Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.06.2021, Az.: 11 K 87/20

Voraussetzungen der Schätzung eines pauschalen Sicherheitszuschlags zu erwirtschafteten Umsätzen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
03.06.2021
Aktenzeichen
11 K 87/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 68844
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BBK 2022, 589-590
  • RdW 2022, 455-457

Tatbestand

Streitig sind vorliegend der angesetzte Sicherheitszuschlag und die Steuerbarkeit der Pkw-Veräußerung.

Der Kläger ist Servicetechniker für Kran- und Tonanlagen und erwirtschaftet umsatzsteuerpflichtige Umsätze. Bis einschließlich des Streitjahres ermittelte der Kläger seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes. Seit dem 1. Januar 05 ist er buchführungspflichtig.

Unter dem XX.XX.XXXX reichte der Kläger elektronisch seine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 04 ein und erklärte darin Lieferungen und sonstige Leistungen zu 19 v.H. in Höhe von XXX und sonstige Leistungen nach § 3 Abs. 9a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zu 19 v.H. in Höhe von XXX. Unter Berücksichtigung abziehbarer Vorsteuerbeträge in Höhe von XXX ergab sich eine festzusetzende Umsatzsteuer in Höhe von XXX. Die eingereichte Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 04 stand einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung (§164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO -) gleich.

In XXXX fand beim Kläger eine allgemeine Außenprüfung (Betriebsprüfung) unter anderem der Umsatzsteuer für die Jahre 01 bis 05 statt. Die Prüferin stellte im Rahmen der Betriebsprüfung fest, dass der Steuerberater im Streitjahr die laufenden Aufzeichnungen, die laufenden Buchungen, die Einnahmenüberschussrechnungen und die Jahresabschlüsse mittels der Buchführungssoftware DATEV durchgeführt habe. Der Kläger selbst habe die Software "Verwaltungsscout-Business Edition - Rechnung und Buchhaltung" der Firma Scoutsystems Software zum Schreiben der Rechnungen eingesetzt, die - so die Prüferin - ein Datenverarbeitungssystem darstelle. Ausweislich der Programmbeschreibung erfolge eine automatisch fortlaufende Nummerierung der hiermit erstellten Rechnungen. Die Löschung einzelner Rechnungen sei möglich und werde durch die Software nicht dokumentiert. Die Prüferin stellte fest, dass zu zwei Rechnungen aus dem Jahr 05 mit den Rechnungsnummern 05xx1 und 05xx2 keine Erlöse verbucht worden seien. Weder die Rechnungen noch eine Protokollierung der Vorgänge liege hierzu vor. Darüber hinaus sei die Rechnungsnummer 05xx3 doppelt vergeben worden und händisch in die Rechnungsnummer 05xx4 geändert worden.

Da eine "Unverlierbarkeit" der Rechnungen bzw. Daten durch die eingesetzte Software "Verwaltungsscout-Business Edition - Rechnung und Buchhaltung" nicht gewährleistet sei, liege ein erheblicher formeller Mangel der Aufzeichnungen des Klägers vor, weshalb die Finanzbehörde nach § 162 Abs. 1 und 2 AO zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen befugt sei. Die durchschnittliche Rechnungssumme habe im gesamten Prüfungszeitraum 300 € (netto) betragen, weshalb die Prüferin einen Sicherheitszuschlag in Höhe von 1.200 € netto (1.428 € brutto) zur Absicherung des Risikos, das durch den dargelegten Buchführungsmangel entstanden sei, vornahm.

Überdies stellte die Prüferin fest, dass in 01 ein Pkw VW Passat Variant durch Einlage dem (notwendigen) Betriebsvermögen zugeordnet worden sei. Zu Ende Dezember 04 sei eine Entnahme des Pkw zu einem Wert von 500 € gebucht worden, da der Pkw anschließend zu diesem Preis aus dem Privatvermögen veräußert worden sei. Ein Kaufvertrag liege nicht vor, zudem sei der Käufer nicht bekannt. Die Entnahme sei im Rahmen der Jahresabschlussbuchungen Mitte des Jahres 05 und nicht zeitnah mit den anderen Geschäftsvorfällen des Monats Dezember 04 gebucht worden, weswegen eine Veräußerung aus dem Betriebsvermögen anzunehmen sei. Mangels Kaufvertrag oder Zahlungsnachweis sei der Veräußerungspreis zu schätzen. Laut Fahrzeugbewertung nach Schwacke unter Berücksichtigung der Fahrzeug-Identifizierungsnummer sei ein Händlerverkaufspreis von 3.100 € brutto zu erzielen gewesen. Um für die weiteren im Rahmen der Schlussbesprechung vorgetragenen Mängel (u.a. abgenutzte Reifen) einen Ausgleich zu schaffen, nahm die Prüferin einen Abschlag auf 2.500 € brutto vor und erhöhte die Lieferungen und sonstigen Leistungen des Streitjahres 04 um insgesamt 3.301 € (1.200 € für Sicherheitszuschlag; 2.101 € für Pkw-Veräußerung).

Den Feststellungen der Außenprüfung folgend setzte der Beklagte mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 04 vom XX.XX.XXXX die Umsatzsteuer auf XXX herauf und hob den Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 3 AO auf.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Einspruch. Zur Begründung verwies er darauf, dass der Beklagte zu Unrecht Sicherheitszuschläge getätigt habe. Die Ausgangsrechnungen lägen vollständig ausgedruckt vor und seien auch entsprechend verbucht worden. Im Streitjahr seien versehentlich die Rechnungen mit den Rechnungsnummern 04xx1 und 04xx2 unter den Rechnungsnummern 04xx3 und 04xx4 verbucht worden. Im gesamten Prüfungszeitraum von 01 bis 05 seien lediglich zwei Rechnungen (05xx1 und 05xx2) nicht vorhanden, da der Kläger diese selbst und nicht seine angestellte Bürokraft geschrieben habe. Der Kläger sei mit dem Programm zum Schreiben der Rechnungen nicht so vertraut. Dieser Mangel, der durch menschliche Unzulänglichkeit (hier fehlende Vertrautheit mit dem Programm) entstanden sei, sei nach der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich unschädlich (BFH-Urteil vom 16. September 1964 IV 42/61 U, BStBl. III 1964, 654). Es liege daher kein wesentlicher formeller Mangel vor, insbesondere weil der Kläger seine Rechnungen elektronisch schreibe und anschließend ausdrucke und nicht zur elektronischen Archivierung der Ausgangsrechnungen verpflichtet sei.

Zudem sei der Hinzuschätzungsbetrag wirtschaftlich unmöglich, denn er unterstelle, dass eine Rechnung je Quartal mit einem Rechnungsbetrag von 300 € netto erstellt worden sei, die Rechnungsbeträge bar vereinnahmt und nicht erklärt worden seien. Diese Hinzuschätzung unterstelle, dass in einem Umfang von 30 bis 37 Stunden pro Jahr Leistungen erbracht worden seien, für die keine Rechnung vorliege. Bei dem Arbeitspensum, welches dem Beklagten durch die Vorlage der Aufstellungen über die Verpflegungsmehraufwendungen bekannt sei, sei diese Unterstellung schlicht unmöglich.

Ferner sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger als Subunternehmer für die Firma A tätig sei. Im Vertrag vom XX.XX.XXXX mit der Firma A sei vereinbart worden, dass diese zu informieren sei, sofern der Kläger seine Leistungen auch an Wettbewerber der Firma A bzw. an Endkunden anbiete. Der Beklagte unterstelle entweder, dass die Rechnungen der Firma A unvollständig seien, was durch eine von der Firma A einzuholende Auskunft abgeklärt werden könne, oder dass eine Tätigkeit für Wettbewerber oder Endkunden vorgelegen habe. Aufgrund des Risikos einer Vertragskündigung durch die Firma A sei die Tätigkeit für Wettbewerber oder Endkunden jedoch höchst unwahrscheinlich.

Im Hinblick auf die Veräußerung des VW Passat Variant teilte der Kläger mit, dass er dieses Fahrzeug im Dezember 04 zu einem Entnahmewert von 500 € aus dem unternehmerischen Bereich entnommen und anschließend für 500 € veräußert habe. Als Bewertungsmaßstab lege der Beklagte nunmehr einen Händlerverkaufswert zugrunde, obgleich allenfalls der Händlereinkaufspreis von 1.800 € maßgeblich sein könne (vgl. Urteil des FG Hamburg vom 30. April 2013 2 K 81/12), da der Kläger gerade kein Fahrzeughändler sei.

Mit vom XX.XX.XXXX datierender Einspruchsentscheidung wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und verwies darauf, dass der Kläger im Hinblick auf die Pkw-Entnahme bzw. -Veräußerung weder einen Kaufbeleg vorgelegt noch den Käufer benannt habe, weshalb der Veräußerungspreis zu schätzen gewesen sei. Dabei sei nicht maximal der Händlereinkaufspreis anzusetzen, vielmehr sei davon auszugehen, dass dieser auch bei einem Verkauf ohne Einschaltung eines Kfz-Händlers nicht unterschritten werde. Auch wenn der Händlerverkaufspreis einen Gewinnaufschlag eines gewerblichen Händlers beinhalte, sei vorliegend der angesetzte Wert von 2.500 € nicht zu reduzieren, da er die Mitte zwischen dem Händlereinkaufspreis und dem Händlerverkaufspreis bilde. Da der Kläger kein gewerblicher Wiederverkäufer sei, lägen vorliegend auch die Voraussetzungen für eine Differenzbesteuerung nach § 25a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht vor.

Hinsichtlich des Sicherheitszuschlags verwies der Beklagte darauf, dass eine bloße Belegsammlung für die Veranlagungszeiträume 01 bis 04 aufgrund der Aufzeichnungspflichten nach § 22 UStG nicht ausreichend sei. Da der Kläger keine handschriftlichen Aufzeichnungen über seine erstellten Rechnungen geführt habe und die elektronisch erfassten Rechnungsdaten jederzeit änderbar gewesen seien, fehle es hier an der erforderlichen nachvollziehbaren Grundaufzeichnung, die gemäß § 146 Abs. 4 AO nicht in einer Weise verändert werden dürfe, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar sei.

Da der Kläger neben den Ausdrucken der Ausgangsrechnungen, diese außerdem elektronisch gespeichert habe, müsse er unabhängig von der Gewinnermittlungsart für beide Verfahren die Ordnungsvorschriften der §§ 145 ff. AO beachten. Dies betreffe ganz besonders die Sicherstellung der Unverlierbarkeit von Geschäftsvorfällen. Das durch den Kläger verwandte Softwareprogramm erfülle jedoch gerade die Voraussetzungen der Unverlierbarkeit nicht, weil es laut der Bedienungsanleitung die Möglichkeit der vollständigen Löschung der erstellten Schriftstücke biete. Hinsichtlich der beiden Rechnungen aus 05 sei beispielsweise eine vollständige Löschung erfolgt. Auch die maschinell erfolgte doppelte Vergabe einer Rechnungsnummer, die später handschriftlich korrigiert worden sei, zeige, dass das verwandte Softwareprogramm nicht sicherstelle, dass jede einzelne Aufzeichnung unverlierbar und jederzeit eindeutig zuordenbar gespeichert werde. Statt der Sicherstellung einer "elektronischen Vertintung" lasse dieses Programm jederzeit Änderungen zu, ohne diese zu protokollieren. Dadurch sei es weder einem Dritten noch dem Kläger selbst möglich, evtl. erfolgte Änderungen zu erkennen und zu prüfen.

Dieser Buchführungsmangel habe vorliegend auch erhebliches sachliches Gewicht.

Dem Vertrag mit seinem Hauptauftraggeber sei zu entnehmen, dass nach Absprache ein Tätigwerden für einzelne andere Kunden geduldet werde. So habe der Kläger ausweisliche seiner Aufzeichnungen und Buchhaltung im gesamten Prüfungszeitraum einige, wenn auch wenige, weitere Aufträge anderer Kunden angenommen und bearbeitet. Die Schätzung einer nicht verbuchten Rechnung je Quartal in Höhe von 300 € netto sei daher durchaus plausibel. Denn auch vor dem Hintergrund der bereits starken Arbeitsbelastung des Klägers sei es möglich, eine weitere Arbeitsleistung zwischen 31,7 und 37 Stunden in einzelnen der betroffenen Veranlagungszeiträume zu leisten.

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er verweist im Hinblick auf die Veräußerung des VW Passat Variant darauf hin, dass wertmindernd zu berücksichtigen sei, dass beim Fahrzeugverkauf im Dezember 04 die Hauptuntersuchung (TÜV) seit November 04 fällig gewesen sei. Zudem habe das Fahrzeug einen Kilometerstand von 292.310 km besessen. Die Bremsen seien im Jahr 01 bei einem Kilometerstand von 135.000 km gemacht worden und hätten daher im Dezember 04 neu gemacht werden müssen. Überdies handele es sich bei dem VW Passat Variant um einen Unfallwagen (Auffahrunfall in 02). Ausweislich der eingereichten Rechnung vom XX.XX.XXXX habe die Reparatur des Unfallschadens 1.010,41 € gekostet.

Überdies unterstelle der Beklagte unverändert Manipulationen bei der Rechnungslegung durch den Kläger, ohne hierfür Nachweise anzuführen. In der Schlussbesprechung zur Außenprüfung habe die Prüferin auf Nachfrage mündlich bestätigt, dass sie keinerlei materielle Fehler in der Rechnungslegung festgestellt habe. Eine Besteuerung wie im vorliegenden Streitfall auf bloßen Verdacht sei rechtswidrig.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids für 04 vom XX.XX.XXXX und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom XX.XX.XXXX die Umsatzsteuer auf den ursprünglich erklärten Betrag in Höhe von XXX herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner bisher vertretenen Auffassung fest. Der Vortrag, dass es sich bei dem VW Passat Variant um einen Unfallwagen handele, sei neu, führe aber zu keiner Änderung. Vielmehr erscheine der im Steuerbescheid berücksichtigte Wert angemessen, zumal eine Wertminderung aufgrund eines Unfallschadens, dessen Reparatur ca. 1.000 € betragen habe, bei einem Fahrzeug dieses Alters keine extrem hohen Auswirkungen habe.

Die Hinzuschätzungen seien auch nicht aufgrund eines bloßen Verdachts erfolgt, sondern weil erhebliche formelle Mängel in der Buchführung des Klägers festgestellt worden seien. Ohne Sicherstellung der Unverlierbarkeit von erstellten Rechnungen und der Dokumentation aller Änderungen am Rechnungsausgangsbuch, sei die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung bereits derart verletzt, dass von einer Hinzuschätzung nicht abgesehen werden könne.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist begründet, soweit der Kläger die Aufhebung des Sicherheitszuschlags in Höhe von 1.200 € netto begehrt.

Der Beklagte war nicht berechtigt, einen pauschalen Sicherheitszuschlag zu den Umsätzen hinzuzuschätzen. Es fehlt insoweit bereits an der Schätzungsbefugnis dem Grunde nach.

1. Gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 AO darf die Finanzbehörde die Besteuerungslagen nur schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Das ist nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO insbesondere der Fall, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können.

Im Streitfall liegen keine hinreichenden Mängel in den Aufzeichnungen des Klägers vor, die eine (Hinzu-)Schätzung nach § 162 Abs. 1 AO rechtfertigen. Die Feststellungslast (objektive Beweislast) für das Vorliegen solcher Mängel obliegt dem Beklagten.

a) Konkrete, das Streitjahr betreffende materielle Mängel in den Aufzeichnungen des Klägers wurden nicht festgestellt und sind auch aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat auch der Beklagte dies nochmals ausdrücklich bestätigt.

b) Allein der Umstand, dass die zum Schreiben der Rechnungen vom Kläger eingesetzte Software "Verwaltungsscout-Business Edition - Rechnung und Buchhaltung" der Firma Scoutsystems Software ausweislich der Programmbeschreibung die Rechnungen zwar automatisch fortlaufend nummeriert, jedoch - ähnlich wie mit MS Word bzw. MS Excel geschriebene Rechnungen - die Löschung bzw. Änderung einzelner Rechnungen ermöglicht, ohne dies zu dokumentieren, stellt keinen hinreichenden formellen Mangel in der Buchführung bzw. den Aufzeichnungen des Klägers im Streitjahr dar, der zu einer (Hinzu-)Schätzung berechtigt.

Formelle Mängel in der Buchführung und den Aufzeichnungen eines Steuerpflichtigen führen nur dann zur Schätzungsbefugnis, wenn diese wesentlich sind und daher Anlass geben, an der sachlichen Richtigkeit des Buchführungsergebnisses, d.h. an dem ermittelten Gewinn bzw. Umsatz, zu zweifeln (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 14. Dezember 2011 XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921; vom 12. Dezember 2017 VIII R 5/14, BFH/NV 2018, 602). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

aa) So ist bereits fraglich, ob im Streitfall überhaupt ein formeller Mangel in der Buchführung bzw. den Aufzeichnungen des Klägers gegeben ist.

Der Kläger führte im Streitjahr (ebenso wie in den Vorjahren) keine Bücher, sondern ermittelte seinen Gewinn auf Grundlage einer Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG). Seine Aufzeichnungspflichten ergeben sich insoweit aus § 22 UStG i.V.m. §§ 140 ff. AO. Gemäß § 22 UStG, §§ 140 I.V.m. 146 Abs. 1 Satz 1 AO sind die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen, insbesondere zu den vereinbarten Entgelten für die vom Unternehmer ausgeführten Lieferungen und sonstigen Entgelten, einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 AO darf eine Buchung oder Aufzeichnung nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Insbesondere dürften solche Veränderungen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind (§ 146 Abs. 4 Satz 2 AO).

Der vorliegend vom Beklagten geltend gemachte Mangel bei der eingesetzten Software "Verwaltungsscout-Business Edition - Rechnung und Buchhaltung" stellt keinen formellen Mangel der Aufzeichnungen zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung dar. Diese Aufzeichnungen wurden im Streitjahr (ebenso wie in den Vorjahren) vom Prozessbevollmächtigten als steuerlichen Berater des Klägers mit DATEV bzw. Kanzlei Rechnungswesen zeitnah gefertigt. Der von der Außenprüfung festgestellte vermeintliche Mangel betrifft demgegenüber ausschließlich die Belege, d.h. die Grundlagen für die Aufzeichnungen.

bb) Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die Grundsätze, die für Kassensysteme entwickelt worden sind, auf den vorliegenden Fall in keiner Weise übertragbar. Der Kläger rechnete seine erbrachten Leistungen im Anschluss an die Leistungserbringungen zeitnah unbar per Rechnungen ab. Die Manipulationsanfälligkeit, die bei Bargeschäften ohne Quittungsbelege gegeben ist, liegt im Streitfall gerade nicht vor, zumal der Kläger im Streitjahr seine Leistungen so gut wie ausschließlich gegenüber der Firma A erbracht und abgerechnet hat.

Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Unterlagen hat der Kläger im Streitjahr insgesamt 363 Rechnungen mit einer durchschnittlichen Rechnungssumme von 334,03 € geschrieben, darunter lediglich eine Rechnung an einen anderen Auftraggeber als die Firma A (Rechnung 04xx5 vom XX.XX.XXXX an die Firma B über 570 € netto). Die in Rechnung gestellten Beträge wurden - ausweislich der dem Gericht vorliegenden Beispielsrechnungen - vom jeweiligen Auftraggeber auf das Konto des Klägers bei der Sparkasse überwiesen. Ungeklärte Eingänge wurden auf dem Konto des Klägers nicht festgestellt.

Im Zusammenhang mit seinen in Rechnung gestellten Beträgen hat der Kläger im Streitjahr für 258 Tage Verpflegungsmehraufwendungen für jeweils mehr als 8-stündige Abwesenheit von seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte sowie vier Tage mit einer geringeren Abwesenheitsdauer geltend gemacht. Allein damit hat der Kläger bereits mehr Arbeitstage angegeben und abgerechnet als ein durchschnittlicher Berufstätiger mit einer Fünftagewoche. Denn ausgehend von 366 Tagen im Jahr 04 abzüglich 52 Sonn- und 53 Samstagen sowie 7 Feiertagen verblieben ohne Berücksichtigung von Urlaub und/oder Krankheit im Jahr 04 lediglich 254 mögliche Werktage. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger über die abgerechneten 262 Tage hinaus, an weiteren Tagen unternehmerisch tätig geworden ist, liegen nicht vor.

Ebenso wenig sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger tatsächlich nicht dokumentierte Manipulationen beim Schreiben der Rechnungen vorgenommen hat. Der Kläger hat die mit dem Programm "Verwaltungsscout-Business Edition - Rechnung und Buchhaltung" geschriebenen Rechnungen zum einen elektronisch abgespeichert und zum anderen doppelt ausgedruckt. Ein Exemplar des Ausdrucks hat er sodann an seinen Auftraggeber (zu 99 v.H. die Firma A) übersandt, das andere Exemplar hat er geordnet abgelegt und seinem steuerlichen Berater, dem Prozessbevollmächtigten, übergeben. Die vom steuerlichen Berater mit DATEV sodann erfassten Rechnungen wurden monatlich und damit zeitnah zur Umsatzsteuer vorangemeldet. Unstimmigkeiten bzw. Unregelmäßigkeiten diesbezüglich wurden nicht festgestellt und sind auch nicht ersichtlich.

Allein der Umstand, dass im Folgejahr 05 zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Rechnungen nicht aufbewahrt und verbucht worden sind, rechtfertigt keine Schätzungsbefugnis im Streitjahr, zumal der Kläger diesen einmalig in 05 aufgetretenen Mangel schlüssig begründet hat.

2. Überdies ist für das Gericht vollkommen unverständlich, warum der Beklagte das bloße Schreiben von Rechnungen mit der Software "Verwaltungsscout-Business Edition - Rechnung und Buchhaltung" anders behandelt als wenn die Rechnungen mit MS Word bzw. MS Excel geschrieben worden wären.

Bei MS Word und MS Excel handelt es sich ebenso wie beim streitgegenständlichen Programm "Verwaltungsscout-Business Edition - Rechnung und Buchhaltung" um Computersoftware, die im jeweiligen Fall dafür eingesetzt wird, um (Ausgangs-)Rechnungen zu schreiben. Auch MS Word und MS Excel ermöglichen das Erstellen einer Vorlage, die dann lediglich um die Daten des konkreten Einzelfalls ergänzt werden muss. Ebenso wie die Software "Verwaltungsscout-Business Edition - Rechnung und Buchhaltung" ermöglichen MS Word und MS Excel das Löschen bzw. Ändern einzelner Rechnungen, ohne dies zu dokumentieren. Während die Programme MS Word und MS Excel als "bessere Schreibmaschine" angesehen werden, wurde die Software "Verwaltungsscout-Business Edition - Rechnung und Buchhaltung" im vorliegenden Fall als Datenverarbeitungssystem qualifiziert, das gemäß dem BMF-Schrieben vom 14. November 2014 (BStBl. I 2014, 1450) dem Grundsatz der Unveränderbarkeit entsprechen muss.

Im Ergebnis hält der erkennende Senat die vom Beklagten im Streitfall vorgenommene Hinzuschätzung für vollständig unangemessen und damit rechtswidrig.

II. Die Klage ist allerdings unbegründet, soweit sie die Veräußerung des VW Passat Variant betrifft.

1. Der Beklagte ist zurecht statt von einer Entnahme mit anschließender Veräußerung aus dem Privatvermögen von einer Veräußerung unmittelbar aus dem unternehmerischen Bereich ausgegangen. Der insoweit beweisbelastete Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, dass der VW Passat Variant Ende Dezember 04 tatsächlich ins Privatvermögen entnommen und unmittelbar im Anschluss daran aus dem nichtunternehmerischen Bereich heraus veräußert worden ist. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger vielmehr mitgeteilt, dass er am Vortag, bevor er sein neues betriebliches Fahrzeug beim Händler abgeholt hat, den VW Passat Variant spontan an einen (unbenannten) Dritten verkauft hat. Die Unterlagen zum Verkauf hat er angabegemäß vernichtet.

2. Aufgrund der fehlenden Nachweise zum Veräußerungsvorgang und Angaben zum Erwerber war der Beklagte berechtigt, den Veräußerungspreis nach § 162 AO schätzen.

3. Der vom Beklagten mit 2.500 € brutto geschätzte Wert ist nicht überhöht.

Der vom Beklagten angesetzte Wert liegt genau zwischen dem stichtagsbezogenen Händlerverkaufspreis (3.100 €) und dem Händlereinkaufspreis (1.800 €) für den streitgegenständlichen VW Passat Variant. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Händlereinkaufspreis nicht als zutreffender Maximalwert anzusehen. Vielmehr bildet dieser die untere Wertgrenze, da davon auszugehen ist, dass ein Steuerpflichtiger sein Fahrzeug an einen Händler veräußern würde, sofern er am Markt ansonsten keinen höheren Preis erzielen kann.

Die vom Kläger im Rahmen des Klageverfahrens angeführten wertmindernden Faktoren (fällige Hauptuntersuchung/TÜV, fälliger Austausch der Bremsen, Unfallwagen) führen nicht zu einem abweichenden Wert. Bei der stichtagsbezogenen Schwacke-Bewertung des VW Passat Variant wurde ausweislich der angegebenen Fahrzeugdaten bereits berücksichtigt, dass die nächste Haupt- und Abgasuntersuchung im November 04 fällig gewesen ist und der Kilometerstand 202.310 km betragen hat. Zudem teilt das Gericht die Auffassung des Beklagten, dass ein Unfallschaden, dessen Reparatur im Jahr 02 nur ca. 1.000 € betragen hat, zu keiner signifikanten Wertminderung eines bereits 11 Jahre alten Fahrzeugs führt. Überdies obliegt die Feststellungslast (objektive Beweislast) für Wertminderungen dem Kläger.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).