellen Legalität des Änderungsvorhabens. Sie stellt mit Bindungswirkung ausschließlich fest, dass für die geplante Änderung der Anlage keine förmliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung notwendig ist. Die von ihr erzeugte verbindliche Rechtswirkung nach außen besteht (und erschöpft sich) darin, dass die Änderung formell rechtmäßig ist und daher weder Stilllegungsanordnungen nach § 20 Abs. 2 BImSchG ergehen noch an die formelle Illegalität anknüpfende Bußgeld- oder Straftatbestände eingreifen können (BVerwG, Urteil vom 7. August 2012 - 7 C 7.11 -, juris Rn. 13; Urteil vom 28. Oktober 2010 - 7 C 2.10 -, juris Rn. 22; OVG Sachsen-Anhalt, a.a.O., juris Rn. 82). Das versehentliche Verpassen der Frist kann durch eine Rücknahme des (legalisierenden) Verwaltungsaktes - als solcher ist die fiktive Freistellungserklärung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG zu qualifizieren (BVerwG, Urteil vom 7. August 2012 -, a.a.O.; VG Kassel, Urteil vom 16. Februar 2010 - 7 K 135/08.KS -, juris Rn. 21) - über § 48 VwVfG korrigiert werden, wenn die Freistellungserklärung materiell rechtswidrig ist.

Die neue Zusammensetzung der Inputmengen und -stoffe stellt eine wesentliche Änderung gegenüber der zuvor geltenden Regelung aus dem Bescheid vom 18. Februar 2010 i.S.v. § 16 Abs. 1 BImSchG dar. Der entscheidende Vergleichsmaßstab ist dabei die vorangegangene Genehmigungssituation, nicht hingegen die tatsächliche - ungenehmigte - Betriebsweise der Klägerin (Bay. VGH, Urteil vom 23. November 2006 - 22 BV 06.2223 -, juris Rn. 32; Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, a.a.O., § 16 Rn. 62).

Die Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage bedarf gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einer Genehmigung, wenn durch die Änderung nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können und diese für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erheblich sein können (wesentliche Änderung). Die Änderung einer genehmigungsbedürftigen Anlage ist im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG wesentlich, wenn durch sie die Schutzgüter der §§ 5 f. BImSchG in rechtserheblicher Weise berührt sein können (BVerwG, Urteil vom 15. November 1991 - 4 C 17.88 -, juris Rn. 10; VG Halle, Urteil vom 21. November 2013 - 4 A 164.12 -, juris Rn. 22), wenn also solche Folgen einer Anlagenänderung nach dem Maßstab praktischer Vernunft nicht ausgeschlossen sind (OVG NRW, Beschluss vom 8. November 2016 - 8 B 1395/15 -, juris Rn. 39; Bay. VGH, Beschluss vom 11. August 2016 - 22 CS 16.1052 u.a. -, juris Rn. 39). Die Anwendbarkeit des § 16 BImSchG hängt nicht davon ab, dass die durch das BImSchG geschützten Belange tatsächlich berührt sind, sondern davon, ob eine Berührung dieser Belange in Betracht kommt. Ausreichend ist die bloße Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. August 2016 - 8 A 10377/16 -, juris Rn. 54). Wesentlich im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG sind Änderungen also bereits immer dann, wenn sie – bezogen auf die Schutzgüter der §§ 5 f. BImSchG – nach ihrer Art oder nach ihrem Umfang zu einer erneuten Prüfung Anlass geben, d. h. wenn sie die Genehmigungsfrage erneut aufwerfen. Darüber hinaus ist eine Genehmigung gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BImSchG - die Vorschrift gilt auch für Veränderungen des Einsatzvolumens (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 24. November 2014 - 4 A 104/14 -, juris) - stets erforderlich, wenn die Änderung des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage für sich genommen die Leistungsgrenzen oder Anlagengrößen des Anhangs zur Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) erreicht. Eine Genehmigung ist nicht erforderlich, wenn durch die Änderung hervorgerufene nachteilige Auswirkungen offensichtlich gering sind und die Erfüllung der sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ergebenden Anforderungen sichergestellt ist (§ 16 Abs. 1 Satz 2 BImSchG).

Da nachteilige Auswirkungen auf die Belange, deren Beachtung und Erfüllung § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG dient, für die Frage, ob eine wesentliche Änderung vorliegt, nicht von Bedeutung sind, hat sich die Behörde bei der Prüfung der Genehmigungsbedürftigkeit zwar nicht mit den Fragen des Baurechts oder des Landschaftsbildes auseinanderzusetzen. Daneben bleiben Belange des Arbeitsschutzes außer Betracht (Jarass, a.a.O., § 16 Rn. 8; Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, a.a.O., § 16 Rn. 81). Allerdings liegt - unabhängig von einer düngerechtlichen Problematik - aufgrund folgender Erwägungen eine wesentliche Änderung der bestehenden Anlage vor:

Die Änderung eines Betriebes ist beispielsweise dann gegeben, wenn Einsatzstoffe, Zwischen-, Neben oder Endprodukte, Energieträger, anfallende Abfälle, die Betriebsdauer oder die Kapazität der Anlage verändert werden (Schiller, in: Landmann/Roh-mer, Umweltrecht, Bd. III, a.a.O., § 15 Rn. 27).

Die geänderte Zusammensetzung der Inputstoffe ist zwar nicht schon deshalb eine wesentliche Änderung, weil die Voraussetzungen von § 16 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BImSchG erfüllt sind. Denn durch den deutlich vermehrten Einsatz nachwachsender Rohstoffe wird die Leistungsgrenze der Nr. 1.15 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV nicht „für sich genommen“ erreicht; gleichwohl sind die Auswirkungen - wie unten näher ausgeführt - erheblich. Nach der genannten Nr. 1.15 des Anhangs 1 sind Anlagen zur Erzeugung von Biogas im vereinfachten Verfahren genehmigungsbedürftig, wenn sie eine Produktionskapazität von 1,2 Millionen Nm³/a Rohgas oder mehr haben. Dasselbe gilt, wenn man davon ausgehen sollte, dass hier Nr. 8.6.3.2 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV einschlägig sein sollte, weil in der Biogasanlage der Klägerin neben nachwachsenden Rohstoffen Rindergülle verarbeitet wird. Denn die in Spalte b aufgezeigte Anlagenbeschreibung erfasst Anlagen zur biologischen Behandlung von Gülle, soweit die Behandlung ausschließlich zur Verwertung durch anaerobe Vergärung erfolgt, mit einer Durchsatzkapazität von weniger als 100 t je Tag, soweit die Produktionskapazität von Rohgas 1,2 Millionen Nm³/a oder mehr beträgt. Bei einem Gesamtinput von 8.340 t/a werden pro Tag ca. 23 t verarbeitet. Im Übrigen stimmen Nr. 1.15 und Nr. 8.6.3.2 überein. § 16 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BImSchG findet auch auf im vereinfachten Verfahren zu genehmigende Anlagen Anwendung (Feldhaus, BImSchG Bd. 1 Teil 1, a.a.O., § 16 Rn. 39c). Aus der neuen Zusammensetzung des Inputs können laut KTBL-Biogasrechner und den überzeugenden Erläuterungen des Beklagten, denen die Klägerin nicht entgegen getreten ist, statt ca. 979.634 Nm³/a Rohbiogas bzw. 1.947.097 kWh elektrischer Energie nun 1.912.162 Nm³/a Rohbiogas erzeugt werden, woraus sich wiederum ca. 3.953.191 kWh gewinnen lassen. Mit dem Ertrag von 1.912.162 Nm³/a Rohbiogas durch die Änderung der Inputstoffe wird zwar nicht „für sich genommen“ - das heißt im Vergleich zum vorigen Ertrag - die Grenze der 1,2 Millionen Nm³/a erreicht, sie wird allerdings auch nur knapp unterschritten, da die Produktion um 932.528 Nm³/a ansteigt. Eine höhere Biogaserzeugung ist wesentlich i.S.v. § 16 BImSchG, weil nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt hervorgerufen werden können (OLG Oldenburg, Beschluss vom 9. April 2013 - 2 SsBs 59/13 -, juris Rn. 27).

Hervorzuheben ist, dass durch die Änderung der Einsatzstoffe für die Biogasanlage erstmals eine Produktionskapazität von mehr als 1,2 Millionen Nm³/a erreicht wird, die Anlage der Klägerin mit dem neuen Input also erstmals eigenständig genehmigungsbedürftig wäre. Zuvor ergab sich die Genehmigungsbedürftigkeit der Biogasanlage deshalb, weil sie zusätzlich zu einem Tierhaltungsbetrieb der Klägerin errichtet wurde und gegenüber diesem wiederum (unstreitig) eine wesentliche Änderung i.S.v. § 16  Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BImSchG darstellte. Als solche wurde die Biogasanlage im Jahr 2005 genehmigt.

Zwar bleibt das Gesamtgewicht des Inputs mit 8.340 t/a nach der Änderung gleich. Durch die Separation der Rindergülle und den damit verbundenen Wegfall des Gewichtes der Flüssigkeit in der Gesamtmenge des zuvor zugelassenen Inputs ist es der Klägerin jedoch möglich, wesentlich mehr nachwachsende Rohstoffe einzusetzen als in der ursprünglichen Änderungsgenehmigung vom 18. Februar 2010 vorgesehen. Der Hinweis der Klägerin auf das gleichbleibende Gesamtgewicht der Einsatzmenge verfängt nicht. Statt 3.340 t/a Maissilage werden 6.160 t/a an nachwachsenden Rohstoffen (Maissilage, CCM und Getreidemehl) verwendet. Demgemäß kann nicht allein auf den nach der Positivliste Nr. III der Anlage 2 zu § 27 Abs. 4 Nr. 2 Erneuerbare-Energien-Gesetz a.F. (EEG 2009) zulässigen Austausch der Einsatzmittel (Maissilage) gegen andere nachwachsende Rohstoffe (beispielsweise CCM) verwiesen werden.

Die Produktionskapazität wurde derart erhöht, dass negative Auswirkungen i.S.v. § 5 Abs. 1 BImSchG nicht ausgeschlossen werden können. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass nach der vor der Änderungsanzeige gültigen Genehmigung beispielsweise ein Betrieb mit dem Input von energiereichem CCM in Höhe von 3.340 t/a grundsätzlich möglich gewesen wäre und sich dann eventuell andere als die oben genannten Werte für die Produktionskapazität ergäben. Aus der Stellungnahme des Ansprechpartners für Biogas- und Windkraftanlagen des Beklagten vom 19. Juni 2014 folgt zumindest, dass sich bei dem Einsatz von 3.000 t/a CCM eine Dauerleistung von 450 kWel erzielen ließe. Jedoch bezog sich die Genehmigung vom 18. Februar 2010 auf Maissilage bzw. nachwachsende Rohstoffe aus dem eigenen Betrieb. Nachwachsende Rohstoffe aus Fremdbetrieben waren nicht zugelassen. Nach der Änderungsanzeige ist für den Einsatz der nachwachsenden Rohstoffe nunmehr auch die Anlieferung aus (nahegelegenen aber nicht näher bezeichneten) Fremdbetrieben erforderlich. Daneben wurde das Gewicht der nachwachsenden Rohstoffe hier gegenüber der Genehmigung vom 18. Februar 2010 insgesamt annähernd verdoppelt, von der Rindergülle aber nur die sehr nährstoffreiche feste Phase verwendet, sodass ohne Weiteres von einer Erhöhung der Produktionskapazität auszugehen ist.

Überdies sollen nunmehr für den Betrieb der Biogasanlage völlig neue und bisher nicht verwendete Geräte eingesetzt werden, von denen ihrerseits Immissionen wie Geräusche oder Gerüche hervorgerufen werden. Zur Separation der Gülle ist eine Separationsanlage erforderlich, der die Klägerin zuvor nicht bedurft hatte. Die Separation ist ein wichtiger Schritt in der neuen Betriebsweise der Biogasanlage, da durch sie das Gesamtgewicht des Inputs trotz des massiv erhöhten Einsatzes nachwachsender Rohstoffe gleichbleibend gegenüber der Vorgängergenehmigung erhalten werden kann. Das Argument der Klägerin, die Separationsanlage werde im Rahmen des Tierhaltungsbetriebes eingesetzt und betreffe nicht den Betrieb der Biogasanlage, überzeugt nicht. Denn bei der Biogasanlage und der Tierhaltungsanlage handelt es sich schon deshalb um eine einheitlich zu betrachtende immissionsschutzrechtliche Anlage, weil die Errichtung der Biogasanlage mit dem Bescheid vom 22. August 2005 als wesentliche Änderung der Tierhaltungsanlage nach § 16 BImSchG genehmigt wurde. Eine eigenständige immissionsschutzrechtliche Genehmigung der Biogasanlage besteht nicht. Auch die Klägerin ging bei der Änderungsanzeige von einem einheitlichen Betrieb aus, was sich daraus entnehmen lässt, dass sie als Betriebsgrundstück die Flurstücke 81/3 und 81/4 nannte und die Tierhaltungsanlage und die Biogasanlage unter dem Punkt „Art des Betriebes“ zusammenfasste. Das mit der vorgenommenen Änderung erstmals nach der 4. BImSchV (eigenständig für die Biogasanlage) bestehende Genehmigungserfordernis würde sich auf die Separationsanlage als Nebeneinrichtung der Biogasanlage erstrecken (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 4. BImSchV).

Der Betrieb der Separationsanlage bzw. die neue Betriebsweise der Anlage der Klägerin unter dem Einsatz separierter Gülle bedarf daneben deshalb der Überprüfung, weil die Verwertung der Endprodukte nicht hinreichend gewährleistet ist. Ob das Ausbringen der Gärreste mit einem Gesamtvolumen von 6.797,00 m³ auf den für einen Output von 6.800 m³ gepachteten Ländereien trotz des erhöhten Nährstoffgehaltes überhaupt problemlos und ohne weitere Prüfung der Einhaltung der Pflicht einer ordnungsgemäßen Düngung möglich ist, kann dahingestellt bleiben. Denn bei dem Output von 6.797,00 m³ bleibt die flüssige Phase, die bei der Gülleseparation entsteht und nicht in die Biogasanlage eingebracht wird, außer Betracht. Zu Recht weist der Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das flüssige Endprodukt der Separation den Güllegruben der jeweiligen Stallanlage (2.650 m³ sollen bei der Tierhaltungsanlage der Klägerin separiert werden) nicht auf Dauer zugeführt werden kann, da dies eine Verdünnung der gesammelten Rindergülle bewirkt, was dann wiederum einen erhöhten Separationsaufwand zur Folge hat. Diese - angebliche - Lösung der Klägerin überzeugt nicht, zumal das Fassungsvermögen der Güllegruben irgendwann ausgeschöpft ist. Im Regelfall ist es so, dass die flüssige Phase nach der Separation als Dünger auf zur Verfügung stehenden Feldern ausgebracht werden muss. Der Output der Klägerin von 6.797,00 m³ muss nach realistischer Betrachtung also mit dem Volumen der flüssigen Phase, die beim Betrieb der Klägerin verbleibt (ca. 1590 t/a ausgehend von einer Inputmenge der festen Phase in Höhe von 1.060 t/a), zusammengerechnet werden, sodass die (ohnehin kurzzeitigen) Abnahmeverträge nicht ausreichen können.

Hinzu kommt, dass die angezeigte Änderung des Betriebs der Anlage der Klägerin deshalb nachteilige Auswirkungen im Sinne des § 16 Abs. 1 BImSchG haben kann, weil sie für die Betreiberpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG relevant ist und diese dem Schutz der in § 1 BImSchG benannten Schutzgüter dient. Die angezeigte Änderung wirft die Genehmigungsfrage im Hinblick auf die Betreiberpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG neu auf. Damit sind die durch die Änderung möglicherweise hervorgerufenen Auswirkungen auch für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erheblich. Der Beklagte erläuterte, im Falle der Klägerin habe sich die thermische Energie von 2,4 Millionen kWh auf 4,3 Millionen kWh erhöht. Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten. Ohne Wärmekonzept kann nicht nachgeprüft werden, ob die Klägerin ihren Pflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG ausreichend nachkommt. Die Anmerkung der Klägerin, in früheren Genehmigungsverfahren sei die Wärmenutzung nicht geprüft worden, kann ihr nicht zum Vorteil gereichen. Jedenfalls mit der vorliegenden Änderung der Anlage ist nicht auszuschließen, dass die freigesetzte Energie nicht § 5 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG entsprechend sparsam und effizient verwendet wird. Die Behörde darf eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung sogar versagen, wenn nach ihrer vertretbaren Auffassung ein nachvollziehbares Konzept zur Nutzung der anfallenden Abwärme nicht vorgelegt worden ist und deshalb nicht beurteilt werden kann, ob das Vorhaben den Betreiberpflichten aus § 5 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG genügt (Nds. OVG, Beschluss vom 29. November 2013 - 12 LA 26/13 -, juris).

Da für § 16 BImSchG die bloße Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen, die für die Schutzgüter nach § 5 BImSchG erheblich sein können, ausreicht, ist - anders als die Klägerin meint, müssen die negativen Auswirkungen in diesem Verfahrensschritt gerade noch nicht nachgewiesen sein - die Genehmigungsbedürftigkeit für die geänderte Betriebsweise der Biogasanlage zu bejahen.

2. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG steht die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte im Ermessen der Behörde. Dies gilt auch für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes im Sinne des § 48 Abs. 3 VwVfG (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2012 - 5 C 17.11 -, juris Rn. 26). Im Rahmen der Ermessensausübung ist eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Verhältnisse und dem Vertrauensschutz des Empfängers eines ihn begünstigenden Verwaltungsaktes vorzunehmen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Februar 2017 - OVG 12 N 47.16 -, juris Rn. 6).

Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen der Rücknahme der fiktiven Freistellungserklärung für die Vergangenheit nicht entgegen, da sich schon kein schützenswertes Vertrauen der Klägerin herausbilden konnte. Durch den Hinweis Nr. 2 aus dem Bescheid vom 18. Februar 2010 war der Klägerin bekannt, dass der Beklagte einen Antrag für die Änderung der genehmigten Inputmengen und -stoffe erwartete, es sei denn es sollten alternativ zur Maissilage Stoffe der Nr. 1 bis 4 der Positivliste Nr. III der Anlage 2 zu § 27 Abs. 4 Nr. 2 EEG 2009 eingesetzt werden. Dies war hier nicht der Fall, weil der Einsatz nachwachsender Rohstoffe durch die Gewichtsreduktion der Rindergülle im Wege der Separation massiv erhöht, nicht hingegen die Maissilage lediglich ersetzt wurde. Da in der Genehmigung vom 18. Februar 2010 nicht nur die Gesamtmenge von 8.340 t/a genannt und die weitere Zusammensetzung der Stoffe freigestellt war, sondern die jeweils zugelassenen Gewichtsgrenzen je nach der Art des Eingangsstoffes im Einzelnen aufgezählt wurden, ließ sich dem Hinweis entnehmen, dass auch dann eine Änderungsgenehmigung beantragt werden sollte, wenn die Mengen der einzelnen Inputstoffe bei Einhaltung der Obergrenze von 8.340 t/a untereinander verschoben werden sollten. So stellt der Hinweis nicht auf einen Genehmigungsantrag für die Änderung der (Gesamt-)Einsatzmenge, sondern der (einzelnen) Einsatzmengen ab.

Darüber hinaus erhielt die Klägerin das Schreiben vom 7. März 2014, in dem der Beklagte herausstellte, auch im Hinblick auf die angezeigten Änderungen von einer Wesentlichkeit auszugehen, bereits am 11. März 2014, also 4 Tage, nachdem er erstmals die Änderung seines Betriebes hätte vornehmen dürfen. Vor dem Ablauf der Monatsfrist trifft den Anlagenbetreiber eine Stillhaltepflicht, in der er die Änderung der Anlage noch nicht umsetzen darf (Führ, GK-BImSchG, 2016, § 15 Rn. 157). Dass sich in dieser Zeit und bei dieser Sachlage ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin darauf herausgebildet haben kann, dass die nur fiktiv aufgrund der verpassten Monatsfrist ergangene Freistellungserklärung nicht zurückgenommen würde, ergibt sich nicht.

Aufgrund der oben gemachten Ausführungen und der umfangreichen Erläuterungen des Beklagten lassen sich auch ansonsten Ermessensfehler nicht erkennen.

3. Die Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG hat der Beklagte eingehalten.