Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 30.12.2021, Az.: 8 U 55/19

Ansprüche nach Erwerb eines vermeintlich vom Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs; Unbeachtlichkeit von Behauptungen zum Vorhandensein einer Abschalteinrichtung "ins Blaue hinein"; Zulässigkeit eines Thermofensters

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
30.12.2021
Aktenzeichen
8 U 55/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 64107
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 28.02.2019 - AZ: 7 O 1246/18

In dem Rechtsstreit
AA, Ort1,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
gegen
BB AG, vertreten durch den Vorstand, Ort2,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 23. Dezember 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht (...), den Richter am Landgericht (...) und die Richterin am Oberlandesgericht (...)
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 28. Februar 2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Das Urteil ist wie auch das angefochtene Urteil vorläufig vollstreckbar.

[Entscheidungsgründe]

I.

Der Kläger kaufte am 17. April 2014 von der Fa. CC GmbH & Co. KG einen gebrauchten Pkw1 zum Kaufpreis von 27.577 € brutto, in dem ein Dieselmotor der Baureihe Typ1 eingebaut ist. Das Fahrzeug unterliegt der Schadstoffklasse Euro 5. Zum Zeitpunkt der Übergabe wies das Fahrzeug einen Kilometerstand von 26.924 km auf.

Der Kläger verlangt von der Beklagten als Herstellerin des Motors aus deliktischer Haftung im Wesentlichen die Erstattung des Kaufpreises unter Abzug einer Nutzungsentschädigung sowie des zwischenzeitlich erzielten Weiterveräußerungserlöses und trägt vor, in seinem Fahrzeug seien verschiedene unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut.

Wegen der Feststellungen und weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), mit dem das Landgericht die Klage abgewiesen hat.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen ergänzt und vertieft. Außerdem trägt der Kläger in der Berufungsinstanz neu vor, dass sein Fahrzeug über ein sog. Thermofenster verfüge, welches die Abgasrückführung bei kühleren Temperaturen zurückfahre. Außerdem komme eine Lenkwinkelerkennung zum Einsatz. Sobald das Lenkrad um mehr als 15°gedreht werde, werde auf die Schaltpunkte des Getriebes Einfluss genommen. Die Schaltpunkte des Motors seien bei kaltem Motor ohne Lenkradwinkeleinschlag höher als nach einem Lenkradeinschlag. Dadurch würden auf dem Teststand geringere CO2- und NOX-Werte sowie ein niedriger Verbrauch als im normalen Straßenverkehr gemessen.

Der Kläger beantragt zuletzt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 18.668 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 % seit dem 17. April 2014 bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, abzüglich eines Nutzungsersatzes in Höhe von 14.595,28 €.

hilfsweise,

2. festzustellen, dass die Berufungsbeklagte verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus der Ausstattung des Fahrzeugs der Marke DD vom Typ Pkw1 mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) (...) mit der manipulierten Motorsoftware durch die Berufungsbeklagte resultieren,

3. festzustellen, dass der in Antrag zu 1) bezeichnete Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten herrührt,

4. die Beklagte zu verurteilen, ihm die durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.666,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen und ihn von weiteren 410,79 € freizustellen,

höchst hilfsweise,

5. die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft darüber zu erteilen, welche Motorsteuerungssoftware im streitgegenständlichen Fahrzeug

a. DD

b. Pkw1

c. (...)

verbaut ist sowie auch Auskunft darüber zu erteilen, welche Funktionen und welche Arbeitsweise des Abgasreinigungssystems durch die Motorsteuerungssoftware ausgelöst werden.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Rückabwicklung des abgeschlossenen Kaufvertrags.

a) Eine Haftung der Beklagten gemäß § 311 Abs. 3 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht.

Die Beklagte hat durch das Ausstellen der EG-Übereinstimmungserklärung nicht nach § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen. Ein so weitgehender Erklärungsgehalt kommt der Übereinstimmungsbescheinigung nicht zu. Denn mit der Ausstellung gibt die Beklagte als Herstellerin des Fahrzeugs dem Halter lediglich dasjenige Dokument an die Hand, welches er benötigt, um sein Fahrzeug bei der zuständigen Straßenverkehrsbehörde zuzulassen. Nach dem objektiven Empfängerhorizont ist einer solchen Erklärung keine besondere persönliche Inanspruchnahme von Vertrauen durch den Hersteller zu entnehmen, insbesondere wenn - wie hier - keine Umstände ersichtlich sind, aufgrund derer ein über die Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 6, 27 EG-FGV hinausgehender Erklärungsgehalt der Übereinstimmungsbescheinigung anzunehmen wäre (vgl. u.a. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 29. Januar 2021 - 11 U 113/20, juris Rn. 57; OLG München, Beschluss vom 28. Mai 2021 - 8 U 6521/20, juris Rn. 15 mwN).

b) Der Kläger kann den geltend gemachten Schadensersatzanspruch auch nicht aus §§ 826, 31 BGB herleiten.

aa) Den Schadensersatzanspruch kann der Kläger nicht mit Erfolg auf die bestrittene Behauptung stützen, dass das Fahrzeug eine als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizierende Prüfstanderkennungssoftware aufweise, die bewirke, dass nur auf dem Prüfstand Abgaswerte gemessen würden, die die zur Einhaltung der Abgasnorm Euro 5 erforderlichen Grenzwerte einhalte (GA I 7), indem ausschließlich dort die NOX-Emissionen durch innermotorische Maßnahmen insbesondere der Abgasrückführung oder im Rahmen der Abgasnachbehandlung reduziert würden (GA I 14 ff.). Bei den hierauf bezogenen Behauptungen des Klägers handelt es sich um unbeachtliche Behauptungen "ins Blaue hinein".

(1) Hierbei ist im Ausgangspunkt zwar zu berücksichtigen, dass es einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt ist, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann. Eine Behauptung ist erst dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufgestellt worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2020 - VIII ZR 57/19, juris, Rn. 8).

(2) Auch unter Berücksichtigung dieser strengen Voraussetzungen stellen sich die entsprechenden Behauptungen des Klägers als Behauptungen "ins Blaue hinein" dar. Im Streitfall betreffen alle Umstände oder Indizien, auf die der Kläger sich beruft, nicht den streitgegenständlichen, sondern einen anderen Motorentyp oder andere Motorenvarianten.

(a) Soweit der Kläger mit der Abschalteinrichtung beim Motor Typ2 argumentiert (vgl. etwa GA I 13, GA III 33 f.), ist sein Vortrag für den vorliegenden Fall unbehelflich. Denn unstreitig ist das streitgegenständliche Fahrzeug mit einem anderen Motor des Typs1 EU5 ausgestattet. Die Behauptung des Klägers, dass auch dieser Motor über eine entsprechende Abschalteinrichtung verfüge, wie es beim Typ2 der Fall ist, wird erkennbar ins Blaue hinein aufgestellt und ist durch nichts stichhaltig belegt. Allein der Umstand, dass es sich um den Nachfolgemotor handelt, lässt nicht ohne Weiteres den Schluss zu, dass die Beklagte auch bei diesem Motortyp illegale Abschalteinrichtungen verwendet hat. Über diese Unterstellung hinaus hätte der Kläger greifbare, als solche für sein Fahrzeug schlüssige Anhaltspunkte vorgetragen müssen, die seine Vermutung nachvollziehbar erscheinen lassen. Solche greifbaren Anhaltspunkte trägt er jedoch zum Motor seines Fahrzeugs weder vor noch sind sie für den Senat ersichtlich. Die Behauptung des Klägers, dass der hier streitgegenständliche Motor mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet sei, wie dies bei den Motoren Typ2 der Fall war, ist reine Spekulation.

(b) Der Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 8. Dezember 2016 (Anl. K2, Anl-Bd.) lässt sich für den streitgegenständlichen Motor Typ1 Euro 5 nichts entnehmen. Allein der vom Kläger geäußerte allgemeine Verdacht gegen die von dem sogenannten "Abgasskandal" betroffenen Unternehmen der deutschen Automobilindustrie ist noch nicht geeignet, jedes von diesen Unternehmen hergestellte und/oder vermarktete Auto bzw. die entsprechenden Motoren unter den Generalverdacht einer Manipulation zu stellen.

(c) Auch die Pressemitteilung des International Council on Clean Transportation (ICCT) ist für den Streitfall nicht aussagekräftig, da sie sich auf Prüfungen zum Schadstoffausstoß von Dieselfahrzeugen in den USA im realen Fahrbetrieb bezieht. Für das streitgegenständliche Fahrzeug der Abgasnorm Euro 5 (Baujahr 2013, vgl. GA I 149) ist jedoch nach den gesetzlichen Vorgaben ausschließlich die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte unter Laborbedingungen (im Folgenden: NEFZ) maßgeblich (s. Erwägungsgrund Nr. 15 VO (EG) 715/2007). Erst am 1. September 2017 sind in Europa ergänzend zum zugleich eingeführten WLTP-Zyklus (Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure) die neuen Regelungen zu den RDE (Real Driving Emissions) für neu typgeprüfte Pkw-Modelle in Kraft getreten.

Abgesehen davon lässt sich der Pressemitteilung ein Bezug zum streitgegenständlichen Motor Typ1 Euro 5 nicht entnehmen.

Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Messergebnisse sich auf die in den USA für den Schadstoffausstoß geltenden Grenzwerte beziehen, die für den Streitfall nicht maßgeblich sind. Im Übrigen hat die Beklagte unstreitig vorgetragen, dass die in den USA genutzten Motoren des Typs Typ1 angesichts der dort geltenden strengeren Grenzwerte auf einer anderen Technologie und einer anderen Software beruhen als die für den europäischen Markt entwickelten Motoren des Typs Typ1 (GA I 206). Dies ergibt sich auch aus dem als Anlage K32 vorgelegten Bericht vom 17. Oktober 2015 (Anlagenband I), der sich mit für den US-Markt vorgesehenen Fahrzeugen befasst. Die als Anlage K33 vorgelegte Berichterstattung vom 20. Oktober 2015 bezieht sich auf den Bericht Anlage K32, so dass ihr ebenfalls keine Anhaltspunkte für das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen in für den europäischen Markt hergestellten Motoren des Typs Typ1 zu entnehmen sind. Auch die Pressemitteilung der Beklagten vom 13. Juni 2018 (GA II 21 R f.) bezieht sich auf den für den US-Markt entwickelten Dieselmotor des Typs Typ1 (Gen3).

(d) Angesichts dessen sind auch die Mitteilung der US-Umweltbehörde United States Environmental Protection Agency vom 18. September 2015 (Anlage K4, Anlagenband I) sowie der Mitteilung des California Air Resources Board vom selben Tag (Anlage K4, Anlagenband I) und die Pressemitteilung der Beklagten vom 11. Januar 2017 über eine Vergleichsvereinbarung mit der US-Regierung (Anlage K6, Anlagenband I) für den Streitfall nicht aussagekräftig. Der Anlage K5 lässt sich zudem entnehmen, dass sich die Messungen auf Fahrzeuge mit NSK-Katalysator (Gen 1: Lean NOX Trap technology) und SCR-Katalysator (Gen2: Selective Catalytic Reduction) beziehen; im Übrigen wurde der Stickoxidausstoß im realen Fahrbetrieb ("real world driving conditions") gemessen.

(e) Aus den klägerischen Ausführungen zu Manipulationen bei den Motorentypen 3.0 V6 TDI und 4.2 V8 TDI und der hierzu erfolgten Berichterstattung (Artikel des Focus vom 1. Juni 2017, Anlage K8; Nachricht des Portals juris vom 28. Juli 2017, Anlage K9; Artikel des Spiegel Ausgabe 24/2017, Anlage K10, jeweils Anlagenband I) lassen sich ebenso wenig wie aus der sich auf die Motoren V6 und V8 beziehenden Bundestags-Drucksache 18/13118 vom 14. Juli 2017 (Anlage K7, Anlagenband I) Anhaltspunkte für die vom Kläger behauptete unzulässige Abschalteinrichtung im Motor seines Fahrzeugs gewinnen.

(f) Auch die Artikel "Das Auto-Syndikat" in der Spiegel-Ausgabe 30/2017, "Ende eines Kartells" in der Spiegel-Ausgabe 31/2017 sowie "Unter der Käseglocke" in der Spiegel-Ausgabe 31/2017 (Anlagen K12, K13 und K17, Anlagenband I) enthalten keine Anhaltspunkte für eine unzulässige Abschalteinrichtung im Streitfall, da sich die Berichterstattung auf Absprachen hinsichtlich solcher Fahrzeuge bezieht, die mit einem SCR-System und AdBlue-Technologie ausgestattet sind. Das Fahrzeug des Klägers enthält jedoch keinen SCR-Katalysator.

(g) Gleiches gilt für den Bericht der Tagesschau vom 20. August 2017 (Anlage K18, Anlagenband I).

(h) Der als Anlage K14 vorgelegte Rückruf bezieht sich unstreitig nicht auf den streitgegenständlichen Motor.

(i) Der als Anlage K19 vorgelegte Bericht der Süddeutschen Zeitung "Der Red Adair von BB" enthält ebenfalls keinen Bezug zum Motor Typ1 Euro 5.

(j) Die im ADAC Eco-Test, Ausgabe 2/2017, dargestellten Messergebnisse wurden im WLTP-Zyklus erhoben, für das Fahrzeug des Klägers ist jedoch die Einhaltung der Grenzwerte im NEFZ maßgeblich. Der Verweis auf das Messergebnis zu dem Pkw2 ist darüber hinaus unergiebig, weil das entsprechende Fahrzeug - anders als das klägerische Fahrzeug - über einen NSK-Katalysator verfügt.

(k) Auch die Pressemitteilung des International Council on Clean Transportation (ICCT) vom 3. September 2019 (Anlage K30, Anlagenband I) taugt nicht als Anhaltspunkt für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Fahrzeug des Klägers. Ein Bezug zum Streitfall ist nicht erkennbar; die Messungen wurden außerdem im realen Fahrbetrieb durchgeführt.

(l) Auch die Testreihe der Emissions Analytics Limited (EAL) führt die Messungen unter realen Bedingungen auf der Straße durch (vgl. GA I 19); die als Anlage K31 vorgelegten Ergebnisse sind daher für den Streitfall nicht aussagekräftig.

(m) In zweiter Instanz beruft sich der Kläger auf einen Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft Braunschweig aus dem Juni 2018 (GA II 22) und eine Rückrufaktion des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) hinsichtlich des Pkw3, Schadstoffklasse Euro 6 (GA II 23 R). Dieses Vorbringen betrifft wiederum andere Fahrzeuge mit anderen Motoren.

Der online abrufbaren Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 13. Juni 2018 zu dem genannten Bußgeldbescheid lässt sich entnehmen, dass die Staatsanwaltschaft Abgasmanipulationen bei den Dieselmotoren des BB-Konzerns Typ Typ2 festgestellt hatte, hinsichtlich des Motorentyps Typ1 aber nur für den Markt der USA hergestellte Modelle betroffen waren, nämlich des Typs Typ1 Gen. 3 NAR, zu denen das Aggregat im Fahrzeug des Klägers nicht gehört.

Dies gilt auch für die Rückrufaktion betreffend Fahrzeuge der Beklagten vom Modell Pkw3 mit Motoren der Schadstoffklasse Euro 6. Hinzu kommt, dass dieser Rückruf nach der vom Kläger in Bezug genommenen Rückrufdatenbank des KBA nicht wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung, sondern aufgrund einer Konformitätsabweichung erfolgte.

(n) Der Kläger beruft sich in zweiter Instanz ferner auf einen Bericht des SWR vom 13. September 2019 (GA II 94), der sich mit dem Motor Typ1 und internen Unterlagen der Beklagten befasst. Sowohl der Artikel als auch die in dem Artikel erwähnten internen Unterlagen beziehen sich aber nicht auf den in dem Fahrzeug des Klägers verwendeten Euro-5-Motor, sondern auf Motoren, die der Abgasnorm Euro 6 unterfallen und - anders als das streitgegenständliche Fahrzeug des Klägers - einen SCR-Katalysator enthalten. Gleiches gilt, soweit der Kläger auf die Beschreibung der SCR-Dosierungsstrategie im Zyklus und außerhalb des Zyklus in der "Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien & Freigabeverfahren Typ1" vom 18. November verweist (GA II 94). Auch die Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 5. April 2019 (GA II 96) und der Bericht des ADAC vom 29. Juli 2019 (GA II 96 R) beziehen sich auf Fahrzeuge mit SCR-System.

(o) Dasselbe gilt für den auf der Homepage der Tagesschau veröffentlichten und vom Kläger in Bezug genommenen Presseartikel vom 4. Dezember 2019 (GA II 180), mit dem der gleiche Autor auf seine für den SWR erfolgte Presseberichterstattung im September 2019 Bezug nimmt und die Rechtsansicht vertritt, dass das On-Board-Diagnosesystem der betroffenen Fahrzeuge "nicht wie vom Gesetz vorgeschrieben" arbeite. Diesem Presseartikel lässt sich nicht entnehmen, dass sich dieser Bericht auch auf solche Fahrzeuge bezieht, die der Abgasnorm Euro 5 unterfallen. Vielmehr ergibt sich nicht nur aus der Bezugnahme auf die vorherige Presseberichtserstattung, sondern auch aus der Beschreibung der vermeintlichen Fehlfunktion des On-Board-Diagnosesystems, dass sich auch dieser Bericht auf Fahrzeuge bezieht, die der Abgasnorm Euro 6 zuzuordnen sind. Der Autor des Presseartikels meint, das On-Board-Diagnosesystem müsse bei einer Grenzwertüberschreitung von 240 mg/km eine Fehlermeldung auslösen. Hierbei handelt es sich um den OBD-Grenzwert für Fahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 6 unterfallen (vgl. Anhang XI Nr. 2.3.2. der Verordnung (EG) Nr. 692/2008). Demgegenüber beträgt der OBD-Grenzwert für der Abgasnorm Euro 5 unterfallende Fahrzeuge 540 mg/km (vgl. Anhang XI Nr. 2.3.1. der Verordnung (EG) Nr. 692/2008).

(p) Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich auch aus den in Bezug genommenen zwei Sätzen aus dem Dokument "Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien & Entscheidungsvorgaben Typ2" (Anlage BK 3, GA II 141.; im Folgenden: Applikationsrichtlinie Typ2)

"Es gilt grundsätzlich (Typ2/Typ1) die Zusage, dass bei Modellpflegen oder Programmpunkten, bei denen künftig das MSG angefasst wird, die Funktion auch ausgebaut wird.

Reines "Ausbedaten" der Funktion vom KBA bestätigt!"

nicht herleiten, dass in den Motoren der Baureihe Typ1 die in den Motoren der Baureihe Typ2 verwendete "Umschaltfunktion" verwendet worden wäre. Der in diesem Zusammenhang verwendete Begriff der Funktion bezieht sich ersichtlich nicht auf die in den Motoren der Baureihe Typ2 verwendete prüfstandsoptimierende AGR-Umschaltlogik, sondern auf die in beiden Motorbaureihen verwendete Fahrkurvenerkennung. Eine andere Interpretation des in der Applikationsrichtlinie Typ2 verwendeten Begriffs der "Funktion" ließe sich insbesondere nicht mit einer Vielzahl von amtlichen Auskünften des KBA in Einklang bringen, durch die das KBA mitgeteilt hat, in den Motoren der Baureihe Typ1 weder eine prüfstandsoptimierende AGR-Umschaltlogik noch sonstige unzulässige Abschalteinrichtungen festgestellt zu haben. Exemplarisch lässt sich insoweit auf die amtlichen Auskünfte vom 11. November 2020 gegenüber dem Landgericht Bonn (Anlage BB1, Anlagenband II) und vom 8. März 2021 gegenüber dem Landgericht Achaffenburg (Anlage BB2, Anlagenband II) verweisen, die sich auf den in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verwendeten Motortyp (Typ1 (...) EU5) beziehen. In der Auskunft vom 11. November 2020 heißt es unter anderem:

"Dazu kann ich Ihnen mitteilen, dass der Motor des oben genannten streitgegenständlichen Fahrzeugmodells im Rahmen der Marktüberwachungstätigkeiten einer umfassenden Prüfung unterzogen wurde und nach unseren Erkenntnissen keine unzulässige Abschalteinrichtung aufweist. [...] Eine prüfstandsoptimierende Umschaltlogik kann somit hier nicht bestätigt werden.

Zur Sachverhaltsaufklärung kann ich Ihnen mitteilen, dass das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) umfangreiche Untersuchungen an Fahrzeugen im Zusammenhang mit den Motoren des Entwicklungsauftrags (...) Typ1 durchgeführt hat. Diese Prüfungen waren im März 2020 noch nicht abgeschlossen. In Bezug auf den im streitgegenständlichen Fahrzeug verwendeten Motor Typ1 (...) EU5 wurden die Untersuchungen zwischenzeitlich mit dem Ergebnis, dass keine unzulässige Abschalteinrichtung vorhanden ist, abgeschlossen."

Vergleichbare Aussagen lassen sich auch der amtlichen Auskunft vom 8. März 2021 entnehmen:

"Es wurde weder bei dem zuvor genannten Fahrzeug [Anmerkung des Senats: Pkw4, EU5, Typ1] noch bei einem anderen Fahrzeug, welches ein Aggregat des Typ1 aufweist und durch das KBA untersucht wurde, eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt. [...]

Die Funktion "Umschaltlogik" in der Motorsteuerung der Aggregate des Typ1 wird seitens des KBA nicht als unzulässige Abschalteinrichtung beurteilt. Der bloße Verbau einer Fahrkurvenenerkennung ist nicht unzulässig, solange die Funktion nicht als Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Abs. 10 der Verordnung (EG) 715/2007 genutzt wird. Prüfungen im KBA zeigen, dass auch bei Deaktivierung der Funktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten werden, sodass es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt."

Nach alledem kann mit dem Begriff der "Funktion", deren Ausbedatung das KBA bestätigt hat, nur die Fahrkurvenerkennung gemeint sein. Denn die Ausbedatung einer vermeintlichen AGR-Umschaltlogik (auch) in den Motoren der Baureihe Typ1 konnte das KBA bereits deshalb nicht bestätigen, weil das KBA ausweislich der amtlichen Auskünfte gerade nicht festgestellt hat, dass die in den Motoren der Baureihe Typ2 verwendete AGR-Umschaltlogik auch in den Motoren der Baureihe Typ1 verwendet worden wäre.

(q) Allein der Umstand, dass eine Fahrkurve auch in Motoren des Typs Typ1 existiert, stellt für sich genommen keinen greifbaren Anhaltspunkt für eine Abschalteinrichtung dar, sofern hieran keine Funktionalität geknüpft ist, mittels derer die NOx-Emissionen auf dem Prüfstand in grenzwertrelevanter Weise optimiert werden. Dem vom Kläger zitierten Schreiben der Beklagten an das KBA vom 29. Dezember 2015 lassen sich entsprechende Anhaltspunkte für den Streitfall nicht entnehmen, nachdem dort lediglich pauschal das Aggregat Typ1 Erwähnung findet.

(r) Die vom Kläger in Bezug genommene Pressemitteilung des Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) vom 23. April 2021 bezieht sich pauschal auf die Motorenfamilie Typ1, ohne dass konkret das streitgegenständliche Fahrzeugmodell genannt wird oder auch nur eine Differenzierung nach Schadstoffklassen erfolgt. Das genügt nicht, um den erforderlichen Bezug zum Streitfall herzustellen. Auch das Zitat aus dem Urteil des OLG Naumburg vom 9. April 2021 (8 U 68/20) vermag entsprechenden Sachvortrag nicht zu ersetzen.

(s) Der vom Kläger angeführte Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft Braunschweig bezieht sich auf solche Motoren des Aggregats Typ1, die der Schadstoffklasse Euro 6 angehören. Das streitgegenständliche Fahrzeug fällt jedoch unter die Schadstoffklasse Euro 5. Im Übrigen vermag eine fahrlässige Aufsichtspflichtverletzung keine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB zu stützen.

bb) Auch mit der Behauptung einer Reduzierung der CO2- und NOX-Werte des Fahrzeugs unter den Bedingungen des aufgrund einer Lenkwinkelerkennung erkannten Prüfstands infolge einer Getriebeeinwirkung (GA II 21R) dringt der Kläger nicht durch.

(1) Das hinsichtlich der angeblich emissionsrelevanten Getriebeeinwirkung streitige Vorbringen ist nicht zulassungsfähig nach § 531 Abs. 2 ZPO.

(2) Abgesehen davon hat der Kläger mit dem entsprechenden Vortrag schon die Verwendung einer Abschalteinrichtung nicht schlüssig dargelegt. Denn eine Abschalteinrichtung setzt begrifflich voraus, dass die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems aktiviert, verändert, verzögert oder deaktiviert und hierdurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird (Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007). Dem Vorbringen des Klägers lässt sich aber eine Aktivierung, Veränderung, Verzögerung oder Deaktivierung der Funktion eines Teils des Emissionskontrollsystems, wie etwa der Abgasrückführung oder des Dieselpartikelfilters, nicht entnehmen. Der Kläger behauptet vielmehr eine an das Erkennen des Prüfstands anknüpfende Einflussnahme auf die Funktion des Getriebes, bei dem es sich nicht um einen Teil des Emissionskontrollsystems handelt.

(3) Im Übrigen fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass die behauptete Funktionalität im Fahrzeug des Klägers zum Einsatz kommt.

cc) Eine objektiv sittenwidrige Schädigungshandlung lässt sich auch nicht aus der Verwendung einer temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführungsrate (Thermofenster) herleiten.

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) nicht bereits deshalb gegeben, weil ein Fahrzeughersteller einen Fahrzeugtyp aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems ausgestattet und in den Verkehr gebracht hat. Dieses Verhalten ist für sich genommen nicht als sittenwidrig zu qualifizieren. Dies gilt auch dann, wenn der Fahrzeughersteller mit der Entwicklung und dem Einsatz dieser Steuerung eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, juris, Rn. 13).

Dies hat der Bundesgerichtshof damit begründet, dass der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems nicht mit der Fallkonstellation zu vergleichen ist, die dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. Mai 2020 (VI ZR 252/19) zugrunde lag. Die in jener Entscheidung zu beurteilende Software war von der Beklagten bewusst und gewollt so programmiert worden, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten wurden (Umschaltlogik); sie zielte damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde ab (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021, aaO, Rn. 16 f.). Dagegen fehlt es bei dem Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems, die nicht danach unterscheidet, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im realen Fahrbetrieb befinde, an einem derartigen arglistigen Vorgehen des Herstellers, das die Qualifikation seines Verhaltens als objektiv sittenwidrig rechtfertigen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021, aaO, Rn. 18).

Deshalb ist bei der Verwendung einer entsprechend temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gegenüber dem Hersteller nur gerechtfertigt, wenn zu einem etwaigen Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der für den Hersteller handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt. Dabei trägt die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung nach allgemeinen Grundsätzen der Kläger als Anspruchsteller (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021, aaO, Rn. 19; vgl. zum Ganzen ferner auch BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, Rn. 26 ff.).

(2) Nach diesen Maßstäben lässt sich in Bezug auf die Verwendung einer temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführungsrate ein sittenwidriges Handeln der für die Beklagte handelnden Personen nicht feststellen. Anhaltspunkte, anhand derer darauf geschlossen werden könnte, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführungsrate in dem Bewusstsein gehandelt hätten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen hätten, hat der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger weder hinreichend dargelegt noch unter Beweis gestellt.

(a) Insbesondere ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens Angaben getätigt hätte, die auf eine Verschleierung der behaupteten temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführungsrate gerichtet gewesen wären und aus denen gegebenenfalls auf das Bewusstsein von der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung hätte geschlossen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021, aaO, Rn. 24).

Im Übrigen bestünden selbst im Falle einer etwaig unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweise des Thermofensters gegenüber dem KBA keine Anhaltspunkte, anhand derer auf ein Handeln in dem Bewusstsein der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung geschlossen werden könnte. Selbst wenn die Beklagte nach den einschlägigen Vorschriften erforderliche Angaben zu den Einzelheiten der temperaturabhängigen Steuerung unterlassen haben sollte, wäre die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zu prüfen. Anhaltspunkte für wissentlich unterbliebene oder unrichtige Angaben der Beklagten im Typgenehmigungsverfahren, die noch dazu auf ein heimliches und manipulatives Vorgehen oder eine Überlistung des KBA und damit auf einen bewussten Gesetzesverstoß hindeuten würden, lassen sich nach alledem nicht erkennen (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 286/20, juris, Rn. 26).

(b) Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich auch aus der Verwendung einer temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführungsrate für sich genommen nicht schließen, dass die für die Beklagte handelnden Personen insoweit in dem Bewusstsein der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung gehandelt hätten.

Ein entsprechender Schluss ließe sich allenfalls in Betracht ziehen, soweit davon auszugehen wäre, dass es sich den für die Beklagte handelnden Personen bereits bei der Entwicklung oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführungsrate hätte aufdrängen müssen, dass es sich hierbei um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Hiervon kann aber nicht ausgegangen werden, da sich der Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 jedenfalls auch dahingehend auslegen ließ, dass es sich bei der zur Rechtfertigung der temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführungsrate angeführten Belagsbildung im AGR-System um eine Beschädigung des Motors handelt oder deren Vermeidung zum sicheren Betrieb des Fahrzeugs erforderlich ist. Dass bei der Entwicklung oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführungsrate nicht lediglich die Annahme von deren Unzulässigkeit vertretbar war, zeigt sich im Übrigen auch daran, dass das KBA als die zuständige Typgenehmigungsbehörde bis heute und damit auch noch nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen vom 17. Dezember 2020 (C-693/18) die Auffassung vertritt, dass sich die temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführungsrate gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 rechtfertigen lässt (vgl. Stellungnahme des KBA zum EuGH-Urteil zu Abschalteinrichtungen vom 7. April 2021, abrufbar auf dessen Homepage: https://www.kba.de/DE/Marktueberwachung/Abgasthematik/stellungnahme_euGH_inhalt.html?nn=2308842).

dd) Der Kläger behauptet zudem mit Schriftsatz vom 16. Dezember 21 eine "Manipulation" des On-Board-Diagnose-Systems (OBD), welches gezielt so programmiert worden sei, dass trotz Grenzwertüberschreitungen keine Fehlermeldung erfolge.

Dieses Vorbringen führt schon deshalb nicht zum Erfolg, weil sich den einschlägigen Regelungen nicht entnehmen lässt, dass das OBD-System so zu programmieren wäre, dass eine Grenzwertüberschreitung durch die Fehlfunktionsanzeige angezeigt werden müsste.

Durch die Verweisung in Anhang XI Abs. 2.1. der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 ergeben sich die Anforderungen an das OBD im Wesentlichen aus Anhang 11 Abs. 3 der UN/ECE-Regelung Nr. 83, soweit der Anhang XI der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 keine hiervon abweichenden Regelungen aufweist. Entsprechende abweichende Regelungen sind in Anhang XI Abs. 2.3 der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 insbesondere für die OBD-Grenzwerte vorgesehen, wonach der hier relevante vorläufige OBD-Stickoxid-Grenzwert für der Abgasnorm Euro 5 unterfallende Fahrzeuge 540 mg/km beträgt (Abs. 2.3.1).

Dass die tatsächlichen Emissionen im realen Fahrbetrieb zu messen und Überschreitungen des OBD-Grenzwerts durch die Fehlfunktionsanzeige anzuzeigen wären, lässt sich weder aus Anhang 11 Abs. 3.5.2 der UN/ECE-Regelung Nr. 83 noch aus den folgenden Definitionen der Fehlfunktion und der Fehlfunktionsanzeige in Anhang 11 Abs. 2.6 und Abs. 2.5 der UN/ECE-Regelung Nr. 83 herleiten. Danach bezeichnet:

"2.6 "Fehlfunktion" den Ausfall oder das fehlerhafte Arbeiten eines emissionsrelevanten Bauteils oder Systems, der bzw. das ein Überschreiten der in Absatz 3.3.2. dieses Anhangs genannten Emissionsgrenzwerte zur Folge hätte, oder den Fall, dass das OBD-System nicht in der Lage ist, die grundlegenden Anforderungen dieses Anhangs an die Überwachungsfunktion zu erfüllen"

und

"2.5 "Fehlfunktionsanzeige" (Malfunction Indicator - MI) ein optischer oder akustischer Anzeiger, mit dem dem Fahrzeugführer eine Fehlfunktion in einem mit dem OBD-System verbundenen abgasrelevanten Bauteil oder in dem OBD-System selbst angezeigt wird."

Demnach knüpfen die Begriffe der Fehlfunktion und der Fehlfunktionsanzeige nicht an eine tatsächlich zu messende Überschreitung eines Grenzwerts, sondern an den Ausfall oder das fehlerhafte Arbeiten eines Bauteils oder Systems an, der oder das zu einer Überschreitung des OBD-Grenzwerts führt. Davon werden aber schon begrifflich nicht solche Situationen erfasst, in denen es im realen Fahrbetrieb ohne eine Fehlfunktion eines abgasrelevanten Bauteils zu einer Überschreitung des OBD-Grenzwerts kommt.

Weitergehende Anforderungen an das OBD-System, aus denen sich eine Verpflichtung zur Messung der tatsächlichen Emissionen und zur Anzeige von OBD-Grenzwertüberschreitungen herleiten ließe, lassen sich schließlich auch nicht der Regelung in Anhang 11 Abs. 3.5.2. der UN/ECE-Regelung Nr. 83 entnehmen.

Nach alledem lässt sich aus dem Unterbleiben einer Fehlermeldung bei einer OBD-Grenzwertüberschreitung nicht schließen, dass das OBD nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechend ausgestaltet worden wäre (vgl. dazu auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 14. Mai 2021 - 8 U 14/20, juris, Rn. 76; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Mai 2021 - 18 U 526/19, juris, Rn. 37 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. Oktober 2020 - 17 U 296/19, juris, Rn. 71 f.).

c) Soweit der Kläger seinen Antrag zu 1. auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB stützt, fehlt es aufgrund der vorgenannten Erwägungen jedenfalls an der Voraussetzung einer vorsätzlichen Täuschung.

d) Ebenso wenig lässt sich ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 25, 27 Abs. 1 EG-FGV herleiten, da ein entsprechender Anspruch schon mangels denkbarer Verletzung eines Schutzgesetzes ausscheidet (vgl. u.a. OLG München, Beschluss vom 29. August 2019 - 8 U 1449/19, juris Rn. 46; OLG Schleswig, Urteil vom 17. März 2020 - 3 U 74/19, BeckRS 2020, 25606 Rn. 44, beck-online).

e) Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung § 16 UWG zu. Einen entsprechenden Schadensersatzanspruch hat der Kläger unter mehreren Gesichtspunkten nicht schlüssig dargelegt.

aa) Der Kläger hat die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 UWG nicht schlüssig dargetan, da sich seinem Vorbringen bereits nicht entnehmen lässt, in welchen konkreten öffentlichen Bekanntmachungen oder Mitteilungen die Beklagte unwahre Angaben hinsichtlich der (Stickoxid-)Emissionen des Fahrzeugs getätigt hätte.

bb) Dementsprechend hat der Kläger auch weder dargelegt noch unter Beweis gestellt, dass etwaige unwahre Angaben hinsichtlich der Stickoxid-Emissionen ursächlich für den vermeintlichen Schaden des Klägers gewesen wären.

f) Der Kläger hat gegen die Beklagte schließlich keinen kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 1 GWB, Art. 101 AEUV. Zum einen ist der Inhalt der behaupteten Absprachen nur rudimentär dargelegt und bezieht sich in Teilen auf technische Merkmale, die das streitgegenständliche Fahrzeug nicht aufweist (z.B. AdBlue-Tank). Zum anderen könnte ein kartellrechtlicher Schadensersatzanspruch allenfalls den kartellbedingt erhöhten Preis des Fahrzeugs ausgleichen, nicht aber eine - letztlich nicht auf eine Absprache, sondern auf das Täuschungsmoment gestützte - Rückabwicklung des Kaufvertrags zur Folge haben (vgl. LG München I, Endurteil vom 23. November 2018 - 37 O 6706/18, BeckRS 2018, 30336 Rn. 51).

2. Der Kläger hat bereits mangels Hauptanspruchs keinen Anspruch auf Verzinsung (Antrag zu 1.), Feststellung, dass der im Antrag zu 1. bezeichnete Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten beruht (Antrag zu 3.) sowie auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen (Antrag zu 4.). Ausführungen dazu, ob und inwieweit die genannten Ansprüche auch aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten nicht in Betracht kommen, sind nicht veranlasst.

3. Auch der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag zu 2. bleibt ohne Erfolg. Dabei kann die Frage der Zulässigkeit dahinstehen, denn ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist nur für ein stattgebendes Urteil Sachurteilsvoraussetzung (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 - IX ZR 24/10 -, Rn. 14, juris). Ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz ist aber unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegeben (s.u. II 1), so dass der Feststellungsantrag jedenfalls unbegründet ist.

4. Der mit dem Antrag zu 5. hilfsweise geltend gemachte Auskunftsanspruch ist ebenfalls nicht gegeben. Ein entsprechender Auskunftsanspruch steht dem Kläger aus den zutreffenden Gründen der landgerichtlichen Entscheidung weder aus § 242 BGB noch unter den Gesichtspunkten der § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 33g GWB, § 84a AMG, § 8 UmweltHG, § 35 GenTG, § 19 MarkenG, § 101 UrhG und § 140b PatG zu.

5. Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 97Abs. 1, § 516 Abs. 3 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.