Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.05.2019, Az.: 4 K 108/17
Schlichte Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) AO als Ermessensentscheidung; Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Finanzbehörde einen Antrag auf schlichte Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) AO ohne erneute Prüfung der materiellen Rechtsfrage ablehnt, wenn diese bereits Gegenstand eines vorherigen Einspruchsverfahrens gewesen ist (Anschluss an BFH v. 5.2.2010 - VIII B 139/08, BFH/NV 2010, 831; Konkretisierung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 08.05.2019
- Aktenzeichen
- 4 K 108/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 42581
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2019:0508.4K108.17.00
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 19.05.2020 - AZ: X R 22/19
Rechtsgrundlagen
- § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO
- § 5 AO
Fundstellen
- DStRE 2019, 1538-1541
- GmbH-Stpr. 2019, 373
- StX 2019, 682
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Änderbarkeit einer Steuerfestsetzung und die Berücksichtigung einer Teilwertabschreibung.
Der Kläger (E.) ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der E. GmbH (im Folgenden: GmbH), die eine Kfz-Werkstatt betreibt. Er erhält von der GmbH ein Geschäftsführergehalt i.H. von 40.666 € p.a.
Es besteht eine Betriebsaufspaltung, weil der Kläger der GmbH die Kfz-Werkstatt für 2.900 € monatlich verpachtet. Die Beteiligung an der GmbH ist im Einzelunternehmen in der Bilanz zum 31. Dezember 2013 nach einer Teilwertabschreibung im Jahr 2009 mit 1 € bilanziert.
Die wirtschaftlichen Ergebnisse von GmbH und Einzelunternehmer stellten sich - bei bereits entsprechend negativen Ergebnissen in den Vorjahren - wie folgt dar:
2010 | 2011 | 2012 | 2013 | 2014 | |
---|---|---|---|---|---|
GmbH | ./. 39.290 | ./. 45.163 | ./. 33.781 | ./. 63.650 | ./. 110.110 |
Einzelunt. | 14.474 | 23.943 | 22.131 | 22.593 | 18.296 |
Gesamt | ./. 24.816 | ./. 21.220 | ./. 11.650 | ./. 41.057 | ./. 91.814 |
Mit Vertrag vom 21. März 2012 bzw. 12. April 2012 nahm der Kläger bei der Volksbank S. ein Darlehen i.H. von 240.000 € mit dem Verwendungszweck "Umschuldung/Ablösung Betriebsmittelkredit lt. Konto 60628660 der Firma E. GmbH" auf. Dieses Darlehen wurde mit Grundbesitz des Klägers besichert. Die Darlehensvaluta wurde unmittelbar an die GmbH ausgezahlt. Das Darlehen sollte in monatlichen Raten von 2.000 € aus Sollzins und Tilgung zurückzuzahlen sein, wobei die Zinsen 3,97% p.a. betrugen.
In § 1 eines auf den 16. April 2012 datierten - nicht unterschriebenen - Darlehensvertrages zwischen dem Kläger und der GmbH heißt es, der Kläger habe der GmbH "einen Betrag von 240.000 € [in Worten: Einhundertvierzigtausend Euro]" (sic!) als verzinsliches Darlehen zur Verfügung gestellt. Die GmbH als Darlehensnehmer bestätige mit ihrer Unterschrift den Erhalt dieses Betrages. Für das Darlehen war nach § 3 des Vertrages eine Verzinsung von 4% p.a. vorgesehen, die Zinsen sollten jeweils zum Ende eines jeden Monats fällig werden und auf ein Konto des Klägers überwiesen werden. Die Laufzeit des Darlehens war mit 7 Jahren angegeben (§ 5 Abs. 1), Sicherheiten wurden nicht bestellt (§ 4). Das Darlehen sollte "endfällig" sein (§ 1 Satz 3), wobei ein Recht der GmbH als Darlehensnehmer bestand, es jederzeitig vorzeitig zurückzuzahlen (§ 5 Abs. 3).
In der Buchführung der GmbH wurden zum 16. April 2012 zwei Einzahlungen des Klägers über 140.000 € und 100.000 € auf dem Konto "Darlehen E." (3560) erfasst. Gegenkonto war "Bank" (1800). In den Folgemonaten erfolgten monatliche Zahlungen i.H. von insg. 2.000 €, die (überwiegend) als Privatentnahmen (1810) gebucht wurden. Im Einzelunternehmen ist das Darlehen zum 31. Dezember 2013 mit einem Betrag von 215.650,68 € passiviert.
Aufgrund einer "Sanierungsvereinbarung" vom 18. Dezember 2014 verzichtete der Kläger "[z]ur Beseitigung einer drohenden Überschuldung und zur Vermeidung eines eventuellen Insolvenzverfahrens" bei der GmbH auf seine Ansprüche auf Tilgung, Verzinsung und Rückzahlung der der GmbH gewährten "Krisen-Darlehen in Höhe von insgesamt € 240.000,00". Gleichzeitig räumte sich der Kläger das Recht ein, "die Verzichtserklärung zu widerrufen, wenn durch den Widerruf der Verzichtserklärung [...] und der damit verbundenen Wiedereinstellung der Verbindlichkeit in die Bilanz der [GmbH] keine erneute Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit entsteht oder zu entstehen droht [...]".
In der Einkommensteuererklärung und Gewinnermittlung für das Jahr 2014 des verpachtenden Einzelunternehmens machte der Kläger eine Darlehensabschreibung i.H. von 70.000 € geltend. Bereits in den Vorjahren hatte er Darlehensabschreibungen i. H. von 29.500 € (2012) und 60.000 € (2013) vorgenommen und zur Begründung angeführt, das von ihm an die GmbH gewährte Darlehen sei abgewertet worden, weil die finanzielle Lage der GmbH dieses Vorgehen erforderlich gemacht habe.
Die GmbH ist im Jahr 2015 auf das Einzelunternehmen verschmolzen worden. Der Kläger hat sämtliche (weiteren) Verbindlichkeiten der GmbH übernommen.
Das beklagte Finanzamt berücksichtigte die Abschreibungen im Bescheid für das Streitjahr vom 23. März 2016 - wie auch in den Vorjahren - nicht.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit einem Einspruch und verwies zur Begründung auf die laufenden Einspruchsverfahren gegen die Bescheide der Vorjahre.
In den Einspruchsverfahren gegen die Einkommensteuerbescheide der Vorjahre hatten die Kläger angeführt, dass die Abschreibungen des Darlehens an die GmbH in den Jahren 2012 und 2013 aufgrund des negativen Eigenkapitals i. H. von 189.567,55 € bzw. 253.218,42 € erfolgt seien. In 2014 habe er, der Kläger, im Rahmen der Sanierungsvereinbarung auf die Rückzahlung des Darlehens verzichtet, weil es ansonsten zur Insolvenz der GmbH gekommen wäre.
Durch Einspruchsbescheide vom 30. Juni 2016 wies das Finanzamt die Einsprüche des Klägers gegen die Bescheide für 2012 und 2013 als unbegründet zurück. Die gewinn- und steuermindernde Abschreibung der Darlehensforderung sei nicht zulässig. Es sei "schon äußerst zweifelhaft", ob eine dritte Person ein unbesichertes Darlehen mit einer Laufzeit von 7 Jahren gewährt hätte und der Darlehensvertrag einem Fremdvergleich standhalte. Hinzu komme, dass der Vertrag nicht wie vereinbart durchgeführt worden sei. Die GmbH habe - entgegen den vertraglichen Vereinbarungen mit dem Kläger - monatliche Tilgungszahlungen geleistet. Aus den Beträgen lasse sich schließen, dass dadurch nicht der Vertrag mit dem Kläger, sondern der Vertrag zwischen dem Kläger und der Volksbank habe erfüllt werden sollen. Schließlich könne aufgrund der fehlenden Angaben des Klägers nicht geprüft werden, ob die GmbH sich überhaupt in einer Krise befunden habe und eine Teilwertabschreibung des Darlehens - die nur unter den gleichen Voraussetzungen wie eine Teilwertabschreibung der Beteiligung erfolgen könne - gerechtfertigt gewesen sei. Der Kläger habe lediglich das negative Eigenkapital der GmbH angeführt und ohne Substantiierung behauptet, im Jahr 2014 habe die Insolvenz gedroht.
Mit Schreiben vom 4. August 2016 beantragten die Kläger per Fax "die schlichte Änderung der [...] Einspruchsentscheidungen" und verwiesen zur Begründung auf eine Übersicht der geleisteten Zahlungen der GmbH an den Kläger, die Tilgungspläne beider Darlehen sowie Kontoausdrucke. Außerdem wiesen sie darauf hin, dass die GmbH zwischenzeitlich auf den Kläger verschmolzen worden sei. Die Anlagen ging erst am 5. August 2016 per Post beim Finanzamt ein.
Durch Bescheid vom 9. August 2016 lehnte das Finanzamt den Antrag ab und begründete dies damit, dass der Antrag nicht hinreichend konkretisiert gewesen sei. Es fehle an einem Antrag, der einen Vortrag "hinsichtlich einer punktuellen, sachverhaltsbezogenen Korrektur des Ausgangsbescheides" enthalte. Hinzu komme, dass die in Bezug genommenen Unterlagen erst am 5. August 2016 und damit außerhalb der Monatsfrist beim Finanzamt eingegangen seien.
Auf Nachfrage des Finanzamts teilte der Kläger am 13. Oktober 2016 mit, seinen Einspruch für das Streitjahr nicht zurücknehmen zu wollen. Vielmehr begehre er nunmehr die Berücksichtigung des Forderungsverzichts i. H. von 174.500 € im Streitjahr.
Durch Einspruchsbescheid vom 4. Januar 2017 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück und wiederholte zur Begründung im Wesentlichen die Ausführungen aus den Einspruchsentscheidungen bezüglich der Vorjahre.
Am 9. Februar 2017 stellten die Kläger den Antrag, "die Einspruchsentscheidungen nach § 172 AO dahingehend abzuändern", dass die Einkommensteuer 2014 auf 0 € vermindert festgesetzt und der Gewerbesteuermessbetrag entsprechend angepasst werde.
Die fehlende Besicherung des Darlehens stehe seiner steuerlichen Anerkennung nicht entgegen. Sie hätte jederzeit durch den Kläger als beherrschenden Gesellschafter der GmbH herbeigeführt werden können, sei aber - aufgrund der insolvenzrechtlichen Anfechtungsmöglichkeiten - sinnlos gewesen. Auch die Umstellung der Endfälligkeit auf monatliche Ratenzahlungen stehe der Anerkennung nicht entgegen, da die Vereinbarungen mündlich hätten geändert werden können.
Ziel der Darlehensgewährung wie auch des anschließenden Verzichts sei die Erhaltung der GmbH als Mieter des Gewerbeobjektes gewesen. Die GmbH habe sich seit geraumer Zeit in einer Ertragskrise befunden, die sich 2013 und 2014 verschlimmert und zu einer erheblichen bilanziellen Überschuldung geführt habe. Eine Verbesserung der Lage sei nicht ersichtlich. Auch ein innerer Wert der GmbH sei nicht mehr vorhanden. Entsprechend habe das Finanzamt für das Jahr 2009 eine Teilwertabschreibung auf die Beteiligung der GmbH akzeptiert. Dementsprechend sei der Darlehensverzicht i.H. von 174.500 € als Forderungsverlust steuerlich zu berücksichtigen.
Selbst wenn man das Darlehen nicht als fremdüblich anerkenne, lägen nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung an der GmbH vor, auf die ebenfalls (im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens) eine Teilwertabschreibung auf 1 € vorzunehmen wäre.
Durch Bescheid vom 13. Februar 2017 lehnte das beklagte Finanzamt den Antrag ab und führte aus, dieser sei bereits deshalb unbegründet, weil die aufgeworfene Streitfrage bereits Gegenstand des vorherigen Einspruchsverfahrens gewesen sei und "Tatsachen und Rechtsfragen, über die in der Einspruchsentscheidung bereits entschieden worden ist, im Regelfall nicht in einem Änderungsverfahren nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO erneut geprüft würden [...]".
Hiergegen wandten sich die Kläger mit einem Einspruch.
Sie führten aus, die von dem Finanzamt vorgetragene Beurteilung des Darlehensverhältnisses bzw. des Forderungsverzichts mache eine Bilanzberichtigung erforderlich. In Höhe des Verzichtsbetrages von 174.500 € seien nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung zu aktivieren. Jedoch werde auf die Beteiligung eine Teilwertabschreibung i. H. von 174.500 € vorgenommen, die im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens im Streitjahr steuerlich zu berücksichtigen sei. Die Teilwertabschreibung sei zulässig, weil die GmbH in den letzten 5 Jahren - selbst ohne Berücksichtigung des Geschäftsführergehaltes - nur Verluste erwirtschaftet habe. Zum 31. Dezember 2014 weise die GmbH ein negatives Eigenkapital von 188.829 € aus, wobei die verdeckte Einlage i.H. von 174.500 € bereits berücksichtigt sei. Auch unter Berücksichtigung der Pachtzahlungen ergebe sich ein Gesamtverlust von 190.557 €. In Ermangelung von Synergieeffektiven zwischen GmbH und Besitzunternehmen ergebe sich keine abweichende Beurteilung der Lage. Die Beteiligung an der GmbH sei wertlos, was bereits durch eine vollständige Teilwertabschreibung im Jahr 2009 nachvollzogen und von dem Finanzamt anerkannt worden sei. Seither habe sich die Situation der GmbH dramatisch verschlechtert.
Durch Einspruchsbescheid des beklagten Finanzamts vom 27. März 2017 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen haben die Kläger am 29. April 2017 Klage erhoben.
Sie verweisen auf die prekäre wirtschaftliche Situation der GmbH, die eine Teilwertabschreibung - sei es des Darlehens, sei es der Beteiligung - rechtfertige.
Jedenfalls sein Vortrag, dass das Darlehen zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung führe, sei nicht präkludiert und müsse im Rahmen der Bescheidung des schlichten Änderungsantrages berücksichtigt werden. Dieser Vortrag habe bis zur endgültigen Nichtanerkennung des Darlehens durch das Finanzamt im Einspruchsbescheid nicht vorgetragen werden können. Erst die Nichtanerkennung des Darlehens durch das Finanzamt führe dazu, dass die der GmbH zur Verfügung gestellten Mittel als verdeckte Einlage qualifiziert werden müssten, die zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung an der GmbH führten und die ebenfalls im Rahmen einer Teilwertabschreibung steuermindernd berücksichtigt werden müssten.
Die Kläger beantragen,
das Finanzamt unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 13. Februar 2017 und des dazu ergangenen Einspruchsbescheids vom 27. März 2017 zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 26. März 2016 und den dazu ergangenen Einspruchsbescheid vom 4. Januar 2017 in der Weise zu ändern, dass die Steuer und die Besteuerungsgrundlagen auf die Beträge festgesetzt beziehungsweise festgestellt werden, die sich unter Berücksichtigung einer Teilwertabschreibung auf das der E. GmbH gewährte Darlehen bzw. der daran bestehenden Beteiligung des Klägers in Höhe von 174.500 € ergeben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Das beklagte Finanzamt hat den Antrag der Kläger auf schlichte Änderung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise abgelehnt.
a) Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) darf ein Steuerbescheid, soweit er nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, nur unter den dort genannten Voraussetzungen aufgehoben oder geändert werden. Nach Nr. 2 Buchstabe a dieser Vorschrift kann ein Steuerbescheid, der - wie im Streitfall - andere Steuern als Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder Verbrauchsteuern betrifft, geändert oder aufgehoben werden, soweit der Steuerpflichtige zustimmt oder seinem Antrag der Sache nach entsprochen wird. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch Einspruchsentscheidung bestätigt oder geändert worden ist. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO ist ebenfalls anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Klagefrist zugestimmt oder den Antrag gestellt hat. Erklärungen und Beweismittel, die nach § 364b Abs. 2 AO in der Einspruchsentscheidung nicht berücksichtigt wurden, dürfen hierbei nicht berücksichtigt werden.
Der Wortlaut des § 172 Abs. 1 Satz 1 AO ("darf") wird in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dahingehend verstanden, dass die Änderung im Ermessen der Finanzbehörde steht (vgl. zuletzt zu § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO: BFH, Urteil vom 11. Oktober 2017 - IX R 2/17, BFH/NV 2018, 272 [BFH 28.09.2017 - IV R 50/15]; eingehend zur Frage des Ermessens: BFH, Urteil vom 31. März 1981 - VII R 1/79, BFHE 133, 13, BStBl. II 1981, 507, zu § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO; sowie Urteile vom 22. März 1988 - VII R 8/84, BFHE 152, 430, BStBl II 1988, 517, vom 12. Oktober 1994 - XI R 75/93, BFHE 176, 208, BStBl II 1995, 289, Beschluss vom 9. Oktober 1992 - VI S 14/92, BFHE 169, 197, BStBl II 1993, 13).
Nach § 5 AO hat die Finanzbehörde das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die Grenzen des Ermessens einzuhalten. Die Gerichte können die Ausübung des Ermessens nach § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nur dahingehend prüfen, ob die Ablehnung des Berichtigungsantrages des Steuerpflichtigen durch die Behörde rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde.
Nach einer Entscheidung des VIII. Senats des Bundesfinanzhofs handelt die Finanzbehörde nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie einen Steuerpflichtigen, der sachliche Einwendungen gegen Streitpunkte erhebt, über die in der Einspruchsentscheidung entschieden worden ist, auf seine in der Einspruchsentscheidung geäußerte Rechtsauffassung verweist. Tatfragen und Rechtsfragen, über die in der Einspruchsentscheidung bereits entschieden wurde, sind regelmäßig nicht wegen eines Antrag auf schlichte Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO erneut zu prüfen (BFH, Beschluss vom 5. Februar 2010 - VIII B 139/08, BFH/NV 2010, 831; ebenso FG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 1. Juli 2015 7 K 7245/12, EFG 2015, 1587; vom 22. Juni 2017 - 5 K 11174/15, EFG 2017, 1404; FG München, Urteile vom 21. März 1995 - 1 K 3248/94, EFG 1995, 787; vom 21. März 1995 - 1 K 3248/94, juris; FG Köln, Urteil vom 11. Juni 2008 4 K 3560/07, EFG 2009, 1432; FG Münster, Urteil vom 19. Oktober 2017 - 5 K 3971/14 U, EFG 2017, 1865; FG Düsseldorf, Urteil vom 3. November 2016 - 11 K 2694/13 E, EFG 2017, 709). Die Finanzbehörde darf den Rechtsgedanken des § 348 Nr. 1 AO, wonach das Einspruchsverfahren grundsätzlich zu einer abschließenden Prüfung im Verwaltungsverfahren führt, im Rahmen der Ermessensentscheidung berücksichtigen.
Mit Urteil vom 11. Oktober 2017 (IX R 2/17, BFH/NV 2018, 322) hat der IX. Senat des Bundesfinanzhofs nunmehr zwar entschieden, dass die Ermessenausübung durch den Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung vorbestimmt und damit "ggf." auf "Null" reduziert sein soll. Eine Aufhebung oder Änderung sei "regelmäßig" zwingend, wenn der Tatbestand der Korrekturvorschrift erfüllt sei.
Der Senat versteht das Urteil des IX. Senats aber nicht dahin, dass dieser von der Entscheidung des VIII. Senats und der finanzgerichtlichen Rechtsprechung abweichen will, zumal dem Urteil gerade kein Fall zugrunde lag, in dem die im Antragsverfahren begehrte Änderung bereits Gegenstand eines vorangegangenen Einspruchsverfahren war. Ein anderweitiges Verständnis dahingehend, dass bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO stets eine Änderung des maßgeblichen Steuerbescheides zu erfolgen habe, stünde im Widerspruch zu der in dem Urteil des IX. Senats ebenfalls getroffenen Aussage, dass es sich bei der Vorschrift um eine Ermessensnorm handele. Denn im Unterschied zu einer gebundenen Entscheidung, bei der die Verwaltung immer dann, wenn die Voraussetzungen des Tatbestandes der Norm erfüllt sind, die darin vorgesehenen Rechtsfolgen zu ziehen hat, besteht das Wesen einer Ermessensvorschrift gerade darin, der Finanzbehörde einen Spielraum zu geben, sich unter einer Mehrzahl rechtlich zulässiger Verhaltensweisen für eine zu entscheiden (BFH, Urteile vom 26. Juli 1972 - I R 158/71, BFHE 106, 489, BStBl. II 1972, 919; vom 31. März 1981 - VII R 1/79, BFHE 133, 13, BStBl. II 1981, 507; vom 26. März 1991 - VII R 66/90, BFHE 164, 7, BStBl. II 1991, 545; vom 6. März 1996 - II R 102/93, BFHE 180, 178, BStBl. II 1996, 396; Beschlüsse vom 10. November 1971 - I B 14/70, BFHE 104, 39, BStBl. II 1972, 222; vom 26. Januar 2006 - VI B 89/05, BFH/NV 2006, 964).
Im Streitfall hat das beklagte Finanzamt den Antrag der Kläger unter Verweis darauf, dass es dessen Vorbringen bereits im Einspruchsverfahren eingehend gewürdigt und sodann verworfen habe, abgelehnt und damit sein Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Der Umstand, dass die Kläger im Antragsverfahren eine Teilwertabschreibung nicht mehr des Darlehens, sondern der Beteiligung begehrt haben, ändert an dieser Beurteilung nichts. Denn eine Teilwertabschreibung des Darlehens erfolgt - worauf das beklagte Finanzamt ausdrücklich hingewiesen hat - unter den gleichen Voraussetzungen wie eine Teilwertabschreibung der Beteiligung. Diese waren nach der Auffassung des Finanzamts im Streitfall jedoch nicht erfüllt.
II. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
III. Die Revision wurde nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.