Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 25.10.2016, Az.: 4 A 90/15
Durchsetzung; Homeschooling; Schulpflicht
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 25.10.2016
- Aktenzeichen
- 4 A 90/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 43495
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 6 Abs 2 S 1 GG
- § 63 SchulG ND
- § 71 Abs 1 SchulG ND
- § 11 SOG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die polizeiliche Generalklausel (SOG ND § 11) ist in Niedersachsen taugliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Ordnungsverfügung zur Durchsetzung der Schulpflicht.
2. Allein der Wunsch der Eltern, ihre Kinder zu Hause zu unterrichten, begründet einen Ausnahmefall von der allgemeinen Schulpflicht nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass zwingende Gründe dem Besuch einer staatlichen Schule oder einer Schule in freier Trägerschaft (SchulG ND § 139 ff) entgegenstehen.
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem dieser angeordnet hat, dass die Tochter der Kläger am Unterricht der Grundschule E. teilzunehmen hat.
Die Kläger sind die Eltern von F. B., geboren am G.. Ihre Tochter ist seit dem Schuljahr 2014/2015 schulpflichtig. Der gewöhnliche Aufenthalt ihrer Tochter befindet sich im Schulbezirk der Grundschule E..
Unter dem 27. Januar 2015 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass ihre Tochter F. schulpflichtig sei und sie als Erziehungsberechtigte dafür zu sorgen hätten, dass ihre Tochter am Schulunterricht teilnehme. Der Beklagte bat die Kläger, ihre Tochter bis zum 12. Februar 2015 bei der Grundschule E. anzumelden und kündigte an, dass er ansonsten kostenpflichtig die Teilnahme am Unterricht der Grundschule anordnen werde. Hierzu wurde den Klägern Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 12. Februar 2015 gegeben. Mit Schreiben vom 10. Februar 2015 teilte der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit, dass eine Rechtsgrundlage für die angedachte Verfügung nicht ersichtlich sei.
Mit Bescheid vom 16. März 2015 ordnete der Beklagte gegenüber den Klägern an, dass ihre Tochter F. ab dem Schuljahr 2015/2016 am Unterricht und an den sonstigen Veranstaltungen der Grundschule E. teilzunehmen hat, ordnete hinsichtlich dieser Verfügung die sofortige Vollziehung an und drohte den Klägern für den Fall der Nichtbefolgung der Anordnung die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 500,00 EUR an. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass nach § 11 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung - Nds. SOG - Verwaltungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen könnten, um eine Gefahr abzuwehren. Hier bestehe eine derartige Gefahr, da die Kläger entgegen ihrer Verpflichtung aus § 71 Niedersächsisches Schulgesetz - NSchG - nicht dafür sorgen würden, dass ihre Tochter F. am Unterricht und an den sonstigen Veranstaltungen der Schule teilnehme. Eine häusliche Unterrichtung und Wissensvermittlung reiche nicht aus, da die Tochter eines Tages das elterliche Haus verlassen werde. Soziale Kompetenz im Umgang mit Andersdenkenden sowie die Vertretung einer von der Mehrheit abweichenden Ansicht könnten nur durch regelmäßigen Kontakt mit der Gesellschaft eingeübt werden; dieses Ziel werde durch einen regelmäßigen Schulbesuch wirksamer erreicht, als im familiären Umfeld. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei erfolgt, da ansonsten nicht sichergestellt sei, dass die Tochter der Kläger während eines laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die Schule besuche. Das sich aus § 2 NSchG ergebende öffentliche Interesse überwiege dem Interesse an einem Heimunterricht, zumal Gründe, die ausnahmsweise einen Privatunterricht anstelle des Schulbesuchs hätten rechtfertigen können, nicht vorgetragen seien. Die Androhung des Zwangsgeldes beruhe auf §§ 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 Nr. 2, 67 Abs. 1, 70 Nds. SOG.
Daraufhin haben die Kläger am 23. März 2015 Klage erhoben.
Zur Begründung machen sie im Wesentlichen geltend, dass es für den Erlass einer derartigen Anordnung bereits an einer Rechtsgrundlage fehle. § 11 Nds. SOG komme als Rechtsgrundlage nicht in Betracht, denn das Schulgesetz gehe als Spezialgesetz vor. Das NSchG enthalte hingegen keine Rechtsgrundlage für die streitige Verfügung. Eine derartige Ermächtigung ergebe sich auch nicht aus § 71 NSchG. Davon abgesehen handele es sich bei § 71 NSchG um eine Regelung der elterlichen Sorge, d.h. um eine Norm des zivilen Kindschaftsrechts. Die landesrechtlich normierten Pflichten träfen die Eltern gegenüber dem Kind, nicht aber gegenüber dem Staat, womit es an der Verwaltungsaktbefugnis fehle. Darüber hinaus sei § 71 NSchG auch verfassungswidrig, da es an der Gesetzgebungskompetenz des Landes Niedersachsen fehle. Der Bescheid vom 16. März 2015 greife zudem in nicht verhältnismäßiger Weise in das Elterngrundrecht des Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz - GG -, in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ihrer Tochter sowie in das Grundrecht auf Freiheit von der Erziehung durch den Staat ein. Ihre Tochter wachse in einem bildungsbürgerlichen Haushalt auf. Bereits zu Anfang des Schuljahres 2014/2015 habe ihre Tochter gelesen, geschrieben und gerechnet. Zudem habe ihre Tochter hinreichend soziale Kontakte. Art. 7 Abs. 1 GG beinhalte nicht einen organisatorisch-formalen, sondern einen funktionalen Schulbegriff, dem das Homeschooling gerecht werde. Viele internationale Studien kämen zu dem Schluss, dass Homeschooler besser, zumindest aber nicht schlechter als Schüler öffentlicher Schulen abschneiden würden. Soziale Kompetenz im Umgang mit Andersdenkenden, gelebte Toleranz, Durchsetzungsvermögen und Selbstbehauptung ließen sich auch außerhalb einer öffentlichen Beschulung dem jungen Menschen vermitteln. So hätten das Allgemeine Preußische Landrecht und die Paulskirchenverfassung keine Beschränkung des Hausunterrichts vorgesehen. Erst die Weimarer Reichsverfassung habe eine allgemeine Schulpflicht festgelegt; jedoch habe das Reichsgrundgesetz Heimunterricht ausnahmsweise gestattet. Das heutige Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland enthalte keine Schulpflicht mehr. Im Übrigen habe für den Erlass des streitgegenständlichen Bescheides kein Bedürfnis bestanden, da er lediglich geltendes Recht wiederhole und der Beklagte durch die Anordnung in den Bereich der Familiengerichtsbarkeit eingebrochen sei. Auch die Androhung des Zwangsgeldes sei rechtswidrig, da es insoweit an einem (vollziehbaren) Grundverwaltungsakt sowie an einer Ermächtigungsgrundlage fehle.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 16. März 2015 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er tritt dem Klagevorbringen entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 16. März 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sowohl die Anordnung der Teilnahme am Unterricht (I.) als auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung (II.) und die Androhung des Zwangsgeldes (III.) begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
I. Rechtsgrundlage für die Anordnung der Teilnahme am Schulunterricht der Grundschule E. ist § 11 Nds. SOG. Diese Regelung findet vorliegend entgegen dem Vorbringen der Kläger Anwendung. Zwar ist den Klägern zuzugeben, dass allein die Aufgabe, einen rechtmäßigen Zustand herbeizuführen, eine Behörde nicht dazu ermächtigt, hoheitliche Rechtsakte gegenüber dem Bürger zu erlassen, die unmittelbar, final und imperativ dessen Rechtskreis treffen; hierzu bedarf es nach dem Grundsatz des Vorbehaltes des Gesetzes vielmehr einer Ermächtigungsgrundlage, die die Eingriffsbefugnisse der Verwaltung nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt (vgl. die von den Klägern zitierte Entscheidung des Hessischen VGH, Beschluss vom 29.12.2014 - 7 B 1570/14 -, juris). Eine derartige Ermächtigung für den Erlass einer Ordnungsverfügung zur Durchsetzung der Schulpflicht ergibt sich in Niedersachsen allerdings aus § 11 Nds. SOG. Diese Regelung kommt über § 3 Abs. 1 Satz 3 Nds. SOG vorliegend zur Anwendung. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG gehen Vorschriften des Bundes- oder Landesrechts, in denen die Gefahrenabwehr oder die anderen Aufgaben besonders geregelt sind, dem Nds. SOG vor. Nach § 3 Abs. 1 Satz 3 Nds. SOG ist das Nds. SOG ergänzend anzuwenden, soweit die besonderen Vorschriften keine abschließenden Regelungen enthalten. Letzteres ist hier der Fall. Das NSchG enthält keine besonderen (abschließenden) Regelungen, um die in § 71 Abs. 1 NSchG besonders geregelte Pflicht der Erziehungsberechtigten durchzusetzen. Insbesondere ist § 176 Abs. 1 Nr. 2 NSchG, nach dem ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 71 Abs. 1 Schulpflichtige nicht dazu anhält, am Unterricht regelmäßig teilzunehmen, nicht abschließend. Denn die zwangsweise Durchsetzung eines rechtmäßigen Verhaltens hat grundsätzlich Vorrang vor der nachträglichen Sanktionierung eines rechtswidrigen Verhaltens (vgl. auch Rux/Niehues, Schulrecht, 5. Auflage, 2013, Rn. 390).
Der Heranziehung des § 11 Nds. SOG steht nicht entgegen, dass es sich hierbei um eine sog. Generalklausel handelt. Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, im Hinblick auf den jeweiligen Lebensbereich darüber zu entscheiden, ob, mit welchem Schutzniveau und auf welche Weise Situationen entgegengewirkt werden soll, die nach seiner Einschätzung zu Schäden führen können. Daher ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich auch unbenommen, einen Sachverhalt durch Generalklauseln zu regeln. Enge Grenzen sind dem Gesetzgeber jedoch gesetzt, wenn die Generalklausel als Grundlage für einen Eingriff in ein Grundrecht dienen soll. Intensive und nicht nur kurzzeitig wirkende Grundrechtseingriffe muss der Gesetzgeber als solche ausdrücklich regeln, um dem verfassungsrechtlich vorgegebenen Vorbehalt des Gesetzes zu genügen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 1.12.2015 - 11 ME 230/15 -, juris m.w.N.). Die Anordnung der Teilnahme am Schulunterricht stellt zwar grundsätzlich eine Beschränkung und damit einen Eingriff in das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG dar. Allerdings handelt es sich bei der von dem Beklagten getroffenen Anordnung lediglich um eine Konkretisierung (nämlich im Hinblick auf die zu besuchende Schule, hier die Grundschule E.) der bereits von Gesetzes wegen bestehenden Verpflichtung der Erziehungsberechtigten aus dem NSchG. Nicht erst die Anordnung durch den Beklagten schränkt die Kläger in ihren Rechten aus Art. 6 GG ein. Diese Beschränkung ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Schulgesetz selbst.
Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Niedersächsische Verfassung - NV - besteht allgemeine Schulpflicht. Die auf Art. 4 Abs. 2 NV beruhende Schulpflicht wird durch §§ 63 ff. NSchG näher ausgestaltet. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 NSchG ist, wer in Niedersachsen seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Ausbildungs- oder Arbeitsstätte hat, nach Maßgabe der §§ 63 ff. NSchG zum Schulbesuch verpflichtet. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die allgemeine Schulpflicht bestehen entgegen der Ansicht der Kläger nicht (zur Verfassungsmäßigkeit der Schulpflicht vgl. insbesondere: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15.10.2014 - 2 BvR 920/14 -; Nichtannahmebeschluss vom 31.5.2006 - 2 BvR 1693/04 -, Nichtannahmebeschluss vom 29.4.2003 - 1 BvR 436/03 - sowie Beschluss vom 5.9.1986 - 1 BvR 794/86 -, zitiert jeweils nach juris). Die allgemeine Schulpflicht hat primär zum Ziel, dem in Art. 7 Abs. 1 GG normierten staatlichen Erziehungsauftrag im Interesse der Allgemeinheit zur Durchsetzung zu verhelfen. Die Schulpflicht dient jedoch nicht nur öffentlichen Interessen, sondern auch dem Kindeswohl, weil dem Kind durch den Schulbesuch das Erlernen bestimmter sozialer Kompetenzen, aber auch der Erwerb formaler Bildungsabschlüsse ermöglicht wird, von dem künftige Lebenschancen abhängen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 2.12.2014 - II-4 UF 97/13 -, juris). Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 31. Mai 2006 (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 31.5.2006 - 2 BvR 1693/04 -, juris Rn. 15 ff.) hierzu ausgeführt:
„Die Verpflichtung der Beschwerdeführer, ihre Kinder an dem Unterricht einer nach dem Hessischen Schulgesetz anerkannten Schule teilnehmen zu lassen, stellt eine zulässige Beschränkung ihres Erziehungsrechts dar.
Die allgemeine Schulpflicht dient als geeignetes und erforderliches Instrument dem legitimen Ziel der Durchsetzung des staatlichen Erziehungsauftrags. Dieser Auftrag richtet sich nicht nur auf die Vermittlung von Wissen und die Erziehung zu einer selbstverantwortlichen Persönlichkeit. Er richtet sich auch auf die Heranbildung verantwortlicher Staatsbürger, die gleichberechtigt und verantwortungsbewusst an den demokratischen Prozessen in einer pluralistischen Gesellschaft teilhaben. Soziale Kompetenz im Umgang auch mit Andersdenkenden, gelebte Toleranz, Durchsetzungsvermögen und Selbstbehauptung einer von der Mehrheit abweichenden Überzeugung können effektiver eingeübt werden, wenn Kontakte mit der Gesellschaft und den in ihr vertretenen unterschiedlichen Auffassungen nicht nur gelegentlich stattfinden, sondern Teil einer mit dem regelmäßigen Schulbesuch verbundenen Alltagserfahrung sind [...].
Die Schulpflicht steht zudem in einem angemessenen Verhältnis zu dem Gewinn, den die Erfüllung dieser Pflicht für den staatlichen Erziehungsauftrag und die hinter ihm stehenden Gemeinwohlinteressen erwarten lassen.“
Dass die gesetzliche Schulpflicht damit zugleich (grundsätzlich) ein Recht auf sog. Homeschooling ausschließt, ist ebenfalls geklärt (vgl. u.a. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 29.4.2003 - 1 BvR 436/03 -, juris). Ein Recht auf Homeschooling ergibt sich weder aus dem elterlichen Erziehungsrecht des Art. 6 Abs. 2 GG noch aus Art. 2 des (Ersten) Zusatzprotokolls der EMRK (BGBl. II, 1956, S. 1879). Das elterliche Erziehungsrecht begründet nicht das Recht, die Erfüllung der Schulpflicht zu verweigern. Aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ergibt sich zwar, dass die Pflege und Erziehung ihrer Kinder das natürliche Recht der Eltern und ihre zuvörderst obliegende Pflicht ist. Jedoch enthält diese Vorschrift keinen ausschließlichen Erziehungsanspruch der Eltern. In der Schule übt der Staat einen eigenen Erziehungsauftrag aus. Dieser staatliche Erziehungsauftrag (Art. 7 GG) in der Schule ist eigenständig begründet und tritt gleichrangig neben das Erziehungsrecht der Eltern (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 6.12.1972 - 1 BvR 230/70, 1 BvR 95/71 -, Beschluss vom 21.12.1977 - 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75 -, zitiert jeweils nach juris).
Die allgemeine Schulpflicht verstößt auch nicht gegen Art. 2 Satz 2 des (Ersten) Zusatzprotokolls zur EMRK. Danach hat der Staat bei der Ausübung der von ihm auf dem Gebiet der Erziehung und des Unterrichts übernommenen Aufgaben das Recht der Eltern zu achten, die Erziehung und den Unterricht entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine auf diese Vorschrift gestützte Individualbeschwerde in dem Fall, der der Entscheidung des BVerfG vom 29.4.2003 (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 29.4.2003 - 1 BvR 436/03 -, juris) zugrunde lag, als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen (Entscheidung vom 11.9.2006 - Az. 35504/03 - Konrad u.a. ./. Deutschland). In der Begründung führt der Gerichtshof unter anderem aus, dass die deutschen Behörden und Gerichte ihre Entscheidungen sorgfältig begründet und vorwiegend darauf abgestellt hätten, dass nicht nur die Aneignung von Wissen, sondern auch die Integration in die Gesellschaft und erste gesellschaftliche Erfahrungen wichtige Ziele der Grundschulbildung seien. Die Einschätzung der deutschen Gerichte, dass diese Ziele auch dann nicht im selben Maße durch Heimunterricht erreicht werden könnten, wenn den Kindern dadurch dasselbe Wissensniveau vermittelt werden könne wie durch die Grundschulbildung, sei nach Ansicht des Gerichtshofes keine Fehleinschätzung und falle in den Ermessensspielraum der Vertragsstaaten.
Als nähere Ausgestaltung der allgemeinen Schulpflicht haben nach § 71 Abs. 1 Satz 1 NSchG die Erziehungsberechtigten dafür zu sorgen, dass die Schülerinnen und Schüler am Unterricht und an den sonstigen Veranstaltungen der Schule regelmäßig teilnehmen und die ihnen obliegenden Pflichten erfüllen. Auch die gegen diese Vorschrift von den Klägern geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken teilt die Einzelrichterin nicht. Insbesondere fehlt dem Niedersächsischen Landesgesetzgeber nicht die erforderliche Gesetzgebungskompetenz für den Erlass des § 71 NSchG. Der Landesgesetzgeber ist auf dem Gebiet des Schulwesens aufgrund der Kulturhoheit ausschließlich zuständig (Art. 70 Abs. 1 GG). Dies gilt auch für den Erlass des § 71 NSchG. Der Landesgesetzgeber war nicht mit Blick auf die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das bürgerliche Recht (Art. 72, 74 Abs. 1 Ziff.1 GG) daran gehindert, die Norm zu erlassen, da es sich bei § 71 NSchG nicht um eine Norm des bürgerlichen Rechts handelt. Zum Bürgerlichen Recht gehört auch das Familienrecht der §§ 1297 bis 1921 BGB einschließlich der Regelungen zum Personensorgerecht in §§ 1626 bis 1633 BGB (vgl. zum Begriff des „bürgerlichen Rechts“ u.a.: BVerfG, Beschluss vom 10.3.1976 - 1 BvR 355/67 -, juris; vgl. zum Schulwesen: BVerfG, Urteil vom 24.9.2003 - 2 BvR 1436/02 -, juris: Das Grundgesetz lässt den Ländern im Schulwesen umfassende Gestaltungsfreiheit.). Entsprechend betreffen die familienrechtlichen Regelungen allein das Eltern-Kind-Verhältnis, während das Schulgesetz des Landes im Rahmen des grundgesetzlich garantierten staatlichen Erziehungsauftrags (vgl. Art. 7 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG) in § 71 Abs. 1 NSchG Pflichten im Hinblick darauf formuliert, wie die Eltern ihre Erziehungsrechte wahrzunehmen haben (vgl. zu Vorstehendem auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.7.2014 - 9 S 897/14 -; VG Münster, Beschluss vom 17.6.2016 - 1 L 180/16 -, zitiert jeweils nach juris). Die Regelung des § 71 NSchG ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht verfassungsgemäß, denn sie stellt eine Konkretisierung der allgemeinen Schulpflicht dar (zur Verfassungsmäßigkeit entsprechender Strafvorschriften vgl. u.a. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15.10.2014 - 2 BvR 920/14 -, juris).
Da sich die Grundrechtsbeschränkung mithin nicht erst aus der hier streitigen Verfügung, sondern bereits unmittelbar aus dem NSchG ergibt, bestehen keine rechtlichen Bedenken an der Heranziehung des § 11 Nds. SOG als Ermächtigungsgrundlage.
Die Anordnung der Teilnahme am Unterricht erfolgte formell rechtmäßig. Insbesondere hat der Beklagte als sachlich zuständige Behörde gemäß § 2 der Verordnung über Zuständigkeiten im Bereich der Bildung (ZustVO-Bildung) vom 27. August 2012 (Nds. GVBl. 2012, S. 344) gehandelt. Danach obliegen Maßnahmen zur Durchführung der Schulpflicht nach dem Niedersächsischen Schulgesetz den Landkreisen, kreisfreien Städten, großen selbstständigen Städten und selbstständigen Gemeinden. Ferner wurden die Kläger vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides entsprechend § 28 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG mit Schreiben vom 27. Januar 2015 angehört.
Die Anordnung erfolgte auch in materieller Hinsicht rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Nds. SOG liegen vor. Danach können Verwaltungsbehörden und die Polizei die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren, soweit nicht die Vorschriften des Dritten Teils die Befugnisse der Verwaltungsbehörden und der Polizei besonders regeln. Eine Gefahr ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) Nds. SOG eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eintreten wird. Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit umfasst die Unverletzlichkeit der geschriebenen Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter Einzelner sowie der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger von Hoheitsgewalt (vgl. nur Denninger in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., 2012, Kapitel D Rn. 16 ff. m.w.N.). Vorliegend besteht eine Gefahr für das Schutzgut der objektiven Rechtsordnung. Durch die Heimunterrichtung ihrer Tochter F. verstoßen die Kläger gegen ihre Verpflichtung aus § 71 Abs. 1 NSchG.
Die Tochter der Kläger ist seit dem Schuljahr 2014/2015 gem. § 64 Abs. 1 Satz 1 NSchG schulpflichtig. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 NSchG legen die Schulträger für den Primärbereich für jede Schule einen Schulbezirk fest. Soweit für Schulen Schulbezirke festgelegt worden sind, haben die Schülerinnen und Schüler diejenige Schule der von ihnen gewählten Schulform zu besuchen, in deren Schulbezirk sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, sofern sich aus dem NSchG nichts anderes ergibt (§ 63 Abs. 3 Satz 1 NSchG). Die Schulpflicht ist danach eine Schulbesuchspflicht und wird grundsätzlich an den staatlichen Schulen erfüllt; ihr kann aber auch durch den Besuch einer anerkannten Schule in freier Trägerschaft (vgl. §§ 139 ff. NSchG) nachgekommen werden. Durch die Teilnahme an privatem häuslichem Unterricht wird die Schulpflicht in der Regel nicht erfüllt (zu den Ausnahmen sogleich). Aus diesem Grunde kommt es entgegen dem Vorbringen der Kläger nicht darauf an, ob die Unterrichtung zu Hause besser oder zumindest nicht schlechter als die schulische Ausbildung ist (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.6.2002 - 9 S 2441/01 -, juris). Der Auffassung der Kläger, die Schulpflicht könne so verstanden werden, dass ihr ohne Besuch einer Schule durch häuslichen Unterricht genügt werden könne, da der Schulbegriff nicht organisatorisch-formal, sondern funktional zu verstehen sei, steht schon die verwandte Begrifflichkeit entgegen. Von einer „Schulpflicht“ kann nicht die Rede sein, wenn sie nicht den Besuch einer Schule verlangt, sondern auch zu Hause im Familienkreis erfüllt werden kann. Schule im Sinne des Schulrechts ist eine organisierte, auf Dauer angelegte Einrichtung, in der eine im Laufe der Zeit wechselnde Mehrzahl von Schülern zur Erreichung allgemein festgelegter Erziehungs- und Bildungsziele planmäßig durch hierzu ausgebildete Lehrkräfte gemeinsam unterrichtet wird. Die Unterrichtung der eigenen Kinder durch die Eltern im familiären Umkreis kann daher niemals Schule sein, und zwar auch dann nicht, wenn die Kinder zahlreich und die Eltern selbst ausgebildete Lehrer sind; es fehlt an der organisatorischen Verselbständigung und Verstetigung und an der gemeinsamen Unterrichtung eines im Laufe der Zeit wechselnden Schülerbestandes. Aus demselben Grunde genügt auch die Unterrichtung durch einen Hauslehrer nicht. Schule tritt schon begrifflich der Familie gegenüber (vgl. hierzu insbesondere VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.6.2002 - 9 S 2441/01 -, juris, auch zur geschichtlichen Entwicklung der zunächst lediglich bestehenden Unterrichtspflicht zur allgemeinen Schulpflicht).
Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Befreiung von der Schulpflicht bzw. auf Gestattung anderweitigen Unterrichts.
Die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 NSchG, wonach Schülern, die infolge einer längerfristigen Erkrankung die Schule nicht besuchen können, Unterricht zu Hause oder im Krankenhaus in angemessenem Umfang erteilt werden soll, liegen ersichtlich nicht vor. Gleiches gilt für § 70 NSchG, der besondere Voraussetzungen für ein Ruhen der Schulpflicht regelt.
Die Kläger können sich auch nicht mit Erfolg auf § 63 Abs. 5 NSchG a.F. (in der hier anwendbaren Fassung vom 16. März 2011; § 63 Abs. 5 NSchG wurde durch das Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes vom 03. Juni 2015, Nds. GVBl. 2015, S. 90 ff., ersatzlos gestrichen) berufen. Nach § 63 Abs. 5 NSchG a.F. darf Schulpflichtigen der ersten sechs Schuljahrgänge Privatunterricht an Stelle des Schulbesuchs nur ausnahmsweise gestattet werden. Bereits der Wortlaut dieser Norm macht deutlich, dass eine derartige Gestattung im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde steht, für die entsprechend ihrem Charakter als Ausnahmevorschrift hinreichende Gründe vorliegen müssen. Das Schulgesetz selbst enthält keine konkreten Vorgaben, welche Ausnahmegründe die Gestattung von Privatunterricht rechtfertigen können. In Betracht kommen namentlich objektive Hinderungsgründe in der Person des Schülers oder der Schülerin. Derartige Hinweise zum Verständnis des § 63 Abs. 5 NSchG a.F. finden sich in Ziffer 4 der „Ergänzenden Bestimmungen zur Schulpflicht und zum Rechtsverhältnis zur Schule“ (RdErl. d. MK vom 29.8.1995, Nds. MBl. 1995 Nr. 38, S. 1142, zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 1.3.2006, SVBl. 2006 Nr. 4, S. 109). Danach kann eine Ausnahme vorliegen, wenn der Schulbesuch aus in der Person der oder des Schulpflichtigen liegenden besonderen Gründen für ihre oder seine Entwicklung oder für ihre oder seine Mitschülerinnen und Mitschüler eine Gefährdung bedeuten würde. Daneben kann sich eine Ausnahmegenehmigung aber auch aus anderen gewichtigen Gründen, beispielsweise aus religiösen Gründen, ergeben (vgl. hierzu bspw. Nds. OVG, Urteil vom 5.3.2003 - 13 LB 4075/01 -, juris). Insbesondere dann, wenn es - wie hier - nicht um eine Befreiung von dem Unterricht in einem bestimmten Fach, sondern um eine komplette Unterrichtung zu Hause geht, setzt die Gestattung von Unterricht außerhalb der Schule zwingende Gründe voraus (so auch VG Braunschweig, Urteil vom 17.12.2003 - 6 A 568/02 -, juris).
Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen besteht kein Anspruch auf Ausnahmeerteilung.
Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts mitgeteilt, dass die Kläger bereits keinen Antrag auf Ausnahmeerteilung nach § 63 Abs. 5 NSchG a.F. bei der Schulbehörde gestellt haben.
Im Übrigen haben die Kläger keine gewichtigen Gründe vorgetragen, die eine Ausnahmeerteilung nach § 63 Abs. 5 NSchG a.F. rechtfertigen. Sie machen lediglich geltend, dass ihre Tochter F. in einem bildungsbürgerlichen Haushalt aufwachse, sie Zugang zu Büchern, sonstigen Medien und Musikinstrumenten habe und diese auch tatsächlich nutze. Effektiv würden sie ihre Tochter systematisch unter der Zielperspektive eines anerkannten Schulabschlusses fördern. Sie könnten als bildungsambitionierte Akademiker ihre Tochter daheim besser, zumindest nicht schlechter unterrichten, als in einer öffentlichen oder privaten Schule. Hiermit ist eine unausweichliche Kollisionslage nicht im Ansatz dargetan worden. Es mangelt an einer substantiierten und objektiv nachvollziehbaren Darlegung eines Konflikts, der die Heimunterrichtung der Tochter der Kläger rechtfertigt. Allein der Wunsch der Kläger, ihre Tochter zu Hause zu unterrichten, begründet einen Ausnahmefall nach § 63 Abs. 5 NSchG a.F. mitnichten. Würden diese Gründe als Ausnahmen anerkannt, würde die Erfüllung der Schulpflicht in das freie Belieben der Eltern gestellt. Allein ein Berufen auf das Elterngrundrecht genügt insoweit nicht, da das elterliche Erziehungsrecht, wie bereits ausgeführt, gerade nicht das Recht begründet, die Erfüllung der Schulpflicht zu verweigern.
Da mithin eine Ausnahmeerteilung von der Schulpflicht weder beantragt noch ein derartiger Befreiungsanspruch im Ansatz dargetan worden ist, verstoßen die Kläger durch die Heimunterrichtung ihrer Tochter gegen § 71 NSchG, was die vorliegend streitige Anordnung nach § 11 Nds. SOG rechtfertigt.
Die Anordnung der Teilnahme am Unterricht ist auch verhältnismäßig. Sie dient dem legitimen Ziel der Durchsetzung der Schulpflicht und ist zur Erreichung dieses Ziel geeignet und erforderlich. Mildere Mittel sind nicht ersichtlich. Insbesondere wäre die staatliche Überwachung von Heimunterricht nicht gleich geeignet, da eine reine Überwachung des Heimunterrichts im Hinblick auf das Erziehungsziel der Vermittlung sozialer und staatsbürgerlicher Kompetenz nicht als gleich wirksam zu bewerten wäre. Soziale Kompetenz im Umgang mit Andersdenkenden, gelebte Toleranz, Durchsetzungsvermögen und Selbstbehauptung einer von der Mehrheit abweichenden Überzeugung können nämlich effektiver eingeübt werden, wenn Kontakte mit der Gesellschaft und den in ihr vertretenen unterschiedlichsten Auffassungen nicht nur gelegentlich stattfinden, sondern Teil einer mit dem regelmäßigen Schulbesuch verbundenen Alltagserfahrung sind. Der mit der Verpflichtung zur Teilnahme am Unterricht verbundene Eingriff in die Elterngrundrechte des Art. 6 Abs. 2 GG sowie die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG steht auch in einem angemessenen Verhältnis zu dem Gewinn, den die Erfüllung dieser Pflicht für den staatlichen Erziehungsauftrag und die dahinterstehenden Gemeinwohlinteressen erwarten lassen, da die Allgemeinheit ein berechtigtes Interesse daran hat, der Entstehung von Parallelgesellschaften entgegenzuwirken (vgl. zu Vorstehendem: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 29.4.2003 - 1 BvR 436/03 -, juris). Die Erfüllung des staatlichen Erziehungsauftrags durch die Schulpflicht dient darüber hinaus auch dem durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Kindesinteresse (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 21.4.1989 - 1 BvR 235/89 -, juris), sie widerspricht ihm nicht.
Anders als die Kläger meinen, fehlt dem Beklagten schließlich auch nicht die Befugnis, eine derartige Anordnung der Teilnahme am Schulunterricht zu erlassen. Denn die streitige Anordnung erschöpft sich nicht lediglich in der bloßen Wiederholung des Gesetzestextes, sondern enthält darüber hinaus eine bindende Festsetzung der zu besuchenden Grundschule, hier die Grundschule E. gem. § 63 Abs. 2 NSchG.
II. Rechtsgrundlage für die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung bestehen nicht. Insbesondere erfolgte die Anordnung formell rechtmäßig. Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dies soll den Betroffenen in die Lage versetzen, in Kenntnis dieser Gründe seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs abzuschätzen. Der Behörde wird zugleich der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung verdeutlicht. Dementsprechend muss die Begründung nachvollziehbar machen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt mit der Folge, dass dessen Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat. Pauschale und nichts sagende formelhafte Wendungen genügen nicht (vgl. hierzu Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., 2015, § 80 Rn. 84 ff. m.w.N.). Die Begründung des Sofortvollzuges der streitigen Anordnung in dem Bescheid vom 16. März 2015 genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der Beklagte hat die Anordnung des Sofortvollzugs nachvollziehbar damit begründet, dass damit sichergestellt werden solle, dass der Schulbesuch der Tochter der Kläger aufgrund des besonderen Interesses an der Erfüllung des Bildungsauftrages der Schule auch während eines laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erfolge. Das öffentliche Interesse überwiege den Interessen der Kläger an einem Heimunterricht, zumal Gründe, die ausnahmsweise einen Privatunterricht anstelle des Schulbesuchs rechtfertigen könnten, weder ersichtlich noch vorgetragen worden seien.
III. Die Zwangsgeldandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 70 Abs. 1 Nds. Verwaltungsvollstreckungsgesetz - NVwVG - i.V.m. §§ 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 Nr. 2, 67, 70 Nds. SOG. Für die Vollstreckung eines Verwaltungsaktes, mit dem, wie hier, eine Handlung erzwungen werden soll, finden nach § 70 Abs. 1 NVwVG die Vorschriften der §§ 64 ff. Nds. SOG Anwendung, auch wenn die zu erzwingende Handlung nicht der Gefahrenabwehr dient. Dass diese Regelung in dem angefochtenen Bescheid vom 16. März 2015 nicht genannt worden ist, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit des Bescheides unerheblich (vgl. § 46 VwVfG). Nach § 64 Abs. 1 Nds. SOG kann ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn, wie hier, ein Rechtbehelf keine aufschiebende Wirkung hat. Zwangsmittel sind nach § 70 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG möglichst schriftlich anzudrohen, was vorliegend erfolgt ist. Auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Das Zwangsgeld wird auf mindestens 5,00 und auf höchstens 50.000,00 Euro schriftlich festgesetzt. Bei seiner Bemessung ist auch das wirtschaftliche Interesse der betroffenen Person an der Nichtbefolgung des Verwaltungsaktes zu berücksichtigen (§ 67 Abs. 1 Nds. SOG). Hier hat der Beklagte ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 Euro angedroht. Dieser Betrag ist nicht unverhältnismäßig. Er bewegt sich am unteren Rand dessen, was der Beklagte hätte androhen können. Im Übrigen haben die Kläger Bedenken gegen die Höhe der Zwangsgeldandrohung nicht geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.