Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.07.2005, Az.: 11 K 87/05

Anspruch auf Aufhebung eines rechtswidrigen Schätzungsbescheides bei Versäumung der Ausschlussfrist zur Einreichung einer Steuererklärung; Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Anfechtungsklage gegen einen steuerlichen Verwaltungsakt; Pflicht zur Berücksichtigung eingereichter Steuererklärungen bei Einkommensteuerveranlagungen trotz Fristversäumung; Möglichkeit der Verlängerung einer Ausschlussfrist durch die Finanzbehörde

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
15.07.2005
Aktenzeichen
11 K 87/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 32894
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2005:0715.11K87.05.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 22.05.2006 - AZ: VI R 71/05

Fundstellen

  • DStR 2006, VIII Heft 24 (Kurzinformation)
  • DStRE 2006, 979-980 (Volltext mit amtl. LS)
  • NWB direkt 2006, 6

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Frist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG stellt eine Ausschlussfrist dar, die nicht durch die Finanzbehörde verlängert werden kann.

  2. 2.

    Die Aufforderung des Finanzamtes, eine Steuererklärung einzureichen, bewirkt ebenso wenig eine Fristverlängerung wie eine zu Unrecht durchgeführte Veranlagung von Amts wegen.

  3. 3.

    Die Verpflichtung, Steuererklärungen innerhalb der Frist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG vorzulegen, wird durch zuvor erlassene - ggf. rechtswidrige - Schätzungsbescheide nicht tangiert.

  4. 4.

    Versäumt ein Stpfl. die Antragsfrist nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG, so besteht allenfalls ein Anspruch auf Aufhebung eines rechtswidrigen Schätzungsbescheides, nicht aber auf die Durchsetzung eines vom Stpfl. begehrten Erstattungsanspruchs.

Tatbestand

1

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Beklagte verpflichtet ist, die Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 1998 bis 2001 unter Berücksichtigung der eingereichten Steuererklärungen durchzuführen. Weiterhin ist die Rechtmäßigkeit eines Zinsbescheids nach einer gewährten Stundung umstritten.

2

Der Kläger ist ledig und erzielt als Verwaltungsamtsrat in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Mit Kaufvertrag vom xx. Dezember 1994 erwarb er zum 1. Februar 1995 zwei Eigentumswohnungen Nr. 4 und 5 im Haus B.-Straße in O. für insgesamt 300.000 DM.

3

In der Einkommensteuererklärung für 1995 gab der Kläger an, Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung aus diesen Objekten in Höhe von 23.800 DM erzielt zu haben, denen er Werbungskosten in Höhe von 39.700 DM gegenüber stellte.

4

Bei der Abgabe der Einkommensteuererklärung 1996 im Jahr 1998 teilte der Kläger mit, die Anlage V für die beiden Wohnungen werde nachgereicht. Trotz Aufforderung im Veranlagungsverfahren, die Einkünfte zu erklären und dafür die Mietverträge und Nachweise über die erhaltenen Mietzahlungen vorzulegen, wurde die Anlage nicht abgegeben. Bei dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) ergangenen Bescheid 1996 wurden keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt. Zudem stellte der Beklagte fest, dass der Kläger seit dem 1. Juni 1999 in der B.-Straße beim Einwohnermeldeamt der Stadt O. gemeldet war. Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1996 wurde nicht begründet und blieb erfolglos.

5

Für das Jahr 1997 reichte der Kläger keine Einkommensteuererklärung ein. Der Beklagte erließ daher im September 2000 einen Einkommensteuerbescheid auf der Basis geschätzter Besteuerungsgrundlagen. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wurden mit 0 DM berücksichtigt. Der gegen diesen Bescheid erhobene Einspruch wurde nicht begründet und blieb erfolglos.

6

Für die Streitjahre 1998 bis 2001 reichte der Kläger ebenfalls keine Steuererklärungen ein. Der Beklagte erließ daher für diese Jahre Steuerbescheide mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen.

Streitjahre1998199920002001
Berücksichtigte Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit74.000 DM75.000 DM78.000 DM80.000 DM
Einkünfte aus Vermietung/ Verpachtung20.820 DM20.820 DM20.820 DM20.820 DM
Abgabe zur Post21. Mai 200421. Mai 200416. April 200416. April 2004
7

Gegen die Bescheide erhob der Kläger am 4. Mai 2004 bzw. 19. Juni 2004 Einspruch. Zur Begründung legte er dem Beklagten am 18. Mai 2004 für die Streitjahre 2000 und 2001 und am 3. September 2004 für die übrigen Streitjahre Einkommensteuererklärungen vor, die Anlage V für das 1999 wurde am 21. Dezember 2004 nachgereicht.

8

Aus den Erklärungen ergab sich, dass der Kläger neben seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nur Verluste bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erzielt hatte, die er wie folgt bezifferte:

StreitjahrErklärte Verluste aus Vermietung und Verpachtung
199836.700 DM
19999.400 DM
20008.000 DM
20019.400 DM
9

Die Einsprüche hatten insoweit Erfolg, als die angefochtenen Schätzungsbescheide ersatzlos aufgehoben wurden. Soweit der Kläger mit der Abgabe der Steuererklärungen beantragt hatte, darüber hinaus Veranlagungen durchzuführen, wurde der Einspruch zurückgewiesen.

10

Zur Begründung wies der Beklagte darauf hin, dass nach den vorgelegten Erklärungen eine Veranlagung für die Streitjahre nur unter den Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Nr. 8 Einkommensteuergesetz (EStG) zulässig sei. Diese Norm sein allerdings nicht erfüllt, weil die zweijährige Antragsfrist bei Abgabe der Erklärungen bereits abgelaufen sei. Soweit der Kläger eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 Abs. 1 AO beantrage, weil er durch die Schätzungsbescheide zur Abgabe der Steuererklärung gezwungen gewesen sei, könne diese nicht gewährt werden, weil der Kläger keine Gründe vorgetragen habe, warum er an der fristgerechten Abgabe der Erklärungen gehindert gewesen sei.

11

Am xx. April 2004 erließ der Beklagte einen Zinsbescheid in Höhe von 68 EUR wegen einer durch Bescheid vom gleichen Tag gewährten Stundung der Einkommensteuer 2000. Dem Bescheid war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, wonach der Kläger gegen den Verwaltungsakt Einspruch einlegen könne. Der Einspruch sei bei dem oben bezeichneten Finanzamt (dem Beklagten) schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Die Frist für die Einlegung des Einspruchs betrage einen Monat. Sie beginne mit Ablauf des Tages, an dem dem Kläger der Bescheid bekannt gegeben worden sei. Auch wenn der Kläger Einspruch einlege, müsse er die angeforderten Beträge fristgerecht zahlen, es sei denn, dass die Vollziehung des Bescheids ausgesetzt oder Stundung gewährt worden sei.

12

Mit seiner Klage begehrt der Kläger zunächst, dass der Beklagte die Einkommensteuerveranlagungen für die Streitjahre fortsetzt. Zur Begründung weist er darauf hin, dass es sich bei den Einkommensteuerbescheiden um sog. Straf- oder Mondschätzungen handele, weil der Beklagte in willkürlicher Höhe Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung angesetzt habe. Diese seien unzulässig. Weiterhin habe der Beklagte die Steuererklärungen für 2000 und 2001 selbst angefordert, da ansonsten die Aufhebung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide nicht wirksam erfolgen könne. Der Erlass der willkürlichen Steuerbescheide allein auf Initiative des Beklagten verpflichte den Beklagten nunmehr, das eingeleitete Verwaltungsverfahren auch fortzusetzen. Daran habe der Kläger auch ein Interesse, um einer Wiederholungsgefahr vorzubeugen. Zudem habe der Beklagte die eingereichte Steuererklärung etwa sechs Monate nicht bearbeitet und stattdessen wegen der bis dahin festgesetzten Steuern Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet.

13

Weiterhin begehrt der Kläger die Aufhebung des Zinsbescheids. Die Rechtsbehelfsbelehrung sei unzutreffend, weil der Beklagte es versäumt habe, den Kläger darauf hinzuweisen, dass er einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hätte stellen müssen, um seine Zahlungspflicht auszusetzen. Er habe deshalb innerhalb eines Jahres tätig werden dürfen.

14

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom xx. Januar 2005 zu verpflichten, Einkommensteuerbescheide zu erlassen und die überzahlten Steuern an den Kläger zurück zu zahlen, und

den Zinsbescheid vom xx. April 2004 aufzuheben und den Beklagten zur Rückzahlung der entrichteten Zinsen zu verpflichten.

15

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

16

Er hält an seiner im Einspruchsbescheid geäußerten Rechtsansicht fest. Soweit der Kläger die Aufhebung des Zinsbescheids begehre, sei die Klage unzulässig, weil ein Einspruchsverfahren nicht durchgeführt worden sei.

17

Die Beteiligten haben mit Schreiben vom xx. April bzw. xx. Juni 2005 auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Gründe

18

Die Klage ist hinsichtlich der begehrten Aufhebung des Zinsbescheids unzulässig, im Übrigen unbegründet.

19

Die Klage gegen den Zinsbescheid ist unzulässig, weil ein Einspruchsverfahren zur Überprüfung des Zinsbescheids nicht durchgeführt worden ist und die Voraussetzungen für eine Sprungklage oder eine Untätigkeitsklage nicht vorliegen.

20

Nach § 44 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) ist eine Anfechtungsklage gegen einen steuerlichen Verwaltungsakt nur dann zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Gegen den Zinsbescheid, auf den die für Steuern geltenden Vorschriften nach § 239 Abs. 1 Satz 1 AO Anwendung finden, ist der Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO statthaft. Ein Vorverfahren wäre nur dann erfolglos geblieben, wenn der Beklagte durch einen Einspruchsbescheid einen vom Kläger gegen den Zinsbescheid erhobenen Einspruch ganz oder zum Teil als unbegründet zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen hätte. Ein derartiger Verwaltungsakt liegt aber unstreitig nicht vor.

21

Die Voraussetzungen für eine Sprungklage nach § 45 Abs. 1 FGO liegen ebenfalls nicht vor. Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. FGO kann eine Sprungklage nur innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des angefochtenen Verwaltungsakts erhoben werden. Diese Frist war bei Einreichung der Klage am 6. Februar 2005 bereits verstrichen, da der Zinsbescheid gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO drei Tag nach Abgabe zur Post unter Berücksichtigung der Verlängerung wegen des Wochenendes am 3. Mai 2004 bekannt gegeben worden ist.

22

Entgegen der Auffassung des Klägers kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen einer vermeintlich irreführenden Rechtsbehelfsbelehrung nicht in Betracht. War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 56 Abs. 1 FGO). Voraussetzung für die Wiedereinsetzung ist, dass binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses ein diesbezüglicher Antrag gestellt und die versäumte Rechtshandlung vorgenommen wird (§ 56 Abs. 2 Sätze 1 und 3 FGO). Ist letzteres bereits geschehen, kann Wiedereinsetzung auch von Amts wegen gewährt werden (§ 56 Abs. 2 Satz 4 FGO). Der Kläger ist auf die Möglichkeit, gegen den Zinsbescheid rechtzeitig - d. h. innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe - mit einem Einspruch vorzugehen, in der Rechtsbehelfsbelehrung korrekt hingewiesen worden. Die Rechtsbehelfsbelehrung ist zumindest in diesem Punkt auch nicht irreführend, sondern klar und eindeutig. Selbst wenn der Kläger sich über die Notwendigkeit, einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu stellen, geirrt haben sollte, ist dieser Irrtum nicht kausal für die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist. Warum der Kläger letztlich diese Frist versäumt hat, hat er nicht offen gelegt. Auch aus den Akten sind keine Gründe ersichtlich, sodass von seinem Verschulden auszugehen ist.

23

Die Voraussetzungen für eine Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO liegen ebenfalls nicht vor, weil der Kläger bis zur Klageerhebung am 6. Februar 2005 keinen Einspruch gegen den Zinsbescheid erhoben hatte, über den der Beklagte hätte entscheiden können. Selbst wenn man den Antrag des Klägers auf Aufhebung des Zinsbescheids als Einspruch umdeuten würde, lägen die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Satz 2 FGO nicht vor, weil die Frist von sechs Monaten noch nicht verstrichen ist und besondere Umstände für eine Fristverkürzung vom Kläger nicht dargelegt worden sind.

24

Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

25

Das Begehren des Klägers ist als Verpflichtungsklage auf Erlass abgelehnter Verwaltungsakte nach § 40 Abs. 1 Fall 2 FGO statthaft. Zwar gilt auch die Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung nach § 155 Abs. 1 Satz 3 AO als anfechtbarer Steuerbescheid. Wird aber die Ablehnung von der Finanzbehörde wie im Streitfall auf formelle Gründe gestützt, ist gleichwohl nur die Verpflichtungsklage gegeben (FG Köln, Urteil vom 10. Juni 1999 7 K 448/96, EFG 1999, 1020, rkr.).

26

Der Kläger ist klagebefugt im Sinne des § 40 Abs. 2 FGO, obwohl er den Erlass von Steuerbescheiden mit einer festzusetzenden Einkommensteuer beantragt. Nur im Rahmen der beantragten Steuerfestsetzung können die beim Kläger von seinem Bruttoarbeitslohn einbehaltenen Lohnsteuern nach § 36 Abs. 2 Satz 2 EStG angerechnet werden, die derzeit zur Abgeltung der Einkommensteuer dient (§ 46 Abs. 4 Satz 1 EStG). Bei der Abrechnung nach § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG würde sich im Ergebnis durch die möglicherweise anzuerkennenden Verluste bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eine noch höhere Erstattung zu seinen Gunsten ergeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - kann mit dem Ziel der Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen auch eine dem Steuerpflichtigen als solche ungünstige Steuerfestsetzung begehrt werden (BFH, Urteile vom 8. November 1985 VI R 238/80, BStBl II 1986, 186 f.; vom 16. März 1990 VI R 90/86, BStBl II 1990, 610).

27

Die Verpflichtungsklage ist unbegründet.

28

Die Ablehnung des Beklagten, den Kläger für die Streitjahre unter Berücksichtigung der Steuererklärungen zur Einkommensteuer zu veranlagen, ist im Sinne von § 101 Satz 1 FGO nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen für die in den Streitjahren allein in Betracht kommende Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 EStG sind nicht erfüllt, weil die Einkommensteuererklärungen erst nach Ablauf von zwei Jahren nach Ende der Veranlagungszeiträume beim Beklagten eingegangen sind. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Beklagte auch nicht verpflichtet, die begehrten Veranlagungen durchzuführen, weil er zuvor rechtswidrige Schätzungsbescheide erlassen hat.

29

Nach § 46 Abs. 2 EStG ist eine Einkommensteuerveranlagung nur unter den Voraussetzungen der Nr. 1 bis 8 durchzuführen, wenn das Einkommen des Steuerpflichtigen - wie im Streitfall das des Klägers - ganz oder zum Teil aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit besteht, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist. Die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG liegen nicht vor, sodass die begehrten Veranlagungen nur im Rahmen des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG erfolgen könnten. Eine derartige Veranlagung setzt nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EStG einen Antrag des Steuerpflichtigen voraus, der in der Form einer Steuererklärung innerhalb von zwei Jahren nach Ende des Veranlagungszeitraums zu stellen ist. Bei dieser Frist handelt es sich um eine Ausschlussfrist, die nicht durch die Finanzbehörde verlängert werden kann (BFH, Urteil vom 3. Juni 1986 IX R 121/83, BStBl II 1987, 421, 423 m. w. N.). Die Aufforderung durch das Finanzamt, eine Steuererklärung einzureichen, bewirkt ebenso wenig wie eine zu Unrecht durchgeführte Veranlagung von Amts wegen eine Fristverlängerung (BFH, Urteil vom 8. Mai 1979 VIII R 78/77, BStBl II 1979, 676; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Oktober 1996 6 K 223/95, EFG 1997, 671). Die Steuererklärungen wurden alle im Jahr 2004 und damit verspätet abgegeben.

30

Die Verpflichtung des Klägers, die Steuererklärungen innerhalb der Frist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG einzureichen, wird nicht durch den Umstand berührt, dass der Beklagte zuvor Schätzungsbescheide erlassen hatte. Die zur Vorgängernorm in § 71 Abs. 2 Einkommensteuerdurchführungsverordnung entwickelten Grundsätze über das "Aufgreifen des Steuerfalls" durch das Finanzamt sind durch die heute geltende Gesetzesfassung nicht mehr anwendbar (vgl. FG Köln, Urteil vom 10. Juni 1999 7 K 448/96, EFG 1999, 1020 m. w. N.).

31

Entgegen der Auffassung des Klägers folgt aus dem Umstand, dass der Beklagte zuvor Schätzungsbescheide erlassen hatte, nicht seine Verpflichtung, nunmehr im Rahmen des Einspruchsverfahrens die begehrten Veranlagungen durchzuführen. Die in § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG geregelte Ausschlussfrist steht nicht zur Disposition des Finanzamts, sondern ist von ihr und auch vom Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen (Hess. FG, Urteil vom 17. Juni 2003 13 K 134/03, JURIS STRE200470517). Der Beklagte war nur verpflichtet, die ursprünglichen Schätzungsbescheide aufzuheben, nachdem er erkannte, dass eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 EStG nicht zulässig war (vgl. BFH, Beschluss vom 8. September 2003 VI B 165/02, BFH/NV 2004, 42). Nachdem der Beklagte dies im Einspruchsverfahren getan hat, gehen die Einwände des Klägers gegen die den Bescheiden zugrunde liegenden Schätzungen fehl, denn durch die Schätzungsbescheide ist er nunmehr nicht mehr beschwert. Der Kläger kann eine Veranlagung nicht durch eine Änderung der Schätzungsbescheide erreichen, weil der von ihm begehrte Erstattungsanspruch wegen des Versäumnisses der Antragsfrist aus verfahrensrechtlichen Gründen erloschen ist (FG Berlin, Urteil vom 25. Februar 2005 1 K 1432/04, JURIS STRE200570765).

32

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 Abs. 1 AO wegen des Versäumnisses der Antragsfrist kommt ebenfalls nicht in Betracht. Der Kläger hat keine Gründe vorgetragen, warum er die Steuererklärungen nicht innerhalb der Frist von zwei Jahren abgeben konnte. Solche sind auch aus den Akten nicht ersichtlich.

33

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.