Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.07.2005, Az.: 2 K 214/05

Anforderungen an die Aufrechnung gegen steuerrechtliche Forderungen im Zeitpunkt der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahren; Anforderungen an die Aufrechnung gegen einen Anspruch auf Eigenheimzulage

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
05.07.2005
Aktenzeichen
2 K 214/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 35488
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2005:0705.2K214.05.0A

Fundstellen

  • GStB 2005, 428
  • NWB direkt 2007, 3

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam gegen einen Anspruch auf Eigenheimzulage aufrechnen konnte.

2

Am 05.07.2004 wurde über das Vermögen des Insolvenzschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger als Insolvenzverwalter bestellt.

3

Der Insolvenzschuldner stellte bereits im Jahre 1999 eine Wohnung auf einem - von seinem Vaterüberlassenen - Grundstück her und zog am 01.12.1999 ein.

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Das Finanzamt setzte im März 2002 in Abänderung eines Bescheides vom April 2000 Eigenheimzulage für den Zeitraum ab dem Jahre 1999 bis 2006 in Höhe von jährlich 2812,11 EUR fest. Der Beklagte rechnete gegen den Anspruch auf Eigenheimzulage des Jahres 2005 mit einem Anspruch auf Zahlung von rückständigen Lohnsteuern für den Zeitraum Februar und April 2004 auf und übersandte dem Insolvenzschuldner hierüber eine Mitteilung.

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Der Beklagte erließ auf Antrag des Insolvenzverwalters und Klägers einen Abrechnungsbescheid, in dem es feststellte, dass die Aufrechnung durch das Finanzamt zulässig gewesen sei.

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Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruch die Klage.

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Der Kläger ist der Auffassung, die Aufrechnung gehe ins Leere. Sie sei nämlich gem. § 96 InsO nicht statthaft. Er, der Insolvenzverwalter, könne - auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens - Zahlung der Eigenheimzulage für den Insolvenzschuldner beanspruchen. Ein Anspruch sei erst dann begründet, sobald der Anspruchsberechtigte in die Wohnung eingezogen sei und die Voraussetzungen des EigZulG vorlägen, nicht aber bereits mit Anschaffung oder Herstellung der Wohnung. Überdies sei Voraussetzung für den Anspruch auf Eigenheimzulage, dass bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschritten würden. Schließlich werde für jedes Kalenderjahr gesondert geprüft, ob die Voraussetzung für eine Gewährung von Eigenheimzulage noch vorlägen.

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Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Abrechnungsbescheid des Beklagten vom 12.04.2005 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25.04.2005 aufzuheben und festzustellen, dass ein Anspruch auf Auszahlung der Eigenheimzulage für das Jahr 2005 besteht.

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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

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und ist weiterhin der Auffassung, die Aufrechung sei wirksam. Eine Aufrechnungslage habe bestanden. Für eine Aufrechnung sei es nämlich ausreichend, wenn der Hauptanspruch, gegen den aufgerechnet werde, zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung dem Grunde nach angelegt sei. Ein Anspruch auf Eigenheimzulage sei auch dann "begründet", wenn der Insolvenzschuldner zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung in die Wohnung zwar noch nicht eingezogen sei, aber diese bereits erworben bzw. hergestellt habe.

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Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Steuerakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat im Abrechnungsbescheid zu Recht festgestellt, dass eine Aufrechnung gegen den Anspruch auf Eigenheimzulage des Jahres 2005 zulässig war.

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Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 105 Abs. 5 FGO auf die Ausführungen des Beklagten im Einspruchsbescheid verwiesen.

14

Ergänzend wird klarstellend aufgeführt:

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1.

Eine Aufrechnung scheiterte - entgegen der Klägerauffassung - nicht an § 96 InsO, insbesondere nicht an § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Die Zulässigkeit einer Aufrechnung durch den Insolvenzgläubiger nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO hängt davon ab, dass die Hauptforderung ihrem Kern nach bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Damit wird die Aufrechnung gegen steuerrechtliche Forderungen ermöglicht, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwar noch nicht i.S. des § 38 AO entstanden, wohl aber insolvenzrechtlich "begründet" sind. Im Insolvenzverfahren des Steuerpflichtigen kommt es nämlich hinsichtlich der Frage, ob ein Anspruch zur Insolvenzmasse gehört (vgl. § 35 InsO) oder ob die Forderung eines Gläubigers eine Insolvenzforderung ist (§ 38 InsO), nicht darauf an, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im steuerrechtlichen Sinne entstanden war, sondern darauf, ob in diesem Zeitpunkt nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch bereits gelegt war. Hierfür können auch zivilrechtliche Umstände maßgeblich sein. Für die Behandlung von Steueransprüchen ergibt sich daraus, dass eine Steuerforderung immer dann Insolvenzforderung i.S. des § 38 InsO ist, wenn sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Weise "begründet" worden ist, dass der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zu der Entstehung der Steueransprüche führt, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist. Nach denselben Grundsätzen muss auch der Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Entstehung, d.h. die Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse (§ 35 InsO) eines steuerrechtlichen Vergütungs- oder Erstattungsanspruchs des Schuldners beurteilt werden (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteile vom 21. September 1993 VII R 119/91, BFHE 172, 308, BStBl II 1994, 83; vom 21. September 1993 VII R 68/92, BFH/NV 1994, 521; vom 17. Dezember 1998 VII R 47/98, BFHE 188, 149, BStBl II 1999, 423; vom 1. August 2000 VII R 31/99, BFHE 193, 1, BStBl II 2002, 323). Auch unter der Geltung der InsO kommt es daher hinsichtlich der Frage, ob ein steuerrechtlicher Anspruch zur Insolvenzmasse gehört oder ob die Forderung des Gläubigers eine Insolvenzforderung ist, nicht darauf an, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im steuerrechtlichen Sinne entstanden war, sondern darauf, ob in diesem Zeitpunkt nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch bereits gelegt war (BFH-Urteil vom 16.11.2004, VII R 75/03, INF 2005, 361).

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Für den Anspruch auf Auszahlung von Eigenheimzulage wird der Rechtsgrund dadurch gelegt, dass das später eigengenutzte Objekt angeschafft bzw. hergestellt worden ist. Nicht maßgeblich ist hingegen für das "Begründetsein" des Anspruchs die tatsächliche Eigennutzung. Dies steht im Einklang zur BFH-Entscheidung vom 16.11.2004 (VII R 75/03, INF 2005, 361), wonach für das "Begründetsein" eines Vorsteuererstattungsanspruches maßgeblich ist, wann ein anderer Unternehmer eine Lieferung oder sonstige Leistung für das Unternehmen des zum Vorsteuerabzug Berechtigten erbracht hat, nicht aber, wann die Rechnung erteilt wird. Für das insolvenzrechtliche "Begründetsein" des Eigenheimzulageanspruchs des Schuldners ist somit - in Parallele zu diesen Erwägungen - die für den Anspruch entscheidende Handlung, nämlich die Anschaffung bzw. Herstellung der Wohnung maßgeblich.

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2.

Diesen Erwägungen steht - entgegen der Klägerauffassung - nicht entgegen, dass der Anspruch auf Eigenheimzulage jedes Jahr gesondert geprüft wird und das - für das Erstjahr der Inanspruchnahme - bestimmte Einkunftsgrenzen maßgeblich sind. Entscheidend für das "Begründetsein" der Forderung ist die Anknüpfung an die Anschaffung bzw. Herstellung als anspruchsbegründende Handlung. Bereits zu diesem Zeitpunkt ist die Forderung "ihrem Kern nach" entstanden.

18

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO. Aufgrund der eindeutigen höchstrichterlichen Rechtsprechung war die Revision nicht zuzulassen.