Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.05.2019, Az.: 11 K 161/16
Vorsteuerabzug aus Rechnungen eines in einen Umsatzsteuerbetrug eingebundenen Lieferanten; Ansehen als leistender Unternehmer durch Ausfuhr der Lieferung oder sonstigen Leistung im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten; Abzug der Vorsteuer aus einer berichtigten Rechnung erst im Besteuerungszeitraum der Berichtigung hinsichtlich Vertrauensschutzes; Möglichkeit der Preise für Kupferkathoden unter Börsenwert nur nach einer Mehrwertsteuerhinterziehung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 20.05.2019
- Aktenzeichen
- 11 K 161/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 42598
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2019:0520.11K161.16.00
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - AZ: V B 55/19
Rechtsgrundlagen
Amtlicher Leitsatz
- 1.
In der Regel ist derjeinige als leistender Unternehmer i.S.v. § 2 Abs. 1 UStG anzusehen, der die Lieferung oder sonstige Leistung im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Dass Geschäftsführer einer Gesellschaft im Innenverhältnis zu einem Hintermann keine Entscheidungsbefugnis haben, ist kein Grund, dieser Gesellschaft die Unternehmereigenschaft abzusprechen.
- 2.
Die Steuerverwaltung kann von dem Steuerpflichtigen, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, nicht generell verlangen, zu prüfen, ob der Aussteller der Rechnung über die Gegenstände und Dienstleistugnen, für die dieses Recht geltend gemacht wird, Steuerpflichtiger ist, über die fraglichen Gegenstände verfügte und sie liefern konnt und seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Erklärung under Abführung der Mehrwertsteuer nachgekommen ist, um sich zu vergewissern, dass auf der Ebene der Wirtschaftsteilnehmer einer vorgelageten Umsatzstufe keine Unregelmäßigkeiten und Steuerhinterziehung vorliegen, oder entsprechende Unterlagen vorzulegen.
- 3.
Die Schlussfolgerung, dass Preise für Kupferkathoden unter Börsenwert nur nach einer Mehrwertsteuerhinterziehung möglich sind, ist unzulässig.
- 4.
Es besteht kein Vertrauensschutz auf die Anwendung der früheren Rechtsprechung des BFH, wonach die Vorsteuer aus einer berichtigten Rechnung erst im Besteuerungszeitraum der Berichtigung abgezogen werden kann.
Tatbestand
Streitig ist der Vorsteuerabzug aus Rechnungen eines in einen Umsatzsteuerbetrug eingebundenen Lieferanten und das Vorliegen der Voraussetzungen für eine abweichende Festsetzung der Umsatzsteuer aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO.
Die Klägerin gehört zu einer Unternehmensgruppe, die Hersteller von Erzeugnissen aus Kupfer und Kupferlegierungen ist. Zentraler Sitz der Gruppe ist xxx. Die Abschlüsse und Steuererklärungen der Klägerin werden jährlich vom Finanzamt für Großbetriebsprüfung überprüft. Im Rahmen der Prüfung der Veranlagungszeiträume 2008 und 2009 versagte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung den Abzug von Vorsteuern aus Rechnungen der Firma SL, weil die Rechnungen weder den Steuersatz noch ein Lieferdatum enthielten.
Vor Beginn der Prüfung des Veranlagungszeitraums 2008 am 19. Oktober 2009 forderte die Klägerin am 15. Oktober 2009 per E-Mail ergänzte Rechnungen für 2008 und 2009 bei der SL an. Daraufhin wurde von der SL eine Ergänzung der einzelnen aufgeführten Rechnungsnummern mit dem Steuersatz von 19 % und der Feststellung übersandt, dass das Lieferdatum immer dem Rechnungsdatum entsprochen habe. Die ebenfalls angeforderten Originalrechnungen 2009 wurden per Luftpost aus Kanada übersandt und gingen am 14. Januar 2010 bei der Klägerin ein. Im Rahmen der Prüfung des Veranlagungszeitraums 2010 berücksichtigte die Betriebsprüfung die in den Rechnungen 2008, 2009 und 2010 von der SL ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuern in Höhe von 3.392.056 €. Da die Betriebsprüfung die Verhältnisse der SL nicht überprüfen und den zugrundeliegenden Sachverhalt nicht abschließend ermitteln konnte, erging der entsprechende Bescheid über Umsatzsteuer für 2010 vom 10. Dezember 2011 insoweit vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 AO.
Die Verhältnisse der SL und die abgerechneten Lieferungen wurden in der Folgezeit vom Finanzamt für Fahndung und Steuerstrafsachen D überprüft. Bundesweite Durchsuchungsmaßnahmen erfolgten am 25. August 2010. Der Bericht über die steuerlichen Feststellungen bei der SL vom 12. November 2014 wurde am 13. Januar 2015 dem Beklagten (FA) als Kontrollmitteilung übersandt. Danach wurde die SL mit Gesellschaftsvertrag vom 16. Dezember 2002 gegründet und unter HRB ...am 1. September 2003 in das Handelsregister des Amtsgerichts xxx eingetragen. Gegenstand des Unternehmens war der Handel mit Wirtschaftsgütern aller Art. Als Sitz der SL wurde F eingetragen. Eine inländische Geschäftsanschrift enthielt das Handelsregister nicht. Der Geschäftssitz der SL wurde mit Gesellschafterbeschluss vom 3. August 2005 von F nach D in den V-Weg, D c/o xxx GmbH verlegt. Mit notariellem Vertrag vom 22. November 2005 wurde eine weitere Verlegung des Firmensitzes in die G-Straße, D c/o xxx GmbH beschlossen. Daraufhin erfolgte am 8. Februar 2006 die Eintragung der SL in das Handelsregister des Amtsgerichts D unter HRB ... Als Sitz der SL wurde D eingetragen. Eine inländische Geschäftsanschrift enthielt das Handelsregister auch nach der Sitzverlegung nicht. Am 2. Juni 2009 wurde als Geschäftsanschrift G-Straße, D in das Handelsregister eingetragen.
Die auf den Rechnungen 2008 und 2009 der SL angegebene Firmenanschrift lautet V-Weg D. Erst die Rechnungen 2010 enthalten die ab November 2005 gültige Firmenanschrift G-Straße, D.
Die auf allen Rechnung angegebenen Telefonnummern lauten 004969 ... und 004969 ... Es handelt sich um die Vorwahl der Stadt Frankfurt am Main. Der Anschluss wurde bei dem Provider Verizon Deutschland unterhalten. Inhaber war eine Worldwide Group...Ltd. England. Die angegebene E-Mail Anschrift lautet accounts@...com. Auf den Rechnungen 2010 befindet sich zusätzlich zu den vorigen Telefonnummern die Nummer 004921 ...
Geschäftsführer der SL waren:
1.) vom 1. Januar 2003 bis 8. Februar 2006 xxx, wohnhaft in Birmingham, England,
2.) seit dem 8. Februar 2006 xxx, wohnhaft in Reading Berkshire, England,
3.) zusätzlich seit dem 29. April 2009 xxx, wohnhaft in Kitchener Ontario, Kanada.
Auf den Rechnungen 2008 bis 16. Juni 2009 wird als Salesperson Herr xxx und als Geschäftsführer xxx angegeben. Erstmals auf der Rechnung vom 14. Juli 2009 ist neben Herrn xxx als Salesperson Herr xxx als Geschäftsführer vermerkt. Die Rechnungen 2010 weisen als Salesperson ebenfalls xxx aus.
Vertreten wurde die SL in den Notarterminen am 22. November 2005 und 8. Februar 2006 von xxx, geb. 11.05,1942, wohnhaft V-Weg, D. Dieser erhielt am 21. April 2004 von dem Geschäftsführer der SL eine umfängliche Vollmacht in Steuersachen. Er war ebenfalls bevollmächtigt, bei der Deutschen Bank ein Konto zu eröffnen und die SL bei der Deutschen Bank und der HypoVereinsbank zu vertreten. Die Geldeingänge auf dem Konto der HypoVereinsbank wurden fast vollständig direkt nach Eingang ins Ausland überwiesen.
Bei der Geschäftsanschrift V-Weg, ... c/o xxx GmbH handelt es sich um die Wohnung des xxx und seiner Ehefrau, die als Eigentümerin des Hauses einen Raum für monatlich 310 € an die SL vermietet. Das Objekt wurde am 25. August 2010 von der SteuFa D durchsucht. Am Haus befand sich ein Briefkasten für die SL. Im 1. Obergeschoss des Hauses befand sich ein als Büro eingerichteter Raum, in dem ein Computer und 3 kleine Mappen mit Unterlagen der SL gefunden wurden. Die Unterlagen betrafen nicht den Handel mit Kupferkathoden. Auf dem Computer befanden sich keine Daten der SL, sondern nur Daten des Herrn xxx. Bereits mit Schreiben vom 17. August 2007 hatte Herr xxx die unter dieser Anschrift bestehenden Telefonanschluss der SL gekündigt, weil die Betriebsstätte unter dieser Anschrift aufgegeben worden sei. Der Anschluss wurde von der Telekom zum 15. November 2007 stillgelegt.
Die Anschrift V-Weg wurde auf allen Rechnungen der SL an ihre Abnehmer verwendet. Der Schriftverkehr mit der Klägerin, die Kaufbestätigung eines der weiteren Abnehmer und die Rechnungen der Lieferanten wurde an diese Anschrift gesandt. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung D unterhielt die SL unter dieser Anschrift keinen eigenen Geschäftsbetrieb. Vielmehr soll es sich um einen reinen Briefkastensitz gehandelt haben.
Bei der Geschäftsanschrift G-Straße, D handelt es sich um die Anschrift der Steuerberater der SL, der xxx GmbH. Unter dieser c/o-Adresse war die SL beim Finanzamt und den Banken registriert. Die Steuerberater wickelte den für die SL geführten Schriftverkehr unter dieser Adresse ab. Ein Geschäftsbetrieb der SL befand sich unter dieser Anschrift nicht.
Nach den Erkenntnissen aus den betrieblichen Unterlagen fakturierte die SL in 2006 und 2007 Küchengeräte, Kontaktlinsen und in großem Ausmaß Apple iPods. In der Zeit vom 14. Juli bis 29. August 2008 wurden Computerspiele und im Oktober 2008 diverse Elektroartikel fakturiert. Tatsächliche Warenbewegungen hinsichtlich dieser ebenfalls in 2008 fakturierten Geschäfte sollen nach den Feststellungen der SteuFa jedoch nicht stattgefunden haben. Vom 18. April 2008 bis August 2010 stellte die SL Rechnungen über Kupferkathoden aus. Umsätze wurden von der SL zunächst nicht erklärt. Berichtigte Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. -erklärungen wurden von der SL erstmals ab November 2009 eingereicht.
Die von der SteuFa D ermittelten Umsätze der SL mit der Klägerin ergeben sich aus der Anlage 2 zur Einspruchsentscheidung vom 10. Juni 2016. Die an die Klägerin tatsächlich gelieferte Ware wurde in allen Fällen vom Produzenten in B, Österreich oder aus einem Speziallager in Rotterdam, Niederlande direkt nach Osnabrück befördert. Neben der Klägerin hatte die SL noch zwei weitere Abnehmer, wobei einem davon nur eine einzige Lieferung in Rechnung gestellt wurde.
Hinsichtlich der diversen Vorlieferanten der SL, von denen sie Eingangsrechnungen erhalten hat, traf die SteuFA folgende Feststellungen:
xy GmbH, Wien, Österreich (ICC)
Der Gesellschafter und Geschäftsführer der xy wohnte in Wien. Lieferant der Kupferkathoden waren die ...werke B in B, ebenfalls in Österreich. Weitere Kupferkathoden erwarb die xy von der Firma R mit Sitz auf den Bermudas. Diese Kathoden befanden sich in einem Speziallager in Rotterdam, Niederlande, und gelangten von dort direkt an den Abnehmer. Die Lieferung der xy von Kupferkathoden aus B erfolgte umsatzsteuerfrei ins Ausland. Um die aus dem Einkauf zu entrichtende Umsatzsteuer nicht vorfinanzieren zu müssen, errichtete der Geschäftsführer der xy die Firma:
AB, Sofia, Bulgarien
Diese wurde ebenfalls von den ...werken B beliefert. Die Geschäfte wurden von Wien aus abgewickelt. Unter Berücksichtigung der von der xy und AB zu zahlenden und nicht an SL weiterberechneten Transportkosten sei der gesamte Einkauf an SL unter Einkaufspreis weiterfakturiert worden. Der Geschäftsablauf der ersten Monate habe nach Ansicht der SteuFA gezeigt, dass die SL zunächst als Missing Trader fungieren sollte. Der Einkauf im Ausland und Verkauf der Ware im Inland nach Herunterpreisung hätten sich gerechnet, weil geplant gewesen sei, die ausgewiesene Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abzuführen. Entsprechende Umsätze wurden von der SL nicht vorangemeldet. Ab September 2008 sei die SL zum Buffer umfunktioniert worden. Aus diesem Grund wurden ab September 2008 weitere Lieferanten in die Rechnungskette aufgenommen.
Direkter Vorlieferant der SL war ab dem 2. September bis zum 7. November 2008 die:
Firma AM, Gera
Hierbei handele es sich so die SteuFA um eine Einzelfirma, deren Inhaber in diverse Betrugs- und Rauschgiftdelikte verwickelt gewesen sei und sich bereits 2009 ins Ausland abgesetzt habe. Eine unternehmerische Betätigung übte der Inhaber nach den Feststellungen der SteuFa nicht aus. Es konnten weder in- noch ausländische Lieferanten ermittelt werden; die Rechnungssummen wurden nicht an AM, sondern eine Zahlungsplattform in Hongkong überwiesen. AM war mangels Geldeingang nie in der Lage, eventuelle Lieferanten zu bezahlen und die selbst in Rechnung gestellte Umsatzsteuer abzuführen.
Ab dem 11. November 2008 bis August 2010 war direkter Vorlieferant der SL
Herr xxx, Offenbach
xxx wurde laut eigener Aussage vor der SteuFA von einem Cousin, der in England wohnt, zum Schreiben von Rechnungen angeworben. Die Rechnungen schrieb er auf der Grundlage von Anweisungen, die er per E-Mail über ein speziell für diesen Zweck eingerichteten und nach 3 bis 6 Monaten wechselnden Account bei Hotmail erhielt. Die Rechnungsvorlagen wurden ihm zur Verfügung gestellt und er fügte lediglich seinen Firmennamen und seine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer hinzu. Die Speicherung der Rechnungsdaten erfolgte auf einen USB Stick und später auf einem Ironkey, die xxx nur für diesen Zweck übergeben worden waren. Für das Schreiben der Rechnungen erhielt er Provisionen, die auf sein Bankkonto überwiesen worden. Die von xxx abgerechneten Beträge überwies die SL auf vorgegebene Treuhandkonten im Ausland, über die xxx keine Verfügungsberechtigung besaß. Die abgerechneten Umsätze wurden von xxx nicht angemeldet. Eine unternehmerische Betätigung im Zusammenhang mit den Lieferungen von Kupferkathoden übte xxx zu keiner Zeit aus. Er sagte aus, dass auch die Verantwortlichen der weiteren beteiligten Firmen in der Kette genau über die Absprachen und Vorgehensweisen unterrichtet gewesen seien. Die gesamten Strukturen, Mengen und Preise seien organisiert und festgelegt gewesen und seien durch die rechnungsmäßig zwischengeschalteten Firmen nicht zu beeinflussen gewesen.
Bereits im Ausland waren weitere Zwischenhändler in die Rechnungskette eingebunden. Nach den Feststellungen der SteuFa endete der erste Teil der Rechnungskette bereits bei diesen Firmen, die ausnahmslos von den ausländischen Finanzbehörden als Missing Trader eingestuft wurden. Eine Weiterberechnung vom Ausland in das Inland erfolgte nicht. Die Ware tauchte im Inland rechnungsmäßig beim ersten Missing Trader auf, ohne dass aus irgendeinem Staat innergemeinschaftliche Lieferung zu diesem Missing Trader gemeldet worden wären.
Die jeweiligen Speditionsaufträge wurden in der Regel der Firma S in Innsbruck erteilt. Die beauftragte Spedition stellte xy bzw. AB die Transportkosten in Rechnung. Eine Weiterberechnung an die Klägerin erfolgte nicht. Lieferkonditionen für die Klägerin lauteten jeweils DDP. In den Rechnungen der übrigen inländischen Beteiligten werden keine Lieferkonditionen genannt. Die SteuFa wertete dies als ein weiteres Indiz für eine von Anfang an abgesprochene Lieferkette. Bezüglich der Preisgestaltung stellte die SteuFa fest, dass die Kupferkathoden über einen Zeitraum von 2 Jahren und 3 Monaten jeweils erheblich unter dem Verkaufspreis des Produzenten bzw. des ersten Lieferanten an die Klägerin und den weiteren Abnehmer geliefert wurden. Die SL erhielt die Kupferkathoden von dem direkten Vorlieferanten jeweils für 40 € unter Marktpreis (LME-Kurs = Preis an der London Metal Exchange). Die SL fakturierte zu Marktpreis bzw. auch teilweise darunter oder zu einem Marktpreis mit geringem Aufschlag.
Das Finanzamt erließ am 22. Dezember 2015 einen gemäß § 165 Abs. 2 Satz 1 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid 2010 und forderte Vorsteuern aus den Rechnungen der SL in Höhe von insgesamt 3.392.056,14 € zurück. Die beantragte Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 AO lehnte es in diesem Bescheid ebenfalls ab. Zur Begründung führte das Finanzamt unter anderem aus, bei der SL habe es sich um eine Scheinfirma gehandelt, die unter der angegebenen Rechnungsanschrift keinen Sitz gehabt und die abgerechneten Lieferungen im Rahmen eines Reihengeschäfts tatsächlich nicht ausgeführt habe. Außerdem hätte die Klägerin von der Einbindung in ein Umsatzsteuerkarussell Kenntnis haben müssen. Die Rechnungen der SL seien ausnahmslos in englischer Sprache verfasst und enthielten weder Bankverbindung noch Währungsangabe. Außerdem hätten sie zunächst nicht den Vorgaben des § 14 UStG entsprochen, da sie weder Lieferdatum noch Steuersatz enthalten hätten. Die erforderlichen Rechnungsergänzungen habe die Klägerin aus Kanada erhalten.
Den Einspruch hiergegen wies das Finanzamt mit Bescheid vom 10. Juni 2016 als unbegründet zurück. Die Voraussetzung für den Abzug der Vorsteuer aus den Rechnungen der SL lägen nicht vor. Der Vorsteuerabzug sei auch nicht im Wege einer Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 AO zu gewähren.
Nach der Feststellung der SteuFa lasse sich aus den vorliegenden Rechnungskette klar erkennen, dass ein kriminelles Konstrukt mit dem Ziel des Umsatzsteuerbetruges vorgelegen habe. Von den Bermudas und Österreich ausgehend sei unstreitig existente Ware nacheinander an Firmen in verschiedenen europäischen Staaten fakturiert worden. Die Ware sei jedoch rechnungsmäßig bereits im Ausland "versickert", weil eine Weiterberechnung nicht festgestellt werden konnte. Die Ware sei rechnungsmäßig im Inland bei dem ersten Missing Trader wieder aufgetaucht, ohne dass aus einem anderen Staat innergemeinschaftliche Lieferung zu diesem Missing Trader gemeldet worden wären. Die Weiterberechnung sei dann über weitere inländische Unternehmen erfolgt, bis die Ware auch rechnungsmäßig an die Klägerin als tatsächliche Abnehmerin gelangt sei. Die Ware sei jedoch unmittelbar von Österreich bzw. Rotterdam aus per Lkw an die Klägerin geliefert worden.
In der Zeit vom 18. April bis 28. August 2008 seien rechnungsmäßig direkte Vorlieferanten der SL die xy und die AB gewesen. Unter Berücksichtigung der von der xy und AB zu zahlenden und nicht an die SL weiterberechneten Transportkosten sei der gesamte Einkauf an die SL unter Einkaufspreis weiterfakturiert worden. Aus dem Geschäftsablauf der ersten Monate sei ersichtlich, dass die SL zunächst als Missing Trader habe fungieren sollen. Der Einkauf im Ausland und - nach Herunterpreisung - der Verkauf der Ware im Inland hätten zu einem Gewinn geführt, weil geplant gewesen sei, die ausgewiesene Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abzuführen. Ab September 2008 sei die SL zum Buffer umfunktioniert worden. Aus diesem Grund seien ab September 2008 weitere Lieferanten in die Rechnungskette aufgenommen worden. Laut Aussage des xxx seien alle Verantwortlichen der weiteren beteiligten Firmen in der Kette genau über die Absprachen und Vorgehensweise unterrichtet gewesen. Die gesamten Strukturen sowie Menge und Preise seien organisiert und festgelegt gewesen und die rechnungsmäßig zwischengeschalteten Firmen nicht zu beeinflussen gewesen. Dementsprechend habe auch die SL nur die Möglichkeit gehabt, der Klägerin die Ware zu einem zuvor festgelegten Preis anzubieten. Eigene selbstständige Tätigkeiten, die ein Händler üblicherweise vornehme, wie die Sondierung von Einkaufs- und Verkaufsmöglichkeiten, die Durchführung von Preisvergleichen, Kundenakquisition usw. habe die SL nicht ausgeübt.
Soweit die Klägerin vortrage, die SL sei wegen ihrer Marktpräsenz seit 2002 und ihres aktiven Auftretens am Markt kein Scheinunternehmen gewesen, sei festzustellen, dass die SL am Kupfermarkt tatsächlich erst ab April 2008 aufgetreten sei. In 2006 und 2007 habe die SL Küchengeräte, Kontaktlinsen und Apple iPods fakturiert. In der Zeit vom 10. Juni bis 29. August 2008 seien auch Computerspiele und im Oktober 2008 diverse Elektroartikel fakturiert worden. Ware sei bei diesen Geschäften jedoch nicht bewegt worden. Von einer langjährigen Präsenz am Kupfermarkt könne deshalb nicht die Rede sein. Aufgrund ihres Auftretens erst ab April 2008 als Anbieter von Kupferkathoden habe die SL einem in diesem Bereich neu gegründeten Unternehmen entsprochen, das Kontakte nur zu der Klägerin und lediglich einem weiteren Hauptabnehmer gehabt habe.
Die hintereinandergeschalteten Firmen einschließlich der SL hätten keine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt. Das Ausstellen von Rechnungen allein begründe keine wirtschaftliche Tätigkeit. Dadurch, dass die Kette vorgegeben gewesen sei und sich innerhalb eines begrenzten Personen- bzw. Firmenkreises abgespielt habe, hätten die einzelnen Beteiligten auch nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen. Die von der SL in den Rechnungen an die Klägerin ausgewiesene Umsatzsteuer werde deshalb insgesamt von der SL gemäß § 14c Abs. 2 UStG geschuldet und sei bei der Klägerin gemäß § 15 UStG nicht vorsteuerabzugsfähig.
Auch für den Fall, dass die von den Geschäftsführern der SL ausgeführten Tätigkeiten doch als wirtschaftliche Tätigkeiten einzustufen seien, lägen die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Abzug der Vorsteuer nicht vor. In diesem Fall sei die SL als Teilnehmerin von Reihengeschäften im Sinne des § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG anzusehen. Die Ware sei direkt vom Produzenten in Österreich bzw. aus einem Speditionslager in Rotterdam an die Klägerin geliefert worden. Die bewegte Lieferung sei deshalb unstreitig ausgeführt worden. Um auch eine ruhende Lieferung zwischen SL und der Klägerin annehmen zu können, sei unabdingbare Voraussetzung, dass sämtliche in die Rechnungskette eingebunden Beteiligten ebenfalls Unternehmer gewesen sein. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung D sei aber bereits im Rahmen der Auslandslieferungen eine Lieferung an Nichtunternehmer erfolgt, sodass das jeweilige Reihengeschäft hier geendet sei. Spätestens jedoch die unmittelbaren Vorlieferanten der SL, AM und xxx, seien nachweislich keine Unternehmer gewesen. Weder AM noch ... hätten der SL die Verfügungsmacht an den Kupferkathoden im Rahmen einer ruhenden Lieferung verschaffen können. Mangels Eingangslieferung habe die SL keine wirtschaftliche Substanz der Kupferkathoden auf die Klägerin übertragen können und habe deshalb eine derartige Leistung auch nicht abrechnen können. Tatsächlicher Lieferant der Klägerin sei deshalb nicht die SL gewesen. Die Klägerin habe die Ware zwar erhalten, die Rechnung über diese Leistungen seien jedoch nicht von dem ausführenden Unternehmer ausgestellt worden. Ein Leistungsaustausch zwischen SL und der Klägerin habe nicht stattgefunden.
Der Vorsteuerabzug sei außerdem mangels Vorliegens ordnungsgemäßer Rechnungen ausgeschlossen. Ordnungsgemäße Rechnungen müssten die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten. Die Angabe eines Briefkastensitzes sei nicht ausreichend. Vorliegend habe die SL weder unter der Anschrift V-Weg in D noch unter der Anschrift G-Straße in D jemals wirtschaftliche Aktivitäten entfaltet. Aufgrund des Ermittlungsergebnisses der SteuFa sei davon auszugehen, dass die Rechnungen tatsächlich ausschließlich in England und später in Kanada erstellt worden seien. Wenn überhaupt von dem Vorliegen wirtschaftlicher Tätigkeiten ausgegangen werden könne, habe die SL diese ausschließlich in England bzw. Kanada ausgeführt. Die Rechnungen der SL enthielten aber weder die englische noch die kanadische Anschrift der Geschäftsführer.
Auch die Voraussetzung für eine abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO sei nicht gegeben. Laut einer Verfügung der OFD Niedersachsen vom 30. Mai 2011 sei ein Vorsteuerabzug im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme grundsätzlich schon dann nicht möglich, wenn der Leistende, also die SL, die Steuer nach § 14c UStG schulde. Dies gelte auch dann, wenn der Leistungsempfänger alle vernünftigerweise zu verlangenden Maßnahmen getroffen habe sicherzustellen, dass die Umsätze nicht in einen Umsatzsteuerbetrug einbezogen sind. Vorliegend habe die SL die Steuer jedoch nach § 14c UStG geschuldet.
Im Übrigen habe die Klägerin aber auch nicht alle Maßnahmen ergriffen, die vernünftigerweise von ihr verlangt werden könnten, um sich von der Richtigkeit der Angaben in den Rechnungen zu überzeugen und ihre Beteiligung an einem Betrug auszuschließen. Nach Angaben der Klägerin sei die erste Kontaktaufnahme mit der SL in 2008 per E-Mail bzw. telefonisch erfolgt. Nach Aussage eines Mitarbeiters der Klägerin sei dieser im Mai 2008 von Herrn xxx wegen eines Angebots von Kupferkathoden angerufen worden. Vor dem ersten Geschäft sei über die Finanzabteilung Handelsregisterauszug, Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und Steuernummer der SL überprüft worden. Im Rahmen der Anlage der Kreditorenstammdaten seien die Daten der SL vor Ausführung der ersten Warenlieferung angefordert und geprüft worden. Dem Finanzamt seien lediglich ein blanko Stammdaten-Muster Formular vorgelegt worden und auch keine weiteren Angaben zum Umfang der Überprüfung der mitgeteilten Stammdaten gemacht worden. Daher könne nicht festgestellt werden, in welcher Form und inwieweit tatsächlich eine Überprüfung der Angaben der SL durch die Finanzabteilung der Klägerin durchgeführt worden sei. Der von der Klägerin vorgelegte Handelsregisterauszug datiere vom 3. Juni 2009, demnach könne er im Mai 2008 noch nicht vorgelegen haben. Auch die Bescheinigung in Steuersachen des Finanzamts D-Altstadt sei erst am 5. Januar 2010 ausgestellt worden und könne damit nicht als Nachweis für eine bereits in 2008 erfolgte Überprüfung angesehen werden. Da die erste Rechnung über eine Lieferung vom 8. Mai 2008 auf dem Personenkonto 102233 Altmetall der Klägerin erfasst, alle weiteren Rechnung aber auf dem Personenkonto 101653 gebucht worden seien, müsse davon ausgegangen werden, dass die erste Lieferung als Probelieferung ohne Anlage eines Personenkontos für SL und ohne jegliche Überprüfung des bis dahin unbekannten Lieferanten erfolgt sei. Das eigentliche Personenkonto für SL sei offenbar erst nach Abschluss der ersten Lieferung angelegt worden.
Eine inhaltliche Überprüfung der ausschließlich per E-Mail übersandten Rechnung sei seitens der Klägerin zunächst offensichtlich nicht erfolgt. Lediglich der Rechnungsbetrag sei ausweislich der vorliegenden Rechnung überprüft und falsch ermittelte Steuerbeträge seien seitens der Klägerin durch die richtigen Beträge ersetzt worden, ohne eine berichtigte Rechnung anzufordern. Es sei insbesondere auch erst kurz vor Beginn der Außenprüfung im Oktober 2009 und damit nach Abschluss aller Lieferungen 2008 und 2009 von der Klägerin festgestellt worden, dass der Steuersatz und das Lieferdatum auf den Rechnungen fehlten. Die fehlenden Originalrechnungen seien erst im Oktober 2009 angefordert worden.
Obwohl Herr xxx mitgeteilt habe, dass er in England lebe und ausschließlich seine englische Mobilfunknummer bekannt gewesen sei, habe die Klägerin keine Veranlassung gesehen, dahingehend Überprüfung anzustellen, ob die SL in D tatsächlich tätig bzw. ob der in den Rechnungen angegebene Firmensitz wirklich zutreffend war. Außerdem sei der Klägerin bekannt gewesen, dass Herr xxx die SL von einem Verwandten übernommen habe, sich nur einmal im Monat in D befinde, der Nachfolgegeschäftsführer Herr xxx aus Kanada ausschließlich per E-Mail oder mit unterdrückter Telefonnummer kommunizierte und unter der in den Rechnungen angegebenen Telefonnummer niemand zu erreichen gewesen sei. Ein persönlicher Kontakt mit Herrn xxx habe niemals bestanden. Allein die Tatsache, dass die an die D Anschrift gesandte Post nicht zurückgekommen sei, habe der Klägerin offensichtlich als Nachweis für den bestehenden Firmensitz der SL unter der angegebenen Adresse in D ausgereicht. Auch das wenig professionelle Erscheinungsbild der Rechnungen und die in den Rechnungen enthaltenen Fehler hätten der Klägerin offenbar keine Veranlassung zu einer weitergehenden Überprüfung geboten. Eine Inaugenscheinnahme der Gebäude unter den angegebenen Anschriften durch einen Angestellten oder sonstigen Beauftragten der Klägerin hätte ergeben, dass die SL dort keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten habe, zumal unter der Anschrift, wo sich der statuarische Firmensitz seit 2005 befinden sollte, nicht einmal ein Briefkasten vorhanden gewesen sei. Dies sei für die Klägerin auch spätestens nach Vorlage der Bescheinigung in Steuersachen aus Januar 2010 erkennbar gewesen, weil dort ausdrücklich die c/o Anschrift der xxx als Firmenanschrift angegeben gewesen sei. Weitere Überprüfung hinsichtlich der Rechnungsangaben sei aber dennoch nicht erfolgt.
Falls die Klägerin anlässlich der ersten Lieferung im Mai 2008 tatsächlich einen Handelsregisterauszug angefordert habe, hätte sie erkennen müssen, dass eine inländische Geschäftsanschrift in D nicht eingetragen gewesen sei, denn diese sei erst mit Eintragung des in Kanada lebenden Geschäftsführers xxx am 2. Juli 2009 ergänzt worden. Klar erkennbar für die Klägerin sei in 2008 aber die englische Anschrift des Geschäftsführers gewesen. Um also tatsächlich die auf den Rechnungen 2008 und 2009 angegebene Anschrift V Weg in D überprüfen zu können, hätte die Klägerin weitere Unterlagen anfordern müssen. Sie hätte bei Anforderung eines Handelsregisterauszugs nicht von der Richtigkeit der in den Rechnung 2008 und 2009 angegebenen Firmenanschrift der SL ausgehen können. Soweit die Klägerin vortrage, bei der SL habe es sich nicht um eine Neugründung gehandelt, weil sie bereits seit 2002 existiere und am Markt präsent gewesen sei, sei festzustellen, dass eine Präsenz am Kupfermarkt gerade nicht vorgelegen habe. Kupferlieferungen seien von der SL erst ab Mai 2008 abgerechnet worden. Auch anderen Einkäufern sei die SL deshalb wohl völlig unbekannt gewesen. Die Klägerin habe eine wesentlich intensivere Überprüfung dieses neuen Lieferanten vornehmen müssen.
Aufgrund der fehlenden Überprüfung der Rechnungsangaben habe die Klägerin kein schutzwürdiges Vertrauen in die Richtigkeit der Rechnungsangaben gewinnen können. Sie habe gerade nicht alle nach den gegebenen Umständen notwendigen Maßnahmen ergriffen, um sich von der Richtigkeit der Angaben in den Rechnungen zu überzeugen. Hinzukomme, dass für die Klägerin auch ersichtlich gewesen sei, dass die Kupferkathoden von der SL mit nur sehr geringen Aufschlag zum LME-Preis bzw. teilweise sogar darunter angeboten worden seien. Da die SL erkennbar als Zwischenhändlerin aufgetreten sei, habe die Klägerin die günstigen Preise hinterfragen müssen. So hätte sie möglicherweise Anhaltspunkte dafür erlangt, in einen Umsatzsteuerbetrug eingebunden gewesen zu sein. Soweit die Klägerin dazu vortrage, andere Lieferanten hätten genauso günstig bzw. noch günstiger Ware angeboten, sei festzustellen, dass neben der Tatsache, dass die vorgelegten Rechnungen der anderen Lieferanten ausnahmslos in deutscher Sprache und nicht wie die Rechnung der SL in englischer Sprache abgefasst worden seien. Ein Vergleich mit den Lieferungen der SL sei außerdem mangels Produktübereinstimmung nicht uneingeschränkt möglich. Nachweise für das Vorbringen der Klägerin, es seien Angebote der SL abgelehnt worden, weil der Preis im Vergleich zu anderen Lieferanten zu hoch gewesen sei, lägen nicht vor. Auch eine Abrechnung mit glatten Tonnage sei absolut branchenunüblich und hätte für die Klägerin ein weiteres Indiz für die Notwendigkeit einer weiteren Überprüfung der SL sein müssen. Im Streitfall sei aus vorgenannten Gründen von einer fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin von der Einbeziehung in einen Betrug auszugehen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage, macht die Klägerin geltend, ihr stünde der streitige Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der SL zu. Sie beziehe zur Herstellung ihrer Erzeugnisse Kupferkathoden von verschiedenen Anbietern. Vor Einkauf der Kupferkathoden würden die Angebote verschiedener Lieferanten miteinander verglichen. In den Jahren 2008 bis 2010 habe die Klägerin unter anderem Lieferbeziehungen zur SL gehabt. Die erste Kontaktaufnahme zur SL sei per E-Mail und in einem Telefonat mit dem damaligen Geschäftsführer der SL vorgenommen worden. Auch im Rahmen der fortlaufenden Geschäftsbeziehungen sei die Kontaktaufnahme in der Regel fernmündlich durch die SL erfolgt. Die Bestellungen seien dann entweder per Mail oder ebenfalls telefonisch abgegeben worden. Kam es zum Vertragsschluss, sei der Auftrag von der Klägerin zur Bestätigung zudem per Post an die SL versandt worden. Die an die SL adressierte Post sei auch stets zustellbar gewesen.
Als im Rahmen einer internen Überprüfung Mängel in den Rechnungsangaben der SL festgestellt worden seien, habe die Klägerin aus eigener Initiative schon während der laufenden Geschäftsbeziehungen mit der SL das Handelsregister eingesehen und sich eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vom Finanzamt D vorlegen lassen. Im Handelsregister sei bis zur Eintragung vom 2. Juni 2009 lediglich der Sitz der Gesellschaft mit D bezeichnet gewesen. Erst mit der Neueintragung vom 2. Juni 2009 sei der Sitz "G-Straße" hinzugefügt wurden. Wie sich zudem aus der Anmeldung zum Handelsregister vom 29. April 2009 ergebe, hätten sich laut Anmeldung die Geschäftsräume der Gesellschaft im "V-Weg " in D befunden. Dies sei die der Klägerin mitgeteilte Rechnungsadresse gewesen. Nur die Rechnungen der SL bis kurz nach Eintragung der "G-Straße" hätten die Anschrift "V-Weg" und erst danach die Anschrift "G-Straße" enthalten. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung habe zudem bewiesen, dass die SL seit Januar 2003 steuerlich geführt worden sei und zum Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigung keine fälligen Steuerrückstände bestanden hätten. Ferner habe die Klägerin die Umsatzsteueridentifikationsnummer überprüft. Das Ergebnis der Überprüfung sei positiv gewesen.
Vor Ausführung der ersten Lieferung habe die Klägerin außerdem die Kreditorenstammdaten durch ihre Mitarbeiter prüfen lassen. Dies sei wie bei jedem neuen Anbieter anhand eines vorformulierten Prüfschemas geschehen. Bei jeder Geschäftsanbahnung werde der Preis nach Anlieferung der Ware fixiert. Erst daraufhin würde die Lieferung bezahlt. Vor dem ersten Auftrag sei zudem eine Probelieferung von etwa 25 t üblich, die vorab auch mit der SL durchgeführt worden sei. Die Prämie für die SL sei vorher mit 20 $ pro Tonne festgelegt worden. Der Zahlungsverkehr sei über ein deutsches Bankkonto abgewickelt worden. Es hätten sich im Verlauf der gesamten Geschäftsbeziehung keine Auffälligkeiten gezeigt. Alle Lieferungen würden von der Klägerin körperlich erfasst und den Materialbeständen zugeordnet. Dies werde nach Anlieferung durch die beauftragte Spedition mittels der Wiegekarten dokumentiert, anhand derer auch die abgerechneten und angelieferten Mengen nachvollziehbar seien. Die Rechnungen für die angelieferten Rohstoffe würden systemseitig mit dem Wareneingang verknüpft. Sei dies nicht gewährleistet, sei keine Verbuchung und keine Zahlung an den Verkäufer erfolgt. Die Warenbezüge der SL hätten denselben Prozess ohne Beanstandungen durchlaufen. Die Qualität der Ware sei stets einwandfrei gewesen. Es sei stets eine pünktliche und vollständige Lieferung erfolgt, sodass die Klägerin davon habe ausgehen müssen, dass die SL über die entsprechende Ware auch verfügen konnte. Die Verständigung sei in der für die Metallbranche üblichen englischen Sprache erfolgt. Die Preise für die von der SL bezogenen Kupferkathoden seien auch insgesamt als marktgerecht einzuordnen. Die aus gegenwärtiger Sicht als zu niedrig zu bewertenden Prämien würden verständlich, wenn man das Marktumfeld der damaligen Zeit berücksichtige. Der Kupfermarkt und die Preisentwicklung seien im Zeitraum 2008 bis 2010 besonders geprägt gewesen von den Auswirkungen der Finanzkrise. Der niedrige Kupferpreis sei bedingt gewesen durch den Nachfragerückgang und das dadurch bestehende Überangebot.
Noch vor Beginn der Betriebsprüfung für das Jahr 2008 am 19. Oktober 2009 habe die Klägerin am 15. Oktober 2009 per Mail ergänzte Rechnungen für die Jahre 2008 und 2009 bei der SL angefordert, welche der Klägerin auch umgehend zugesandt worden seien. Die ebenfalls angeforderten Originalrechnungen für das Jahr 2009 seien übersandt und bei der Klägerin am 14. Januar 2010 eingegangen, weshalb der Beklagte die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer erst im Rahmen der Prüfung des Veranlagungszeitraums 2010 als Vorsteuer berücksichtigt habe, nachdem auch die Betriebsprüfung nichts Gegenteiliges festgestellt habe.
Die materiell-rechtlichen Voraussetzung für den Vorsteuerabzug seien gegeben. Die SL sei im Außenverhältnis wie ein Händler am Markt aufgetreten. Sie habe Angebote auch gegenüber anderen Wirtschaftsteilnehmer der gleichen Branche abgegeben, Preisverhandlungen geführt und Verträge abgeschlossen. Im Übrigen hätten auch die Feststellung der Steuerfahndung über das Vorhandensein von Geschäftsunterlagen deren wirtschaftliche Tätigkeit bestätigt. Dass die aufgefundenen Unterlagen sich nicht auf den Handel mit Kupferkathoden bezögen, ändere nichts daran, dass die SL Steuerpflichtige im Sinne der Mehrwertsteuersystemrichtlinie gewesen sei. Darüber hinaus habe die SL über eine gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verfügt. Ferner seien die Geschäfte im Rahmen des üblichen Geschäftsablaufs mit der SL abgewickelt worden. Die SL habe der Klägerin die erforderlichen Belegunterlagen ausgestellt. E-Mails seien offensichtlich von einem Nachrichtenkonto der SL versendet worden, und zwar von den Geschäftsführern der SL. Schon alleine dieser Umstand belege, dass die SL am Markt in Erscheinung getreten sei. Es sei darüber hinaus unbestritten, dass hinsichtlich der streitigen Lieferung eine entsprechende Bezahlung an die SL erfolgt sei. Soweit die SL die Lieferung an die Klägerin nicht ordnungsgemäß der Umsatzsteuer unterworfen habe, führe dies nicht dazu, sie als Scheinunternehmen zu qualifizieren. Darauf, dass die Mehrwertsteuer durch den Leistenden an den Fiskus tatsächlich entrichtet werde, komme es für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht an. Erforderlich sei vielmehr, dass die SL am Wirtschaftsverkehr teilgenommen habe. Dies werde schon allein durch die Vielzahl der Verkäufe an die Klägerin belegt.
Die Klägerin sei ferner im Besitz ordnungsgemäßer Rechnungen. Der Geschäftssitz der SL sei mit Gesellschafterbeschluss vom 3. August 2005 von F nach D verlegt worden. Daraufhin sei am 8. Februar 2006 die Eintragung der SL in das Handelsregister des Amtsgerichts D erfolgt. Als Sitz der SL sei lediglich D eingetragen worden. Erst am 29. April 2009 sei in einer offiziellen Handelsregisteranmeldung ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass sich die Geschäftsräume im "V Weg" befänden. Erst am 2. Juli 2009 sei als Geschäftsanschrift "G-Str. D" in das Handelsregister eingetragen worden. In den Rechnungen aus dem Jahr 2008 und 2009 werde die Firmenanschrift "V Weg" angegeben. Dies betreffe nur solche Rechnungen bis kurz nach Eintragung der Geschäftsanschrift "G-Str." am 2. Juli 2009. Die danach erteilten Rechnungen enthielten diese Anschrift. Die Ermittlungen der Steuerfahndung D bewiesen daher keinesfalls, dass bis Juni 2009 keine geschäftlichen Aktivitäten an der Firmenanschrift "V-Weg" stattgefunden hätten. Auch der Umstand, dass in de, Gebäude unter letztgenannter Anschrift nach den Ermittlungen der Steuerfahndung zwar Unterlagen der SL aufgefunden worden seien, diese allerdings keinen Bezug zu Handelsgeschäften mit Kupferkathoden aufgewiesen hätten, beweise nicht, dass die SL nicht mit Kupferkathoden gehandelt habe. Die Unterlagen bewiesen vielmehr, dass die SL sich unternehmerisch betätigt habe und damit konsequenterweise keine Scheinfirma gewesen sei.
Das Finanzamt verkenne ferner, dass die Angabe eines Briefkastensitzes bei postalischer Erreichbarkeit als Anschrift die Voraussetzung des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG erfüllen könne. Die postalische Erreichbarkeit sei zu jedem Zeitpunkt gegeben gewesen. Keines der im Postwege aufgegebenen Schriftstücke an die in den Rechnungen aufgeführte Adresse sei zurückgesandt worden. Der Inhaber der Firma sei zudem telefonisch zu erreichen gewesen. Wenn dies auch nicht immer unter der angegebenen Festnetznummer der Fall gewesen sei, so doch wenigstens über eine Mobilfunknummer. Es sei nicht unüblich, dass ein Geschäftsinhaber, der lediglich im Handel tätig sei, nur unter einer Mobilfunknummer zu erreichen sei. Gleichermaßen üblich sei es, dass ein kleines Unternehmen einen Telefonanschluss aus dem Ortsnetz Frankfurt verwende. Es sei bekannt, dass in Frankfurt eine große Anzahl an Callcentern angesiedelt sei, welche Telefondienste für verschiedene Firmen übernähmen.
Unabhängig hiervon sei der Klägerin jedenfalls aus Vertrauensschutzgesichtspunkten der Vorsteuerabzug zu gewähren. Die Klägerin sei gutgläubig gewesen. Die Rechnungen seien von ihr überprüft worden, wodurch von ihr selbst teilweise Unrichtigkeiten der Rechnungen entdeckt und behoben worden seien. Dass die Korrektur aus dem Ausland erfolgte, sei für den Vorsteuerabzug unerheblich. Entgegen der Annahme des Beklagten hätten auch weder die Rechnungen noch das Geschäftsgebaren der SL Anlass zur Annahme gegeben, dass es sich um eine Scheinfirma handelte. Der Vorwurf, die Klägerin hätte sich früher eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellen lassen müssen, gehe schon deshalb ins Leere, weil eine solche überhaupt nicht geeignet sei, die Unternehmereigenschaft des Rechnungsausstellers zu beweisen. Gleiches gelte auch für den Handelsregisterauszug. Selbst wenn die Klägerin diesen schon zu Beginn der Geschäftstätigkeit abgerufen hätte, habe sie keinen Grund gehabt, an der Existenz der SL unter der angegebenen Anschrift zu zweifeln, da als Sitz der Gesellschaft lediglich D eingetragen gewesen sei. Erst ab Juni 2009 sei die andere Anschrift offiziell gewesen. Die Änderung der inländischen Geschäftsanschrift einer GmbH sei anmeldepflichtig und im Handelsregister einzutragen. Selbst wenn die Geschäftsanschrift gemäß der Annahme des Beklagten schon seit 2006 in der G-Straße gewesen wäre, so sei diese Information aufgrund der sogenannten negativen Publizität des Handelsregisters (§ 15 HGB) nicht zulasten des gutgläubigen Rechtsverkehrs verwendbar gewesen.
Die Klägerin habe regelmäßigen Kontakt mit Ansprechpartnern der SL gehabt. Die Steuerverwaltung können nicht generell verlangen, dass der Steuerpflichtige prüfe, ob der Aussteller einer Rechnung steuerpflichtig sei, ob er über die fraglichen Liefergegenstände verfügen könne und ob er seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Abführung der Mehrwertsteuer nachgekommen sei. Gerade dies werde vom Beklagten unterstellt, wenn er der Klägerin vorwerfe, sie hätte aufgrund der Tatsache, dass an dem angegebenen Sitz der SL keine ausreichende Fläche zur Lagerung der Gegenstände zur Verfügung gestanden habe, erkennen müssen, dass die SL nicht Lieferant der Kupferkathoden habe sein können.
Von der SL seien keine Preise in Rechnung gestellt worden, die im Zeitpunkt des Umsatzes teilweise über dem Marktpreis gelegen hätten. Die Klägerin habe Angebote seitens der SL teilweise abgelehnt, weil andere Lieferanten niedrigere Preise geboten hätten. Mit Ausnahme eines Angebotes hätten alle Angebote der SL über dem LME-Kurs gelegen. In dem vorliegend streitigen Zeitraum habe insbesondere die Finanzkrise den Kupferpreis stark sinken lassen. Auch die Klägerin sei gezwungen gewesen, Kupferkathoden aus Abnahmeverpflichtungen weit unter dem Einkaufspreis zu verkaufen.
Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil vom 18. Dezember 2014, Rs. Italmoda, C-131/13) sei der Vorsteuerabzug nur dann zu versagen, wenn aufgrund der objektiven Sachlage feststehe, dass das Recht auf Vorsteuerabzug in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht werde. Daher müsse zum einen das Vorliegen einer Steuerhinterziehung eines Unternehmers in einer Lieferkette objektiv feststehen und zum anderen festgestellt werden können, dass der Steuerpflichtige hiervon Kenntnis hatte oder hätte haben müssen. Hinreichende Feststellung für die Steuerhinterziehung eines anderen Unternehmers in der Lieferkette seien jedenfalls bei einer strafrechtlichen Verurteilung denkbar. Vorliegend fehle es an einem endgültigen Nachweis dafür, ob und wenn ja in welcher Höhe und auf welcher Ebene eine Steuerhinterziehung stattgefunden habe. Zum Zeitpunkt der Ausführung der Lieferung hätten keinerlei stichhaltige Hinweise vorgelegen, welche die Klägerin hätten misstrauisch werden lassen müssen. Sie habe daher keine Kenntnis bezüglich einer möglichen Steuerhinterziehung erlangt und hätte dies auch nicht müssen.
Ein weiterer Vorwurf des Finanzamts sei, dass die Anlieferung der Ware stets von Speditionen durchgeführt worden sei und nicht von der SL selbst. Es sei jedoch nicht Sache des Steuerpflichtigen zu prüfen, ob der Leistende über die fraglichen Gegenstände habe verfügen können. Dies habe die Klägerin auch gar nicht tun können. Grundsätzlich würden Waren wie Kupferkathoden nicht durch eine der Vertragsparteien angeliefert, sondern durch beauftragte Speditionen, weil sich die Ware in der Regel am Herstellungsort befände. Kaum ein Unternehmen verfüge zudem noch über einen eigenen Lkw-Bestand und eigene Fahrer. Daher sei die Anlieferung auch im vorliegenden Fall durch Speditionen aus Süddeutschland, Österreich und der Slowakei erfolgt, da die angelieferten Rohstoffe im Wesentlichen aus Österreich stammten. Auch der Zahlungsverkehr mit der SL habe keine Zweifel an der Existenz der Gesellschaft aufkommen lassen, da dieser stets reibungslos und über eine deutsche Bankverbindung ohne Auffälligkeiten erfolgt sei.
Es sei auch nicht richtig, dass die SL wegen der Einschaltung von Nichtunternehmern im Rahmen von Reihengeschäften der Klägerin keine Verfügungsmacht an den Liefergegenständen habe verschaffen können. Die Beteiligung eines Nichtunternehmers schließe das Vorliegen eines Reihengeschäftes nicht aus. Die Regelungen zum Reihengeschäft (§ 3 Abs. 6 Satz 5 Halbs. 2, Satz 6, Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 und 2 UStG) kämen auch dann zur Anwendung, wenn einer oder mehrere Beteiligte als Nichtunternehmer aufträten. Es müssten nur mindestens zwei der Beteiligten Unternehmer sein. Die Lieferung der Nichtunternehmer in der Reihe seien lediglich mangels Unternehmereigenschaft nicht steuerbar. In der Mitte und am Ende eines Reihengeschäftes könnten daher auch Nichtunternehmer stehen. Bedeutsam sei diese Frage aber nur für innergemeinschaftliche Umsätze, weil dann die sogenannte Versandhandelsregelung des § 3c UStG bei der Lieferung an Nichtunternehmer greife. Hierauf komme es in dem hier streitigen Fall nicht an. Vorliegend sei die Ware direkt vom Produzenten in Österreich bzw. aus einem Lager in Rotterdam an die Klägerin geliefert worden. Die bewegte Lieferung sei deshalb unstreitig ausgeführt. Der erste Unternehmer in der Reihe sei mit der Klägerin als der letzten Abnehmerin nicht durch eine Lieferung, sondern allein durch eine Warenbewegung verbunden. Der Gegenstand sei von ihm, wenn auch nicht notwendig durch ihn, zur Klägerin als letzten Abnehmer versendet oder befördert worden. Der erste Unternehmer sei folglich derjenige, aus dessen Verfügungsmacht der Gegenstand durch die Warenbewegung unmittelbar an die Klägerin gelangt sei. Neben diese Warenbewegung trete die ruhende Lieferung. Die Lieferung sei an tatsächlichen Merkmalen auszumachen. Allein die Tatsache, dass Gegenstände wie Kupferkathoden dieser Art und Größenordnung an die Klägerin ausgeliefert worden seien und dies auf Rechnung der SL geschah, lasse keinen anderen Schluss zu, als dass die SL als Steuerpflichtige an die Klägerin geliefert habe.
Entgegen der Ansicht des Finanzamts könne von der Klägerin ohnehin nicht verlangt werden, zu überprüfen, ob der Aussteller der Rechnung über die Gegenstände für die der Vorsteuerabzug geltend gemacht werde, seinerseits Steuerpflichtiger sei, über die fraglichen Gegenstände habe verfügen und sie habe liefern können (vgl. EuGH v. 21. Juni 2012, Rs. Mahageben und David, C-80/11 und C-142/11). Dies gelte unabhängig davon, ob es sich um ein Reihengeschäft oder, was vorliegend der Fall sei, um einzelne gedanklich nacheinander ausgeführte, lediglich zeitlich und durch eine einheitliche Warenbewegung vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer verknüpfte Lieferungen gehandelt habe. Selbst wenn die SL, entgegen der Meinung der Klägerin, nicht als Unternehmerin anzusehen sein sollte, sei daher der Vorsteuerabzug zu gewähren.
Die Klägerin habe im Übrigen von der SL Kupferkathoden der Qualität Grade A eingekauft, die nicht an der Börse gelistet seien. Hierbei handele es sich um qualitativ mit an der LME registrierter Ware vergleichbare Kupferkathoden, die jedoch beispielsweise mangels geeigneter Herkunft nicht von der Börse akzeptiert würden. Für diese Qualität würden wesentlich geringere Prämien erzielt als für registrierte Ware, da dieselbe Qualität nicht garantiert werden könne. Vergleiche man die Preise von Konkurrenzunternehmen der SL, so zeigten sich bei den Preisen der SL keine Auffälligkeiten, die Anlass dafür gewesen sein könnten, an der Seriosität der SL zu zweifeln. Für die Unauffälligkeit der SL spreche auch, dass die Klägerin stets bemüht gewesen sei, mit den Finanzbehörden zusammen zu arbeiten. Bei unseriösen Angeboten, die in keiner Weise mit den Marktbedingungen in Einklang zu bringen gewesen seien, habe die Klägerin in der Vergangenheit und auch heute noch Abstand von einer Geschäftsbeziehung genommen und die Finanzverwaltung über die entsprechenden Firmen informiert. Die unseriösen Angebote hätten bei 4 % bis 10 % weit unter den LME-Kursen gelegen und seien damit überhaupt nicht mit den Angeboten der SL vergleichbar gewesen. Im Übrigen könne allein aus dem Umstand, dass Kupferkathoden unter dem Börsenpreis eingekauft werden, nicht abgeleitet werden, dass ein Käufer nicht in gutem Glauben gewesen sei.
Der Vorsteuerabzug aus Rechnungen der SL aus den Jahren 2008 und 2009 sei auch im Veranlagungszeitraum 2010 zu berücksichtigen. Die SL habe in den Zeiträumen 2008 und 2009 Rechnungen ausschließlich auf elektronischem Weg übermittelt. Die Dokumente seien der Klägerin stets per Mail übersandt worden. Bis zum 30. Juni 2011 hätten Rechnungen mit Zustimmung des Empfängers dabei zwar auf elektronischem Weg übermittelt werden können (§ 14 Abs. 1 S. 2 UStG a.F.), allerdings sei zur Sicherstellung von Authentizität und Integrität bis zu diesem Zeitpunkt eine elektronische Signatur notwendig gewesen. Die ursprünglichen Rechnungen der SL hätten diese Voraussetzungen nicht erfüllt und somit nicht den Anforderungen an eine berichtigungsfähige Rechnung entsprochen. Erst mit Entfallen des Erfordernisses der elektronischen Signatur zum 1. Juli 2011 könne bei einer Rechnung, welche auf elektronischem Weg übermittelt worden sei und keine elektronische Signatur enthalten habe, von einer berichtigungsfähigen Rechnung ausgegangen werden. Dennoch könne die Klägerin den Vorsteuerabzug geltend machen, da sie nach Übersendung der Originalrechnungen und dem ergänzenden Dokument vom 9. Januar 2010 nachweisen könne, dass die SL ihr tatsächlich Gegenstände geliefert habe, die ihren der Mehrwertsteuer unterliegenden Umsätzen gedient hätten und für die sie tatsächlich die Mehrwertsteuer entrichtet habe (Verweis auf das EuGH-Urteil Vadan vom 21.11.2018 C-664/16, DStR 2018, 2524 [BFH 05.09.2018 - II R 57/15]). Bis zu diesem Zeitpunkt hätten noch keine berichtigungsfähigen Rechnungen vorgelegen. Unter Berücksichtigung des Urteils des BFH vom 20. Oktober 2016 V R 26/15, BFHE 255, 348 könne es hinsichtlich des Zeitpunktes des Vorsteuerabzugs nur darauf ankommen, wann eine ausreichende Dokumentationslage geschaffen worden sei. Dies sei vorliegend erst im Jahr 2010 der Fall gewesen. Folglich sei der Vorsteuerabzug aus Leistungen in den Jahren 2008 und 2009 erst im Streitjahr 2010 zu berücksichtigen.
Selbst wenn man aber davon ausginge, dass bereits in den Jahren 2008 und 2009 ergänzungsfähige Rechnung vorgelegen hätten und damit eine Rückwirkung der Rechnungsberichtigung möglich gewesen sei, wäre der Vorsteuerabzug aufgrund von Vertrauensschutzgesichtspunkten erst im Jahre 2010 zu berücksichtigen. Infolge des Senatex-Urteils des EuGH vom 15.9.2016, C-518/16 habe der BFH seine bis dahin geltende ständige höchstrichterliche Rechtsprechung geändert, nach der eine Rechnungsberichtigung lediglich ex-nunc Wirkung entfalte. Die Klägerin habe jedoch auf das Fortbestehen der alten Rechtsprechung vertrauen dürfen, da diese von den Finanzbehörden stets in andauernder Verwaltungsübung praktiziert worden sei. Es komme hinzu, dass die alte Rechtslage eindeutig seitens der Betriebsprüfung gegenüber der Klägerin kommuniziert worden sei. Durch ein Schreiben des BMF noch vom 16.3.2011 sei die Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung ausdrücklich abgelehnt worden. An diese Rechtslage habe sich die Klägerin gebunden fühlen dürfen. Verwaltungsvorschriften gäben der Finanzverwaltung einen Rahmen für die inhaltliche Ermessensausübung bei der Beurteilung steuerlicher Sachverhalte vor. Dadurch entfalteten sie auch mittelbare Wirkung für Steuerpflichtige, die von der Entscheidung der Verwaltung betroffen seien. Die Bescheide für 2008 und 2009 seien bereits im Jahr 2010 bestandskräftig geworden. Der EuGH und der BFH seien bezüglich der Frage der Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung ähnlich einem Gesetzgeber tätig geworden, da sie eine bis dahin feststehende Verwaltungspraxis infrage gestellt hätten. Daher müsse der Klägerin nach den rechtsstaatlichen Grundsätzen ein entsprechender Vertrauensschutz eingeräumt werden, wie er sonst bei einer verschärfenden Gesetzesänderung eingreifen würde (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BStBl II 2008, 608).
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer für 2010 um xxx € niedriger anzusetzen,
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der SL der Jahre 2008 und 2009 sei schon aus formellen Gründen nicht möglich. Die ursprünglichen Rechnungen hätten weder den Umsatzsteuersatz noch ein Lieferdatum enthalten. Die ergänzenden Angaben seien bei der Klägerin am 14. Januar 2010 eingegangen. Nach der neueren BFH-Rechtsprechung handele es sich hier um Rechnungsangaben, die berichtigt bzw. ergänzt werden konnten. Die Ergänzung wirke auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Ausstellung der Rechnungen zurück. Außerdem sei es nicht möglich hinsichtlich der auf den Rechnungen angegebenen Anschrift "V-Weg, Df" die postalische Erreichbarkeit der SL positiv festzustellen. Ob und wie etwaige an diese Anschrift gesandten Unterlagen tatsächlich die für die SL handelnden Personen im Ausland erreichten, sei nicht bekannt. Insbesondere ergäbe sich nicht aus dem Verfahren der Rechnungsberichtigung, dass die SL unter dieser Anschrift postalisch erreichbar gewesen sei. Der Schriftverkehr mit der SL sei von der Klägerin ausschließlich per E-Mail geführt worden. Auch seien weitere fehlende Originalrechnungen von der Klägerin ausschließlich per E-Mail angefordert worden.
Der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen aus 2010 sei aus materiell-rechtlichen Gründen nicht möglich. Die SL sei keine Unternehmerin gewesen. Allein aus der rechtlichen Existenz einer GmbH könne nicht schon auf ihre Eigenschaft als Unternehmerin geschlossen werden. Die Unternehmerdefinition des § 2 Abs. 1 UStG setze die Ausführung von Lieferung oder sonstigen Leistung gegen Entgelt voraus. Soweit eine GmbH nur vorgeschoben werde, damit die hinter ihr stehenden Personen Einnahmen erzielen können, seien die Umsätze nicht der vorgeschobenen GmbH sondern den tatsächlich handelnden Unternehmern zuzurechnen (vgl. FG München-Urteil vom 29. März 2012 14 K 3020/10). Das Vorschieben einer juristischen Person als Scheinunternehmen entspreche nicht der Zwischenschaltung eines Strohmannes, der als verdeckter Treuhänder zu sehen sei. Scheinunternehmen erlangten in Ermangelung einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit keine Unternehmereigenschaft. Unternehmer seien die dahinter stehenden Personen oder Personengruppen.
Nach den Feststellungen der Steuerfahndung D habe die SL als Scheinunternehmen zunächst in den Jahren 2006 bis 2008 Rechnung über nichtexistente Waren wie Küchengeräte, Kontaktlinsen, iPods und diverse Elektroartikel erstellt. Nachfolgend sei sie als Briefkastengesellschaft ohne eigene Geschäftsausstattung in den Handel mit Kupferkathoden eingebunden worden. Initiator dieser Geschäfte sei der Österreicher xxx als Gesellschafter und Geschäftsführer der xy in Wien gewesen. Um die Zahlung der Umsatzsteuer aus dem Einkauf der Kupferkathoden beim Hersteller ...werke B vermeiden zu können, habe Herr xxx die AB in Sofia gegründet, die ab dem 20. Mai 2008 als Lieferant der SL aufgetreten sei. Bei der AB habe es sich um ein Briefkastenunternehmen gehandelt, das seinen Sitz bei einem Büroservice-Unternehmen gehabt habe. Die Geschäfte seien tatsächlich von Herrn xxx als Gesellschafter und Geschäftsführer der AB von Wien aus abgewickelt worden. Von der AB seien der SL auch die Transportkosten in Rechnung gestellt worden. Die Weiterfakturierung an die Klägerin und den weiteren Abnehmer seien allerdings ohne Transportkosten und regelmäßig unter dem Einkaufspreis der Ware erfolgt. Die gezahlten Rechnungsbeträge seien nach den Feststellungen der Steuerfahndung zu 98% direkt nach Eingang innerhalb von Stunden von den Bankkonten der SL direkt an die Firma xy in Wien und AB in Sofia und später an ausländische Zahlungsplattform weitergeleitet worden. Die unternehmerische Betätigung sei danach ausschließlich von Herrn xxx in Wien ausgegangen.
Von der SL sei keine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt worden. Die Geschäftsführer der SL in England und später in Kanada hätten lediglich auf Weisung und ohne jegliches Unternehmerrisiko gehandelt. Sie hätten keine eigenständigen Unternehmensentscheidungen durchsetzen können, sondern seien von den Anweisungen des Herrn xxx abhängig gewesen. Die SL sei nicht in der Lage gewesen, aus eigenem Willen und eigenem Vermögen die abgerechneten Liefergeschäfte zu organisieren und auszuführen. Sie sei deshalb als reines Scheinunternehmen ohne jegliche wirtschaftliche Betätigung keine Unternehmerin gewesen.
Ab dem 2. September 2008 sei dann das weitere Scheinunternehmen AM in Gera in die Rechnungskette eingebunden worden. Nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG könnten an einem Reihengeschäft nur Unternehmer beteiligt sein. Trete in einer Reihe ein Nichtunternehmer auf, ende das Reihengeschäften mit der Verschaffung der Verfügungsmacht an ihn. Auch bei unterstellter Unternehmereigenschaft der SL habe diese mangels Eingangslieferungen im Rahmen von Reihengeschäften nicht die wirtschaftliche Substanz der Kupferkathoden auf die Klägerin übertragen können.
Wirtschaftlich betrachtet seien im Streitfall die tatsächlich tätigen Beteiligten alleine die Klägerin in Deutschland, der in Österreich ansässige Herr xxx und die ...werke B in Österreich gewesen. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung sei die von den Montanwerken zu liefernde Ware regelmäßig in Österreich an die von Herrn xxx beauftragten Spediteure übergeben und nach Deutschland transportiert worden. Werde der Gegenstand der Lieferung eines Reihengeschäfts durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer sei, wie hier Herr xxx, so sei die Beförderung oder Versendung der Lieferung diesem auch zuzuordnen, es sei denn, er weise nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet habe. Herr xxx habe regelmäßig durch Vereinbarung der Lieferkonditionen DDP die Transportkosten übernommen und habe damit die Beförderung als Lieferer beauftragt. Somit sei wirtschaftlich betrachtet die Lieferung von Herrn xxx an die Klägerin die bewegte Lieferung und damit als innergemeinschaftliche Lieferung i.S. von § 6a UStG steuerfrei. Als Folge davon hätte die Klägerin gemäß § 6a UStG innergemeinschaftliche Erwerbe gemäß § 1a UStG versteuern müssen und hätte lediglich die darauf entfallende Vorsteuer gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nummer 3 UStG entsprechend abziehen können.
Auch die Berücksichtigung der in den Rechnungen der SL ausgewiesen Umsatzsteuer im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung scheide aus. In den Fällen, in denen die in der Rechnung als leistende angegebene Person kein Unternehmer sei oder diese die in Rechnung gestellte Leistung nicht selbst erbracht habe, mangele es nicht an einer ordnungsgemäßen Rechnung, sondern an wenigstens einem materiellen Tatbestandsmerkmal des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG. Das Fehlen materieller Tatbestandsmerkmale könne auch nicht im Billigkeitswege geheilt werden. Dies würde selbst dann gelten, wenn die Klägerin alle vernünftigerweise zu verlangenden Maßnahmen getroffen hätte, um zu verhindern, dass ihre Umsätze in einen Umsatzsteuerbetrug einbezogen werden.
Es sei im Übrigen nicht richtig, dass die Klägerin von der SL nur Kupferkathoden der Qualität Grade A eingekauft habe, die nicht an der Börse gelistet gewesen seien. Von der SL seien nahezu ausnahmslos Kupferkathoden Grade A der ...werke B mit dem Brand "BRX" abgerechnet worden. Diese seien an der Londoner Metallbörse registriert. Die von der SL berechneten Kathoden fielen ausnahmslos unter die Kategorie "LME registrierte Ware". Für die von der SL abgerechnete Qualität seien daher keineswegs wesentlich geringere Preise erzielt worden als für LME registrierte Ware. Laut Aussage des Angestellten der Klägerin, Herrn xxx, vor der Steuerfahndung am 4. Juni 2013 seien die von der SL berechneten Prämien äußerst günstig gewesen; die eigentlich nicht benötigten Kathoden seien gekauft worden, weil sie inklusive Prämien sehr preiswert gewesen sein. Wie aus der Anlage 2 zum Einspruchsbescheid ersichtlich, habe die SL mit teilweise extrem niedrigen und teilweise auch negativen Prämien abgerechnet. Die Preisentwicklung für Kupfer sei dabei nicht während des gesamten Streitzeitraums negativ gewesen. Am 2. Juli 2008 sei Kupfer an der LME noch zum zwischenzeitlichen Höchststand von 8.940 $ pro Tonne gehandelt worden. Der Preis sei bis zum 23. Dezember 2008 auf sein 10-Jahres-Tiefststand von 2.825 $ gefallen. Danach habe sich der Kupferpreis in weniger als 4 Monaten zum 15. April 2009 wieder auf 4.860 $ pro Tonne erholt.
Das finanzgerichtliche Verfahren war mit Beschluss vom 12. Oktober 2016 bis zum Ergehen einer Entscheidung des EuGH in dem Verfahren C-374/16 ausgesetzt worden.
Die Klägerin hat im finanzgerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 7. Mai 2019 bei der Beklagten einen Antrag gemäß § 174 Abs. 3 AO gestellt. Hierin beantragt sie für den Fall, dass die Klage aufgrund der Rückwirkung der Rechnungsberichtigung im Hinblick auf den Vorsteuerabzug für die Jahre 2008 und 2009 abgewiesen werden sollte, die Bescheide für die Jahre 2008 und 2009 aufgrund widerstreitender Steuerfestsetzungen zu ändern.
Das Gericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. Mai 2019 Beweis erhoben durch Vernehmung von Herrn xxx als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet. Der Klägerin ist der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der SL des Jahres 2010 zu gewähren. Hingegen steht ihr der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der SL der Jahre 2008 und 2009 im Streitjahr mangels einer Ermessensreduzierung auf Null auch nicht im Billigkeitswege nach § 163 AO zu. Allerdings ist die Entscheidung des Finanzamts über die Ablehnung des Billigkeitsantrags ermessensfehlerhaft und deshalb aufzuheben.
1. Das Finanzamt hat der Klägerin den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der SL aus 2010 über insgesamt 200.350,33 € zu Unrecht versagt.
Ein Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die in Rechnungen im Sinne von § 14 UStG gesondert ausgewiesene, gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.
a) Die SL war Unternehmerin. Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt. Bei richtlinienkonformer Anwendung muss dabei eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt werden (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 1996 V R 23/93, BFHE 182, 388, BStBl II 1997, 368). Aus der bloßen rechtlichen Existenz einer GmbH folgt noch nicht, dass ihre Tätigkeit auch auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet ist (vgl. BFH-Urteil vom 13. Juli 1994 XI R 97/92, BFH/NV 1995, 168). Die Unternehmerdefinition des § 2 Abs. 1 UStG erfordert vielmehr die Entgelterzielung, setzt also die Ausführung von Lieferungen oder sonstigen Leistungen gegen Entgelt voraus (BFH-Urteile vom 6. Mai 1993 V R 45/88, BFHE 171, 138, BStBl II 1993, 564, und vom 12. Mai 1993 XI R 68/90, BFH/NV 1994, 131).
Die Person des Leistenden richtet sich grundsätzlich nach den zwischen den Beteiligten bestehenden zivilrechtlichen Leistungsbeziehungen (vgl. BFH-Urteil vom 27. Januar 2011 V R 7/09, BFH/NV 2011, 1030). Da die Begriffe der "Lieferung" oder "sonstigen Leistung" jedoch an tatsächliche Vorgänge anknüpfen, kann die Person des leistenden Unternehmers im Einzelfall auch abweichend von den Ergebnissen des Zivilrechts zu bestimmen sein (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 28. November 1990 V R 31/85, BStBl II 1991, 381). In der Regel ist jedoch derjenige als Leistender anzusehen, der die Lieferung oder sonstige Leistung im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt (vgl. BFH-Urteil vom 28. Januar 1999 V R 4/98, BStBl II 1999, 628). Ob und aus welchem Grund der im eigenen Namen Auftretende dabei im Innenverhältnis für fremde Rechnung handelt, ist grundsätzlich unbeachtlich (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BStBl II 2004, 622).
Vorliegend kam die Geschäftsbeziehung zwischen der Klägerin und der SL dadurch zustande, dass einer der Geschäftsführer der SL, also zunächst Herr xxx, dann ab Mai 2010 Herr xxx, bei der Klägerin anrief und ihr ein Angebot über den Ankauf von Kupferkathoden unterbreitete. Eine entsprechende Vertragsannahme wurde seitens der Klägerin als Bestätigung an die D Adresse der SL geschickt. Die Lieferungen wurden im Namen der SL sodann auch tatsächlich ausgeführt. Die SL ist somit am Markt selbständig tätig geworden. Ihre Tätigkeit am Markt geschah auch nachhaltig, da sie jahrelang mit der Klägerin Verträge über die Lieferung von Kupferkathoden abschloss. Zudem hatte sie aber auch noch andere Abnehmer. Außerdem wurde die SL steuerlich geführt und verfügte über eine USt-Identifikationsnummer. Dass ihre Geschäftsführer im Innenverhältnis zu dem Hintermann Herrn xxx keine eigene Entscheidungsbefugnis hatten, war für die Klägerin nicht erkennbar, und daher kein Grund, der SL die Unternehmereigenschaft abzusprechen.
Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entscheidung des FG München vom 29. März 2012 - 14 K 3020/10, EFG 2012, 1697, auf welche sich das Finanzamt in diesem Zusammenhang beruft. Danach soll sich der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Limited nach dem Wohnsitz des Geschäftsführers bestimmen, wenn am eingetragenen Firmensitz der von einem bekannten Registrierungsagenten gegründeten Gesellschaft mit einer Massendomizilanschrift keine geschäftlichen Betätigungen stattfinden und sich auch sonst keine zur Bestimmung des Ortes der Niederlassung unmittelbar zusammenhängenden Anknüpfungspunkte feststellen lassen. Hiermit ist der Fall der SL, bei der es sich um eine deutsche GmbH handelte, die wie ausgeführt am Markt nachhaltig tätig wurde und außerdem auch in Kontakt mit dem für sie zuständigen Finanzamt stand, nicht vergleichbar.
b) Die Kupferkathoden sind der Klägerin auch von der SL und nicht etwa von dem Hintermann Herrn xxx oder einer anderen Person geliefert worden. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferung oder sonstige Leistung im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Eine Leistung ist dem Ausführenden nicht zuzurechnen, wenn er gegenüber dem Leistungsempfänger im Namen eines Dritten bei der Ausführung der Leistung aufgetreten ist (BFH, Urteil vom 5.4.2001 - V R 5/00, BFH/NV 2001, 1307; FG München, Urteil vom 17.2.2016 - 3 K 2395/13, juris, Rn. 22, 23 m.w.N.). Demgemäß ist ein Strohmann, der nach außen im eigenen Namen auftritt, auch wenn er im Verhältnis zu seinem Hintermann auf dessen Rechnung handelt, leistender Unternehmer, sofern der Leistungsempfänger und der Strohmann keinen Scheinvertrag im Sinne des § 41 AO abschließen, in dem sie davon ausgehen, dass die Rechtswirksamkeit des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem Hintermann eintreten soll. Leistender Unternehmer ist nach ständiger Rechtsprechung zudem auch derjenige, der gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen auftritt, auch wenn er ihm die Verfügungsmacht an einem Gegenstand oder einer Berechtigung nur dadurch verschaffen kann, dass er veranlasst, dass ein Dritter, der die Verfügungsmacht bisher innehat, dem Leistungsempfänger die Verfügungsmacht verschafft. Hierfür ist eine nur mündliche Absprache zwischen dem leistenden Unternehmer und dem Dritten ausreichend (vgl. BFH-Urteil vom 28.01.1999 - V R 4/98, BStBl. II 1999, 628, Rz.16).
Nach den zivilrechtlichen Vereinbarungen mit der Klägerin hatte die SL vorliegend die Lieferung der Kupferkathoden im eigenen Namen an die Klägerin zu erbringen. Da etwaige Hintermänner, insbesondere Herr xxx aus Österreich, der Klägerin nicht bekannt waren, kann hierbei auch nicht vom Vorliegen eines Scheingeschäfts nach § 41 AO ausgegangen werden. Die SL hat der Klägerin ferner Verfügungsmacht an den Kathoden dadurch verschafft, dass auf ihre Veranlassung hin die Kupferkathoden der SL geliefert wurden. Auch hierbei traten keine Hintermänner nach außen hin gegenüber der Klägerin in Erscheinung.
c) Bei den Lieferungen der SL an die Klägerin handelte es sich nicht um nach § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen, so dass es auch nicht an einer vom leistenden Unternehmer "geschuldeten" Steuer fehlt. Bei den Lieferungen von SL an die Klägerin gelangten die Kupferkathoden nicht aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates. Zwar wurden die Kupferkathoden auf Veranlassung der SL direkt von Österreich bzw. den Niederlanden zur Klägerin nach Osnabrück befördert. Die Lieferungen seitens der SL an die Klägerin folgten dieser Beförderung jedoch nach, sodass sie als im Inland ausgeführt gelten.
Wird bei einem Reihengeschäft der Gegenstand durch einen der Beteiligten befördert, kann nach § 3 Abs. 6 S. 5 und 6 UStG nur für eine der Lieferungen von einer Beförderungslieferung ausgegangen werden. Die andere Lieferung ist als sog. ruhende Lieferung zu behandeln; für sie bestimmt sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG. § 3 Abs. 6 S. 6 UStG ist dabei dergestalt unionskonform auszulegen, dass regelmäßig die erste Lieferung die grenzüberschreitende ist, es sei denn, der Endabnehmer erlangt bereits im Abgangsstaat die eigentümergleiche Verfügungsmacht (vgl. EuGH-Urteil vom 16. Dezember 2010 C-430/09, Euro Tyre Holding, BFH/NV 2011, 379 [BFH 25.08.2010 - II R 65/08]; Leonard in Bunjes, UStG, § 3 Rz 212 m.w.N.). Da vorliegend die Klägerin die Verfügungsmacht an den Kathoden erst im Inland erlangte, ist die grenzüberschreitende Warenbewegung der Lieferung an die SL zuzuordnen. Somit war die Lieferungen der SL an die Klägerin keine innergemeinschaftliche Lieferung. Nichts anderes gälte bei 2 hintereinander ausgeführten Lieferungen zwischen der SL und ihrem Vorlieferanten und der SL und der Klägerin, so dass die von der Beklagten problematisierte Frage, ob ein Reihengeschäft mit dem Auftreten eines Nichtunternehmers endet, offen bleiben kann. Darauf, ob Lieferungen an die SL ihrerseits nach § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG steuerfrei waren, kommt es nicht an.
d) Die Klägerin verfügte über ordnungsgemäß nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnungen. Die Rechnungen der SL enthalten insbesondere auch die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG). Dem steht nicht entgegen, dass die auf den Rechnungen angegebene Adresse nur eine reine Briefkastenadresse war und die SL unter dieser Anschrift unstreitig keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten hat (vgl. EuGH-Urteil vom 15.11.2017 C-374/16 und C-375/16, Geissel und Butin, BB 2017, 2837, UR 2017, 970).
Der Steuerpflichtige muss für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug gemäß Art. 178 Buchst. a der Mehrwertsteuerrechtlinie (MwStSystRL) eine gemäß den Art. 220 bis 236 und 238 bis 240 MwStSystRL ausgestellte Rechnung besitzen, welche die in Art. 226 MwStSystRL aufgeführten Angaben enthalten muss. Insbesondere sind "der vollständige Name und die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen und des Erwerbers oder Dienstleistungsempfängers" anzugeben. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. in diesem Sinne EuGH-Urteile vom 3.12.2009, C-433/08, Yaesu Europe, EU:C:2009:750, Rn. 24, und vom 6.7.2017, C-290/16, Air, EU:C:2017:523, Rn. 22). Die Mitgliedstaaten dürfen keine strengeren Verpflichtungen vorsehen als diejenigen, die sich aus der Mehrwertsteuerrichtlinie ergeben. Der Besitz einer Rechnung, die die in Art. 226 MwStSystRL vorgesehenen Angaben enthält, stellt eine formelle Bedingung für das Recht auf Vorsteuerabzug dar. Sind die materiellen Anforderungen erfüllt, ist der Vorsteuerabzug zu gewähren, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Bedingungen nicht genügt hat (vgl. EuGH-Urteil vom 15.9.2016, C-518/14, Senatex, EU:C:2016:691, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung). Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass die Angabe der Anschrift des Rechnungsausstellers in Verbindung mit seinem Namen und seiner Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer den Rechnungsaussteller identifizieren und es der Steuerverwaltung ermöglichen sollen, die Entrichtung der geschuldeten Steuer und ggf. das Bestehen des Vorsteuerabzugsrechts zu kontrollieren, aber die Modalitäten, die die Angabe der Anschrift des Rechnungsausstellers betreffen, für den Vorsteuerabzug nicht maßgeblich sein können (EuGH-Urteil vom 15.11.2017 C-374/16 und C-375/16, Geissel und Butin, BB 2017, 2837). Die leicht zugängliche und von der Verwaltung überprüfbare Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Unternehmers, der die Gegenstände oder Dienstleistungen geliefert bzw. erbracht hat, stellt damit die wesentliche Informationsquelle für diese Identifikation dar. Um die Ziele der Regelung über den Vorsteuerabzug zu erreichen, ist es nach dem EuGH-Urteil vom 15.11.2017 (C-374/16 und C-375/16, Geissel und Butin, BB 2017, 2837) nicht auch erforderlich, eine Verpflichtung zur Angabe der Anschrift, unter der der Rechnungsaussteller seine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, vorzusehen.
Damit schließt der im Streitfall gegebene formelle Umstand, dass die SL an der in den Rechnungen angegebenen Anschrift keine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat, das Recht auf Vorsteuerabzug der Klägerin aus diesen Rechnungen nicht aus. Unter der auf den Rechnungen angegebenen Adresse "G-Str., D" wickelte der Steuerberater der SL, Herr xxx, den Schriftverkehr für diese ab. Die SL war unter dieser Adresse daher erreichbar.
e) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG auch nicht deshalb zu versagen, weil aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass die Klägerin wusste oder wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass sie sich mit ihrem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war (vgl. dazu BFH-Urteil vom 19. Mai 2010 XI R 78/07 m.w.N.).
aa) Das Recht auf Vorsteuerabzug ist integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer und kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden (vgl. EuGH-Urteil vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11, C-80/11, C-142/1, Mahagében und Dávid, ABl EU 2012, Nr. C 250, 5, HFR 2012, 917; EuGH-Urteil vom 15.9.2016, C-518/14, Senatex, EU:C:2016:691, Rn. 37). Durch die Abzugsregelung soll der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden (vgl. EuGH-Urteile vom 22.10.2015, C-126/14, Sveda, EU:C:2015:712, Rn. 17, und vom 14.6.2017, C-38/16, Compass Contract Services, EU:C:2017:454, Rn. 34). Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet folglich die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (vgl. u. a. EuGH-Urteile vom 21. Februar 2006, Halifax u. a., C-255/02, Slg. 2006, I-1609, HFR 2006, 411, Rn. 78; vom 6. Juli 2006, Kittel und Recolta Recycling C-439/04 und C-440/04, ABl EU 2006, Nr. C 212, 4, HFR 2006, 939, Rn. 48; vom 22. Dezember 2010, Dankowski, C-438/09, Slg. 2010, I-0000, HFR 2011, 366, Rn. 24). Ob die Mehrwertsteuer, die für die vorausgegangenen oder nachfolgenden Verkäufe der betreffenden Gegenstände geschuldet war, tatsächlich an den Fiskus entrichtet wurde, ist für das Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug nicht von Bedeutung. Denn die Mehrwertsteuer wird auf jeden Produktions- oder Vertriebsvorgang erhoben, abzüglich der Mehrwertsteuer, mit der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet worden sind (vgl. EuGH-Beschluss vom 3. März 2004 C-395/02, Transport Service, Slg. 2004, I-1991, HFR 2005, 370, Rn. 26; EuGH-Urteile vom 12. Januar 2006 C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen u. a., Slg. 2006, I-483, HFR 2006, 318, Rn. 54; vom 6. Juli 2006, Kittel und Recolta Recycling C-439/04 und C-440/04, ABl EU 2006, Nr. C 212, 4, HFR 2006, 939, Rn. 49; vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11, C-80/11, C-142/1, Mahagében und Dávid, ABl EU 2012, Nr. C 250, 5, HFR 2012, 917, Rn. 40). Die Versagung des Vorsteuerabzugsrechts stellt eine Ausnahme vom Grundprinzip der Gewährung des Vorsteuerabzugs dar (EuGH-Urteil vom 6. Dezember 2012 C-285/11, Bonik, ABl EU 2013, Nr. C 26, 10, HFR 2013, 192, Rn. 43).
Da die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein Ziel ist, das von der MwStSystRL anerkannt und gefördert wird, und eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf die Bestimmungen des Unionsrechts nicht gestattet ist, haben die nationalen Behörden und Gerichte das Recht auf Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund der objektiven Sachlage feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird (vgl. in diesem Sinne EuGH-Urteile vom 6. Juli 2006, Kittel und Recolta Recycling C-439/04 und C-440/04, ABl EU 2006, Nr. C 212, 4, HFR 2006, 939, Rn. 55; vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11, C-80/11, C-142/1, Mahagében und Dávid, ABl EU 2012, Nr. C 250, 5, HFR 2012, 917, Rn. 42; Urteil vom 6. Dezember 2012 C-285/11, Bonik, ABl EU 2013, Nr. C 26, 10, HFR 2013, 192, Rn. 35 bis 37; vom 31. Januar 2013 C-643/11, LVK, ABl EU 2013, Nr. C 86, 6, HFR 2013, 361, Rn. 58 und 59). Dies ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung begeht oder der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war (vgl. in diesem Sinne EuGH-Urteile vom 6. Juli 2006, Kittel und Recolta Recycling C-439/04 und C-440/04, ABl EU 2006, Nr. C 212, 4, HFR 2006, 939, Rn. 56 bis 61; vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11, C-80/11, C-142/1, Mahagében und Dávid, ABl EU 2012, Nr. C 250, 5, HFR 2012, 917, Rn. 45; vom 6. Dezember 2012 C-285/11, Bonik, ABl EU 2013, Nr. C 26, 10, HFR 2013, 192, Rn. 38 bis 40).
Hingegen ist es nach ebenfalls gefestigter EuGH-Rechtsprechung mit der Vorsteuerabzugsregelung der MwStSystRL nicht vereinbar, einen Steuerpflichtigen, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in eine vom Lieferer begangene Steuerhinterziehung einbezogen war oder dass in der Lieferkette bei einem anderen Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausging oder nachfolgte, Mehrwertsteuer hinterzogen wurde, durch die Versagung dieses Rechts mit einer Sanktion zu belegen (vgl. u. a. EuGH-Urteile vom 12. Januar 2006 C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen u. a., Slg. 2006, I-483, HFR 2006, 318, Rn. 52 und 55, vom 6. Juli 2006, Kittel und Recolta Recycling C-439/04 und C-440/04, ABl EU 2006, Nr. C 212, 4, HFR 2006, 939, Rn. 45, 46 und 60, vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11, C-80/11, C-142/1, Mahagében und Dávid, ABl EU 2012, Nr. C 250, 5, HFR 2012, 917, Rn. 47, vom 6. Dezember 2012 C-285/11, Bonik, ABl EU 2013, Nr. C 26, 10, HFR 2013, 192, Rn. 41; vom 31. Januar 2013 C-643/11, LVK, ABl EU 2013, Nr. C 86, 6, HFR 2013, 361, Rn. 60).
Liegen Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten oder eine Steuerhinterziehung vor, kann ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer zwar nach den Umständen des konkreten Falls verpflichtet sein, über einen anderen Wirtschaftsteilnehmer, von dem er Gegenstände oder Dienstleistungen zu erwerben beabsichtigt, Auskünfte einzuholen, um sicherzustellen, dass dessen Umsätze nicht in einen von einem Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangenen Betrug einbezogen sind (EuGH-Urteil vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11, C-80/11, C-142/1, Mahagében und Dávid, ABl EU 2012, Nr. C 250, 5, HFR 2012, 917, Rn. 60). Die Steuerverwaltung kann jedoch von dem Steuerpflichtigen, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, nicht generell verlangen, zu prüfen, ob der Aussteller der Rechnung über die Gegenstände und Dienstleistungen, für die dieses Recht geltend gemacht wird, Steuerpflichtiger ist, über die fraglichen Gegenstände verfügte und sie liefern konnte und seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Erklärung und der Abführung der Mehrwertsteuer nachgekommen ist, um sich zu vergewissern, dass auf der Ebene der Wirtschaftsteilnehmer einer vorgelagerten Umsatzstufe keine Unregelmäßigkeiten und Steuerhinterziehung vorliegen, oder entsprechende Unterlagen vorzulegen (EuGH-Urteile vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11, C-80/11, C-142/1, Mahagében und Dávid, ABl EU 2012, Nr. C 250, 5, HFR 2012, 917, Rn. 61 bis 65; vom 31. Januar 2013 C-643/11, LVK, ABl EU 2013, Nr. C 86, 6, HFR 2013, 361, Rz. 61). Es ist nämlich grundsätzlich Sache der Steuerbehörden, bei den Steuerpflichtigen die erforderlichen Kontrollen durchzuführen, um Unregelmäßigkeiten und Mehrwertsteuerhinterziehung aufzudecken und gegen den Steuerpflichtigen, der diese Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung begangen hat, Sanktionen zu verhängen. Die Steuerbehörde würde ihre eigenen Kontrollaufgaben auf die Steuerpflichtigen übertragen, wenn sie oben genannte Maßnahmen aufgrund der Gefahr der Verweigerung des Vorsteuerabzugsrechts den Steuerpflichtigen auferlegt (EuGH-Urteil vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11, C-80/11, C-142/1, Mahagében und Dávid, ABl EU 2012, Nr. C 250, 5, HFR 2012, 917, Rn. 62 ff.). Das nationale Gericht muss in diesem Zusammenhang dafür Sorge tragen, dass die Beweiswürdigung nicht dazu führt, dass der Rechnungsempfänger mittelbar zu Nachprüfungen bei seinem Vertragspartner verpflichtet wird, die ihm grundsätzlich nicht obliegen.
Ob ein Steuerpflichtiger wissen konnte oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war, ist im Wesentlichen eine tatsächliche Würdigung, die dem Finanzgericht obliegt (BFH-Urteil vom 19.4.2007 V R 48/04, BStBl II 2009, 315, Rn. 62). Für die Versagung des Vorsteuerabzugsrechts trägt hierbei nicht der Steuerpflichtige, sondern das Finanzamt die objektive Feststellungslast, so dass dieses grundsätzlich konkrete Anhaltspunkte darlegen muss, die belegen, dass der Unternehmer von seiner Einbeziehung in einen USt-Betrug gewusst hat bzw. hätte wissen können oder wissen müssen.
bb) Im vorliegenden Fall sprechen zwar einige der vom Finanzamt vorgebrachten Indizien dafür, dass die Klägerin hätte wissen können oder wissen müssen, dass sie sich mit den Erwerben von Kupferkathoden an Umsätzen beteiligte, die in eine USt-Hinterziehung einbezogen waren. Der Senat hat jedoch auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht die volle Überzeugung hierfür gewinnen können.
Das Gericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung den Angestellten der Klägerin Herrn xxx, dessen Wissen sich die Klägerin zurechnen lassen muss, als Zeugen befragt. Dieser war in 2008 und 2009, also im Zeitpunkt der Geschäftsanbahnung mit der SL und danach, für die Disposition der Kathoden bei der Klägerin zuständig. Der Zeuge hat glaubhaft bestätigt, dass der Kontakt über den damaligen Geschäftsführer der SL, Herrn xxx, zustande kam. Dieser habe von England aus angerufen, aber am Telefon erklärt, er sei alle paar Wochen auch in D. Bei dem ersten Vertrag habe der Preis etwa 25 € über dem LME-Kurs gelegen. Allerdings sei die Prämie für die Klägerin günstig gewesen. Seitens der Klägerin seien ID-Nr., Handelsregisternummer sowie die Bankverbindung der SL überprüft worden. Diese Prüfung sei positiv verlaufen. Sodann habe die Klägerin weiteren geschäftlichen Kontakt mit der SL aufgenommen. Auch weitere Mitarbeiter hätten sich die Rechnungen angeschaut und nicht als auffällig angesehen. Dabei sei allerdings klar gewesen, dass die Rechnungen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht aus D gestammt hätten, sondern möglicherweise aus England gekommen seien. Die Abwicklung der Geschäfte mit der SL sei hervorragend gelaufen. Dabei hat der Zeuge allerdings auch eingeräumt, Herrn xxx niemals persönlich kennen gelernt zu haben. Demgemäß könne er auch nicht sicher sein, dass er tatsächlich mit Herrn xxx telefoniert habe. Die SL sei für die Klägerin ein eher kleinerer Lieferant gewesen. Die Umsätze mit der SL hätten im Jahr 2009 in etwa 2 bis 3 % der Gesamtumsätze ausgemacht. Die von der SL erworbenen Kathoden seien seitens der Klägerin nicht weiterverkauft, sondern eingeschmolzen und dann das verarbeitete Kupfer weiterverkauft worden.
Nach dem Gesamtinhalt der Akten und der Zeugenaussage steht nicht fest, dass die Klägerin bei der Geschäftsanbahnung mit der SL oder auch später Kenntnis davon haben konnte, dass die SL in einem Umsatzsteuerbetrug eingebunden war. Dass die Geschäftsführer der SL Strohmänner für Herrn xxx aus Österreich waren, war der Klägerin nicht bekannt. Zwar enthielten die Rechnungen ursprünglich weder Lieferdatum noch Steuersatz, was Fragen nach der Seriosität der SL hätte aufwerfen können. Andererseits sind diese fehlenden Angaben nicht dermaßen ungewöhnlich, dass sie für sich genommen schon die Einbindung der SL in einen Umsatzsteuerbetrug nahelegen. Die Abfassung der Rechnungen in Englisch ist angesichts des internationalen Betätigungsfelds der Klägerin nicht außergewöhnlich. Dass die Klägerin davon ausging, dass die Rechnungen nicht aus D, sondern wahrscheinlich aus England stammten, musste für die Klägerin ebenfalls keinen hinreichenden Anlass zu weiteren Erkundigungen geben. Es gibt keine Verpflichtung, dass sich der Geschäftsführer einer inländischen Firma im Inland aufhalten muss. Beim Handel mit Kupferkathoden handelt es sich um einen internationalisierten Geschäftsbereich, bei dem Waren vielfach über die Grenze gehandelt werden, so dass es nicht weiter auffällig ist, wenn sich ein Geschäftsführer für den Verkauf von Kupferkathoden in England aufhält. Dementsprechend ist auch unerheblich, dass der Geschäftsführer der SL, Herr xxx, die Klägerin aus England anrief und die spätere Korrektur der Rechnungen ebenfalls aus dem Ausland erfolgten. Dass der Nachfolgegeschäftsführer Herr xxx aus Kanada ausschließlich mit unterdrückter Nummer anrief, spricht nicht für die Seriosität der SL, reicht aber für die Feststellung, dass die Klägerin Kenntnis von der Einbindung der SL in einen Umsatzsteuerbetrug haben musste, nicht aus.
Offen bleiben kann, ob sich die Klägerin zu einem früheren Zeitpunkt einen Handelsregisterauszug und eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung bezüglich der SL hätte ausstellen lassen müssen, denn dass die SL in Bezug auf die mit der Klägerin abgeschlossenen Geschäfte in einen Umsatzsteuerbetrug eingebunden war, hätte sich der Klägerin trotzdem nicht aufdringen müssen. Es bestand dementsprechend auch, entgegen der Annahme des Beklagten, keine Pflicht für die Klägerin einen Angestellten nach D zu entsenden, um das in der Rechnung angegebene Gebäude in Augenschein zu nehmen.
Auch aus dem Umstand, dass die von der SL angebotenen Kupferkathoden inklusive Prämie für die Klägerin günstig waren, lässt sich nicht ableiten, dass die Klägerin nicht in gutem Glauben war. Es kann dabei offen bleiben, ob die Klägerin von der SL ausschließlich Kupferkathoden der Qualität Grade A einkaufte, die nicht an der Börse gelistet war. Denn selbst wenn die von der Klägerin eingekauften Kupferkathoden Grade A, wie der Beklagte meint, ausnahmslos unter die Kategorie LME registrierte Ware fiel, so findet ein Handel mit Kupferkathoden doch unstreitig nicht allein über Metallbörsen statt. Die Schlussfolgerung, dass Preise unter Börsenwert nur nach einer Mehrwertsteuerhinterziehung möglich sind, ist dabei unzulässig (vgl. Sächsisches Finanzgericht-Urteil vom 3. Dezember 2014 8 K 644/14, MwStR 2015, 697; FG-Brandenburg-Beschluss vom 17. November 2014 - 7 V 7295/14, EFG 2015, 341; FG München Urteil vom 22. Dezember 2011 - 14 K 4173/07, juris). Zum einen bieten die registrierten Händler ihren Kunden den Verkauf über die Börse nicht kostenfrei an. Zum anderen gibt es unter den Teilnehmern des Börsenhandels typischerweise verschiedene Preisvorstellungen. Aus diesem Grund unterliegen die Börsenpreise ständigen Veränderungen und Schwankungen. Würden alle Marktteilnehmer stets zu einem einmal festgesetzten Börsenpreis zzgl. jährlich festgelegter Prämien und den jeweils anfallenden Transport- und Lagerkosten verkaufen und kaufen, gäbe es hingegen keine Veränderungen des Börsenkurses. Außerdem kann es zwar gleichermaßen unseriöse aber gleichwohl von einer Mehrwertsteuerhinterziehung unabhängige Gründe für "unterpreisige" Ware im Handel mit Kupferkathoden geben, wie z.B. bei Hehlerware oder bei Ware, die unter Umgehung eines gesetzlichen Embargos eingeführt oder unter Anwendung international geächteter Produktionsmethoden hergestellt wurde.
Gegen eine Bösgläubigkeit der Klägerin spricht, dass die Lieferbeziehung mit der SL über eine Zeit von ca. 2 Jahren Bestand hatten, was in Fällen des Umsatzsteuerbetrugs eher untypisch ist. Außerdem spricht für die Klägerin der geringe Umfang des Geschäfts mit der SL im Verhältnis zum Gesamtgeschäft, der auch vom Zeugen xxx in der zur mündlichen Verhandlung bestätigt wurde. Laut einer im Rahmen einer Betriebsprüfung vorgelegten Berechnung aus der Metallbuchhaltung wurden in 2009 xxx kg Kupfer erworben. Auf die SL entfielen davon xxx kg oder weniger als 1 %, mithin ein eher unbedeutender Teil. Wie der Zeuge xxx außerdem bestätigen konnte, hat die Klägerin die von der SL eingekauften Kupferkathoden auch nicht unmittelbar wieder weiterverkauft, sondern eingeschmolzen. Die Klägerin verfügt über einen eigenen Schmelzofen, einen Teil ihres Gewinns erwirtschaftet sie dadurch, dass sie nicht nur reines oder besonders hochwertiges Kupfer benötigt, sondern Schrotte oder minderwertige Metalle verwerten kann, weil auch immer wieder Legierungen benötigt werden.
Bei der Einbindung in einen Mehrwertsteuerbetrug ist von der Rechtsprechung die Bösgläubigkeit eines Steuerpflichtigen dann angenommen worden, wenn er Kenntnis von Mehrfachdurchläufen von Ware hatte (vgl. BFH-Urteil vom 19.05.2010 XI R 78/07 BFH/NV 2010, 2132 [BFH 19.05.2010 - XI R 78/07]; ebenso: FG Düsseldorf, Beschluss vom 10.06.2011 5 V 3555/10 A(H(U)), juris). Im Fall des Urteils des FG Berlin-Brandenburg vom 24.11.2010 7 K 2356/06 (EFG 2011, 918) lagen gänzlich ungewöhnliche Lieferwege vor. Hiermit vergleichbare Umstände, die für eine Bösgläubigkeit der Klägerin sprechen könnten, sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Gegen eine Bösgläubigkeit der Klägerin spricht schließlich auch die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts D vom 5. Januar 2010. Wenn ein Finanzamt sogar noch bei laufenden Steuerfahndungsmaßnahmen Unbedenklichkeitsbescheinigungen erstellt, ist es für einen grundsätzlich gutgläubigen Steuerpflichtigen schwieriger zu erkennen, dass ein Unternehmen in Umsatzsteuerbetrügereien eingebunden war.
2. Die Vorsteuer aus den ergänzten Rechnungen der SL der Jahre 2008 und 2009 ist nicht im Streitjahr abzugsfähig.
a) Nach der Rechtsauffassung des EuGH ist das Recht auf Vorsteuerabzug grundsätzlich für den Zeitraum auszuüben, in dem zum einen dieses Recht entstanden ist und zum anderen der Steuerpflichtige im Besitz einer Rechnung ist (EuGH-Urteile vom 15. September 2016 C-518/14, Senatex, EU:C:2016:691, UR 2016, 800, Rz. 32 und 35 und vom 29. April 2004 C-152/02, Terra Baubedarf-Handel, EU:C:2004:268, UR 2004, 323, Rz. 34). Art. 167, Art. 178 Buchst. a, Art. 179 und Art. 226 Nr. 3 MwStSystRL sind deshalb dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach der Berichtigung einer Rechnung in Bezug auf eine zwingende Angabe, nämlich die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer, keine Rückwirkung zukommt, so dass das Recht auf Vorsteuerabzug in Bezug auf die berichtigte Rechnung nicht für das Jahr ausgeübt werden kann, in dem diese Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde, sondern für das Jahr, in dem sie berichtigt wurde (EuGH-Urteil vom 15. September 2016 C-518/14, Senatex, EU:C:2016:691, UR 2016, 800, Rz. 43).
Dieser Rechtsprechung hat sich der BFH mit drei Urteilen jeweils vom 20. Oktober 2016 angeschlossen (V R 26/15, BFH/NV 2017, 252, V [BFH 20.10.2016 - V R 26/15] R 54/14, BFH/NV 2017, 488 [BFH 20.10.2016 - V R 54/14] und V R 64/14, BFH/NV 2017, 490 [BFH 20.10.2016 - V R 64/14]).
Nach dieser Rechtsprechung - der sich auch der erkennende Senat anschließt - ist § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG richtlinienkonform auszulegen (ständige Rechtsprechung, zuletzt BFH-Urteil vom 6. April 2016 V R 6/14, BFHE 253, 456, Rz. 26). Eine Berichtigung wirkt daher auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde (BFH-Urteil vom 20. Oktober 2016 V R 26/15, BFH/NV 2017, 252, Rz. 15).
b) Vorliegend waren die in den Streitjahren von der Klägerin ausgestellten Rechnungen auch berichtigungsfähig, weil sie den von der Rechtsprechung geforderten "Mindestinhalt" von Rechnungen enthielten. Ein Dokument ist jedenfalls dann eine Rechnung und damit berichtigungsfähig, wenn es Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält (BFH-Urteil vom 20. Oktober 2016 V R 26/15, BFH/NV 2017, 252, Rz. 19 und Beschluss vom 20. Juli 2012 V B 82/11, BStBl II 2012, 809, Rz. 33). Diese Angaben waren hier vorhanden. Darauf, dass die auf elektronischem Weg übermittelten Rechnungen entgegen § 14 Abs. 1 S. 2 UStG a.F. keine elektronische Signatur enthielten, kommt es für die Berichtigungsfähigkeit nicht an. Denn nach der zitierten BFH-Rechtsprechung kann jedes Dokument, also auch eine E-Mail, eine berichtigungsfähige Rechnung sein, welches die genannten Mindestangaben enthält.
Im Übrigen käme auch nach der Argumentation der Klägerin, wonach ihr der Vorsteuerabzug allein deswegen zusteht, weil das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug feststeht (vgl. EuGH-Urteil vom 21. November 2018, Vadan, C-664/16, DStR 2018, 2524 und zuvor bereits EuGH-Urteil vom 15. September 2016 C-516/14, Barlis 06 - Investimentos Imobiliarios e Tursticos, EU:C:2016, UR 2016, 795), ein Vorsteuerabzug nicht für das Streitjahr in Betracht. Denn dem Steuerpflichtigen ist nach dieser neueren Rechtsprechung des EuGH der Vorsteuerabzug zwingend rückwirkend auf den Zeitpunkt der Ausführung der Leistung zuzusprechen (vgl. FG München-Urteil vom 29. März 2017 3 K 2565/16, EFG 2017, 1037 Rz. 45 und 49).
c) Die frühere Rechtsprechung des BFH, wonach die Vorsteuer aus einer berichtigten Rechnung erst im Besteuerungszeitraum der Berichtigung abgezogen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 24. August 2006 V R 16/05, BStBl II 2007, 340), ist auf die Klägerin auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes anzuwenden.
Höchstrichterliche Entscheidungen erzeugen keine dem Gesetzesrecht vergleichbare Rechtsbindungen. Sie stellen lediglich die Rechtslage in einem konkreten Fall fest. Die Rechtslage war bereits durch die seinerzeitige Gesetzeslage vorhanden und wird von der Rechtsprechung lediglich nachvollzogen. Dies schließt es im Grundsatz aus, dass die Rechtsfindung der Gerichte nicht rückwirkend sondern erst ab Verkündung oder Veröffentlichung eines gerichtlichen Urteils gilt.
Von diesem Grundsatz, der auch aus dem Prinzip der Gewaltenteilung folgt, denn sonst würden Gerichte die Rechtslage schaffen statt sie nur zu erkennen, hat der Große Senat des BFH mit Beschluss vom 17.12.2007 GrS 2/04, DStR 2008, 545, Juris Rn. 97-110, für eng umgrenzte Sonderfälle eines sogenannten "verschärfenden" Rechtsprechungswandels ausnahmsweise die Gewährung von Vertrauensschutz durch eine vom Gericht angeordnete Übergangsregelung zugelassen (so auch BFH-Urteil vom 11.07.2017 - IX R 36/15, BFH/NV 2017, 1501 für den Fall der Änderung der Rechtsprechung bei Finanzierungshilfen i.S.d. § 17 EStG). Die Voraussetzungen für solche Ausnahmen liegen hier indes schon deshalb nicht vor, weil die neuere Rechtsprechung, wonach die Berichtigung einer Rechnung auf den Zeitpunkt zurückwirkt, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde, keinen "verschärfenden" Rechtsprechungswandel darstellt. Der Rechtsprechungswandel ist für den Steuerpflichtigen im Regelfall vielmehr günstig, weil er ihm einen Zinsvorteil verschafft. Die nachteiligen Wirkungen ergeben sich für die Klägerin möglicherweise - was vorliegend aber gar nicht abschließend zu prüfen ist - aus den Regelungen der AO über die Bestandskraft von Steuerbescheiden (§ 172 ff. AO).
3. Die Klägerin hat hinsichtlich der Rechnungen aus 2008 und 2009 keinen Anspruch auf eine entsprechend niedrigere Steuerfestsetzung nach § 163 AO. Die Ablehnung des Billigkeitsantrags durch den Beklagten war aber ermessensfehlerhaft, so dass dessen Entscheidungen aufzuheben sind und dieser zu verpflichten ist, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne die Steuer erhöhende Besteuerungsgrundlagen unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen unbillig wäre.
a) Die nach § 163 AO zu treffende Billigkeitsentscheidung ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde i.S. von § 5 AO, die grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (§§ 102, 121 FGO). Sie kann im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahin geprüft werden, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BStBl II 1972, 603; BFH-Urteile vom 10. Oktober 2001 XI R 52/00, BFHE 196, 572, BStBl II 2002, 201; vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865; vom 6. September 2011 VIII R 55/10, BFH/NV 2012, 269). Stellt das Gericht eine Ermessensüberschreitung oder einen Ermessensfehler fest, ist es grundsätzlich auf die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung beschränkt. Nur in den Fällen der sog. Ermessensreduzierung auf Null ist es befugt, seine Entscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde zu setzen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 196, 572, BStBl II 2002, 201; in BFH/NV 2012, 269, unter II.1., jeweils m.w.N.).
Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft (vgl. BFH-Urteile vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259; in BFH/NV 2011, 865). Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt dagegen keine Billigkeitsmaßnahme (vgl. BFH-Urteile vom 16. August 2001 V R 72/00, BFH/NV 2002, 545; in BFH/NV 2011, 865 [BFH 07.10.2010 - V R 17/09], und vom 14. März 2012 XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493).
b) Vorliegend ist die Entscheidung des Finanzamts im Bescheid über die Ablehnung des Antrags auf abweichende Festsetzung der Umsatzsteuer 2010 aus Billigkeitsgründen gem. § 163 AO vom 22. Dezember 2015 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 10. Juni 2016 ermessensfehlerhaft, weil das FA seine Entscheidung maßgebend damit begründet hat, dass die SL keine Unternehmerin gewesen sei und die Klägerin von der Einbeziehung in einen Betrug Kenntnis hätte haben müssen. Nach obigen Ausführungen war die SL jedoch Unternehmerin und die Klägerin hinsichtlich der Einbindung in ein Betrugsmodell nicht bösgläubig.
Das Ermessen des Finanzamts, der Klägerin den Vorsteuerabzug im Billigkeitswege zu gewähren, ist schon deshalb nicht auf Null reduziert, weil die Berichtigung der Rechnungen aus 2008 und 2009, wie oben ebenfalls bereits ausgeführt wurde, zurückwirkte. Der Klägerin stand der Vorsteuerabzug daher in diesen Jahren und nicht im Streitjahr zu. Auf die erst im finanzgerichtlichen Verfahren geltend gemachte Begründung der Klägerin, dass sie auf das Fortbestehen der alten Rechtsprechung des BFH habe vertrauen dürfen, da diese in andauernder Verwaltungsübung praktiziert worden und zudem von der Betriebsprüfung gegenüber der Klägerin kommuniziert worden sei, konnte das Finanzamt dabei bei seiner Ablehnung des Billigkeitsantrags noch nicht eingehen. Das Finanzamt wird bei seiner Neuentscheidung jedoch Gelegenheit haben, dies nachzuholen.
4. Mangels Vorgreiflichkeit war das Verfahren nicht nach § 74 FGO wegen des mit Schriftsatz vom 7. Mai 2019 bei der Beklagten gestellten Antrag gem. § 174 Abs. 3 AO auszusetzen.
5. Die Kostentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 S. 1 FGO, wobei hinsichtlich des Antrag auf Billigkeitsentscheidung eine Kostenteilung angemessen ist. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 2 und 3, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
6. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen, da das Urteil in Übereinstimmung mit der bereits bestehenden Rechtsprechung des EuGH und BFH ergeht.