Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 30.01.2007, Az.: 2 A 8773/05
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 30.01.2007
- Aktenzeichen
- 2 A 8773/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 62122
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2007:0130.2A8773.05.0A
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die Beihilfevorschriften sind weiterhin in der Fassung anzuwenden, die im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen galten.
- 2.
Der Katalog der Nr. 16.4 AMR ist nicht abschließend. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gebietet eine entsprechende Anwendung des
§ 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V.
- 3.
Auch in medizinisch begründeten Einzelfällen sind Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel weder beihilfefähig noch aus Fürsorgegründen (anteilig) zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin ist als Versorgungsempfängerin des Landes Niedersachsen mit einem Bemessungssatz von 70 v. H. beihilfeberechtigt. Sie leidet an einer dominant vererblichen spinocerebellären Ataxie (SCA 3). Die Krankheitsursache ist eine Genmutation, die neurologische Symptome, Augenbewegungsstörungen und einer Augenlidretraktion sowie unwillkürliche Muskelzuckungen und Störungen der Sensorik verursacht.
Wegen dieses Krankheitsbildes werden der Klägerin ständig die Präparate Calzium-EAP, Vitagutt und Sanomit Q 10 ärztlicherseits verordnet. Mit Bescheid vom 18.01.2005 hatte der Beklagte diese drei Präparate als Standardtherapeutika anerkannt. Dem lagen die Atteste des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie - Psychotherapie B. vom 07.03.2003 sowie 19.11.2004 zugrunde. Der Beklagte hatte ferner bezüglich des Q 10-Präparates eine amtsärztliche Auskunft der Region Hannover vom 12.05.2003 eingeholt. Unter dem 25.11.2004 hatte B. das vom Beklagten entwickelte Formular "nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, Bescheinigung über das Vorliegen eines Ausnahmefalles" ausgefüllt und für alle drei Präparate die Nr. 16.1, 16.2 und 16.3 der AMR angegeben.
Mit Bescheid vom 14.07.2005 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, er habe jetzt das Präparat Sanomit Q 10 letztmals als beihilfefähig anerkannt, insoweit werde der Bescheid vom 18.10.2005 aufgehoben. Bei dem Präparat handele es sich nicht um ein Arzneimittel, sondern um ein Mittel zur Nahrungsergänzung. Mit Beihilfebescheid vom 03.08.2005 erkannte der Beklagte Aufwendungen der Klägerin über 275,20 EUR nicht als beihilfefähig an, dabei handelt es sich um zweimal verordnete 100 ml-Packungen des Präparats Sanomit Q 10. Der Bescheid des Beklagten vom 06.10.2005 erkennt nunmehr auch die Präparate Vitagutt und Calzium-EAP nicht mehr als beihilfefähig an, weil es sich dabei nicht um ein Standardtherapeutikum handele bzw. weil keine schwerwiegende Erkrankung (Diagnose nach der Nr. 16.4 der AMR) vorliege. Die hiergegen von der Klägerin erhobenen Widersprüche weist der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 16.11.2005 - zugestellt am 18.11.2005 - als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat am 19.12.2005 (einem Montag) Klage erhoben.
In der mündlichen Verhandlung hat der Terminsvertreter des Beklagten die Aufwendungen der Klägerin für die Präparate Calzium-EAP sowie Vitagutt als beihilfefähig anerkannt und insoweit unmittelbar auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn abgestellt. Hinsichtlich dieser beiden Präparate haben daraufhin die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.
Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, auch ihre Aufwendungen für das Präparat Sanomit Q 10 seien als beihilfefähig anzuerkennen. Zur Begründung trägt sie vor, der gemeinsame Bundesausschuss habe ihr Krankheitsbild nicht etwa bewusst aus dem Katalog der schwerwiegenden Erkrankungen ausgeklammert, sondern dieses Krankheitsbild - und damit die als Standardtherapeutika zu deren Behandlung eingesetzten nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel wegen des seltenen Krankheitsbildes schlicht nicht bedacht. Die beihilferechtlichen Regelungen mit ihrem Verweis auf die Richtlinien könne nicht als abschließend angesehen werden. In begründeten Ausnahmefällen müsse der therapeutischen Vielfalt Rechnung getragen und der medizinische Fortschritt berücksichtigt werden. Ergänzend legt sie eine weitere ärztliche Stellungnahme des B. vom 24.11.2005 sowie der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Tübingen - C. vom 10.08.2005 vor. Auf diese Stellungnahmen wird Bezug genommen. Sie werde aufgrund ihrer Erkrankung die ihr verordneten Präparate auf Dauer einnehmen müssen. Die dadurch entstandenen Kosten könne sie auch durch zumutbare Eigenvorsorge nicht vollständig absichern, so dass der Beklagte jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht zu Beihilfeleistungen verpflichtet sei.
Die Klägerin beantragt noch,
festzustellen, dass ihre Aufwendungen für das Präparat Sanomit Q 10 beihilfefähig sind und den Bescheid des Beklagten vom 03.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2005 aufzuheben, soweit er diesem Begehren entgegensteht.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen
und verteidigt den angegriffenen Bescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Beihilfevorgangs verwiesen.
Entscheidungsgründe
Hinsichtlich der ursprünglich noch im Streit stehenden Präparat Calzium-EAP und Vitagutt ist das Verfahren erledigt, weil der Terminsvertreter des Beklagten insoweit die Aufwendungen der Klägerin als beihilfefähig erachtet hat. Die Beteiligten haben dem durch Erledigungserklärungen Rechnung getragen, in diesem Umfang ist das Verfahren daher in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Das noch im Übrigen zur Entscheidung des Gerichts gestellte Begehren der Klägerin muss erfolglos bleiben, weil die Kammer nicht feststellen kann, dass die Aufwendungen der Klägerin für das Präparat Sanomit Q 10 beihilfefähig oder unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht von dem Beklagten zu tragen sind.
Die Klägerin kann ihren Anspruch nicht auf die Beihilfevorschriften stützen, die nach ständiger Rechtsprechung der Kammer im Anschluss an die des Bundesverwaltungsgerichts in der Fassung anzuwenden sind, die im Zeitpunkt des Entstehens der streitigen Aufwendungen galt. Demgemäß beurteilt sich der Rechtsstreit hier nach § 87 c Abs. 1 Satz 1 NBG i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (BhV) i. d. F. der 27. und 28. Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften (GMBl. 2004, S. 227, 379, 974), die in Niedersachsen aus Gründen des Vertrauensschutzes bei ab dem 01.09.2004 entstehenden Aufwendungen anzuwenden sind (vgl. den RdErl. d. Nds. MF v. 19.12.2003, Nds. MBl. 2004, 240). Schon im Urteil vom 18.01.2007 - 2 A 8599/05 - hat sich die Kammer der Auffassung des VG Göttingen (U.e v. 04.10.2006 - 3 A 526 und 608/05 - nicht anschließen können, wonach die Beihilfevorschriften in der Fassung anzuwenden seien, wie sie im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.06.2004 (DVBl. 2004, 1420) galten und Änderungen der Beihilfevorschriften unangewendet bleiben müssen, soweit diese nicht bereits im bis zum genannten Stichtag geltenden Beihilfeprogramm angelegt waren. Für die Rechtsauffassung der Kammer ist maßgeblich, dass das Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung (ebenso U. v. 25.11.2004, NVwZ 2005, 712 f. d. Rechtslage im Land Nds.) betont hat, dass trotz Fehlens der normativen Regelung für eine Übergangszeit die Beihilfevorschriften noch anzuwenden sind, ohne dem Verordnungsgeber eine konkrete Frist zur Schaffung der geforderten gesetzlichen Grundlagen für das Beihilferecht zu setzen, und zwar in Kenntnis der gravierenden Einschnitte in das Beihilferecht durch die genannten 27. und 28. Änderungsverwaltungsvorschrift. Anhaltspunkte dafür, dass die dem Gesetzgeber vom Bundesverwaltungsgericht gesetzte Übergangsfrist inzwischen abgelaufen ist, sieht die Kammer nicht.
Auf der Grundlage der demnach hier anwendbaren Fassung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BhV sind die Klägerin die von B. aus Anlass ihrer Krankheit schriftlich verordneten Arzneimittel grundsätzlich nicht beihilfefähig, soweit sie nicht verschreibungspflichtig sind. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
Zu Gunsten der Klägerin greift aber auch nicht der Ausnahmetatbestand des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b Satz 2 BhV ein. Danach sind solche Arzneimittel von der fehlenden Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, die aufgrund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Nr. 6 SGB V aufgrund von § 34 Abs. 1 Satz 5 SGB V ausnahmsweise verordnet werden dürfen. Auf dieser Grundlage stellen die angefochtenen Bescheide des Beklagten auf die gesetzlichen Verordnungsausschlüsse bei der Arzneimittelversorgung und die zugelassenen Ausnahmen in Nr. 16 der Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Arzneimitteln der vertragsärztlichen Versorgung ab (AMR). Diese Bestimmungen wenden die angegriffenen Bescheide zu Lasten der Klägerin in einer vom Gericht nicht zu beanstandenden Weise an. Danach sind apothekenpflichtige nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel grundsätzlich von der Versorgung ausgeschlossen, ihre Verordnung ist jedoch ausnahmsweise zulässig, wenn das Arzneimittel bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gilt. Eine Krankheit ist schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt. Ein Arzneimittel gilt als Therapiestandard, wenn der therapeutische Nutzen zur Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung dem allgemein anerkannten Standard der Medizinischen Erkenntnisse entspricht. Hieran anknüpfend zählt der Ausnahmekatalog in Nr. 16.4 AMR schwerwiegende Erkrankungen und Standardtherapeutika zu deren Behandlung auf. Das hier noch streitige Präparat Sanomit Q 10 ist der Klägerin wegen ihrer spinocerebellären Ataxie verordnet worden, B. nimmt insoweit auf die Nrn. 16.1, 16.2 und 16.3 der AMR Bezug, weil er das Mittel und das Krankheitsbild der Klägerin unter den Ausnahmekatalog in Nr. 16.4 nicht subsummieren kann.
Der Katalog der Nr. 16.4 AMR kann zur Überzeugung des Gerichts nicht in allen Fällen abschließend sein, auch wenn die Verweisung der Beihilfevorschriften auf einen abschließenden Katalog hindeutet. Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung bestimmt § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V, dass der Vertragsarzt Arzneimittel, die aufgrund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen kann. Diese Norm nehmen die Beihilfevorschriften nicht in Bezug. In den dort geregelten Fällen (medizinisch begründete Einzelfälle) kann zur Überzeugung des Gerichts jedoch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht hinter dem zurückstehen, was die gesetzliche Krankenversicherung ihren Mitgliedern leistet. Von diesem gedanklichen Ansatz her hat der Terminsvertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung die Aufwendungen der Klägerin für die hier jetzt nicht mehr streitbefangenen Arzneimittel anerkannt.
Aber auch auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung kann das Begehren der Klägerin nicht zum Erfolg führen. Sowohl nach Beihilferecht wie unter dem Gesichtspunkt des Einstehens für die Fürsorgepflicht ist der Beklagte nur gehalten, Aufwendungen für Arzneimittel als erstattungsfähig anzuerkennen. Um ein solches handelt es sich bei dem der Klägerin verordneten Präparat Sanomit Q 10 indessen nicht.
Arzneimittel müssen dazu bestimmt sein, ihre Wirkung im Rahmen der Krankenbehandlung durch Anwendung am oder im menschlichen Körper zu erzielen (BVerwG, U. v. 30.05.1996, DVBl. 1996, 1149). Dabei mag der Begriff des Arzneimittels im Beihilferecht möglicherweise ein anderer sein als der des Arzneimittelgesetzes (OVG Hamburg, ZBR 1995, 245). Nach der gesetzlichen Systematik des Arzneimittelrechts kann die Arzneimitteleigenschaft schon nach diesem Gesetz nicht bejaht werden, handelt es sich um ein Lebensmittel (BVerwG, NJW 1998, 3433). Keine Arzneimittel sind insbesondere gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 AMG Lebensmittel, zu denen auch die sogenannten Nahrungsergänzungsmittel gehören. Nach der Systematik des Lebensmittelrechts, die durch die Umsetzung von EG-Verordnungen und Richtlinien geprägt ist, kommt die Qualifizierung eines Erzeugnisses als Arzneimittel dann nicht in Betracht, wenn seine Eigenschaft als Lebensmittel festgestellt wird (OVG Lüneburg, B. v. 08.07.2004 - 11 ME 12/04 - m. w. N.). Nach der gemeinschaftsrechtlichen Definition des Begriffs "Nahrungsergänzungsmittel" in Art. 2 a der Richtlinie 202/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10.06.2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Nahrungsergänzungsmittel (ABl. L 183, S. 51) sind Nahrungsergänzungsmittel Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die normale Ernährung zu ergänzen und die aus Einfach- oder Mehrfachkonzentrationen von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit Ernährung spezifischer oder physiologischer Wirkung bestehen und in dosierter Form in den Verkehr gebracht werden, d. h. in Form von z. B. Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen. Um ein solches Nahrungsergänzungsmittel handelt es sich hier.
Der Beipackzettel des Präparats weist dieses ausdrücklich als Nahrungsergänzungsmittel aus. Nun ist zwar allgemein anerkannt, dass für die Abgrenzung der Arzneimittel von den Nahrungsergänzungsmitteln die an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung des Produkts entscheidend ist (Nds. OVG, a. a. O.). Anhaltspunkte dafür, ob ein bestimmtes Produkt ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, bietet aber auch seine Zulassung und Registrierung als Arzneimittel und etwa auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen "Roten Liste" oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel. Nicht vorrangig auf eine solche formelle Einordnung, sondern auf dem materiellen Zweckcharakter sowie darauf, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist, ist beihilferechtlich jedoch der entscheidende Gesichtspunkt für die Abgrenzung (OVG Lüneburg, Nds. Rpfl. 2004, 303). Das hier streitige Präparat tritt unabhängig von seiner Bezeichnung als Nahrungsergänzungsmittel auch hinsichtlich seiner Präsentation am Markt - gemessen an der Erwartung und Vorstellung der Verbraucherkreise - nicht wie ein Arzneimittel in Erscheinung. Es wird im großen Umfang im Versandhandel erworben und ausweislich der Stellungnahme des Amtsarztes Dr. Volkholz vom 12.05.2003 in der Regenbogenpresse "als wahres Wundermittel gegen Krebs und alle Alterungsvorgänge" gepriesen. Dem entsprechend ist das Präparat - in Tablettenform - zurzeit in den Tschibo-Filialen für 5,99 EUR à 100 Kapseln erhältlich. Ein verständiger Durchschnittsverbraucher wird im Allgemeinen nicht annehmen, dass ein als Nahrungsergänzungsmittel angebotenes Präparat tatsächlich ein Arzneimittel ist, wenn es in der empfohlenen Dosierung keine pharmakologischen Wirkungen hat (BGH, U. v. 11.07.2002, NJW 2002, 3469).
Der im Präparat enthaltene Wirkstoff Ubiquinon ist ein Mikronährstoff, der im Körper schädigende Radikale abfangen soll, er wird auch Coenzym Q 10 genannt. Wie andere Nährstoffe auch (Vitamine, Mineralstoffe, Aminosäuren) werden Enzyme von den Anhängern der orthomolekularen Medizin als Nahrungstherapeutika bezeichnet. Die orthomolekulare Therapie hat die Gesunderhaltung (Vorbeugung) und Heilwirkung von Nährstoffen durch Vermeiden von Nährstofflücken zum Gegenstand und wird von ihren Vertretern selbst als Nahrungsergänzung beschrieben, was ihre Beihilfefähigkeit ausschließt (ebenso VG Osnabrück, U. v. 14.01.2004 - 3 A 30/03 -; VG Oldenburg, U. v. 22.06.2004 - 6 A 2461/02 -; U. v. 28.02.2001 - 6 A 3257/99 -).
Die Kammer verkennt nicht, dass das Mittel auch von neurologischen Kliniken verordnet wird, wie dies im Fall der Klägerin ausweislich der Bescheinigung des Universitätsklinikums Tübingen vom 10.08.2005 der Fall ist und wie dies auch vom Amtsarzt in der Neurologie des Klinikums Hannover erfragt wurde. Nach den amtsärztlichen Feststellungen geschieht dies jedoch, da es bei der Erkrankung der Klägerin keine Behandlungsmöglichkeiten gibt, die dem wissenschaftlichen Standard der Schulmedizin entsprechende nachgewiesene Wirkungen haben und der Einsatz dem "Prinzip Hoffnung" folgt. Fällt das Präparat nicht unter den beihilferechtlichen Begriff des Arzneimittels, so kann aber letztlich dahinstehen, ob sein Einsatz bei Atoxiepatienten wissenschaftlich allgemein anerkannt oder seine allgemeine Anerkennung nach einer medizinischen Erprobungsphase zu erwarten ist (vgl. dazu BVerwG, NJW 1996, 801; 1998, 3436; OVG Lüneburg, B. v. 18.01.2006 - 5 LA 264/03 -).
Die Kammer hat bei ihrer Entscheidung auch bedacht, dass die Vorsorge in Fällen einer schwerwiegenden oder sogar lebensbedrohlichen Erkrankung zu einer von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geforderten Mindestversorgung zählt (BVerfG, B. v. 06.12.2005, NJW 2006, 891). Dieser Beschluss korrigiert eine Entscheidung des Bundessozialgerichts, die im Ergebnis allein darauf abgestellt hatte, dass die in jenem Verfahren umstrittene Behandlungsmethode nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Forschung entspreche und keine erfahrungsgemäße wirksame Methode sei. Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts lässt sich jedoch nichts daraus herleiten, dass bei schwerwiegenden Erkrankungen der Dienstherr auch verpflichtet ist, Aufwendungen für Lebensmittel zu finanzieren, mag deren Verzehr auch geeignet sein, die Leiden zu lindern.
Soweit die Klägerin unterlegen ist, hat sie die Kosten des Verfahrens auf der Grundlage des § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Hinsichtlich des übereinstimmend für erledigten Teil des Rechtsstreits entsprach es billigem Ermessen gemäß § 161 Abs. 2 VwGO, die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen, weil er, ohne dass sich die Sach- oder Rechtlage im Verlaufe des Verfahrens geändert hätte, die Klägerin insoweit klaglos gestellt hat. Die Kostenentscheidung war danach einheitlich zu treffen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 167 Abs. 2 VwGO.