Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 08.03.2017, Az.: 2 B 20/17
Beherbergungssteuer; Betrieb des Beherbergungsgewerbes; Ferienwohnung
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 08.03.2017
- Aktenzeichen
- 2 B 20/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2017, 54179
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 80 Abs 6 VwGO
- BauNVO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die in Bezug auf die BauNVO zum Begriff des Betrieb des Beherbergungsgewerbes ergangene Rechtsprechung ist nicht ohne weiteres auf den in einer kommunalen Beherbergungssteuersatzung enthaltenen Begriff des Beherbergungsbetriebes übertragbar.
Gründe
Die Antragsteller wenden sich gegen ihre Veranlagung zur Beherbergungssteuer.
Der Antrag der Antragsteller ist dahingehend auszulegen, dass sie primär die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer gegen den Beherbergungssteuerbescheid vom 20. Januar 2017 für die Ferienwohnung „B.“ erhobenen Klage (2 A 143/16) gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO begehren.
Ein solcher Antrag ist nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO - also, wie hier, bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten - nur zulässig, wenn die Behörde zuvor einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder teilweise abgelehnt hat. Dies gilt gemäß § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO nur dann nicht, wenn die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Zeit sachlich nicht entschieden hat oder eine Vollstreckung droht. Da die in § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO erwähnten Ausnahmen hier nicht vorliegen, setzt die Statthaftigkeit des Eilantrages damit einen vorherigen Antrag nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO voraus.
Die Einhaltung dieser Voraussetzung ist vorliegend problematisch, weil weder ein schriftlicher Antrag der Antragsteller noch eine schriftliche Ablehnung der Antragsgegnerin vorliegt. Die Antragsteller tragen in diesem Zusammenhang allerdings vor, dass sich der Antragsteller zu 2. am 2. Februar 2017 telefonisch an einen Mitarbeiter der Antragsgegnerin gewandt und dort um einen „Verzicht auf Vollziehung“ des Beherbergungssteuerbescheides vom 20. Januar 2017 gebeten habe, was von dem Mitarbeiter der Antragsgegnerin abgelehnt worden sei. Damit korrespondierend heißt es in einem Gesprächsvermerk des Mitarbeiters der Antragsgegnerin vom 2. Februar 2017 (Bl. 46 der vorgelegten Verwaltungsvorgänge), dass Herr A. angefragt habe, ob angesichts der Klage trotzdem Erklärungen abzugeben und Zahlungen zu leisten seien, was bejaht worden wäre.
Nach einhelliger Meinung muss ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO nicht schriftlich gestellt werden (vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 21. Aufl. 2015, § 80 Rn. 182, m. w. N.). Umstritten ist allerdings, ob die behördliche Ablehnung ihrerseits der Schriftform bedarf (für dieses Erfordernis OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 26.02.1999 - 2 B 10198/99 -; dagegen OVG NRW, Beschl. v. 18.04.1996 - 15 B 3499/95 -, jeweils zit. n. Juris). Im hier vorliegenden Einzelfall, in dem sich eine anwaltlich nicht vertretene Person nach Erlass eines Steuerbescheides und vor Stellung eines gerichtlichen Eilantrages mit einem Aussetzungsbegehren an die zuständige Behörde gewandt hat, tendiert die Kammer dazu, die Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO als erfüllt anzusehen.
Aber auch wenn man den Antrag damit als statthaft ansieht, ist er jedenfalls unbegründet, da er in der Sache keinen Erfolg hat. Geht es - wie bei der hier betroffenen Beherbergungssteuer - um Anforderung von öffentlichen Abgaben, haben Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO regelmäßig keine aufschiebende Wirkung. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 HS 1, Abs. 4 Satz 3 VwGO kann das Gericht jedoch die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Eine unbillige Härte im Sinne von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist nur dann anzunehmen, wenn durch die Zahlung für den Abgabenpflichtigen ein nicht wieder gutzumachender Schaden entstünde, der auch durch eine etwaige spätere Rückzahlung nicht ausgeglichen werden könnte (vgl. VG Göttingen, Beschl. v. 18.06.2001 - 3 B 3069/01 -; VG Oldenburg, Beschl. v. 06.01.2005 - 2 B 4002/04 -, jeweils zit. n. Juris). Tatsachen, aus denen Anhaltspunkte für eine unbillige Härte entnommen werden könnten, haben die Antragsteller nicht dargelegt; solche sind für die Kammer auch nicht ersichtlich.
Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel i.S.v. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerfestsetzung. Ernstliche Zweifel i.S.v. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO liegen dann vor, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache nach summarischer Prüfung wahrscheinlicher ist als dessen Misserfolg (st. Rspr., vgl. nur Nds. OVG, Beschl. v. 22.03.2007 - 9 ME 84/07 -, zit. n. Juris). Diese Voraussetzung ist nach summarischer Prüfung nicht gegeben. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand wird die Klage aller Wahrscheinlichkeit nach keinen Erfolg haben, da die streitgegenständliche Erhebung der Beherbergungssteuer voraussichtlich rechtmäßig ist.
Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Steuerfestsetzung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. Januar 2017 ist die aufgrund der §§ 10, 58 und 111 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) und §§ 2, 3 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG) am 23. Juli 2015 beschlossene Satzung der Hansestadt Lüneburg über die Erhebung einer Steuer auf Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben (Beherbergungssteuer), die am 25. September 2015 im Amtsblatt für den Landkreis Lüneburg Nr. 10a veröffentlicht wurde und am 1. Oktober 2015 in Kraft getreten ist (im Folgenden: Beherbergungssteuersatzung).
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Beherbergungssteuersatzung ist Gegenstand der Beherbergungssteuer der Aufwand für den Erwerb eines Anspruches auf eine vorübergehende private Beherbergungsmöglichkeit in einem Beherbergungsbetrieb im Stadtgebiet der Hansestadt Lüneburg. Als Beherbergungsbetriebe gelten alle Betriebe, die gegen Entgelt eine vorübergehende Beherbergungsmöglichkeit zur Verfügung stellen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Beherbergungssteuersatzung). Hierzu zählen insbesondere Hotels, Gasthöfe, Pensionen, Privatzimmer, Jugendherbergen, Ferienwohnungen, Motels, Campingplätze, Schiffe oder ähnliche Einrichtungen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 Beherbergungssteuersatzung).
Die Antragssteller bieten in ihrem Haus in der C. straße neben der Wohnung „D.“ (siehe dazu das Verfahren 2 B 21/17) die ca. 100 m² große Wohnung „B.“, bestehend aus zwei Schlafzimmern, einem Wohnzimmer, einer Wohnküche, einem Wintergarten sowie Bad und Flur, (Ferien)Gästen zu entgeltlichen Übernachtung an. Die Mindestbelegungszeit beträgt drei Übernachtungen und der Preis liegt bei zwei Personen und bis zu sechs Übernachtungen inklusive Bettwäsche, Handtücher und PKW Stellplatz bei 60,00 € pro Nacht (vgl. Bl. 34 f. der vorgelegten Verwaltungsvorgänge sowie www. E. -A. -F..de). Ausgehend von der zitierten Legaldefinition der Beherbergungsbetriebe in § 2 Abs. 2 Beherbergungssteuersatzung handelt es sich somit bei der von den Antragstellern angebotenen Ferienwohnung „B.“ um einen Beherbergungsbetrieb im Sinne der einschlägigen Steuersatzung der Antragsgegnerin.
Der Einwand der Antragsteller, dass sie keinen Beherbergungsbetrieb führten, weil es sich nicht um einen genehmigungspflichtigen Gewerbebetrieb, sondern um Vermögensverwaltung handele, die nicht mit der gewerblichen Tätigkeit eines Hotels oder einer Pension vergleichbar sei, die Wohnung nicht ohne vorherige Voranmeldung genutzt werden könne und außer der Bettwäsche und den Handtüchern auch keinerlei Serviceleistungen - wie sie in einem Hotel oder einer Pension üblich seien - angeboten würden, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar weisen die Antragssteller zutreffend darauf hin, dass das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung vom 8. Mai 1989 (- 4 B 78/89 -, zit. n. Juris) entschieden hat, dass die mietweise Überlassung von selbstständigen Wohnungen - auch zu Ferienzwecken - kein „Beherbergungsgewerbe“ darstellt. Nach dieser obergerichtlichen Rechtsprechung liegt ein Beherbergungsgewerbe nur dann vor, wenn Räume ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zu Verfügung gestellt werden, ohne dass diese dort ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten können, was bei auf Selbstversorgung ausgelegten Ferienwohnungen in der Regel zu verneinen ist. Anders ist dies nach der obergerichtlichen Rechtsprechung nur dann, wenn zu einer vollumfänglich ausgestatteten Ferienwohnung hotelähnliche Nebenleistungen wie Frühstücksbuffet, Reinigungsdienst, Wäscheservice, Bettwäschewechsel oder Lebensmitteldienste vom eigenen Hauspersonal angeboten werden, diese Leistungen einen nennenswerten Umfang erreichen und im Preis inbegriffen sind (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 19.02 2014 - 3 L 212/12 -, zit. n. Juris). Insofern ist den Antragstellern zuzugestehen, dass sie unter Heranziehung dieser obergerichtlichen Rechtsprechung keinen „Betrieb des Beherbergungsgewerbes“ führen, weil die von ihnen angebotene Ferienwohnung auf die Selbstversorgung der Gäste angelegt ist und die mitangebotenen Serviceleistungen - Bereitstellung von Bettwäsche und Handtüchern - keinen nennenswerten Umfang erreichen (vgl. VG Schwerin, Urt. v. 20.11.2014 - 2 A 90/13 -, zit. n. Juris). Der entscheidende - und von den Antragstellern offensichtlich verkannte - Punkt ist allerdings, dass die zitierten obergerichtlichen Entscheidungen in einem baurechtlichen Kontext ergangen sind und sich damit ausschließlich mit der Frage befassen, was unter dem in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) an mehreren Stellen aufgeführten Begriff des „Betrieb des Beherbergungsgewerbes“ (vgl. z. B. § 4 Abs. 2 Nr. 2, 5 Abs. 2 Nr. 5, 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO) zu verstehen ist und wie dieser von anderen in der Baunutzungsverordnung erwähnten Nutzungsarten und Begriffen - insbesondere dem der Ferienhäuser in § 10 Abs. 4 BauNVO - abzugrenzen ist. Da es bei der baurechtlichen Bewertung von unterschiedlichen Nutzungsarten um völlig andere Kriterien als bei der Besteuerung von Übernachtungsmöglichkeiten geht, ist die zum Baurecht ergangene Rechtsprechung aber nicht - jedenfalls nicht ohne weiteres - auf das kommunale Steuerrecht übertragbar. Selbst wenn man eine solche Übertragung grundsätzlich für möglich hielte, hätte es dafür jedenfalls einer ausdrücklichen Regelung der Antragsgegnerin bedurft, dass Beherbergungsbetriebe im Sinne der Beherbergungssteuersatzung nur solche Betriebe sind, die in baurechtlicher Hinsicht als Betriebe des Beherbergungsgewerbes anzusehen sind. An einer solchen Regelung fehlt es vorliegend jedoch. Gegen die Übertragung der im Baurecht für den Betrieb des Beherbergungsgewerbes geltenden Definition auf die hier streitgegenständliche kommunale Beherbergungssteuer spricht dabei auch die unterschiedliche Formulierung. Denn anders als in der Baunutzungsverordnung, wo auf „Betriebe des Beherbergungsgewerbes“ abgestellt wird, kommt es bereits nach dem Wortlaut der Beherbergungssteuersatzung der Antragsgegnerin nicht darauf an, ob es sich bei dem Beherbergungsbetrieb um ein Gewerbe handelt. Schließlich spricht gegen eine Übertragung der baurechtlichen Begrifflichkeiten, dass auch die in § 2 Abs. 2 Satz 2 Beherbergungssteuersatzung aufgeführten Campingplätze offensichtlich keine hotelähnlichen im Übernachtungspreis inkludierten Nebenleistungen anbieten, sondern auf die Selbstversorgung der Gäste angelegt sind, so dass auch Campingplätze offensichtlich nicht unter den baurechtlichen Begriff des Betriebe des Beherbergungsgewerbes fallen, aber gleichwohl nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Beherbergungssteuersatzung ausdrücklich der Beherbergungssteuer unterliegen.
Der weitere Einwand der Antragsteller, dass sie auf ihre mit der Vermietung der Ferienwohnung erzielten Einkünfte Einkommens- und nicht Gewerbe- oder Umsatzsteuer zahlen, ist für die vorliegend streitentscheidende Frage, ob ein Beherbergungsbetrieb im Sinne von § 2 Abs. 2 der Beherbergungssteuersatzung vorliegt, ebenfalls ohne Bedeutung.
Da die Antragsteller damit einen Beherbergungsbetrieb im Sinne von § 2 Abs. 2 Beherbergungssteuersatzung führen, sind sie nach § 5 Beherbergungssteuersatzung auch Steuerschuldner der Beherbergungssteuer. Daraus folgt zugleich, dass die Antragsteller nach § 7 Abs. 3 Beherbergungssteuersatzung verpflichtet sind, der Antragsgegnerin gegenüber bis zum 15. Kalendertag nach Ablauf eines Kalendervierteljahres die Summe der steuerpflichtigen Beherbergungsentgelte schriftlich zu erklären, mithin eine Steuererklärung abzugeben. Nach § 7 Abs. 3 Satz 2 Beherbergungssteuersatzung ist die Steuererklärung für jeden Beherbergungsbetrieb gesondert abzugeben. Zur Nachprüfung der Steuererklärung sind zudem für jeden Beherbergungsgast die in § 7 Abs. 4 enthaltenen Daten wie Name und Anschrift des Beherbergungsgastes sowie die Dauer des Aufenthaltes vorzuhalten und auf Verlangen vorzulegen.
Einwände gegen die Berechnung und/oder Höhe der festgesetzten Steuer haben die Antragsteller nicht vorgetragen; solche sind auch für die Kammer nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG.