Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 16.03.2011, Az.: L 2 EG 18/10
Der Zeitraum des Bezuges von Mutterschaftsgeld einschließlich des Arbeitgeberzuschusses ist als Zeitraum der Inanspruchnahme von Elterngeld anzusehen; Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Elterngeld; Grundsätze zur Anrechnung von Mutterschaftsgeld im Falle einer Frühgeburt
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 16.03.2011
- Aktenzeichen
- L 2 EG 18/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 40526
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2011:0316.L2EG18.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hildesheim - 04.10.2010 - AZ: S 8 EG 18/09
Rechtsgrundlagen
- § 3 BEEG
- § 4 BEEG
- Art. 3 Abs. 1 GG
- § 6 Abs. 1 S. 2 MuSchG
- § 13 Abs. 1 MuSchG
- § 14 MuSchG
Redaktioneller Leitsatz
§ 4 Abs. 4 S. 2 BEEG bedingt, dass der Zeitraum des Bezuges von Mutterschaftsgeld einschließlich des Zuschusses des Arbeitgebers als Zeitraum der Inanspruchnahme von Elterngeld anzusehen ist und dementsprechend auf die Bezugsdauer von 12 Monaten nach den einfachgesetzlichen Vorgaben anzurechnen ist. Dabei sieht das Gesetz keinen weitergehenden Ausgleich dafür vor, dass die Mutter bedingt durch die vorzeitige Geburt ihrer Kinder vor der Geburt das Mutterschaftsgeld nicht für den regelmäßigen Zeitraum von sechs Wochen in Anspruch nehmen konnte. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt in weitergehendem Umfang Elterngeld aufgrund der Erziehung ihrer am 15. Juni 2009 geborenen Töchter G. und H ...
Nach der Frühgeburt der Zwillinge hat die zuvor berufstätige Klägerin vom 15. Juni bis 17. Oktober 2009 von der Krankenkasse Mutterschaftsgeld in Höhe von 13 EUR täglich sowie von Seiten des Arbeitgebers einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe von 42,51 EUR täglich bezogen. In der Summe ergaben sich daraus tägliche Einnahmen von 55,51 EUR, entsprechend (bei einem Monat mit 30 Tagen) 1.665,30 EUR im Monat.
Am 15. Juli 2009 begehrten die Eltern die Gewährung von Elterngeld für insgesamt 14 Monate, und zwar für die ersten beiden Lebensmonate der Kinder zugunsten des Vaters und für die ersten zwölf Lebensmonate der Kinder zugunsten der Klägerin. Dem Grunde nach entsprach die Beklagte diesen Anträgen: Mit Bescheiden vom 22. Juli 2009 wurde dem Vater Elterngeld für den Zeitraum 15. Juni bis 14. August 2009 und der Klägerin für das erste Lebensjahr ihrer Kinder Elterngeld bewilligt.
Allerdings rechnete die Beklagte auf den Elterngeldanspruch der Klägerin in Höhe von monatlich 1.254,07 EUR die von ihr bis zum 17. Oktober 2009 bezogenen Leistungen in Form des Mutterschaftsgeldes und des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld an. Da die Höhe des Monatsbetrages der angerechneten Leistungen den Monatsbetrag des Elterngeldanspruchs überstieg, sprach sie der Klägerin erst für den Zeitraum ab dem 15. Oktober 2009 Elterngeld zu, und zwar für den fünften Lebensmonat der Kinder (15. Oktober bis 14. November 2009) in Höhe von 1.132,71 EUR (unter Anrechnung des noch für den Zeitraum 15. bis 17. Oktober 2009 fortgewährten Mutterschaftsgeldes einschließlich des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld) und für die folgenden Monate jeweils in Höhe von 1.254,07 EUR.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Bescheid vom 1. Oktober 2009 mit der Begründung zurück, dass die gesetzlichen Vorgaben des § 3 Abs. 1 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG) die vorgenommene Anrechnung des Mutterschaftsgeldes einschließlich des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld vorschrieben.
Zur Begründung der am 26. Oktober 2009 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass ihre Kinder nach ihrer Geburt intensivmedizinisch betreut werden mussten. Erst Mitte September 2009 habe sie eines der Kinder mit nach Hause nehmen können. Aufgrund der vorzeitigen Geburt habe sie vor der Entbindung weder Mutterschaftsgeld noch den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in Anspruch nehmen können. Die dadurch nach Maßgabe des § 6 des Gesetzes zum Schutz der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz - MuSchG) bedingte Verlängerung des pränatalen Schutzzeitraums bewirke im Ergebnis eine faktische Verkürzung der Bezugsdauer des Elterngeldes. Damit werde das Regelungsziel des § 6 MuSchG negiert. Dies sei um so weniger hinzunehmen, als Frühgeburten mit äußerst hohen Belastungen für die Eltern und Kinder verbunden seien. Damit werde zugleich das Gleichbehandlungsgebot missachtet.
Mit Gerichtsbescheid vom 4. Oktober 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die einfachgesetzlichen Vorgaben zutreffend umgesetzt. Verfassungsgreichtliche Bedenken seien, wie bereits das LSG Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 8. Januar 2010 (L 13 EG 34/09) ausgeführt habe, nicht festzustellen.
Mit der am 29. Oktober 2010 eingelegten Berufung macht die Klägerin insbesondere geltend, dass das Sozialgericht der besonderen Problematik von extremen Frühgeburten nur unzureichend Rechnung getragen habe. Der durch das MuSchG "festgeschriebene" besondere Schutz der Mütter bei Frühgeburten werde durch die unsachgemäße Anrechnung der nach der Geburt bezogenen Mutterschutzleistungen auf den Elterngeldanspruch im Ergebnis wieder aufgehoben. Gerade bei Kindern, die in den ersten Wochen nach der Geburt in einem Inkubator aufgezogen werden müssten, beinhalte das im BEEG vorgesehene Festhalten am tatsächlichen Geburtstermin einen nicht hinnehmbaren Formalismus. Eine wortlautgetreue Anwendung des Gesetzes bewirke einen offensichtlichen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 4. Oktober 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2009 zu ändern und
2. die Beklagte zu verpflichten, ihr Elterngeld auch für den 3. bis 5. Lebensmonat ihrer Kinder in ungekürzter Höhe zu gewähren, hilfsweise, ihr Elterngeld auch für den 13. und 14. Lebensmonat der Kinder zuzusprechen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung, über die der Senat mit Zustimmung beider Beteiligter (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 14. Februar 2011 und Schriftsatz der Beklagten vom 21. Februar 2011) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Gewährung weitergehender Elterngeldleistungen. Sie kann weder eine Auszahlung von Elterngeld neben dem tatsächlich bezogenen Mutterschaftsgeld (einschließlich des Zuschusses des Arbeitgebers) für den Zeitraum bis zum 17. Oktober 2009 noch eine Gewährung von Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat ihrer Kinder beanspruchen, auch wenn sie mit ihren von ihr selbst betreuten und erzogenen Kindern in dem diesbezüglich in Betracht zu ziehenden Zeitraum in Deutschland in einem Haushalt im Sinne von § 1 BEEG gelebt hat.
Nach § 4 Abs. 1 BEEG kann Elterngeld (für leibliche Kinder) in der Zeit vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes bezogen werden. Das Elterngeld wird (§ 4 Abs. 2 BEEG) in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt. Die Eltern haben insgesamt Anspruch auf zwölf Monatsbeträge. Sie haben Anspruch auf zwei weitere Monatsbeträge, wenn für zwei Monate eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt. Die Eltern können die jeweiligen Monatsbeträge abwechselnd oder gleichzeitig beziehen. Ein Elternteil kann mindestens für zwei und höchstens für zwölf Monate Elterngeld beziehen (Abs. 3 Satz 1).
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BEEG wird Mutterschaftsgeld, das der Mutter nach der Reichsversicherungsordnung oder dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte für die Zeit ab dem Tag der Geburt zusteht (mit Ausnahme des Mutterschaftsgeldes nach § 13 Abs. 2 des Mutterschutzgesetzes) auf das ihr zustehende Elterngeld angerechnet. Dies gilt nach Satz 3 dieser Vorschrift auch für einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 14 des Mutterschutzgesetzes.
Ergänzend legt § 4 Abs. 4 Satz 2 BEEG fest, dass Lebensmonate des Kindes, in denen nach § 3 Abs. 1 oder 3 anzurechnende Leistungen zustehen, als Monate gelten, für die die berechtigte Person Elterngeld bezieht.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin im Zeitraum vom 15. Juni bis 17. Oktober 2009 Mutterschaftsgeld nach § 13 Abs. 1 MuSchG und einen Zuschuss des Arbeitgebers zu diesem Mutterschaftsgeld nach § 14 MuSchG bezogen. Entsprechende Leistungen sind nach §§ 13 Abs. 1, 14, 3 Abs. 2 und 6 Abs. 1 MuSchG zum einen in den letzten sechs Wochen vor dem (prognostisch errechneten) Entbindungstermin und zum anderen bei Einzelgeburten in den acht und bei Mehrlingsgeburten in den zwölf auf den tatsächlichen Entbindungstermin folgenden Wochen zu gewähren. Konnte bei einer vorzeitigen Entbindung die sechswöchige Anspruchsfrist vor der Geburt nicht oder nicht in vollem Umfang in Anspruch genommen werden, dann verlängert sich der Anspruchszeitraum nach der Geburt entsprechend (§ 6 Abs. 1 Satz 2 MuSchG). Mutterschaftsgeld (einschließlich des Zuschusses des Arbeitgebers) steht damit den Müttern vor und nach der Geburt bei Einzelkindern mindestens für einen Zeitraum von 14 und bei Mehrlingsgeburten mindestens für einen Gesamtzeitraum von 18 Wochen zu.
Die erläuterte Regelung des § 4 Abs. 4 Satz 2 BEEG bedingt zugleich, dass der genannte Zeitraum des Bezuges von Mutterschaftsgeld (einschließlich des Zuschusses des Arbeitgebers), d.h. der Zeitraum vom 15. Juni bis 17. Oktober 2009, als Zeitraum der Inanspruchnahme von Elterngeld anzusehen ist und dementsprechend auf Seiten der Klägerin auf die für sie höchstens in Betracht kommende Bezugsdauer von 12 Monaten nach den einfachgesetzlichen Vorgaben anzurechnen ist. Zugleich ergibt sich daraus, dass die Klägerin und ihr Ehemann den für beide Eltern insgesamt höchstens in Betracht kommenden Bezugszeitraum von 14 Monaten ausgeschöpft haben.
Dies gilt nach den gesetzlichen Regelungen unabhängig davon, dass nach § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 BEEG die Leistungen in Form des Mutterschaftsgeldes (einschließlich des Zuschusses des Arbeitgebers) auf den Elterngeldanspruch anzurechnen sind. Da im vorliegenden Fall diese Leistungen das ansonsten für die Klägerin zu gewährende Elterngeld übersteigen, verdrängen sie im Ergebnis für den Zeitraum bis zum 17. Oktober 2009 den Elterngeldanspruch.
Dabei sieht das Gesetz keinen weitergehenden Ausgleich dafür vor, dass die Klägerin bedingt durch die vorzeitige Geburt ihrer Kinder vor der Geburt das Mutterschaftsgeld (einschließlich des Zuschusses des Arbeitgebers) nicht für den regelmäßigen Zeitraum von sechs Wochen in Anspruch nehmen konnte. Nach den einfachgesetzlichen Vorgaben, die die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zutreffend umgesetzt hat, hat die Klägerin bei einer Gesamtbetrachtung der Anspruchszeiträume vor und nach der Geburt in einer geringeren Gesamthöhe Mutterschaftsgeld (einschließlich des Zuschusses des Arbeitgebers) und Elterngeld bezogen als eine Mutter in ansonsten gleichen Verhältnissen, die ihre Zwillinge zum vorgesehenen Termin entbunden hat.
Ein finanzieller Nachteil ist der Klägerin dadurch allerdings nicht entstanden. Im Jahr nach der Geburt der Kinder hat sie in den ersten Wochen Mutterschaftsgeld (einschließlich des Zuschusses des Arbeitgebers) in einer das Elterngeld übersteigenden Gesamthöhe und in der Folgezeit Elterngeld bezogen. Eine zum Regeltermin entbindende Mutter von Zwillingen hätte Mutterschaftsgeld (einschließlich des Zuschusses des Arbeitgebers) nur für die ersten zwölf Wochen und in der Folgezeit das (betragsmäßig geringere) Elterngeld bezogen.
In den sechs Wochen vor der (vorzeitigen) Geburt hat die Klägerin zwar weder Mutterschaftsgeld noch einen Zuschuss des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld beziehen können; sie war aber auch nicht von dem Beschäftigungsverbot für werdende Mütter nach § 3 Abs. 1 MuSchG betroffen, vielmehr hat sie in gewohnter Weise ihr Gehalt bezogen.
Die vorstehend erläuterten gesetzlichen Regelungen begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. Januar 2010 - L 13 EG 34/09).
Dem Gesetzgeber kommt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2004 - 1 BvR 2515/95 - BVerfGE 111, 176). Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das Grundrecht ist daher vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen. Im Rahmen seines Gestaltungsauftrags ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei bei seiner Entscheidung, an welche tatsächlichen Verhältnisse er Rechtsfolgen knüpft und wie er von Rechts wegen zu begünstigende Personengruppen definiert. Eine Grenze ist jedoch dann erreicht, wenn durch die Bildung einer rechtlich begünstigten Gruppe andere Personen von der Begünstigung ausgeschlossen werden und sich für diese Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung stehender Rechtfertigungsgrund finden lässt. Dabei ist die Eigenart des zu regelnden Sachverhalts dafür ausschlaggebend, was sachlich vertretbar oder sachfremd ist (BVerfG, Beschluss vom 10. November 1998 - 1 BvL 50/92 - BVerfGE 99, 165 mwN). Art. 3 Abs. 1 GG ist nur dann verletzt, wenn der Gesetzgeber versäumt, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen (BVerfG, B.v. 01. Juli 1981 - 1 BvR 874/77, 1 BvR 322/78, 1 BvR 324/78, 1 BvR 472/78, 1 BvR 543/78 u.a. - E 58, 81). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann niemand daraus, dass einer Gruppe aus besonderem Anlass besondere Vergünstigungen zugestanden werden, für sich ein verfassungsrechtliches Gebot herleiten, genau dieselben Vorteile in Anspruch nehmen zu dürfen (BVerfG, B.v. 17. April 1984 - 1 BvL 24/83 - SozR 2200 § 1252 Nr 4).
Die angegriffenen gesetzlichen Regelungen überschreiten den dem Gesetzgeber durch die verfassungsrechtlichen Vorgaben insbesondere des Art. 3 Abs. 1 GG zugebilligten Regelungsspielraum in keiner Weise.
Der Gesetzgeber hat die oben erläuterten von der Beklagten herangezogenen Regelungen zur Vermeidung von Doppelleistungen normiert. Er hat dazu in der Gesetzesbegründung insbesondere Folgendes ausgeführt:
Arbeitnehmerinnen werden in der Mutterschutzfrist ab dem Tag der Entbindung dadurch besonders geschützt, dass sie für die Zeit des Beschäftigungsverbots einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld und einen Zuschuss dazu haben, der ihnen im Regelfall das ausfallende Nettoeinkommen während dieser Zeit in voller Höhe ersetzt. Das Gleiche gilt für die Fälle des Satzes 2, etwa die uneingeschränkte Zahlung der Dienst- oder Anwärterbezüge. Diese Leistungen und das Elterngeld dienen insoweit dem gleichen Zweck, als sie für den gleichen Leistungszeitraum aus demselben Anlass, nämlich der Geburt des Kindes, dieselben Einkommenseinbußen ganz oder teilweise ersetzen oder ausgleichen. Sie können deshalb nicht nebeneinander gewährt werden. Der Zweck des Elterngeldes, Eltern individuell bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu unterstützen, wenn sie nach einer Geburt die Betreuung ihres Kindes übernehmen, ist im Falle gezahlter Mutterschaftsleistungen bereits erfüllt (vgl. BT- Drucksache 16/1889, S. 22 zu § 3 Abs. 1 des Gesetzesentwurfs).
Die wirtschaftlichen Annahmen des Gesetzgebers treffen, wie ausgeführt, auch im vorliegenden Fall zu. Das Ziel der Vermeidung von Doppelleistungen ist in jeder Hinsicht als sachgerecht zu bewerten sein. Eine verfassungsrechtliche Vorgabe, die dem Gesetzgeber verbieten könnte, entsprechende Doppelleistungen zu vermeiden, ist bislang nicht ersichtlich.
Soweit die Klägerin auf einen erhöhten Schonungsbedarf der frühentbindenden Mutter und des frühgeborenen Kindes hinweist, ist klarzustellen, dass das BEEG nicht auf den individuellen Gesundheitszustand von Mutter und Kind (bei Auslaufen des in Betracht kommenden Bewilligungszeitraums) abstellt. Auch in Fällen schwerer und schwerster Behinderungen des Kindes sieht das Gesetz keine Möglichkeiten zu einer Verlängerung des Bezugszeitraums vor. Bei dieser Ausgangslage war der Gesetzgeber von Verfassungs wegen jedenfalls nicht verpflichtet, speziell im Fall von Frühgeburten einen typischerweise anzunehmenden (mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Frühgeburt ohnehin abnehmenden) Schonungsbedarf der Mutter und/oder einen besonderen Förderungsbedarf des Kindes zum Anlass zu einer Verlängerung des Bezugszeitraums zu nehmen.
Gegenteiliges ergibt sich insbesondere nicht aus der erläuterten von der Klägerin herangezogenen Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 MuSchG, derzufolge sich das Beschäftigungsverbot nach der Entbindung und daran anknüpfend der Anspruchszeitraum auf Leistungen in Form des Mutterschaftsgeldes (einschließlich des Zuschusses des Arbeitgebers) verlängert, sofern und soweit die Mutter bedingt durch eine vorzeitige Geburt die Schutzfrist vor der Geburt nach § 3 Abs. 1 MuSchG nicht oder nur in Teilen in Anspruch nehmen konnte. § 6 Abs. 1 Satz 2 MuSchG stellt lediglich eine einfachgesetzliche Regelung dar, der kein höherer Rang zukommt, als die vorstehend herangezogenen Bestimmungen des BEEG. Die im MuSchG getroffenen Wertungen des Gesetzgebers haben keine Selbstbindung in dem Sinne zur Folge, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Elterngeldes davon abweichende Wertentscheidungen untersagt sein könnten.
Der Gesetzgeber war vielmehr von Verfassungs wegen nicht daran gehindert, von einer entsprechenden Wertung im Sinne einer Verlängerung des Anspruchszeitraums bei Frühgeburten im Elterngeldrecht abzusehen. Dies gilt um so mehr, als das Elterngeld für einen längeren, in der Rechtsanwendungspraxis typischerweise einjährigen, Anspruchszeitraum als das nur für wenige Monate zu beziehende Mutterschaftgeld (einschließlich des Zuschusses des Arbeitgebers) vorgesehen ist. Auch nimmt, wie bereits angesprochen, die an eine Frühgeburt anzuknüpfende Indizwirkung für eine besondere Schutzbedürftigkeit der Mutter mit zunehmendem Zeitablauf ab.
Auch anderweitig ist kein verfassungsrechtlicher Anspruch erkennbar, demzufolge der durch eine vorzeitige Entbindung vor der Geburt bedingte Ausfall von Leistungen in Form des Mutterschaftsgeldes und des Zuschusses des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld durch eine längeren Förderungszeitraum nach der Geburt zu begründen sein könnte. Das Beschäftigungsverbot für werdende Mütter in den letzten sechs Wochen vor dem (errechneten) Entbindungstermin nach § 3 Abs. 2 MuSchG und die daran anknüpfenden Lohnersatzleistungen in Form des Mutterschaftsgeldes und des Zuschusses des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld tragen im Rahmen einer typisierenden Einschätzung den besonderen Gefahren und Erschwernissen der Ausübung einer Beschäftigung in dieser letzten Phase einer Schwangerschaft Rechnung. Entfällt diese Phase, bedarf es auch keiner Leistungen zur Abwendung entsprechender Gefahren und Erschwernisse.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.