Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 03.07.2014, Az.: 5 U 6/14
Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall; Erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung; Verletzung eines Vorfahrtsrechts; Bemessungskriterien für Schmerzensgeld
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 03.07.2014
- Aktenzeichen
- 5 U 6/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 42348
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - 18.12.2013 - AZ: 2 O 225/13
Rechtsgrundlage
- § 92 Abs. 1 ZPO
In dem Rechtsstreit
K. S., ...,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...,
gegen
1. W. P., ...,
2. M. P., ...,
3. ... Versicherungen, vertreten durch den Vorstand, ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2, 3:
Anwaltsbüro ...,
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2014 für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 18. Dezember 2013 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer/Einzelrichter des Landgerichts Hildesheim teilweise geändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 5.632,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Mai 2013 sowie weitere 5.250,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Juli 2013 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsverfolgungskosten in Höhe von 837,52 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 1/3, die Beklagten als Gesamtschuldner 2/3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
- abgekürzt gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO -
Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet. Die Beklagten schulden ihm aus dem Verkehrsunfall vom 6. Juli 2012 Schadensersatz nach einer Quote von 2/3 zu 1/3 zu ihren Lasten.
1. Bei der Bemessung der Haftungsquote waren folgende Umstände zu berücksichtigen:
Der Kläger hat die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h deutlich überschritten und ist mit mindestens 80 km/h gefahren, Verstoß gegen § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO.
Die Beklagte zu 2 hat das Vorfahrtsrecht des Klägers nicht geachtet, Verstoß gegen § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StVO.
Im vorliegenden Fall ist der deutlich überwiegende Mitverursachungs- und Mitverschuldensanteil der Beklagten zu 2 anzulasten. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlich geführten Beweisaufnahme war der Kläger für die Beklagte zu 2 deutlich zu jeder Zeit ungeachtet einer ggfs. noch höheren Geschwindigkeitsüberschreitung und ohne jede Schwierigkeit erkennbar. Die Beklagte zu 2 hat - vor dem Senat angehört - erklärt, lediglich auf die Lichtzeichenanlage links geachtet zu haben. Weil diese bereits "langsam auf gelb" umschaltete, sei sie davon ausgegangen, "freie Fahrt" zu haben. Das entlastet die Beklagte zu 2 jedoch nicht. Selbst wenn der Kläger die Lichtzeichenanlage in 150 Meter Entfernung bei "rot" passiert haben sollte, hatte die Beklagte zu 2 ihm Vorfahrt zu gewähren. Im Übrigen soll die Lichtzeichenanlage nicht den untergeordneten Verkehr aus einer weit entfernt liegenden Nebenstraße schützen, sondern den unmittelbar querenden Verkehr.
Da der Kläger für die Beklagte zu 2 - trotz dessen überhöhter Geschwindigkeit - deutlich zu erkennen war, wiegt der Vorfahrtsverstoß der Beklagten zu 2 schwerer als das Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch den Kläger.
Bei dieser Konstellation hält der Senat eine Haftungsverteilung von 2/3 zu 1/3 zu Lasten der Beklagten für angemessen.
2. Höhe
Der Sachschaden ist in zweiter Instanz mit insgesamt 8.448,54 € unstreitig. 2/3 davon sind 5.632,36 €.
Auf die von dem Kläger in zweiter Instanz erklärte Teilklagrücknahme und die fehlende Zustimmung der Beklagten hierzu kommt es nicht an. Da das Landgericht die Klage zum überwiegenden Teil abgewiesen hat, ist der Berufungsantrag des Klägers dahin auszulegen, dass er Berufung gegen das landgerichtliche Urteil nur im Umfang von 6.336,40 € eingelegt hat. Es liegt damit im Rechtssinne keine teilweise Klagrücknahme vor, die der Zustimmung durch die Beklagten bedürfte.
3. Schmerzensgeld
Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von insgesamt 6.000,00 €, § 253 BGB.
a) Der Senat ist nicht gehindert, über den beantragten Betrag des Schmerzensgeldes hinauszugehen. Bei der Festsetzung des für angemessen gehaltenen Schmerzensgeldes sind dem Richter im Rahmen des § 308 ZPO durch die Angabe eines Mindestbetrages oder einer Größenordnung nach oben keine Grenzen gezogen (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1996, Az. VI ZR 55/95, zitiert nach juris).
b) Bei der Bemessung waren außer den Mitverursachungs- und Verschuldensanteilen beider Seiten die erlittenen Verletzungen sowie die Verletzungsfolgen in die Abwägung einzustellen.
Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2014 angehört. Darin hat der Kläger anschaulich und glaubhaft seine verbliebenen Beschwerden geschildert. Diese waren insgesamt deutlich Schmerzensgeld erhöhend zu berücksichtigen.
Der Kläger hat bei dem Unfall im Wesentlichen eine Sprunggelenksfraktur links mit Absprengung eines der hinteren Volkmann´schen Dreiecks erlitten. Er befand sich vom 6. bis zum 11. Juli in stationärer Behandlung, und war weiter bis zum 23. Juli 2012 zu 100 % arbeitsunfähig. Ab dem 24. Juli erfolgte ein Belastungsaufbau mit einer Arbeitsunfähigkeit zu 50 % bis zum 6. September 2012.
Der Kläger hat Folgeschäden erlitten, nämlich eine Arthrose im Sprunggelenk und eine Verknöcherung zwischen Waden- und Schienbein im Operationsgebiet. Zudem verblieben Schraubenteile in dem Knöchel, weil diese Schrauben abgebrochen waren.
Der Kläger hat dem Senat anschaulich und glaubhaft geschildert, dass diese abgebrochenen Schraubteile zu Beeinträchtigungen führen, wenn der Knöchel über einen gewissen Zeitraum hinaus belastet wird, weil diese Schraubenenden das Operationsgebiet wiederum so reizen, dass es zu Einblutungen komme. Dies könne er an einem entsprechenden Bluterguss um den Knöchel feststellen. Auch schmerze der Knöchel dann wieder. Gegebenenfalls sei es erforderlich, diese abgebrochenen Schrauben in einer weiteren Operation zu entfernen. Bereits nach seinem ersten Motorradunfall im Jahre 2009 sei er in seinen sportlichen Aktivitäten eingeschränkt gewesen. Nach dem hiesigen Unfall sei ihm jedoch eine sportliche Betätigung (Skatebord fahren, Joggen etc.) nicht mehr möglich. Er habe es daher aufgegeben, Sport zu treiben.
Insbesondere die Dauerschäden, die der Kläger durch die Sprunggelenksfraktur erlitten hat, die Arthrose, die abgebrochenen Schrauben und das Unvermögen, weiter Sport zu treiben, erfordern einen deutlich höheren Betrag an Schmerzensgeld, als der Kläger angegeben hat. Bei ihm handelt es sich um einen sehr jungen Mann, der in seiner Freizeit deutliche Einbußen dadurch hinnehmen muss, dass er kaum mehr Sport treiben kann und der wegen der abgebrochenen Schrauben und der durch die Enden verursachten Reizungen mit weiteren Folgeschäden rechnen muss, neben der bereits vorhandenen Arthrose des Sprunggelenks.
Die Nebenforderungen resultieren aus § 286 Abs. 1, § 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung für die Revision liegen nicht vor, § 543 ZPO.