Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 31.10.2000, Az.: 8 W 53/00
Bemessung des Streitwertes für das selbständige Beweisverfahren; Bewertung des Interesses des Antragsstellers bei noch nicht anhängigem Hauptsacheprozess; Berichtigung der vom Antragstellet gemachten Angaben zum Streitwert durch Ermittlungen eines Sachverständigen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 31.10.2000
- Aktenzeichen
- 8 W 53/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 23100
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2000:1031.8W53.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - 04.09.2000 - AZ: 1 OH 67/99
Rechtsgrundlage
- § 3 ZPO
Fundstelle
- BauR 2001, 1145-1146 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 31. Oktober 2000
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegner zu 1. und 2. wird der Streitwertbeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 04.09.2000 - 1 OH 67/99 - abgeändert. Der Streitwert für das selbständige Beweisverfahren wird auf 31.129,00 DM festgesetzt, davon im Verhältnis der Antragsteller zu den Antragsgegnern zu 1-4 auf 31.129,00 DM, im Verhältnis der Antragsteller zu dem Antragsgegner zu 5. auf 3.190,00 DM und im Verhältnis der Antragsteller zu dem Antragsgegner zu 6. auf 1.590,00 DM.
Die - etwa - weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Auslagen sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde der. Antragsgegner ist zulässig (vgl. § 25 Abs. 3 GKG) und auch begründet. Der Streitwert war auf die Beschwerde der Antragsgegner zu 1. und 2. unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses wie geschehen festzusetzen.
I.
Ob sich der Streitwert für das selbständige Beweisverfahren immer nach dem Hauptsachewert richtet oder ob nur ein Bruchteil davon anzusetzen ist, ist umstritten (vgl. zur Darstellung des Sach- und Streitstandes: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 57. Aufl., Anhang zu § 3 Rdnr. 102; Zöller-Herget, ZPO, 21. Aufl., 3 Rdnr. 16 "Selbständiges Beweisverfahren"; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl. "Selbständiges Beweisverfahren"). Der Senat folgt der überwiegenden und auch von anderen Senaten des Oberlandesgerichts Braunschweig jetzt vertretenen Auffassung (5. Zivilsenat OLG Report Braunschweig 1995, 147; 2. Zivilsenat OLG Report Braunschweig 1997, 84), wonach der Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens dem Streitwert der Hauptsache entspricht, zu deren Vorbereitung oder Beilegung selbständig Beweis erhoben wird. Denn das selbständige Beweisverfahren ist gleichsam die Vorwegnahme der Beweisaufnahme im Rahmen des in Aussicht genommenen Hauptprozesses (vgl. § 493 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsanwalt erhält dementsprechend im selbständigen Beweisverfahren auch die vollen Gebühren, die allerdings auf die in einem späteren Hauptsacheverfahren entstehenden anzurechnen sind (vgl. § 13 Abs. 2, 48, 31, 37 Nr. 3 BRAGO). Schließlich soll das selbständige Beweisverfahren nicht nur der Vorbereitung des Hauptsacheverfahrens dienen, sondern insbesondere dieses möglichst vermeiden (vgl. § 485 Abs. 2 S. 2 ZPO). Das gilt allerdings nur, wenn und soweit sich die Streitgegenstände des selbständigen Beweisverfahrens und des Hauptprozesses decken (vgl. OLG Braunschweig, OLG Report Braunschweig 1995, 147).
Danach sind die Kosten, die für die Beseitigung der geltend gemachten Mängel erforderlich sind, für die Bemessung des Streitwertes maßgeblich.
Der Streitwert ist nach dem materiellen Interesse des Antragstellers, das gemäß § 3 ZPO zu schätzen ist, festzusetzen, so dass es entscheidend auf die Bewertung der zu sichernden Ansprüche ankommt und damit in aller Regel der Hauptsachestreitwert zur Zeit der Einreichung des Antrags auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens maßgeblich ist (vgl. § 4 Abs. 1 ZPO) (so Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 9. Aufl., Rdnr. 145).
Ist dagegen - wie hier - ein Hauptsacheprozess noch nicht anhängig, ist das Interesse des Antragstellers nach dem Umfang der von ihm behaupteten Gewährleistungsansprüche, die es zu sichern gilt, zu bewerten (so Werner/Pastor, a.a.O., Rdnr. 145; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., Anhang § 3 Rdnr. 102).
Teilweise wird hierzu die Auflassung vertreten, dass die von dem Antragsteller bei Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens zum Streitwert gemachten Angaben nach Eingang des Sachverständigengutachtens entsprechend den Ermittlungen des Sachverständigen zu berichtigen sind, weil der Antragsteller sich "verschätzt" habe und nur der objektive Wert maßgeblich sei, die Angaben des Antragstellers dagegen das Gericht nach § 23 Abs. 1 GKG nicht bindeten (so Werner/Pastor, a.a.O., Rdnr. 146; Zöller-Herget, a.a.O., § 3 Rdnr. 16 "Selbständiges Beweisverfahren"; sowohl auch OLG Düsseldorf Baurecht 1999, 788 - nur Leitsatz).
Der Senat vermag diese Ansicht jedenfalls in den Fällen nicht zu folgen, in denen der Antragsteller sein nach § 3 ZPO maßgebliches Interesse nachvollziehbar dargelegt hat. Das ist etwa in den Fällen gegeben, in denen der Antragsteller sein Interesse etwa durch ein Sachverständigengutachten oder einen Kostenvoranschlag, aus denen sich die voraussichtlichen Kosten der Mängelbeseitigung ergeben, nachvollziehbar dargetan hat. Wollte man auch in diesen Fällen stets die sich aus einem einzuholenden Sachverständigengutachten ergebenden Beträge für eine Mängelbeseitigung als Maßstab annehmen, könnte das möglicherweise dazu führen, dass das Interesse mit "0" zu bewerten wäre, wenn etwa ein Sachverständiger zu dem Ergebnis kommt, dass die behaupteten Mängel nicht vorliegen und somit keine Kosten zu deren Beseitigung entstehen können. Dafür, dass ganz wesentlich das Interesse des Antragstellers maßgeblich ist, spricht überdies, dass der Streitwert in einem auf Zahlung gerichteten Rechtsstreit sich nach dem Antrag der Kläger richtet - und nicht nach dem letztlich vom Gericht rechtskräftig ausgeurteilten Betrag.
Etwas anderes gilt dann, wenn der Antragsteller ohne tatsächliche Grundlage den Streitwert "ins Blaue hinein" angibt oder wenn er dazu überhaupt keine Angaben macht. In diesen Fällen ist für die nach § 3 ZPO vorzunehmende Schätzung der etwa von einem Sachverständigen ermittelte Betrag zur Mängelbeseitigung eine geeignete Schätzungsgrundlage.
II.
Danach ergibt sich für das vorliegende selbständige Beweisverfahren ein Streitwert von 31.129,00 DM, der sich wie folgt ermittelt:
Das Interesse der Antragsteller an der Beweissicherung im Keller ist mit 18.925,00 DM zu bewerten.
Dazu ist für die Schäden am Mauerwerk im Keller ein Betrag von 15.300,00 DM zugrunde zu legen, wie er sich aus der von den Antragstellern mit der Antragsschrift eingereichten gutachterlichen Stellungnahme des Dipl.-Ing. ... vom 15.04.1998 (Seite 7, Ablichtung Bl. 12 d.A.) ergibt. Dass der gerichtlich bestellte Sachverständige Dipl.-Ing. ... in seinem Gutachten vom 31.08.2000 für die Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden an den Innen- und Außenwänden zu einem Betrag von 50.200,00 DM netto kommt, muss dabei nach dem oben Gesagten unberücksichtigt bleiben, weil die Antragsteller sachlich begründet den Betrag von 15.300,00 DM aufgeführt haben.
Hinzukommen die Beträge für den Einbau von Kellerfenstern und für das ordnungsgemäße Verschließen der früheren Außentür. Hierfür ist von den Beträgen auszugehen, die der Sachverständige Dipl.-Ing. ... in seinem Gutachten vom 31.08.2000 mit brutto 3.625,00 DM geschätzt hat (Kellerfenster 1.800,00 DM + Wand/Kellertür 1.325,00 DM + 16 % Mehrwertsteuer). Denn diese beiden Punkte waren in dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. ... nicht enthalten.
Für die Terrasse ist wiederum der von dem Sachverständigen Dipl.-Ing. Nachtigal zugrunde gelegte Betrag von 1.590,00 DM zur Bewertung des Interesses der Antragsteller heranzuziehen.
Für die Trennwand im Dachgeschoß sowie für die Wohnungseingangstüren waren die von dem Sachverständigen Dipl.-Ing. ... in seinem Gutachten vom 31.08.2000 angenommenen Beträge von 3.190,00 DM (2.750,00 DM + 16 % Mehrwertsteuer) und von 7.424,00 DM (6.400,00 DM + 16 % Mehrwertsteuer) zur Bewertung des Interesses der Antragsteller maßgeblich. Denn diese von den Antragstellern geltend gemachten Mängel sind in der gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen Dipl.-Ing. Nachtigal vom 15.04.1998 nicht begutachtet und demgemäß auch nicht bewertet worden, so dass hierfür von dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. Bossler auszugehen ist.
Dabei war der Streitwert im Verhältnis zu den Antragsgegnern zu 1-4 sowie zu den Antragsgegnern zu 5 und 6 unterschiedlich festzusetzen, weil die Antragsgegner zu 5 und 6 als Handwerker nur die Wohnungstrennwand bzw. die Terrassenabdeckung hergestellt haben.
III.
Die Entscheidung über die Gerichtsgebühren und außergerichtlichen Auslagen folgt aus § 25 Abs. 4 GKG.