Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 15.11.2023, Az.: 16 U 121/22

Anspruch auf Schadensersatz wegen des Erwerbs eines PKW mit einer illegalen automatischen Abgasabschalteinrichtung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
15.11.2023
Aktenzeichen
16 U 121/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 52567
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 27.11.2019 - AZ: 2 O 40/19

Redaktioneller Leitsatz

Der in einer unzulässigen Abschalteinrichtung liegende Gesetzesverstoß des Fahrzeug- und Motorherstellers allein ist nicht ausreichend, dessen Gesamtverhalten als sittenwidrig zu qualifizieren. Denn eine Prüfstandserkennungssoftware zielt unmittelbar auf eine Täuschung der Typengenehmigungsbehörde ab und steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung des Fahrzeugerwerbers in der Bewertung gleich, während eine Abschalteinrichtung (dort Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems) nicht von Vornherein durch Arglist geprägt ist. Auch müssten sich die betreffenden Personen bei der Entwicklung bzw. Installation der Abschalteinrichtung darüber bewusst gewesen sein, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen haben.

In dem Rechtsstreit
M. L., ...,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...,
gegen
1. Audi AG, ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
2. Audi H. GmbH, ...,
Beklagte und frühere Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte zu 1:
Anwaltsgesellschaft ...,
Prozessbevollmächtigte zu 2:
Anwaltsbüro ...,
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 21. September 2023 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 27. November 2019 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichtes Hildesheim wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtstreites.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Berufungswert: bis 45.000 EUR.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt von der nunmehr in der Berufungsinstanz allein noch beteiligten Beklagten zu 1 als Herstellerin Schadensersatz im Zusammenhang mit der Betroffenheit seines Fahrzeuges vom sog. "Dieselskandal".

Er erwarb am 14. Februar 2017 einen gebrauchten PKW Audi A6 Avant 3.0 TDI Euro 6 plus, versehen mit einem Motor des Typs EA8972Evo und einer Laufleistung von 26.929 km für 46.800 € fremdfinanziert, wobei das Darlehen zwischenzeitlich abbezahlt ist. Er verkaufte den PKW im Februar 2022 für 20.000 € mit einem Kilometerstand von 166.000 km. Das Kraftfahrt-Bundesamt (im Folgenden: KBA) erteilte am 12. Dezember 2018 (Anlage K17) einen Rückruf, der das Fahrzeug betraf, zur Entfernung "unzulässiger Abschalteinrichtungen bzw. der unzulässigen Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems". Das KBA hat eine Aktualisierung der Motorensoftware des streitgegenständlichen Pkws angeordnet und am 12. November 2018 ein entsprechendes Software-Update freigegeben; dieses wurde am 4. Januar 2019 auf den Pkw des Klägers aufgespielt.

In der Freigabe des Updates mit Bescheid vom 12. November 2018 (Anlage BE 8) führte das KBA auszugsweise aus:

" (...)

Die durch die Audi AG zur Verfügung gestellte Software wurde durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) analysiert, zusätzlich wurden die Dokumentationen der Emissionsstrategien geprüft. Zum Nachweis der Vorschriftsmäßigkeit wurden Verifizierungsmessungen eines vom SNCH benannten Technischen Dienstes vorgelegt. Folgende Sachverhalte wurden durch das KBA mit dem dargestellten Ergebnis überprüft:

- Nichtvorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen Ergebnis: Es wurde keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt.

- Offenlegung zulässiger Abschalteinrichtungen

Ergebnis: Die vorhandenen Abschalteinrichtungen wurden als zulässig eingestuft.

Die Änderungen der Applikation haben auf folgende Sachverhalte keinen Einfluss und wurden durch die Messungen der ATE EL bestätigt:

- Schadstoffemissionen und Dauerhaltbarkeit von emissionsmindernden Einrichtungen

- Kraftstoffverbrauchswerte und CO2-Emissionen

- Motorleistung und maximales Drehmoment

- Geräuschemissionen

(...)"

Der Kläger hat behauptet, dass der Motor des Typs EA897 - wie der EA189-Motor - mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form einer "schnellen Motoraufwärmfunktion" versehen sei, was im Realbetrieb zu einem erhöhten Stickstoffausstoß führe. Zudem verursache das Software-Update Folgeschäden. Demgegenüber haben die Beklagten bestritten, dass die Motorsteuerungssoftware nicht den gesetzlichen Vorgaben entspreche. Sie weise keine Umschaltlogik bzw. keinen Warmlaufmodus für den SCR-Katalysator auf.

Das Landgericht, auf dessen Urteil sowohl wegen der aufgrund des erstinstanzlichen Parteivortrags getroffenen Feststellungen wie auch der gestellten Anträge Bezug genommen wird, hat die Klage, diese auch gerichtet gegen die nicht mehr beteiligte Beklagte zu 2, abgewiesen.

Hiergegen hat sich die Berufung des Klägers gerichtet, mit der er zunächst im Wesentlichen die in erster Instanz geltend gemachten Ansprüche weiterverfolgt hat. Der 7a. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes Celle hat mit Urteil vom 31. März 2021 die Berufung zurückgewiesen; mit Urteil vom 16. Dezember 2021 hat der Bundesgerichtshof die Berufungsentscheidung betreffend die Beklagte zu 1 aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Betreffend die Beklagte zu 1 hat der Kläger in der Berufungsinstanz zunächst behauptet, dass die Aufheizstrategie nahezu nur im NEFZ wirke (Strategie A) und beim Betrieb des SCR-Katalysators zwei unterschiedlich wirksame Betriebsarten zur Eindüsung von Reagens verwendet würden (Strategie D), was ausgehend von einer Prüftstandserkennung einen Anspruch aus § 826 BGB begründe. Er hat beantragt, die Beklagte zu 1 zu verurteilen, 49.681,15 € nebst Zinsen abzüglich der Zahlung einer Nutzungsentschädigung in EUR pro gefahrenem km seit dem 23.02.2017 zu zahlen, die sich nach folgender Formel berechnet: (46.800,00 EUR x gefahrene Kilometer: 500.000 km), Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs Audi A6. Mit Verkauf des PKW hat er mit Schriftsatz vom 6. April 2022 einen umgestellten Antrag angekündigt und zwar die Verurteilung zur Zahlung von 29.681,15 € nebst Zinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung von 23.834,54 €, hierbei ausgehend von einer Gesamtfahrleistung eines solchen Fahrzeuges von 300.000 km. Wegen des Verkaufserlöses von 20.000 € hat er die Klage für erledigt erklärt und im Übrigen diese zurückgenommen.

Aufgrund der durch den Senat eingeholten ergänzenden Auskunft des KBA vom 2. August 2022 (Bl. 68 f Bd. V) meint der Kläger allerdings nur noch, dass § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art 46 der Richtlinie 2007/46 i.V.m. Art. 5 VO (EG) 715/2007 greife, ohne dass ein vorsätzlich sittenwidriges Handeln verlangt werde. Denn das KBA habe bestätigt, dass das streitgegenständliche Fahrzeug wegen der Verwendung einer "unzulässigen Abschalteinrichtung hinsichtlich des Emissionsverhaltens" zurückgerufen worden sei, weil die Reduzierung der einspritzenden AdBlue-Menge bei einer Restreichweite von 2.400 km eine solche unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Richtlinie darstelle. Die Beklagte zu 1. habe durch die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung das streitgegenständliche Fahrzeug zusammen mit einer nicht den Genehmigungsvoraussetzungen entsprechenden Übereinstimmungsbescheinigung in den Verkehr gebracht. Es sei - unter Verweis auf die Auffassung des Generalanwalts des EuGH - von einer schuldhaften, d.h. zumindest fahrlässigen Schutzgesetzverletzung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6, 27 Abs. 1 EG-FGV auszugehen.

Mit Schriftsatz vom 7. September 2023 hat er schließlich - die Entscheidungen des BGH vom 26.06.2023 berücksichtigend - mit neuem Antrag lediglich noch den Differenzschaden von 10 % des einstig gezahlten Kaufpreises von 46.800,00 EUR, mithin 4.680,00 EUR abzüglich Nutzungen verlangt. Das Fahrzeug sei aufgrund der unstreitigen Herabsetzung des Wirkungsgrads der AdBlue-Einspritzung in dem SCRKatalysator des streitgegenständlichen Fahrzeugs, wenn die Restmenge AdBlue im Tank nur noch für eine verbleibende Fahrstrecke von 2.400 km ausreiche, vom Abgasskandal betroffen und mit einem Makel behaftet, der unmittelbar zu einem geringeren Wiederverkaufswert führe bzw. geführt habe. Anzurechnen sei, ausgehend von einem Wert bei Vertragsschluss von lediglich 42.120,00 EUR, nur in dem Umfang, in dem die Klagepartei höhere Vorteile gezogen habe. Die gezogenen Nutzungsvorteile beliefen sich auf 23.834,54 € wie folgt:

Kaufpreis für das Fahrzeug (46.800,00 EUR) x gefahrenen Kilometer (139.071 km): voraussichtliche Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt (300.000 km - 26.929 km =273.071 km). Weiter sei der marktwertgerechte Erlös von 20.000,00 € anzusetzen. Nutzungsvorteile (23.834,54 EUR) und Restwerts (20.000,00 EUR) ergäben 43.834,54 EUR, was den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Kauf (42.120,00 EUR) um 1.714,54 EUR übersteige, so dass ein damit verrechneter Differenzschaden von 2.965,46 € zu zahlen sei.

In Höhe des Veräußerungserlöses von 20.000,00 EUR sowie der seit Klageerhebung bis zur Veräußerung gefahrenen Kilometer (hinsichtlich der Berechnung des Nutzungsersatzes) hat er die Klage für erledigt erklärt. Hinsichtlich der Differenz der nun geforderten 2.965,46 EUR zu den mit Schriftsatz vom 06. April 2022 noch geforderten 5.846,61 EUR hat er die Berufung zurück genommen.

Erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2023 hat der Kläger behauptet, dass in dem Fahrzeug zudem ein Thermofenster im Sinne einer Abschalteinrichtung vorhanden sei, indem bereits ab der Unterschreitung eines Temperaturbereiches von 17ºC die Abgasreinigung reduziert werde und nicht mehr zu 100 % - wie sonst technisch bei diesem Fahrzeug gegeben - funktioniere. Die Beklagte hat dies mit nachgelassenem Schriftsatz bestritten. Sie verweist darauf, dass auch das KBA bis heute davon ausgehe, dass es sich bei dem im streitgegenständlichen Fahrzeug bedateten Thermofenster nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele. Es diene dazu plötzliche und unvorhersehbare Motorschäden zu vermeiden und einen sicheren Fahrzeugbetrieb zu gewährleisten (Art. 5 Abs. 2 S. 2 lit a VO (EG) 715/2007) und es sei nicht während des überwiegenden Teils eines Jahres unter den im Unionsgebiet herrschenden tatsächlichen Fahrbedingungen aktiv.

Der Kläger beantragt zuletzt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils,

die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an die Klagepartei 2.965,46 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte zu 1 beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 1) behauptet, dass in der - einzig vorhandenen - optimierten Dosierstrategie nach Erreichen von 2.400 km AdBlue-Restreichweite keine unzulässige Abschalteinrichtung zu sehen sei. Es mangele an einem sittenwidrigem Verhalten. Der Differenzschaden entfalle bereits aufgrund des Software-Updates. Hierdurch werde die Gefahr von Betriebsbeschränkungen vollständig beseitigt, zumal unter Berücksichtigung der von der Klagepartei gezogenen Nutzungen sowie des aktuellen Restwerts des streitgegenständlichen Fahrzeugs ein etwaig verbleibender Differenzschaden aufgezehrt bzw. gemindert werde. Maßgeblich sei eine mögliche Gesamtlaufleistung von 250.000 km. Die anzurechnende Nutzungsentschädigung belaufe sich demnach auf Basis einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km auf EUR 29.176,91. Zudem sei der Verkauf mit einem Preis von 20.000 € nicht marktgerecht. Der Restwert des streitgegenständlichen Fahrzeugs betrage nach einer DAT-Abfrage für den 21. Februar 2022 unter Zugrundelegung einer Laufleistung des Fahrzeugs von 166.000 Kilometern EUR 21.805,00. Es mangele schließlich an einem Verschulden. Die Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs müssten über ein Warnsystem verfügen, das den Fahrer darüber informiere, wenn der AdBlue-Füllstand niedrig sei. Der durch das KBA beanstandete Bestandteil der Motorsteuerungssoftware garantiere, dass das Fahrzeug in jedem Fall noch 2.400 km gefahren werden könne, selbst wenn das Fahrzeug mit einem einhergehend erhöhten AdBlue-Verbrauch betrieben werde. Dies habe der Sicherstellung der geforderten Reagens-Restreichweite und damit der Verwirklichung des Zwecks von Abs. 8.5. lit. a) Anhang XVI VO (EG) 692/2008 gedient. Die Auffassung des KBA dazu sei nicht eindeutig, wie es selbst einräume, mithin die Auffassung der Beklagten dazu vertretbar. Sie unterliege sonst zudem einem unvermeidbaren Verbotsirrtum.

Der Senat hat zu den Behauptungen des Klägers Beweis erhoben mit Beschluss vom 10. März 2022 (Bl. 8 ff Bd. V) durch Einholung einer ergänzenden Auskunft des KBA. Wegen des Ergebnisses wird auf die Auskunft des KBA vom 2. August 2022 verwiesen (Bl. 68 f Bd. V).

II.

Die verbliebene, gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache ist sie jedoch nicht begründet.

Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung, die angegriffen wird, auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Zur Überzeugung des Senats liegen solche Berufungsgründe nicht vor. Das Landgericht hat die Klage vielmehr zu Recht abgewiesen. Die hiergegen vom Kläger erhobenen Einwände greifen nicht durch. Auch die hiernach ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung führt zu keinem abweichenden Ergebnis. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1.

a) Ein Anspruch aus § 826 BGB scheidet bereits nach dem Vorbringen des Klägers aus. Denn der Kläger hat zuletzt nicht mehr behauptet, dass ihn die Beklagte zu 1 sittenwidrig gemäß §§ 826, 31 BGB geschädigt habe, insbesondere eine Prüfstandserkennung in dem PKW von ihr verbaut worden sei. Auf Grundlage der durch den Senat eingeholten ergänzenden Auskunft des KBA vom 2. August 2022 (Bl. 68 f Bd. V) geht er vielmehr zutreffend und folgerichtig davon aus, dass allenfalls § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46 i.V.m. Art. 5 VO (EG) 715/2007 in Betracht komme, ohne dass ein vorsätzlich sittenwidriges Handeln verlangt werde. Er verweist dazu auf die vom KBA bestätigte unzulässige Abschalteinrichtung, weil die AdBlue-Menge bei einer Restreichweite von 2.400 km reduziert wird. Seine ursprünglichen Behauptungen haben sich indes nicht bestätigt. Dieses Ergebnis genügt damit nicht für eine deliktische Haftung der Beklagten zu 1 gem. §§ 826, 31 BGB, wonach diese die Motorsteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps vorsätzlich mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen und die Genehmigungsbehörde, d.h. das KBA, hierüber arglistig getäuscht haben müsste (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 26; BGH, Urteile jeweils vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19, VI ZR 367/19 und VI ZR 397/19; jew. juris). Der in einer unzulässigen Abschalteinrichtung liegende Gesetzesverstoß des Fahrzeug- und Motorherstellers allein ist nicht ausreichend, dessen Gesamtverhalten als sittenwidrig zu qualifizieren. Denn eine Prüfstandserkennungssoftware zielt unmittelbar auf eine Täuschung der Typengenehmigungsbehörde ab und steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung des Fahrzeugerwerbers in der Bewertung gleich, während eine Abschalteinrichtung (dort Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems) nicht von Vornherein durch Arglist geprägt ist. Auch müssten sich die betreffenden Personen bei der Entwicklung bzw. Installation der Abschalteinrichtung darüber bewusst gewesen sein, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021, aaO, Rn. 26-28). Dies ist nicht dargetan.

b) Insoweit ist zudem die einseitige Teilerledigung bezüglich des ursprünglichen Antrages, gerichtet auf den großen Schadensersatz in Höhe des Veräußerungserlöses von 20.000,00 EUR sowie der seit Klageerhebung bis zur Veräußerung gefahrenen Kilometer (hinsichtlich der Berechnung des Nutzungsersatzes), unbegründet. Denn ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB hatte bei einer lediglich in Betracht kommenden Abschalteinrichtung nach obigen Ausführungen von vornherein keine Erfolgsaussicht, und auch im Übrigen bestand für das ursprüngliche Klagebegehren keine Anspruchsgrundlage. Insbesondere haftet die Beklagte zu 1 wegen der fehlenden Stoffgleichheit zwischen einer etwaigen Vermögenseinbuße des Klägers und den denkbaren Vermögensvorteilen der Beklagten nicht nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, juris Rn. 24). Auch eine Haftung der Beklagten mit dem Ziel eines großen Schadensersatzes aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV scheidet aus, weil die vorgenannten Bestimmungen der EG FGV nicht den Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezwecken und damit nicht dessen Interesse dienen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 aaO Rn. 11).

2. Soweit der Kläger zuletzt unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 26. Juni 2023 (VIa ZR 335/21) lediglich den Differenzschaden gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV verlangt, kommt dieses zwar bei einer Abschalteinrichtung, wie sie vorliegend durch das KBA festgestellt wurde, in Betracht, führt jedoch ebenfalls nicht zum Erfolg.

a) Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte zu 1 ausgehend von ihrem Vorbringen dazu ausnahmsweise kein Verschulden trifft. Der Fahrzeughersteller muss jedenfalls, wenn er eine Übereinstimmungsbescheinigung trotz der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgegeben und dadurch § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV verletzt hat, im Fall der Inanspruchnahme nach § 823 Abs. 2 BGB Umstände darlegen und beweisen, die sein Verhalten zum maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufs des Fahrzeugs durch den Kläger ausnahmsweise nicht als fahrlässig erscheinen lassen. Das setzt zunächst die Darlegung und erforderlichenfalls den Nachweis eines Rechtsirrtums seitens des Fahrzeugherstellers voraus. Der Fahrzeughersteller muss u.a. darlegen und beweisen, dass sich sämtliche seiner verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne des § 31 BGB über die Rechtmäßigkeit der vom Käufer dargelegten und erforderlichenfalls nachgewiesenen Abschalteinrichtung mit allen für die Prüfung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bedeutsamen Einzelheiten im maßgeblichen Zeitpunkt im Irrtum befanden oder im Falle einer Ressortaufteilung den damit verbundenen Pflichten genügten. Beruft sich der Fahrzeughersteller weder auf eine tatsächliche oder hypothetische Genehmigung der zuständigen Behörde noch auf einen externen qualifizierten Rechtsrat, sondern auf selbst angestellte Erwägungen, ist ihm eine Entlastung verwehrt, wenn mit Rücksicht auf die konkret verwendete Abschalteinrichtung eine nicht im Sinne des Fahrzeugherstellers geklärte Rechtslage hinreichend Anlass zur Einholung eines Rechtsrats bot. Ebenso scheitert eine Entlastung, wenn sich der Hersteller mit Rücksicht auf eine nicht in seinem Sinn geklärte Rechtslage erkennbar in einem rechtlichen Grenzbereich bewegte, schon deshalb eine abweichende rechtliche Beurteilung seines Vorgehens in Betracht ziehen und von der eventuell rechtswidrigen Verwendung der Abschalteinrichtung absehen musste (BGH, Urteil vom 25. September 2023 - VIa ZR 1/23, Rn. 15 ff). Darauf ob die Beklagte zu 1 dem genügt hat, kommt es jedoch nicht an.

b) Denn der ggf. schuldhaft verursachte Differenzschaden ist einzelfallbezogen durch das Software-Update vorliegend ausgeschlossen, auch wenn zum grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses dieses noch nicht aufgespielt war und eine Abschalteinrichtung bestand. Denn dass für die Schätzung des Differenzschadens auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist, schließt eine schadensmindernde Berücksichtigung später eintretender Umstände im Wege der Vorteilsausgleichung, deren Voraussetzungen der Fahrzeughersteller darzulegen und zu beweisen hat, nicht aus. Insofern gelten die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe zum "kleinen" Schadensersatz nach § 826 BGB sinngemäß (vgl. BGHZ 230, 224 Rn. 23 f. = NJW 2021, 3041; BGH NJW-RR 2022, 1033 Rn. 17). Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs sind erst dann und nur insoweit schadensmindernd anzurechnen, als sie den Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags (gezahlter Kaufpreis abzüglich Differenzschaden) übersteigen (vgl. BGH 24.1.2022 - VIa ZR 100/21, BeckRS 2022, 3567 Rn. 22). Beruft sich der Fahrzeughersteller auf die nachträgliche Verbesserung des Fahrzeugs durch ein Software-Update, kann damit eine Schadensminderung indessen nur verbunden sein, wenn und soweit das Software-Update die Gefahr von Betriebsbeschränkungen signifikant reduziert. Das wiederum kann nur dann der Fall sein, wenn es nicht seinerseits eine unzulässige Abschalteinrichtung beinhaltet. Die Vorteilausgleichung kann der Gewährung auch eines Schadensersatzes aus § 823 II BGB entgegenstehen, wenn der Differenzschaden vollständig ausgeglichen ist. Der Schutz der unionsrechtlich gewährleisteten Rechte führt nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten (BGH Urteil vom 26.6.2023 - VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 80, beck-online).

So liegt es hier, wenn unter Berücksichtigung der ergänzenden Auskunft des KBA vom 2. August 2022 (Bl. 68 f Bd. V) die ursprünglich unzulässige Abschalteinrichtung Restreichweitenfunktion durch das Software-Update entfernt wurde. Das KBA hat eine Aktualisierung der Motorensoftware des streitgegenständlichen Pkws angeordnet und am 12. November 2018 ein entsprechendes Software-Update freigegeben, das am 4. Januar 2019 auf den Pkw des Klägers aufgespielt wurde. Das KBA hat als Ergebnis festgestellt, dass ohne das von dem KBA freigegebene, Anfang des Jahres 2019 durch die Beklagte zu 1 aufgespielte Update eine Betriebsuntersagung erfolgt wäre, was offensichtlich nicht geschehen ist, so dass die Gefahr von Betriebsbeschränkungen signifikant reduziert, wenn nicht gar ausgeschlossen ist (vgl. ebenso Oberlandesgericht München Beschluss vom 14.09.2023 - 19 U 6224/22 zur Restweitenfunktion in einem Pkw Audi A6 allroad quattro 3.0 TDI, 200 kW, 2967 ccm, Euro 6). In der Freigabe des Updates vom 12. November 2018 (Anlage BE 8) führte das KBA aus, dass es die durch die Beklagte zur Verfügung gestellte Software analysiert und die Dokumentationen der Emissionsstrategien geprüft habe mit dem Ergebnis keiner unzulässigen Abschalteinrichtungen und keiner Auswirkungen der Änderungen der Applikation auf Schadstoffemissionen und Dauerhaltbarkeit von emissionsmindernden Einrichtungen, Kraftstoffverbrauchswerte und CO2-Emissionen, Motorleistung und maximales Drehmoment sowie Geräuschemissionen. Insoweit mag bis zur Beseitigung dieser Funktion ein Differenzschaden rechnerisch bestanden haben, der jedoch durch das Update vollständig kompensiert wurde. Soweit der Kläger erstinstanzlich behauptet hat, dass das Update weitere Schäden verursache, verbleibt dies gänzlich im Allgemeinen und lässt offen, was dies für Schäden sein sollten. Insbesondere setzt er sich aber auch nicht mit den späteren Feststellungen des KBA in seiner Auskunft vom 2. August 2022 auseinander. Seine allgemeine Behauptung ist mithin nicht geeignet, dieses Ergebnis einer vollständigen Beseitigung in Frage zu stellen.

Soweit der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2023 behauptet hat, dass in dem Fahrzeug ein Thermofenster derart implementiert sei, dass die Abgasreinigung ab einer Außentemperatur unterhalb von 17 °C reduziert werde, war dieses gemäß § 531 II Nr. 3 ZPO als verspätet nicht zuzulassen. Lediglich unstreitiges bzw. streitiges, jedoch unverschuldet nicht erstinstanzlich vorgebrachtes neues Vorbringen wäre zu berücksichtigen, was nicht gegeben ist. Denn die Beklagte hat diese erstmalige Behauptung mit Substanz bestritten, zumal nicht jedes Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt. Gründe, warum der Kläger diese Behauptung nicht bereits in erster Instanz hätte vortragen können, sind nicht dargetan. Er dürfte diese vielmehr spontan ins Blaue hinein aufgestellt haben.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 Satz 2, 713 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.