Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 06.11.2023, Az.: 13 W 37/23
Sofortige Beschwerde gegen einen Ordnungsmittelbeschluss des Landgerichts
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 06.11.2023
- Aktenzeichen
- 13 W 37/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 50762
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade - 18.04.2023 - AZ: 8 O 72/21
Rechtsgrundlage
- § 793 ZPO
Fundstellen
- WRP 2024, 218-219
- ZAP 2024, 576
In der Beschwerdesache
pp.
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Richter am Oberlandesgericht K., den Richter am Oberlandesgericht Dr. B. und den Richter am Oberlandesgericht S. am 6. November 2023 beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers wird - unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde - der Ordnungsmittelbeschluss des Landgerichts Stade vom 18. April 2023 in Gestalt seines Abhilfebeschlusses vom 14. Juni 2023 dahin abgeändert, dass gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld von 10.000 €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, je 2.000 € ein Tag Ordnungshaft, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Schuldnerin, verhängt wird.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
I.
Die gegen den Ordnungsmittelbeschluss des Landgerichts Stade vom 18. April 2023 (Bl. 266 ff. d.A.) in Gestalt seines Abhilfebeschlusses vom 14. Juni 2023 (Bl. 286 d.A.) gerichtete sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 29. Juni 2023 (Bl. 292 ff. d.A.) ist zulässig und teilweise begründet.
1. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers ist gemäß § 793 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
2. Die Beschwerde ist teilweise begründet.
Der Gläubiger hatte beantragt, die Beschwerde der Schuldnerin gegen den ursprünglichen Ordnungsmittelbeschluss zurückzuweisen (Bl. 281 d.A.). Daraus ergibt sich, dass er ein Ordnungsgeld in der zunächst vom Landgericht festgesetzten Höhe von 20.000 € für angemessen hält.
Das ursprünglich festgesetzte Ordnungsgeld von 20.000 € war jedoch übersetzt; der im Rahmen der Abhilfeentscheidung auf 2.000 € herabgesetzte Betrag ist hingegen zu niedrig bemessen. Angemessen ist ein Ordnungsgeld von 10.000 € (hierzu nachfolgend Buchst. c).
a) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Der Gläubiger hat zwischenzeitlich auch den Vollstreckungstitel - die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils des Landgerichts vom 14. März 2022 - im Original vorgelegt, wie es gemäß § 724 Abs. 1 ZPO grundsätzlich bei jeder Zwangsvollstreckungsmaßnahme - abgesehen von hier nicht gegebenen Ausnahmen (z.B. §§ 754a, 829a ZPO) - erforderlich ist (BeckOK ZPO/Ulrici, 49. Ed. 1.7.2023, ZPO § 724 Rn. 6).
b) Das Urteil enthält auch die gemäß § 890 Abs. 2 ZPO erforderliche Ordnungsmittelandrohung.
c) Die Schuldnerin hat schuldhaft gegen das titulierte Verbot verstoßen, was sie auch nicht in Abrede nimmt.
d) Der Senat hält in Bezug auf den in Rede stehenden Verstoß ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000 € für geboten, aber auch ausreichend.
aa) Bei der Bemessung eines Ordnungsgeldes sind Art, Umfang und Dauer der Verletzungshandlung zu berücksichtigen; weiter können der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglicher künftiger Verletzungshandlungen für den Verletzten eine Rolle spielen, ebenso die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zuwiderhandelnden (BeckOK ZPO/Stürner, 49. Ed. 1.7.2023, § 890 Rn. 49 mwN).
bb) Nach dieser Maßgabe wird unter Berücksichtigung aller Umstände ein Ordnungsgeld von 10.000 € als angemessen angesehen.
(1) Es handelt sich um einen Verstoß von erheblichem Gewicht, bei dem das Verschulden der Schuldnerin auch nicht als gering zu bewerten ist.
Das durch das Landgericht ausgesprochene Verbot war von dem Zeitpunkt an zu befolgen, als der Senat mit Beschluss vom 5. Oktober 2022, der Schuldnerin zugestellt am 20. Oktober 2022 (Bl. 226 d.A.), die Berufung zurückgewiesen und ausgesprochen hat, dass das angefochtene Urteil für den Kläger ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist. Gleichwohl hat die Schuldnerin die Werbung für das betroffene Produkt und dessen Vertrieb bis zur Zustellung des Ordnungsmittelantrags am 1. März 2023 (Bl. 261R d.A.) - somit für einen Zeitraum von über vier Monaten - fortgesetzt und das Produkt nach eigenem Vorbringen noch 24 Mal verkauft.
Entgegen der Auffassung der Schuldnerin handelte es sich nicht nur um leichte Fahrlässigkeit. Die Schuldnerin hat hierzu vorgetragen, der mit der Artikelpflege des Onlineshops beauftragte externe Dienstleister sei von ihr telefonisch beauftragt worden, das Produkt vom Webshop zu nehmen (vgl. die von der Schuldnerin vorgelegte Stellungnahme eines Mitarbeiters des Dienstleisters, Anlage B 1). Erst aufgrund des Ordnungsmittelantrags sei bemerkt worden, dass dies unterblieben sei und sie das Produkt weiterhin zum Verkauf angeboten habe. Auch wenn dieses - von dem insoweit beweisbelasteten Gläubiger nicht widerlegte - Vorbringen zu Grunde gelegt wird, hat die Schuldnerin die sie treffenden Sorgfaltsanforderungen nicht nur geringfügig verletzt. Die Schuldnerin war gehalten, zeitnah zu überprüfen, ob der erteilte Auftrag zur Auslistung des Produkts ordnungsgemäß umgesetzt wurde. Dies lag gerade auch deshalb auf der Hand, weil sie den Auftrag nur telefonisch erteilt hatte und deshalb eine erhöhte Gefahr bestand, dass der Auftrag bei dem Dienstleister vergessen oder aufgrund von Missverständnissen nicht ordnungsgemäß umgesetzt wird. Es begründet ein erhebliches Verschulden, dass die Schuldnerin dieser naheliegenden Überprüfungspflicht über einen Zeitraum von etwa 4 Monaten nicht nachgekommen ist, sodass die irreführende Werbung noch längere Zeit fortgesetzt wurde und das Produkt vielfach verkauft werden konnte.
(2) Durch den Verstoß wurden die von dem Gläubiger vertretenen Interessen derjenigen Mitglieder, bei denen es sich um Mitbewerber der Schuldnerin im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG handelt, in erheblichem Maß verletzt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass von einem derartigen, objektiv auf die Irreführung der Verbraucher angelegten Produktvertrieb eine Nachahmungsgefahr ausgeht. Die redlichen Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln und ähnlichen Produkten des betroffenen Marktes haben ein grundlegendes Interesse daran, dass sich nicht Mitbewerber durch eine solche Irreführung Vorteile verschaffen.
(3) Zutreffend ist allerdings, dass nicht zu Lasten der Schuldnerin davon ausgegangen werden kann, dass sie durch den fortgesetzten Verstoß bereits größere wirtschaftliche Vorteile erlangt hat. Nach ihrem Vorbringen, das der insoweit beweisbelastete Gläubiger nicht widerlegt hat, hat sie durch den fortgesetzten Verkauf des Produkts insgesamt nur Erlöse von ca. 380 € erzielt. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Schuldnerin mit ihrer unzulässigen Werbung in ihrem Internetshop auch für das Produkt als solches wirbt, was auch dessen Verkauf durch Dritte fördern kann. Auch die bloße Werbung - ohne eigenes Inverkehrbringen des Produkts - wird von dem titulierten Verbot erfasst. Das beworbene Produkt ist auch über (zumindest) eine Internetapotheke verkauft worden. Dort wird als "Anbieter" die B. M. S. GmbH genannt (Anlage Ast 5). Deren Mehrheitsgesellschafterin ist die Schuldnerin, sodass ihr auch dieser Produktabsatz indirekt wirtschaftlich zu Gute kommt.
(4) Schließlich ist bei der Bemessung des Ordnungsgeldes auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Schuldnerin zu berücksichtigen. Bei einem nicht in Abrede genommenen Jahresumsatz von ca. 2,5 Millionen Euro (Bl. 302 d.A.) hält der Senat im Ergebnis ein Ordnungsgeld von 10.000 € für angemessen, um die Schuldnerin ausreichend spürbar für ihren Verstoß zu sanktionieren und zukünftig von weiteren Verstößen abzuhalten.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 2, § 97 Abs. 1 ZPO.