Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.05.2019, Az.: 4 K 240/18

Beginn einer Außenprüfung und die dadurch ausgelöste Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
08.05.2019
Aktenzeichen
4 K 240/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69186
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - AZ: X B 99/19

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Beginn einer Außenprüfung und die dadurch ausgelöste Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist.

Die Klägerin ist als Vermieterin und Maklerin tätig. Als solche erzielte sie Einkünfte aus Gewerbetrieb und tätigte umsatzsteuerpflichtige Umsätze.

Ihre Einkommen- und Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr gab die Klägerin am 31. März 2009 bei dem beklagten Finanzamt ab. Die Gewerbesteuererklärung reichte sie - zusammen mit einer berichtigten Umsatzsteuererklärung - am 14. Mai 2009 ein. In einem handschriftlichen Vermerk des Prüfers in der Betriebsprüfungsakte heißt es: "Vz 2007 in 2009 eingegangen - Verjährung per 31.12.2013".

In Bescheiden vom 13. August 2009 wurden die Einkommensteuer und der Gewerbesteuermessbetrag erklärungsgemäß festgesetzt. Der (berichtigten) Umsatzsteuererklärung stimmte das Finanzamt am 13. August 2009 zu, so dass sie einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstand.

Mit Datum vom 22. Januar 2013 wurde der Klägerin eine Prüfungsanordnung für die Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer 2007 bekannt gegeben. Der Prüfungsbeginn wurde darin für den Zeitraum vom 1. März 2013 bis 30. April 2013 angekündigt. In einer Anlage zur Prüfungsanordnung heißt es unter der Überschrift "Vorabzusendung": "Bitte übersenden Sie bereits jetzt - also vor Prüfungsbeginn - folgende Unterlagen an die prüfende Stelle: Daten-Archiv-CD der Finanzbuchhaltung".

Im Februar 2013 nahm der steuerliche Berater der Klägerin mit dem Prüfer Kontakt wegen des Prüfungsbeginns auf. Am 26. März 2013 übersandte er dem Prüfer die digitalen Unterlagen für den Betriebsprüfungszeitraum 2007 bis 2010.

Ausweislich eines handschriftlichen Vermerks in der Betriebsprüfungsakte forderte der Prüfer am 19. November 2013 die digitalen Daten für den Bereich "Grundstücksvermittlung" bei der Klägerin an und plante einen Beginn der Betriebsprüfung an Amtsstelle in der 3. Dezemberwoche 2013.

Ein Beschäftigungstagebuch des Prüfers für das Jahr 2013 liegt nicht mehr vor. Nach dem Beschäftigungstagebuch für das Jahr 2014 war der Prüfer am 24., 27. und 28. Januar an insg. 22 Stunden mit der Betriebsprüfung der Klägerin befasst, am 22. und 23. Mai 2014 insg. 15 Stunden und sodann intensiv im Zeitraum vom 11. bis zum 26. Juni 2014 und vom 7. bis zum 16. Juli 2014. Die ersten dokumentierten Prüfungshandlungen in den Betriebsprüfungsakten erfolgten im Juni 2014. Vermerke des Prüfers über weitergehende Nachfragen zu den Unterlagen der Klägerin stammen aus den Monaten Juli und August 2014.

Im Betriebsprüfungsbericht wird als Beginn der Prüfung der 16. Dezember 2013 angegeben.

Aufgrund der Feststellungen des Prüfers ergingen am 28. April 2017 geänderte Bescheide über Einkommensteuer, Gewerbesteuermessbetrag und Umsatzsteuer für die Jahre 2007 bis 2010.

Hiergegen legte die Klägerin am 26. Mai 2017 Einspruch ein.

Streitig war zwischen den Beteiligten im Folgenden insbesondere die steuerliche Berücksichtigung von Vertragsverhältnissen der Klägerin mit ihrer Mutter. Die zunächst ebenfalls erhobenen Einwendungen gegen die Minderung von Kfz-Kosten wurden im Laufe des Einspruchsverfahrens von der Klägerin fallen gelassen. Dagegen erkannte das Finanzamt die Vertragsverhältnisse mit der Mutter an und erließ gegenüber der Klägerin geänderte Bescheide über Einkommensteuer und Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 2007 bis 2010, die am 27. Juni 2018 zur Post gegeben wurden.

Die auf Grundlage der Einigung geänderten Umsatzsteuerbescheide gingen aufgrund eines Versehens erst am 31. Juli 2018 zur Post.

Mit Schreiben vom 24. August 2018, das am 28. August 2018 bei dem beklagten Finanzamt einging, legte die Klägerin gegen die Änderungsbescheide für das Jahr 2007 Einspruch ein und begehrte deren Aufhebung. Es sei zweifelhaft - so machte sie geltend -, ob - wie im Betriebsprüfungsbericht angegeben - bereits im Jahr 2013 mit der Außenprüfung begonnen worden sei und tatsächlich in diesem Jahr noch Prüfungshandlungen stattgefunden hätten. Daher sei für die Steuerfestsetzungen das Streitjahres Festsetzungsverjährung eingetreten. Da die Angaben im Betriebsprüfungsbericht irreführend seien, sei für die Einsprüche gegen die Bescheide über Einkommensteuer und den Gewerbesteuermessbetrag außerdem Wiedereinsetzung zu gewähren.

Das Finanzamt teilte der Klägerin die durchgeführten Maßnahmen des Prüfers im Jahr 2013 mit, wies sie darauf hin, dass die Einsprüche wegen der Bescheide über Einkommen-steuer und Gewerbesteuermessbetrag nicht fristgerecht eingelegt worden seien und stellte anheim, Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorzutragen.

Die Klägerin wiederholte daraufhin ihre Zweifel an dem Beginn der Prüfung bereits im Jahr 2013 und forderte das Finanzamt zur Konkretisierung seiner Angaben über die von dem Prüfer durchgeführten Maßnahmen auf.

Mit Einspruchsentscheidungen vom 3. Dezember 2018 wies das Finanzamt die Einsprüche wegen Umsatzsteuer als unbegründet zurück und verwarf die Einsprüche wegen Einkommen-steuer und Gewerbesteuermessbetrag wegen Verfristung als unzulässig.

Am 20. Dezember 2018 hat die Klägerin Klage gegen den "Bescheid über Einkommen-steuer [...] erhoben und "Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand für ihre Einsprüche vom 28.8.2018 gegen die Bescheide des Beklagten über Einkommensteuer [...] und Gewerbesteuermessbetrag 2007" sowie die Aufhebung der Bescheide beantragt.

Am 7. Januar 2019 hat sie eine "Neufassung der Klage" eingereicht "wegen Bescheid über Einkommensteuer [...] und Gewerbesteuermessbetrag 2007 vom 27.06.2018, ferner Bescheid über Umsatzsteuer 2007 vom 31.07.2018 [...]" und beantragt, ihr Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand für ihre Einsprüche gegen die Bescheide über Einkommensteuer und den Gewerbesteuermessbetrag 2007 zu gewähren und die Einspruchsentscheidungen vom 3. Dezember 2018 aufzuheben.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid für 2007 über Einkommensteuer, Gewerbesteuermessbetrag und Umsatzsteuer vom 28. April 2017 in Gestalt der Einspruchsbescheide vom 3. Dezember 2018 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

Er trägt vor, die Klägerin habe ihre Buchführungsunterlagen und -belege nach telefonischer Vereinbarung im Dezember 2013 in das Finanzamt gebracht. Das Datum der Überbringung sei in den Unterlagen nicht vermerkt worden, nach Aussage des Prüfers solle dies am 16. Dezember 2013 geschehen sein. Noch am gleichen Tag habe der Prüfer die Unterlagen durchgesehen.

Am 25. Februar 2019 hat die Klägerin die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide beantragt. Durch Beschluss vom 11. April 2019 hat der Senat durch die auch an dieser Entscheidung beteiligten Berufsrichter den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Alle angefochtenen Bescheide des Jahres 2007 hätten im Jahr 2018 noch geändert werden dürften, weil für sie die Festsetzungsfrist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen gewesen sei. Die Bescheide über Einkommensteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 2007 seien mangels rechtzeitigem Einspruch bestandskräftig geworden.

Am 7. Mai 2019 hat die Klägerin gegen alle an diesem Beschluss beteiligten Berufsrichter einen Befangenheitsantrag gestellt. Die Richter hätten sowohl dieses als auch ein weiteres von der Klägerin geführtes Verfahren über die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung erst nach 50 bzw. 52 Tagen entschieden. Aufgrund dieser langen Verfahrensdauer sei bei der Klägerin der Eindruck entstanden, dass der Senat ihr Schutzbedürfnis nicht hinreichend ernst nehme und ihr insgesamt nicht unvoreingenommen gegenüberstehe. Ihr Antrag hinsichtlich der Umsatzsteuer sei ignoriert und nicht beschieden worden. In dem anderen von ihr geführten Verfahren auf gerichtliche Aussetzung der Vollziehung hätten die Berufsrichter ebenfalls gegen sie entschieden. Die Klägerin bemängelt die tatsächlichen Feststellungen des Senats, führt aus, es hätten "konkrete Erhebungen zum Beginn der Prüfungshandlung" vorgenommen werden müssen, und wirft dem Senat vor, er habe sich weder "in der gebotenen, sorgfältigen Art und Weise um die Feststellung konkreter Geschehnisse zu konkreten Terminen gekümmert noch sich mit den tatsächlich (lückenhaft) festgestellten Terminen und Vorgängen auseinandergesetzt". Der Senat habe sogar festgestellte Vorgänge falsch wiedergegeben, wenn er anführe, der Prüfer habe bereits mit der Prüfungsanordnung im Januar 2013 eine Daten-Archiv-CD der Finanzbuchhaltung angefordert". Vielmehr hätten nur Unterlagen für den Prüfungszeitraum bereitgehalten werden sollen. Weiter rügt die Klägerin die aus den tatsächlichen Feststellungen gezogenen Schlüsse des Senats und betont die Richtigkeit ihrer eigenen im Streitfall vertretenen Auffassung.

In der mündlichen Verhandlung am 8. Mai 2019 hat die Klägerin ausgeführt, sämtliche Unterlagen ihres Betriebes erst am 20. Dezember 2013 in das Finanzamt gebracht zu haben.

Entscheidungsgründe

I. Der Senat durfte unter der Beteiligung der an dem Verfahren über die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung beteiligten Berufsrichter entscheiden. Der Antrag, diese wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, ist unzulässig.

Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 42 Abs.1 und 2 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 51 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Dabei kommt es darauf an, ob der betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlass hat, Voreingenommenheit zu befürchten (Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 4.Juli 1985 - V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl. II 1985, 555).

Das Ablehnungsgesuch muss sich grundsätzlich auf bestimmte Richter beziehen. Wegen Rechtsmissbrauchs ist es im Allgemeinen unzulässig, pauschal den ganzen Spruchkörper oder alle Berufsrichter eines Spruchkörpers ohne Angabe ernstlicher Gründe in der Person des einzelnen Richters abzulehnen (BFH, Urteil vom 25. Oktober 1973 - IV R 80/72, BFHE 110, 479, BStBl. II 1974, 142, Beschluss vom 30. Juni 1989 - VIII B 86/88, BFH/NV 1990, 175). Allerdings gilt dies nicht, wenn alle Mitglieder eines Spruchkörpers wegen Besorgnis der Befangenheit im Hinblick auf konkrete Anhaltspunkte in einer Kollegialentscheidung abgelehnt werden (BFH-Beschlüsse vom 28. Januar 1986 - VII B 118/85, BFH/NV 1986, 415, 416, und vom 13. Januar 1987 - IX B 12/84, BFH/NV 1987, 656, 658). Denn in einem solchen Fall kann der Betroffene wegen des Beratungsgeheimnisses nicht wissen, welcher Richter die Entscheidung mitgetragen hat. Ein Missbrauch des Ablehnungsrechts durch Ablehnung des gesamten Spruchkörpers liegt beim Anknüpfen an eine von diesem getroffene Entscheidung daher nur vor, wenn das Gesuch gar nicht oder nur mit Umständen begründet wird, die die Besorgnis der Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können (BFH, Beschluss vom 27. Juli 1992 - VIII B 59/91, BFH/NV 1993, 112).

Letzteres ist im Streitfall gegeben.

Soweit die Klägerin den mit 50 bzw. 52 Tagen zwischen ihren Anträgen auf gerichtliche Aussetzung der Vollziehung und der Entscheidung durch den Senat liegenden Zeitraum als überlang rügt, geht sie von einer Fehlvorstellung im Hinblick auf die Verfahrensdauern bei den Finanzgerichten aus. Nach den Feststellungen des Statistischen Bundesamtes (Fachserie 10, Reihe 2.5., 2017) betrug die durchschnittliche Verfahrensdauer bei durch Beschluss über eine Aussetzung der Vollziehung erledigten Verfahren, die nichts als unzulässig abgewiesen wurden, im Jahr 2017 bundesweit 4,2 Monate und in Niedersachsen 4,6 Monate. Mit weniger als 2 Monaten wurde im Fall der Klägerin nicht einmal die Hälfte dieser Zeit benötigt. Darin ist kein Indiz für eine Befangenheit der beteiligten Richter zu sehen.

Der Vortrag der Klägerin, der Senat hätte einen Teil ihres Antrages ignoriert und nicht über die Aussetzung des Bescheides über Umsatzsteuer 2007 befunden, entspricht nicht den Tatsachen. Der Beschluss des Senats vom 11. April 2019 nennt im Rubrum u.a. die "Umsatzsteuer 2007" und stellt im Tatbestand ausführlich zum einen das Verwaltungsverfahren hinsichtlich der Einkommensteuer und des Gewerbesteuermessbetrages und zum anderen hinsichtlich der Umsatzsteuer dar. In dem Obersatz der Gründe (auf Seite 4 des Beschlusses) heißt es dann: "Alle angefochtenen Bescheide des Jahres 2007" - also auch der Umsatzsteuerbescheid 2007 - "durften im Jahr 2018 noch geändert werden, weil für sie die Festsetzungsfrist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war". Hinsichtlich der Bescheide über Einkommensteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 2007 - aber nicht hinsichtlich des Bescheides über Umsatzsteuer für 2007 - wird dann ausgeführt, diese seien "mangels rechtzeitigem Einspruch bestandskräftig geworden".

Der Umstand, dass auch ein zweiter Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt worden ist, vermag keine Befangenheit der abgelehnten Richter zu begründen. In dem zweiten Verfahren ging es um die Frage, ob ein von dem steuerlichen Berater der Klägerin ausdrücklich nur gegen einen Umsatzsteuerbescheid eingelegter Einspruch auch als Einspruch gegen die Festsetzung der Zinsen zur Umsatzsteuer verstanden werden müsse. Der Senat hat das - auf der Grundlage der gefestigten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - verneint. Dass die Richter in einem anderen Rechtsstreit zu Ungunsten der Klägerin entschieden haben, führt nicht zu deren Befangenheit (BFH, Beschluss vom 3. Juli 2014 - V S 15/14, BFH/NV 2014, 1574).

Die Klägerin behauptet unzutreffend, der Senat habe "festgestellte Vorgänge falsch wiedergegeben", weil er im Tatbestand des Beschlusses ausführe, bereits in der Prüfungsanordnung sei eine Daten-Archiv-CD angefordert worden, obwohl sie in der Prüfungsanordnung nur aufgefordert worden sei, Unterlagen bei Prüfungsbeginn bereit zu halten. Tatsächlich hat der Prüfer die Klägerin sowohl aufgefordert, bei Beginn der Prüfung bestimmte Unterlagen bereit zu halten, als auch bereits vorab eine Daten-Archiv-CD zu übersenden. Die zutreffende Wiedergabe von Tatsachen begründet keine Befangenheit.

Wenn die Klägerin fordert, das Gericht hätte "konkrete Erhebungen zum Beginn der Prüfungshandlung vornehmen" müssen, verkennt sie den Charakter des summarischen Verfahrens, nach dem eine Prüfung der Sach- und Rechtslage auf Grundlage der präsenten Unterlagen und Beweismittel erfolgt. Das ist geschehen.

Dass die tatsächlichen Feststellungen des Senats und die aus diesen gezogenen rechtlichen Folgerungen nicht im Sinne der Klägerin ausgefallen sind und diese ihnen nicht zu folgen vermag, ist nicht geeignet, Zweifel an der Unvoreingenommenheit der an der Entscheidung beteiligten Richter zu begründen. Der BFH hat selbst die Äußerung unrichtiger Rechtsansichten durch einen Richter - im laufenden Streitverfahren oder in einer früheren richterlichen Entscheidung - grundsätzlich nicht ausreichen lassen, um die Befangenheit des Richters zu bejahen (vgl. BFH, Beschlüsse vom 2. März 1978 - IV R 120/76, BFHE 125, 12, BStBl. II 1978, 404; vom 4. Juli 1985 - V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl. II 1985, 555). Gleiches gilt, wenn der Richter eine von den Prozessbeteiligten vertretene Rechtsmeinung aus deren Sicht nicht in der gebotenen Weise oder überhaupt nicht berücksichtigt (BFH-Beschluss vom 11. August 1986 - IV B 12/86, BFH/NV 1988, 89). Insoweit stehen den Beteiligten die allgemeinen Rechtsbehelfe zur Verfügung (BFH, Beschluss vom 19. Januar 1995 - XI B 114/94, BFH/NV 1995, 894).

Die Ausführungen der Klägerin in ihrem Befangenheitsantrag sind somit im Wesentlichen unzutreffend und im Übrigen ungeeignet, eine - nicht vorhandene - unsachliche Einstellung der als befangen bezeichneten Richter gegen die Klägerin darzulegen.

II. Die Klage ist unbegründet.

Alle angefochtenen Bescheide des Jahres 2007 - also auch der Umsatzsteuerbescheid 2007 - durften im Jahr 2018 noch geändert werden, weil für sie die Festsetzungsfrist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war. Die Bescheide über Einkommensteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 2007 sind mangels rechtzeitigem Einspruch bestandskräftig geworden.

1. Die Festsetzungsfrist für die zu prüfenden Steuern beträgt nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) vier Jahre, sie beginnt nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuererklärungen abgegeben wurden.

Im Streitfall wurden die Steuererklärungen für das Jahr 2007 im Jahr 2009 bei dem beklagten Finanzamt eingereicht, sodass die Festsetzungsfrist grds. mit Ablauf des Jahres 2013 verstrichen war.

2. Jedoch war der Ablauf dieser Frist im Streitfall nach § 171 Abs. 4 Satz 1 1. Alternative AO gehemmt.

a) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nach dieser Vorschrift nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind.

Der Beginn einer Außenprüfung erfordert nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dass eine förmliche Prüfungsanordnung erlassen wurde und - wenn auch nur stichprobenweise - tatsächlich Prüfungshandlungen für die in der Prüfungsanordnung genannten Steuerarten und Besteuerungszeiträume vorgenommen wurden. Im Allgemeinen muss davon ausgegangen werden, dass Maßnahmen eines Außenprüfers zur Ermittlung eines Steuerfalles Prüfungshandlungen sind, und zwar auch dann, wenn sie "nur" auf die Vorlage von Aufzeichnungen, Büchern, Geschäftspapieren u. Ä. gerichtet sind. Hierzu können auch Schreiben des Prüfers an den Steuerpflichtigen gehören (BFH-Urteile vom 2. Februar 1994 - I R 57/93, BFHE 173, 487, BStBl II 1994, 377; vom 19. März 2009 - IV R 26/08, BFH/NV 2009, 1405; vom 26. April 2017 - I R 76/15 -, BFHE 258, 210, BStBl II 2017, 1159).

Im Streitfall kann davon ausgegangen werden, dass der Prüfer die Prüfung bei der Klägerin jedenfalls am 19. November 2013 begonnen hat. Mit der Prüfungsanordnung vom 22. Januar 2013 war die Klägerin nicht nur aufgefordert worden, bestimmte Unterlagen "zu Beginn der Betriebsprüfung (...) bereitzuhalten, sondern auch "bereits jetzt - also vor Prüfungsbeginn" eine Daten-Archiv-CD der Finanzbuchhaltung zu übersenden. Zutreffend hat die Klägerin in ihrem Befangenheitsantrag festgestellt, dass es sich bei dieser Anforderung von Unterlagen "lediglich um eine Vorbereitungshandlung für die spätere Prüfung" gehandelt hat. Bedeutsam für den späteren Beginn der Außenprüfung ist jedoch die Tatsache, dass die angeforderte CD zusammen mit einem Schreiben des steuerlichen Beraters der Klägerin vom 26. März 2013 an das beklagte Finanzamt übersandt wurde und dem Prüfer somit - neben den im Finanzamt vorhandenen Steuerakten - bereits prüffähige Unterlagen der Klägerin vorlagen. Ausweislich eines handschriftlichen Vermerks des Prüfers im Betriebsprüfungsordner wurden am 19. November 2013 die "Daten für StNr. [Name der Klägerin] angefordert". Der Senat versteht diesen Vermerk weiterhin in der Weise, dass der Prüfer die ihm vorliegenden Unterlagen, also u.a. die übersandte Daten-CD, zu diesem Zeitpunkt jedenfalls gesichtet und festgestellt hat, dass die sodann angeforderten Unterlagen für den Bereich "Grundstücksvermittlung" nicht vorlagen. Entsprechendes hat der Prüfer in einem im Rahmen des Klageverfahrens am 26. September 2018 von ihm angefertigten Vermerk angegeben. Ob die Überbringung der angeforderten Unterlagen - wie der Prüfer annimmt - bereits am 16. Dezember 2013 oder - wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angegeben hat - erst am 20. Dezember 2013 erfolgt ist, ist bedeutungslos. Denn nach den genannten Maßstäben der Rechtsprechung hat der Prüfer mit der Sichtung der Daten-CD und der dadurch veranlassten Anforderung weiterer Unterlagen bereits Prüfungshandlungen vorgenommen und die Betriebsprüfung begonnen.

Es kann deshalb dahinstehen, ob der Prüfer im Jahr 2013 noch weitergehende Maßnahmen ergriffen hat, insbesondere - wie er in seinem Vermerk angibt, worauf sich aber in der Betriebsprüfungsarbeitsakte kein Hinweis findet - die übergebenen Unterlagen noch am selben Tag auf Vollständigkeit überprüft und insbesondere auf die hohen Beratungshonorare durchgesehen hat, die einen Prüfungsschwerpunkt darstellen sollten.

Dass der Prüfer als Beginn der Betriebsprüfung im Prüfungsbericht den 16. Dezember 2013 vermerkt hat, ändert an der Ablaufhemmung nichts. Es handelt sich allenfalls um einen nach § 127 AO unschädlichen Begründungsmangel, da die Betriebsprüfung nach den Feststellungen des Senats jedenfalls tatsächlich im Jahr 2013 begonnen hat und es für die Ablaufhemmung nicht auf das genaue Datum des Prüfungsbeginns ankommt.

b) Eine anschließende Unterbrechung der Betriebsprüfung von mehr als sechs Monaten, die nach § 171 Abs. 4 Satz 2 AO das Eingreifen der Ablaufhemmung hindern würde, ist nicht festzustellen. Nach den Eintragungen in seinem Beschäftigungstagebuch hat der Prüfer im Januar und Mai mehrere Tage an der Betriebsprüfung der Klägerin gearbeitet. Es bestehen keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben. Insoweit hat die Klägerin auch nichts Gegenteiliges vorgetragen.

c) Vor diesem Hintergrund stellt eine fehlerhafte Angabe des genauen Datums des Prüfungsbeginns im Streitfall auch keinen Grund für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist der Klägerin dar. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird jemandem gewährt, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten (§ 110 Abs. 1 AO). Die gegen die am 27. Juni 2018 zur Post gegebenen Bescheide über Einkommensteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 2007 gerichteten Einsprüche wurden am 28. August 2018 nach Ablauf der einmonatigen Einspruchsfrist eingelegt. Die u. U. fehlerhafte Datierung des Prüfungsbeginns schließt das Verschulden an dieser Fristversäumnis nicht aus, weil schon nicht ersichtlich ist, warum sie die Klägerin daran gehindert haben soll, ihren Einspruch innerhalb der Einspruchsfrist einzulegen. Eine Irreführung liegt durch die Angabe des Datums jedenfalls nicht vor, weil sie im Streitfall keine Auswirkung auf den Beginn der Ablaufhemmung hat.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.