Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 28.06.2019, Az.: 1 B 20/19

ausländische Fahrerlaubnis; Drogenkonsum; Eignung; Fahrerlaubnis; regelmäßiger Cannabiskonsum

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
28.06.2019
Aktenzeichen
1 B 20/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69737
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zu den Anforderungen einer Gutachtenanforderung bei einem zurückliegenden Drogenkonsum

Gründe

I.

Der im April C. geborene Antragsteller ist Inhaber einer polnischen Fahrerlaubnis und wendet sich gegen die durch Bescheid des Antragsgegners vom 24. April 2019 verfügte Entziehung seiner Fahrerlaubnis mit der Wirkung der Aberkennung des Rechts, von der ihm erteilten ausländischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen.

Das Amtsgericht D. verurteilte den Antragsteller durch Urteil vom 10. Februar 2005 (Az. 22 Ds 125 Js E.) wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit fahrlässigem Führen eines Kraftfahrzeugs unter Einfluss berauschender Mittel (Kokain) am 18. August 2004. Weiter wies es die Verwaltungsbehörde an, dem Antragsteller nicht vor Ablauf von acht Monaten eine Fahrerlaubnis zu erteilen. Der Landkreis F. lehnte durch Bescheid vom 20. Januar 2010 den Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Fahrerlaubnis ab, weil das angeforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht beigebracht worden war. Die zugrunde liegende Anordnung wurde mit wiederholtem unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in den Jahren 1999 und 2001 sowie die Fahrt unter Einfluss berauschender Mittel im August 2004 begründet. Am 3. Juni 2010 fuhr der Antragsteller ein Fahrzeug ohne die erforderliche Fahrerlaubnis (Entscheidung des Amtsgerichts D. vom 26. August 2010 - Az. 2 Cs 2510 Js G.).

Dem Antragsteller wurde am 3. August 2010 eine polnische Fahrerlaubnis der Fahrerlaubnisklasse B erteilt.

Beamte der Polizeistation H. kontrollierten den Antragsteller am 1. März 2017 im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle und sie stellten bei ihm „fahreignungsrelevante Auffälligkeiten“ fest. Die daraufhin von dem Antragsteller genommene Blutprobe ergab ausweislich des Untersuchungsbefundes des Instituts für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule I. vom 23. März 2017 einen THC-Wert von 15 ng/ml und einen THC-Carbonsäure-Wert von 180 ng/ml jeweils im Blutserum.

Der Antragsgegner forderte unter Berufung auf den Vorfall vom 1. März 2017 den Antragsteller unter dem 14. Dezember 2018 auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu der Frage beizubringen, ob er - der Antragsteller - künftig ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss berauschender Mittel (Cannabis) führen werde bzw. ob Einschränkungen und/oder Beeinträchtigungen vorlägen, die das sichere Führen von Kraftfahrzeugen ausschlössen. Zur Begründung führte der Antragsgegner an, dass ab einem THC-Carbonsäure-Wert von 150 ng/ml von einem regelmäßigen Cannabiskonsum auszugehen und nach Ziffer 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung der Betreffende ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei, hier aber wegen der seit März 2017 verstrichenen Zeit zu prüfen sei, ob der damalige Eignungsmangel noch bestehe. Die Anordnung stütze sich auf §§ 14 Abs. 2 Ziffer 2 und 46 Abs. 3 Fahrerlaubnisverordnung. Das geforderte Gutachten sei bis zum 28. Februar 2019 vorzulegen. Hierauf teilte der Antragsteller dem Antragsgegner mit, er sei bereit, das geforderte Gutachten beizubringen, bitte jedoch, die Frist zur Vorlage des Gutachtens um 10 Monate zu verlängern, um ihm den notwendigen Nachweis einer 12monatigen Drogenabstinenz zu ermöglichen. Dies lehnte der Antragsgegner ab.

Da der Antragsteller das geforderte Gutachten nicht in der genannten Frist beigebracht hatte, entzog der Antragsgegner nach vorheriger Anhörung dem Antragsteller mit Bescheid vom 24. April 2019 die Fahrerlaubnis mit der Folge der sofortigen Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von seiner Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen (Ziffer 1), forderte ihn auf, den Führerschein unverzüglich, spätestens bis zum 6. Mai 2019, abzuliefern bzw. zu den Akten zu reichen, um einen Sperrvermerk für die Bundesrepublik Deutschland eintragen zu lassen (Ziffer 2), und ordnete die sofortige Vollziehung beider Verfügungen an. Zur Begründung wiederholte er im Wesentlichen die Gründe aus der Gutachtenanforderung und führte ergänzend aus, dass die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nach § 11 Abs. 8 Fahrerlaubnisverordnung als erwiesen anzusehen sei, weil der Antragsteller das angeordnete Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt habe.

Der Antragsteller hat am 29. April 2019 Klage erhoben (Az. 1 A 43/19) und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Gutachtenanordnung sei rechtswidrig, weil es ihm in der gesetzten Frist zur Vorlage des Gutachtens objektiv nicht möglich gewesen sei, das Gutachten erstellen zu lassen. Obwohl er in den vergangenen zwei Jahren keinerlei Drogen konsumiert habe, könne er innerhalb der gesetzten Frist lediglich einen Abstinenznachweis von zwei Monaten erbringen. Er sei nicht unmittelbar nach dem Vorfall im März 2017 darüber belehrt worden, dass er einen Abstinenznachweis erbringen müsse. Dies könne nicht zu seinem Nachteil gereichen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass es zu einer wiederholten Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Drogeneinfluss gekommen sei. Die Voraussetzungen der §§ 14 Abs. 2 Nr. 3, 13 Nr. 2b Fahrerlaubnisverordnung lägen daher nicht vor. Die Gutachtenanforderung könne auch nicht auf § 11 Fahrerlaubnisverordnung gestützt werden, zumal der Antragsgegner insoweit kein Ermessen ausgeübt habe. Zudem sei die Begründung zur Anordnung der sofortigen Vollziehung lediglich formelhaft. So fehlten Ausführungen zur Güterabwägung, obwohl er existentiell auf die Fahrerlaubnis angewiesen sei.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis (Bescheid des Antragsgegners vom 24. April 2019) wiederherzustellen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus: Sowohl die Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, als auch der angefochtene Bescheid seien rechtmäßig. Im Nachgang zum Vorfall vom 1. März 2017 habe er mit der Anordnung, ein Gutachten über die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen beizubringen, das mildeste Mittel ausgewählt.

II.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig ist, aber unbegründet. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise wiederherstellen. Ist die sofortige Vollziehung von der Behörde den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügend angeordnet worden, so entscheidet das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz VwGO über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage auf der Grundlage einer eigenen Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das besondere öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.12.2014 - 7 VR 5.14 -, juris Rn. 9; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 10.9.2014 - 8 ME 87/14 -, juris Rn. 2). Im Rahmen der Interessenabwägung kommen den Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs eine entscheidende Bedeutung zu. Ergibt sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nur gebotenen summarischen Überprüfung, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache keinen Erfolg haben wird, weil sich der angegriffene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig erweist, so überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts. Erweist sich der Rechtsbehelf bei summarischer Überprüfung demgegenüber als offensichtlich erfolgreich, überwiegt regelmäßig das Interesse des Adressaten des Verwaltungsakts, von dessen Vollziehung vorerst verschont zu bleiben. Stellen sich die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs hingegen bei der allein gebotenen summarischen Überprüfung als offen dar, so ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen erforderlich, bei der in Rechnung zu stellen ist, welche Gründe bei bestehender Unsicherheit im Hinblick auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs für und gegen eine Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts sprechen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 10.5.2010 - 13 ME 181/09 -, juris Rn. 4). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die voraussichtliche Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts für sich allein nur das allgemeine Interesse an seiner Vollziehung begründet, nicht aber zugleich auch deren, für die behördliche Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO erforderliche Dringlichkeit (vgl. grundlegend: BVerfG, Beschl. v. 27.4.2005 - 1 BvR 223/05 -, juris; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 10.9.2014 - 8 ME 87/14 -, juris Rn. 4, m.w.N.).

Nach Maßgabe dessen ist der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage unbegründet.

Zunächst genügt die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung den sich aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ergebenden Anforderungen. Erforderlich für das Vorliegen einer hinreichenden schriftlichen Begründung im Sinne dieser Vorschrift ist eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehbarkeit notwendig ist und dass hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, zunächst von dem von ihm angegriffenen Verwaltungsakt verschont zu werden. Dem Begründungserfordernis ist nicht erst dann Genüge getan, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung tatsächlich vorliegt. Ausreichend ist vielmehr - wie bei der Begründung eines Verwaltungsakts nach § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG -, dass die Behörde die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitteilt, die sie im konkreten Einzelfall zu der Annahme des Vorliegens eines besonderen Vollzugsinteresses und damit zur Anordnung der sofortigen Vollziehung bewogen haben. Da sich diese Begründung auf das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung zu beziehen hat, ist eine gesonderte Darstellung der diesem Interesse entgegenstehenden Interessen des von der sofortigen Vollziehung nachteilig Betroffenen keine Voraussetzung der formalen Ordnungsmäßigkeit der Begründung. In diesem Zusammenhang ist nicht entscheidungserheblich, ob bereits die von dem Antragsgegner getroffene Entscheidung über die sofortige Vollziehung auf einer auch inhaltlich tragfähigen, materiell ausreichenden Abwägung beruhte (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 7.3.2017 - 12 ME 12/17 -, n.v.). Die Begründung des Antragsgegners für die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt diesen Anforderungen. Die Anordnung der sofortigen „Entziehung“ der Fahrerlaubnis und die Verpflichtung zur Vorlage des Führerscheines zwecks Eintragung des Sperrvermerks wurden vorliegend hinreichend mit dem Schutz anderer Verkehrsteilnehmer begründet. Der Antragsgegner hat zur Bejahung des überwiegenden öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung auf die mit dem Konsum von Betäubungsmitteln für den Straßenverkehr einhergehenden Gefahren und die möglichen Auswirkungen auf die Kraftfahreignung abgestellt und auf dieser Grundlage die weitere Teilnahme des Antragstellers als Fahrzeugführer am öffentlichen Straßenverkehr wegen der konkreten Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer mit sofortiger Wirkung ausgeschlossen. Dies ist nicht zu beanstanden.

Die Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das besondere öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung fällt zu Ungunsten des Antragstellers aus. Nach der hier allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage wird die Klage des Antragstellers gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis, der aufgrund des Vorliegens einer ausländischen Fahrerlaubnis die Wirkung der Aberkennung des Rechts zukommt, von der ihm erteilten polnischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, keinen Erfolg haben.

Die angefochtene Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis ist rechtmäßig. Sie findet ihre rechtliche Grundlage in §§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Nach diesen Vorschriften hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis - wie hier - hat die Entziehung nach §§ 3 Abs. 1 Satz 2 StVG, 46 Abs. 5 FeV die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland erlischt, § 3 Abs. 2 Satz 2 StVG, § 46 Abs. 6 Satz 2 FeV. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 und 3 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4 oder 5 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Insoweit ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides maßgeblich (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.10.2014 - 3 C 3.13 -, juris Rn. 13). Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet oder nur bedingt geeignet ist, so finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechende Anwendung. Die Fahrerlaubnisbehörde darf bei ihrer Entscheidung über die Entziehung einer Fahrerlaubnis nach § 11 Abs. 8 Satz 1 und § 46 Abs. 3 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder ein von der Fahrerlaubnisbehörde gefordertes Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss auf eine Nichteignung des Betroffenen ist allerdings nur dann zulässig, wenn die vorherige Anordnung der ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Untersuchung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war und für die Weigerung, das Gutachten beizubringen, kein ausreichender Grund bestanden hat (vgl. u.a. BVerwG, Urt. v. 17.11.2016 - 3 C 20.15 -, juris Rn. 19, Urt. v. 9.6.2005 - 3 C 21.04 -, juris Rn. 22). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Der Antragsgegner ordnete in rechtmäßiger Weise gegenüber dem Antragsteller an, nach §§ 46 Abs. 3, 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen. Zunächst liegen die formellen Anforderungen, die an eine solche Anordnung zu stellen sind, vor. So sollen die formellen Anforderungen an den Inhalt einer solchen Anordnung es dem Betroffenen ermöglichen, eine fundierte Entscheidung darüber zu treffen, ob er sich der geforderten Begutachtung unterziehen will oder nicht. Das ist für ihn wegen der sich aus § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV ergebenden Rechtsfolgen von besonderer Bedeutung. Dementsprechend hat die Aufforderung im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sei sein. Der Betroffene muss ihr entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das dort Mitgeteilte die behördlichen Zweifel an der Fahreignung rechtfertigen kann. Ebenso ist geklärt, dass eine mangelhafte Aufforderung zur Gutachtenbeibringung nicht dadurch "geheilt" werden kann, dass die Behörde nachträglich - etwa im gerichtlichen Verfahren - darlegt, objektiv hätten seinerzeit Umstände vorgelegen, die Anlass zu Zweifeln an der Fahreignung hätten geben können (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2016 - 3 C 20.15 -, juris Rn. 21). Da die Anordnung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens nicht isoliert anfechtbar ist, sind an sie strenge Anforderungen zu stellen, die im Falle einer Folgemaßmaßnahme (hier: die Entziehung der Fahrerlaubnis) inzident zu prüfen sind.

Der Antragsgegner führte in seiner Anordnung vom 24. April 2018 ausdrücklich und verständlich aus, dass der Vorfall am 1. März 2017 (Führen eines Kraftfahrzeugs unter Einfluss berauschender Mittel (Cannabis) und der anlässlich dieses Vorfall festgestellte THC-Carbonsäure-Wert von 180 ng/ml im Blutserum Bedenken an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen begründeten. Zur Überprüfung forderte er ihn zur Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) auf. Dabei wurden dem Antragsteller die vom Gutachter zu klärenden Fragen im Hinblick auf seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen mitgeteilt (§ 11 Abs. 6 Satz 1 FeV) und ihm wurde eine angemessene Frist zur Vorlage des Gutachtens im Sinne von § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV gesetzt. Des Weiteren enthält die Anordnung den Hinweis, dass gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden dürfe, wenn der Antragsteller die Untersuchung verweigere oder das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringe, § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV. Außerdem wurde ihm mitgeteilt, dass er die an die Gutachtenstelle zu übersendenden Unterlagen einsehen könne (§ 11 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 FeV).

Der Einwand des Antragstellers, die Frist zur Vorlage sei unangemessen kurz, weil ihm eine um 10 Monate längere Frist nicht eingeräumt worden sei, greift nicht durch. Dem Antragsteller ist zur Vorlage eines Gutachtens eine Frist von rd. 2 ½ Monaten eingeräumt worden. Vor dem Hintergrund, dass die Klärung von Bedenken gegen die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vor allem der Sicherheit der Verkehrsteilnehmer am öffentlichen Straßenverkehr dient, und im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass innerhalb eines solchen Zeitraums das geforderte Gutachten erstellt werden kann, ist die vom Antragsgegner gesetzte Frist erforderlich und angemessen. Der Betroffene kann nicht verlangen, dass die Frist so zu bemessen ist, dass er die Voraussetzungen für eine positive Eignungsprognose - hier durch das Beibringen eines Nachweises über eine mehrmonatige Drogenabstinenz - erfüllen und während dieser Zeit weiterhin Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr führen kann.

Zum anderen ist die Gutachtenanordnung auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Sie kann sich auf §§ 46 Abs. 3, 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV stützen, deren Voraussetzungen hier gegeben sind. Nach diesen Vorschriften ist die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Vorbereitung einer Entscheidung über die Entziehung einer Fahrerlaubnis oder die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen u.a. anzuordnen, wenn zu klären ist, ob der Betroffene - ohne abhängig zu sein - weiterhin Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV) einnimmt. Knüpfen die Eignungsbedenken - wie hier - an einem Cannabiskonsum an, ist in verfassungskonformer Auslegung dieser Vorschriften neben der nachgewiesenen Einnahme dieses Betäubungsmittels zudem der Nachweis eines die Fahreignung ausschließenden Konsumverhaltens im Sinne der Nr. 9.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung zu verlangen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 6.4.2017 - 12 PA 199/16 -, juris Rn. 9). Aufgrund des Vorfalls am 1. März 2017 (Fahren eines Kraftfahrzeugs unter erheblichem Einfluss berauschender Mittel (Cannabis mit einem Wert von 15,0 ng/ml im Blutserum) und des zugleich vorhandenen THC-Carbonsäure-Wertes von 180 ng/ml im Blutserum, der hinreichend sicher einen regelmäßigen Konsum von Cannabis zur damaligen Zeit belegt, bestand ein die Fahreignung ausschließendes Konsumverhalten (Nr. 9.2.1 der Anlage 4 FeV; vgl. zur fehlenden Kraftfahreignung bei regelmäßigem Cannabiskonsum: Bayerischer VGH, Beschl. v. 22.1.2019 - 11 CS 18.1429 -, juris Rn. 15). Bei der Annahme, dass jedenfalls ab einer Konzentration von THC-Carbonsäure (THC-COOH) von 150 ng/ml im Blutserum von einem regelmäßigen Cannabiskonsum auszugehen ist, handelt es sich um eine gesicherte, auf rechtsmedizinischen Untersuchungen beruhende Erkenntnis (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 24.4.2019 - 11 CS 18.2605 -, juris Rn. 13 m.w.N., Beschl. v. 27.1.2017 - 11 CS 16.2403 -, juris Rn. 14 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 27.8.2018 - OVG 4 S 34.18 -, juris Rn. 5 m.w.N.; Hessischer VGH, Beschl v. 15.9.2016 - 2 B 2335/16 -, juris Rn. 8; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 11.2.2015 - 16 B 50/15 -, juris Rn. 8). THC-Carbonsäure-Konzentrationen von 100 bis 150 ng/ml liegen oberhalb der Werte, die nach Rauchversuchen im Blut bzw. Serumproben festgestellt worden sind. Ihre Ursache wird in Kumulationseffekten infolge langer Eliminationshalbwertszeiten gesehen. Eine Anreicherung von THC-Carbonsäure im Blut von regelmäßigen Cannabiskonsumenten ist ebenfalls in Studien nachgewiesen worden. Ausgehend von einer Anfangskonzentration des Metaboliten THC-COOH von 150 ng/ml kann bei einer Konzentration von mindestens 75 ng/ml THC-COOH im Blut wegen dessen Halbwertszeiten auf einen regelmäßigen Konsum geschlossen werden, wenn eine Blutprobe aufgrund einer behördlichen Anordnung erst bis zu acht Tage nach dem letzten Konsum entnommen worden ist, und wiederum umgekehrt kann ausgehend von einem Grenzwert von 75 ng/ml THC-COOH beim Nachweis von 150 ng/ml THC-COOH im Blutserum auf einen regelmäßigen Konsum geschlossen werden, wenn die Blutprobe zeitnah nach einer Verkehrskontrolle entnommen worden ist (vgl. im Einzelnen: Bayerischer VGH, Beschl. v. 24.4.2019, a.a.O. Rn. 13 m.w.N; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.7.2003 - 12 ME 287/03 -, juris Rn. 4 ff.).

Allerdings kann nicht jeder beliebig weit in der Vergangenheit liegende Drogenkonsum als Grundlage für die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens herangezogen werden. Das ergibt sich schon aus der Verweisungsnorm des § 46 Abs. 3 FeV, wonach Tatsachen bekannt geworden sein müssen, die Bedenken gegen die Kraftfahreignung des Betroffenen begründen. Der erfolgte Betäubungsmittelmissbrauch muss also nach Gewicht und unter zeitlichen Gesichtspunkten noch geeignet sein, die Kraftfahreignung in Zweifel zu ziehen. Das ergibt sich auch aus dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, greift in erheblicher Weise in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ein. Ihm wird zugemutet, anderen Einblick in Kernbereiche seiner Persönlichkeit zu geben. Ein solcher Eingriff ist nur gerechtfertigt, wenn er zur Abwehr einer bei realistischer Einschätzung tatsächlich bestehenden Gefahr notwendig ist. Es muss also eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Betroffene noch Drogen einnimmt oder jedenfalls rückfallgefährdet ist und sich dies auf sein Verhalten im Straßenverkehr auswirken kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.6.2005 - 3 C 25.04 -, juris Rn. 22 f.).

Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtenanforderung war zumindest eine solche erhebliche Rückfallgefährdung beim Antragsteller gegeben. Hierfür spricht vor allem Art und Ausmaß seines früheren Drogenkonsums. Der Antragsteller konsumierte über längere Zeiträume verschiedene Betäubungsmittel (vgl. Eintragungen in dem o.a. Urteil des Amtsgerichts Buxtehude vom 10. Februar 2004, Bl. 5 der Beiakte). Neben Cannabis konsumierte er Kokain. Jedenfalls bis März 2017 konsumierte der Antragsteller nicht nur gelegentlich, sondern regelmäßig Cannabis, wobei er - wie bereits in der Vergangenheit - den Konsum von Drogen und das Führen von Kraftfahrzeugen nicht zu trennen vermochte. Noch im August 2018 und damit nur wenige Monate vor der Beibringensanordnung wurden in der Wohnung des Antragstellers erhebliche Mengen an Cannabisprodukten (rd. 240 g) sichergestellt.

Die Anordnung, ein medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens beizubringen, ist nach § 14 Abs. 2 FeV nicht in das Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde gestellt, sondern bindend vorgegeben (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.6.2005, a.a.O. Rn. 20). Dementsprechend geht der Einwand des Antragstellers, die Beibringensanordnung sei ermessensfehlerhaft, ins Leere.

Da der Antragssteller das in rechtmäßiger Weise geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht innerhalb der festgesetzten Zeit beigebracht hatte, durfte der Antragsgegner darauf schließen, dass der Antragsteller nicht geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG ist.

Nach alledem ist der Entzug der Fahrerlaubnis sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden, nachdem der Antragsteller das zu Recht von ihm geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht innerhalb der gesetzten Frist vorlegte. Vor diesem Hintergrund kommt es auch auf die von ihm im Zusammenhang mit der Entziehung der Fahrerlaubnis befürchteten beruflichen und sonstigen Nachteile für seine Fortbewegungsmöglichkeiten nicht an. Die (absehbaren) Folgen einer Fahrerlaubnisentziehung muss jeder Betroffene hinnehmen, wenn - wie hier - hinreichender Anlass zu der Annahme besteht, dass aus seiner aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr eine Gefahr für dessen Sicherheit resultiert (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 19.3.2004 - 1 M 2/04 - juris Rn. 33; vgl. auch OVG Hamburg, Beschl. v. 15.11.2017 - 4 Bs 180/17 -, juris Rn. 30).

Schließlich besteht hier ein besonderes Vollzugsinteresse. Ein solches ist in der Wahrung der Sicherheit des Straßenverkehrs zu sehen. Die von einem als zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet angesehenen Fahrerlaubnisinhaber ausgehenden Gefahren für den Straßenverkehr sind zu groß, als dass sie im Interesse seiner erleichterten und erweiterten Teilnahme im Straßenverkehr vorläufig hingenommen werden könnten. Gerade im Hinblick auf das mit dem Konsum von Betäubungsmitteln verbundene konkrete Gefahrenpotenzial kann im Interesse der hochrangigen Rechtsgüter der Gesundheit und des Lebens der übrigen Verkehrsteilnehmer eine Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr im Bundesgebiet bis zu einer Entscheidung über seine Klage in der Hauptsache nicht verantwortet werden. Die Kammer räumt dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung den Vorrang ein vor dem privaten Interesse des Antragstellers, einstweilen weiter am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen. Die für den Antragsteller mit dieser Entscheidung verbundenen Nachteile etwa in Bezug auf seine berufliche und private Lebensführung müssen von ihm vor diesem Hintergrund hingenommen werden (vgl. auch Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 23.11.2011 - 12 ME 245/11 -, juris Rn. 14; Beschl. v. 23.12.2016 - 12 ME 186/16 -, juris Rn. 19; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 7.4.2014 - 10 S 404/14 -, juris Rn. 153).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und orientiert sich an Nr. 46.3 und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).