Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 17.11.2000, Az.: 6 C 469/00
Anteilsquoten; Numerus clausus; Psychologie; Studiengang; Zulassung zum Studium; Zulassungszahl
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 17.11.2000
- Aktenzeichen
- 6 C 469/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 41255
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 12 Abs 1 GG
- Art 20 Abs 3 GG
- Art 19 Abs 4 GG
- § 8 Abs 1 KapV ND
- § 10 KapV ND
- § 13 KapV ND
- § 7 Abs 1 Nr 5 LVerpflV ND
- § 2 Abs 7 HG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zulassung zum Studiengang der Psychologie (WS 2000/01)
Tenor:
Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten ihres jeweiligen Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für jedes Verfahren auf 8.000,-- DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren ihre vorläufige Zulassung zum Studium der Psychologie bei der Antragsgegnerin ab dem Wintersemester 2000/01. Die Anträge sind auf eine Zulassung zum 1. Fachsemester gerichtet. Zur Begründung ihrer Anträge tragen die Antragsteller im Wesentlichen vor, die Antragsgegnerin schöpfe ihre Aufnahmekapazität nicht aus und sei in der Lage, über die durch Verordnung festgesetzten Zulassungszahlen hinaus weitere Studienbewerber aufzunehmen. Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf die Antragsbegründungen verwiesen.
Die Zahl der im Studiengang Psychologie (Diplom) zu vergebenden Studienplätze ist gemäß § 1 i.V.m. Anlage 1 Abschn. I A der Verordnung über Zulassungszahlen für Studienplätze zum Wintersemester 2000/01 und zum Sommersemester 2001 - ZZ-VO - vom 05. Juli 2000 (Nds. GVBl. 2000, 158) auf 54 festgesetzt worden. Infolge der Einführung des Studienjahrbetriebes werden nur noch jeweils zum Wintersemester Studienanfänger an der Hochschule in diesem Studiengang aufgenommen.
Die Antragsgegnerin tritt den Anträgen entgegen. Sie hält an der von ihr ermittelten Höchstzahl von 54 verteilten Studienplätzen für Studienanfänger im Wintersemester fest. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere wegen der Berechnungen der Antragsgegnerin, wird auf die Generalakten "Psychologie/WS 2000/01 und WS 1999/00" Bezug genommen.
II.
Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um von dem Rechtsuchenden wesentliche Nachteile abzuwenden. Sowohl die Dringlichkeit der begehrten gerichtlichen Entscheidung als auch der Anspruch auf Zulassung zum Studium wegen nicht vollständig ausgeschöpfter Aufnahmekapazität der Antragsgegnerin in diesem Studiengang sind glaubhaft zu machen (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2, 294 ZPO).
Nach Maßgabe dieser Gesichtspunkte haben die Anträge keinen Erfolg.
Der Antrag des Antragstellers zu 6) kann ungeachtet der Frage unausgeschöpfter Aufnahmekapazitäten bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil der Antragsteller bei der Antragsgegnerin keinen ordnungsgemäßen Zulassungsantrag gestellt hat. Nach § 2 Abs. 4 Satz 1 der Nds. Verordnung über die Vergabe von Studienplätzen durch die Hochschulen - Hochschul-VergabeVO - in der hier noch anzuwendenden Fassung vom 14. Januar 1999 (Nds. GVBl. 1999, 3) muss der Studienbewerber, wenn er die Zulassung zum Studium innerhalb oder außerhalb der festgesetzten Zulassungszahl beantragt, die Hochschulzugangsberechtigung für den gewählten Studiengang spätestens bis zum Ablauf der jeweiligen Bewerbungsfrist nachweisen. Der Antragsteller hat seine Hochschulzugangsberechtigung bis zum 15. Oktober 2000, dem Ende der für ihn geltenden Bewerbungsfrist (§ 2 Abs. 2 Nr. 2b Hochschul-VergabeVO) nicht bei der Antragsgegnerin vorgelegt. Die Bewerbungsfrist ist eine Ausschlussfrist (§ 2 Abs. 1 Hochschul-VergabeVO). Eine Nachfrist konnte die Antragsgegnerin nicht setzen, da eine § 2 Abs. 1 Satz 2 Hochschul-VergabeVO entsprechende Regelung für das Zulassungsverfahren außerhalb der festgesetzten Zulassungszahl fehlt. Ebenso scheidet eine entsprechende Anwendung dieser Regelung aus, da der im Interesse der Studienbewerber vorgesehene späte Ablauf der Bewerbungsfrist es nicht zulässt, den Beginn des Vergabeverfahrens außerhalb der festgesetzten Zulassungszahl weiter hinauszuschieben. Nicht ausreichend ist, wenn der Antragsteller die Hochschulzugangsberechtigung dem bei Gericht gestellten Antrag auf Zulassung zum Studium beigefügt hat. Der gerichtliche Zulassungsantrag unterscheidet sich von dem an die Hochschule gerichteten Antrag nach Form und Inhalt und ist deshalb nicht geeignet, diesen auch nur teilweise zu ersetzen oder ihn zu ergänzen (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. vom 23.04.1992 - 10 N 5675/91 u.a. -).
In den übrigen Verfahren ist Maßstab für die Überprüfung der von der Antragsgegnerin ermittelten Zulassungszahl die Verordnung über die Grundsätze für eine einheitliche Kapazitätsermittlung und -festsetzung zur Vergabe von Studienplätzen, zuletzt geändert durch Verordnung vom 11. Februar 2000 (Nds. GVBl. 2000, 18) - KapVO -. Die Berechnung aufgrund der KapVO, die bis zu vier Stellen hinter dem Komma und zunächst ohne Rundung durchgeführt wird, ergibt für den von den Antragstellern gewählten Studiengang Psychologie (Diplom) zum Wintersemester 2000/01 eine Aufnahmekapazität von 54 Studienplätzen für Studienanfänger.
In die Berechnung gehen gem. § 8 Abs. 1 und 3 KapVO alle haushaltsrechtlich besetzbaren Stellen des wissenschaftlichen Lehrpersonals ein, die der Lehreinheit Psychologie zugeordnet sind. Maßgeblich sind insoweit grundsätzlich die am Berechnungsstichtag heranzuziehenden Festsetzungen über die planmäßigen Stellen der Antragsgegnerin für das Jahr 2000.
Danach stehen der Antragsgegnerin für den Studiengang Psychologie insgesamt 14 Stellen zur Verfügung, die sich zusammensetzen aus:
6 C 3/4 Stellen (Professor)
2 C 1-Stellen (Wiss. Assistent)
1 A 15 Stelle (Akad. Direktor)
5 BAT II a-Stellen (Wiss. Mitarbeiter befr.)
Grundlage der für die einzelnen Stellengruppen unterschiedlich bemessenen Regellehrverpflichtungen ist die Verordnung über die Lehrverpflichtung an Hochschulen vom 11. Februar 2000 - LVVO - (Nds. GVBl. 2000, 18). Gegen die Höhe der darin festgesetzten Regellehrverpflichtungen sind - soweit diese hier maßgeblich sind - verfassungsrechtliche Bedenken nicht zu erheben.
Die Summe der Lehrveranstaltungsstunden beträgt hiernach 84,0 LVS. Diese Zahl ist im Hinblick auf die bis zum 31. März 2000 reichende Tätigkeit des Professors Dr. Vorberg als Dekan des Fachbereichs 04 um 2 LVS zu vermindern (§ 7 Abs. 1 Nr. 5 LVVO). Zu den Lehrdeputaten der Stelleninhaber von insgesamt 82,0 LVS kommen Lehrauftragsstunden (§ 10 KapVO) im Umfang von 12,0 LVS hinzu, die der Lehreinheit für den Ausbildungsaufwand nach § 13 Abs. 1 KapVO in dem hier maßgeblichen Bemessungszeitraum durchschnittlich je Semester zur Verfügung gestanden haben. Von dem Lehrangebot sind schließlich wegen des Dienstleistungsbedarfs des Studiengangs Medienwissenschaften (Magister) 1,7230 LVS abzuziehen. An der Ausbildung in dem an der Hochschule für Bildende Künste geführten Studiengang, der auf eine Kooperationsvereinbarung der beiden Hochschulen vom 18. Februar 1997 zurückzuführen ist (§ 2 Abs. 7 Satz 2 NHG), ist die Lehreinheit Psychologie in den Pflichtfachbereichen Wahrnehmungslehre und Medienpsychologie (Grundstudium) beteiligt. Der darauf entfallende Curricularnormwertanteil beläuft sich auf 0,1723 und ergibt unter Berücksichtigung der Zulassungszahl für diesen Studiengang (20) einen Dienstleistungsbedarf von 1,7230 LVS je Semester (0,1723 x 20
: 2 = 1,7230). Zwar hat die Antragsgegnerin bei ihren Berechnungen die Zulassungszahl des Studiengangs Medienwissenschaften (Magister) nicht um einen etwaigen Schwundausgleich bereinigt (vgl. hierzu: Nds. OVG Lüneburg, Beschl. vom 12.11.1991, 10 N 5209/91 u.a. mit weiteren Nachweisen); dies mag jedoch auf sich beruhen, weil selbst ein (nicht realistischer) Schwund von 20 v.H. nicht zu einem anderen Ergebnis hinsichtlich der festgesetzten Zulassungszahl im Studiengang Psychologie führen würde.
Danach ergibt sich ein bereinigtes Lehrangebot von insgesamt 92,2770 LVS.
Aus der Gegenüberstellung von bereinigtem Lehrangebot und bereinigter Lehrnachfrage des Studienganges nach Lehrveranstaltungsstunden wird die personalbezogene Ausbildungskapazität abgeleitet. Die Lehrnachfrage, die dem Betreuungsaufwand aller an der Ausbildung eines Studenten beteiligten Lehreinheiten während des gesamten Studiums entspricht, wird mit dem in der Kapazitätsverordnung festgesetzten Curricularnormwert (CNW) zum Ausdruck gebracht. Dieser CNW beläuft sich für den Studiengang Psychologie (Diplom) auf insgesamt 4,0 (§ 13 Abs. 1 i.V.m. Anl. 2 Abschn. A I KapVO). Den auf die Ausbildung in der Lehreinheit Psychologie (Diplom) entfallenden CNW-Eigenanteil hat die Antragsgegnerin unter Berücksichtigung der Anteile, die auf die ebenfalls am Lehrangebot für den Studiengang Psychologie beteiligten Lehreinheiten Biowissenschaften (0,1999), Pädagogik (0,1333) und Mathematik (0,2666) entfallen, mit 3,4002 ermittelt. Hierbei hat sie den in der Entscheidung zum Sommersemester 1991 (Beschl. vom 03.05.1991 - 6 C 6055/91 u.a.-) erhobenen Bedenken der Kammer Rechnung getragen und ihre bisherige Berechnungsweise korrigiert. Diese Entscheidung wurde vom OVG Lüneburg bestätigt (Beschl. vom 24.09.1991 - 10 N 5449/91 -; Beschl. vom 22.12.1993 - 10 N 5838/93 u.a. -).
Sind - wie es hier ab dem Wintersemester 1996 der Fall ist - einer Lehreinheit mehrere Studiengänge zugeordnet, so sind für jeden Studiengang Anteilsquoten zu bilden, die in ihrer Summe die jährliche Gesamt-Aufnahmekapazität der Lehreinheit wiedergeben (§ 12 Abs. 1 KapVO). Die Anteilsquoten werden aus dem Verhältnis der jährlichen Aufnahmekapazität der einzelnen Studiengänge zur Summe der jährlichen Aufnahmekapazität aller Studiengänge dieser Lehreinheit gebildet. Durch Multiplikation der Anteilsquoten mit den Curricularanteilwerten der der Lehreinheit zugeordneten Studiengänge wird ein gewichteter Curricularanteil ermittelt (Formel 4 der Anlage 1 § 6 KapVO), der sich insgesamt auf 3,4185 beläuft und dem bereinigten Lehrangebot gegenüberzustellen ist:
Studiengang CAp zp CAp x zp
Psychologie (Diplom) 3,4002 0,9258 3,1479
Psychologie (Magister) 3,7334 0,0742 0,2770
3,4249
Dieser Rechengang führt bei Anwendung der Formel 5 zu einer jährlichen Aufnahmekapazität (Ap) von 49,8875 Plätzen für Studienanfänger im Studiengang Psychologie (Diplom) zum Wintersemester 2000/01:
Ap = 2 x 92,2770 : 3,4249
Ap = 53,8859 x 0,9258
Ap = 49,8875
Dieses Ergebnis ist gemäß § 14 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 16 KapVO um einen Schwundausgleich zu erhöhen, wenn zu erwarten ist, dass die Zahl der Abgänge von Studenten in höheren Fachsemestern wegen des Studienabbruches, des Fach- oder eines Hochschulwechsels in höheren Fachsemestern größer ist als die Zahl der Zugänge. Für ein derartiges Schwundverhalten ist nach den Berechnungen der Antragsgegnerin in Bezug auf die Studiendauer von neun Semestern im Studiengang Psychologie (Diplom) ein Wert von 1,0793 anzusetzen. Gegen die Berechnung des Schwundausgleichsfaktors sind rechtliche Bedenken nicht zu erheben (vgl. hierzu: OVG Lüneburg, Beschl. vom 13.07.1995 - 10 N 3455/95 - u.a.). Danach beträgt die jährliche Aufnahmekapazität an der Antragsgegnerin insgesamt 53,8435 (gerundet: 54) Studienplätze im Studiengang Psychologie (Diplom). Diese Studienplätze hat die Antragsgegnerin in das Vergabeverfahren für das 1. Fachsemester einbezogen.
Soweit die Antragstellerin zu 8) hilfsweise eine Zulassung innerhalb der festgesetzten Zulassungszahl begehrt, ist das gegen die Antragsgegnerin gerichtete Begehren unzulässig, weil ein solcher Antrag grundsätzlich gegen die zur Verteilung dieser Plätze zuständige ZVS in Dortmund hätte gerichtet werden müssen. Hinsichtlich der Beteiligung an einem von der Hochschule durchzuführenden Losverfahren für Studienplätze, die nach Abschluss des ZVS-Vergabeverfahrens freigeblieben sind (§ 26 ZVS-VergabeVO), hat diese Antragstellerin keinen Antrag gestellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.