Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 01.10.2009, Az.: L 12 AL 4/07
Anspruch auf Überbrückungsgeld nach Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zum Zweck der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 01.10.2009
- Aktenzeichen
- L 12 AL 4/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 35317
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2009:1001.L12AL4.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Oldenburg - 21.12.2006 - AZ: S 4 AL 124/06
Rechtsgrundlagen
- § 57 SGB III
- § 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III
- § 144 SGB III
Redaktioneller Leitsatz
1. Die subjektive Verfügbarkeit setzt voraus, dass der Arbeitslose bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne von § 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III anzunehmen und auszuüben bzw. an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen. Zwar könnten hieran Zweifel bestehen, wenn der Arbeitslose von vornherein planmäßig und ausschließlich eine selbständige Tätigkeit anstrebt und dies - wie hier etwa durch einen Praxisübernahmevertrag, die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit und entsprechende wirtschaftliche Dispositionen - auch dokumentiert. Gleichwohl lässt dies allein noch nicht auf eine mangelnde subjektive Verfügbarkeit schließen.
2. § 57 Abs. 1 SGB III räumt jedem Arbeitnehmer, der durch die Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beendet oder vermeidet einen Anspruch auf Überbrückungsgeld ein. Eine Unterscheidung danach, auf welchen Gründen oder Motiven der Eintritt der Arbeitslosigkeit beruhte, ist der Bestimmung nicht zu entnehmen. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 21.12.2006 und der Bescheid der Beklagten vom 7.2.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.3.2006 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, dem KlägerÜberbrückungsgeld für die ab 4.1.2006 aufgenommene selbständige Tätigkeit in gesetzlicher Höhe ab dem 23.2.2006 bis zum 3.7.2006 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger sieben Zehntel der außergerichtlichen Kosten aus beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Zahlung von Überbrückungsgeld für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Facharzt. Der 1967 geborene Kläger ist Facharzt für Neurologie. Nach Ausbildung und Approbation im Jahre 1996 war er zunächst als Assistenzarzt an verschiedenen Krankenhäusern in I., J. und K. beschäftigt, zuletzt seit Oktober 2003 in unbefristeter Anstellung am L. Krankenhaus J ... Am 6.6.2005 teilte er der Beklagten - Agentur für Arbeit J. - seine Absicht mit, sein Beschäftigungsverhältnis zu kündigen und sich im Anschluss daran selbständig machen zu wollen. Ausweislich eines Vermerks der Beklagten über diese persönliche Vorsprache wurden dem Kläger dabei Unterlagen ausgehändigt und er wurde "über [die] aktuelle Rechtslage informiert". Am 6.7.2005 schloss der Kläger mit einem bisher in M. niedergelassenen Neurologen und Psychiater einen Vertrag über die Übernahme dieses Vertragsarztsitzes. Am 15.8.2005 meldete er sich (telefonisch) erneut bei der Beklagten und "fragte nach Überbrückungsgeld". Ausweislich des hierüber aufgenommenen weiteren Vermerks der Beklagten wurde er nunmehr darauf hingewiesen, dass er entsprechend der (neuen) Durchführungsanweisung Nr. 57.14 "keinÜberbrückungsgeld mehr erhält, wenn er jetzt selber kündigt". Am 6.9.2005 schloss der Kläger mit seinem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag, wonach sein Beschäftigungsverhältnis zum 30.11.2005 endete. Am 11.10.2005 wurde er zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen, zugleich wurde ihm ein Vertragsarztsitz in M. zugewiesen. Im November 2005 beantragte der Kläger daraufhin bei der Beklagten zunächst die Zahlung von Arbeitslosengeld ab dem 1.12.2005. Die Beklagte stellte daraufhin mit bestandskräftigem Bescheid vom 29.11.2005 den Eintritt einer (zwölfwöchigen) Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 22.2.2006 fest. Zur Zahlung von Arbeitslosengeld kam es nicht, da der Kläger am 4.1.2006 seine Vertragsarzttätigkeit an dem zugewiesenen Sitz in Gemeinschaftspraxis mit dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. (= Kläger des Parallelverfahrens L 12 AL 197/06) aufnahm. Im Dezember 2005 hatte der Kläger bei der Beklagten ferner die Gewährung vonÜberbrückungsgeld für die Aufnahme der selbständigenärztlichen Tätigkeit beantragt. Da es sich trotz Übernahme des vorbestehenden Vertragsarztsitzes aufgrund der räumlichen Verlegung im Stadtgebiet M. im Wesentlichen um eine Praxisneugründung handele, die sich erst etablieren müsse, sei anfangs nicht mit ausreichenden Einnahmen für seinen Lebensunterhalt zu rechnen. Dem Antrag fügte er u.a. zwei die Existenzgründung befürwortende Stellungnahmen der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachen - Bezirksstelle J. - und einer Steuerberatungsgesellschaft bei, sowie eine Kurzbeschreibung und diverse weitere Unterlagen zur Finanzierung des Vorhabens. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 7.2.2006 ab. Überbrückungsgeld zur Existenzgründung könne nur gezahlt werden, wenn durch die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit eine Arbeitslosigkeit beendet oder vermieden werde. Der Kläger habe seine Arbeitslosigkeit jedoch durch Aufgabe der Tätigkeit im L. Krankenhaus J. selbst herbeigeführt. In "diesen Fällen" eines "nahtlosen Übergangs" könneÜberbrückungsgeld nicht gewährt werden. Den hiergegen ohne weitere Begründung eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.3.2006 aus denselben Gründen zurück. Hiergegen hat der Kläger am 24.4.2006 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben. Zur Begründung hat er u.a. vorgetragen, für eine gänzliche Versagung desÜberbrückungsgeldes gebe es im Gesetz keine Grundlage. Vielmehr sei bei einer Mitwirkung an der Beendigung des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses - wie hier - lediglich die Dauer der Förderung entsprechend der Dauer der Sperrzeit zu kürzen; bereits verstrichene Sperrzeitzeiträume seien anzurechnen. Auf etwaig entgegenstehende Durchführungsanweisungen könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie reines Binnenrecht darstellten, das seinen Anspruch nicht berühre. Darüber hinaus genieße er aber auch Vertrauensschutz: Bereits in dem Beratungsgespräch am 6.6.2005 habe er der Beklagten seine Pläne zur Selbständigkeit dargelegt. Dabei sei er über die Rechtsfolgen einer "Eigenkündigung" im Sinne einer "Sperrzeitverhängung" belehrt worden und habe die Auskunft erhalten, dass er den Überbrückungsgeld-Antrag möglichst bis zum 5.9.2005 stellen solle. Daraufhin habe er am 6.7.2005 den Praxisübernahmevertrag mit dem Praxisvorgänger geschlossen. In keiner Weise sei er von der Beklagten darüber informiert worden, dass eineÄnderung der internen Weisungslage bevorstehe, nach der in Fällen wie seinem nunmehr gar kein Überbrückungsgeld mehr gezahlt werden könne. Andernfalls hätte er den Antrag unmittelbar bereits am 6.6.2005 gestellt. Spätestens mit dem Praxisübernahmevertrag am 6.7.2005 habe er auch die für die Selbständigkeit erforderlichen Dispositionen getroffen, sodass die Beendigung der abhängigen Beschäftigung unumkehrbar gewesen sei. Danach habe er es nicht mehr in der Hand gehabt, sich auf eine geänderte Weisungslage der Beklagten einzustellen. Die Beklagte ist der Klage unter Bekräftigung ihrer bisherigen Auffassung entgegengetreten. Zutreffend sei, dass ihre Auffassung auf im Juni 2005 geänderte Durchführungsanweisungen beruhe. Hiervon habe der Kläger jedoch bereits vor Abschluss des Aufhebungsvertrages am 6.9.2005 durch das Telefonat vom 15.8.2005 Kenntnis erlangt. Eine Zusicherung, Überbrückungsgeld zu bewilligen, sei zu keinem Zeitpunkt gegeben worden. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21.12.2006 abgewiesen. Zur Begründung hat es auf den Widerspruchsbescheid und die Klageerwiderung der Beklagten Bezug genommen. Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11.1.2007 unter Bekräftigung seines Klagevorbringens Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Das SG habe insbesondere seinen Vortrag zum Vertrauensschutz nicht gewürdigt. Soweit ihm die Beklagte entgegenhalte, er habe frühzeitig Kenntnis von der "neuen Betrachtungsweise" gehabt, stünden dem der durch die vorherige Einzelfallberatung geschaffene Vertrauenstatbestand und die von ihm daraufhin getroffenen Dispositionen (Praxisübernahmevertrag) gegenüber. Er habe danach keine Alternative zu einer Beendigung seiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mehr gehabt. Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 21.12.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7.2.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.3.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Überbrückungsgeld zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ab dem 4.1.2006 bis zum 3.7.2006 in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakten der Beklagten zum Überbrückungsgeld und zum Arbeitslosengeld Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind und der Entscheidungsfindung des Senats zugrunde gelegen haben.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Sie ist zum überwiegenden Teil auch begründet. Der Kläger hat entgegen der Auffassung des SG und der Beklagten einen Anspruch auf Überbrückungsgeld für die Zeit vom 23.2. bis 3.7.2006. Für die Zeit vom 4.1. bis zum 22.2.2006 scheitert sein Anspruch indes daran, dass insoweit die Voraussetzungen für eine Sperrzeit vorliegen, wie die Beklagte auch mit bestandskräftigem Bescheid vom 29.11.2005 festgestellt hat.
Zutreffend hat die Beklagte dem Anspruch des Klägers § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der - soweit hier maßgeblich - vom 1.1.2005 bis 31.7.2006 geltenden Fassung (a.F.) des Vierten Gesetzes zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze vom 19.11.2004 (BGBl. I, 2902) zugrunde gelegt. Danach haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit ihre Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch aufÜberbrückungsgeld (heute: Gründungszuschuss) nach Maßgabe der weiteren, in § 57 Abs. 2-5 SGB III a.F. genannten Voraussetzungen (§ 57 Abs. 1 SGB III a.F.). Zu diesen Voraussetzungen zählt - soweit für den vorliegenden Fall von Bedeutung - u.a. auch, dass der Arbeitnehmer im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen hat oder einen Anspruch darauf hätte (§ 57 Abs. 2 Nr. 1 SGB III a.F.).
Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen. Er war vor Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit als niedergelassener Neurologe unstreitig Arbeitnehmer im Sinne des SGB III (vgl. § 25 Abs. 1 SGB III). Die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit erfolgte auch zur Beendigung der Arbeitslosigkeit (hierzu sogleich unter 1.), darüber hinaus hätte er im engen zeitlichen Zusammenhang mit dieser auch einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen (Arbeitslosengeld) nach dem SGB III gehabt (hierzu unter 2.). Allerdings kann er den Anspruch auf Überbrückungsgeld nur für die Zeit nach Ablauf der Sperrzeit bis zum Ende der gesetzlichen Förderungsdauer geltend machen, mithin für die Zeit vom 23.2. bis 3.7.2006 (hierzu unter 3.):
1. Durch die Aufnahme der selbständigen Vertragsarzttätigkeit zum 4.1.2006 hat der Kläger seine Arbeitslosigkeit beendet. Daran, dass der Kläger vom 1.12.2005 bis 3.1.2006 als arbeitslos im Sinne von § 119 Abs. 1 SGB III anzusehen war, bestehen im Ergebnis keine Zweifel. Zwar hat der Kläger im Antrag auf Arbeitslosengeld angegeben, den Auflösungsvertrag über sein bisheriges Beschäftigungsverhältnis bereits deshalb zum 30.11.2005 geschlossen zu haben, um "eine ausreichende Vorbereitung meiner zukünftigen unternehmerischen Tätigkeit" gewährleisten zu können. Anhaltspunkte dafür, dass diese "Vorbereitung" einen Umfang erreicht haben könnte, der seiner (objektiven) Verfügbarkeit im Sinne von § 119 Abs. 5 Nrn. 1, 2 SGB III entgegengestanden hat, ergeben sich für den Senat jedoch nicht. Der Kläger hat vielmehr bereits in seiner Erklärung zum Arbeitslosengeldantrag vom 17.10.2005 dargestellt, die "Vorbereitungszeit" werde 15 Stunden wöchentlich nicht erreichen. Auch die Beklagte hat dies zu keinem Zeitpunkt in Abrede gestellt. Für einen Mangel der subjektiven Verfügbarkeit des Klägers vor Beginn seiner Selbständigkeit bestehen ebenfalls keine durchgreifenden Anhaltspunkte. Die subjektive Verfügbarkeit setzt voraus, dass der Arbeitslose bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne von § 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III anzunehmen und auszuüben bzw. an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen (§ 119 Abs. 5 Nrn. 3, 4 SGB III). Zwar könnten hieran Zweifel bestehen, wenn der Arbeitslose von vornherein planmäßig und ausschließlich eine selbständige Tätigkeit anstrebt und dies - wie hier etwa durch den Praxisübernahmevertrag vom 6.7.2005, die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit am 11.10.2005 und entsprechende wirtschaftliche Dispositionen - auch dokumentiert. Gleichwohl lässt dies allein noch nicht auf eine mangelnde subjektive Verfügbarkeit schließen. Anderenfalls würden insbesondere dann, wenn er - wie hier - seine Beschäftigungssuche und bereitschaft ausdrücklich erklärt hat und der genaue Eintritt in die Selbständigkeit noch nicht mit letzter Sicherheit feststeht, überzogene Anforderungen gestellt, die die Beklagte bei ihrer Entscheidung über das Arbeitslosengeld selbst nicht zugrunde gelegt hat. Es erscheint auch nicht sachgerecht, den sozialen Schutz des Arbeitslosengeld-Anspruchs in der Übergangsphase zur Selbständigkeit dem Anspruchsteller nur oder nur solange zu gewähren, wie er die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nicht fest geplant und vorbereitet hat. Der Kläger hat auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat glaubhaft bekräftigt, dass er zur Sicherung seines eigenen Lebensunterhalts und des Lebensunterhalts seiner Familie etwa bei absehbar weiterer Verzögerung der Selbständigkeit sehr wohl auf die Aufnahme einer erneuten abhängigen Beschäftigung angewiesen und hierzu bereit gewesen wäre. Damit aber musste er insgesamt auch als subjektiv verfügbar angesehen werden. Die Arbeitslosigkeit des Klägers wurde durch die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit auch "beendet". Dieser Umstand wird nicht dadurch berührt, dass der Kläger die Arbeitslosigkeit durch den Aufhebungsvertrag über sein bisheriges Beschäftigungsverhältnis selbst herbeigeführt hat. Zwar hat der Senat in Übereinstimmung mit Teilen der Rechtsprechung (vgl. u.a. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 28.4.2006 - L 8 AL 4150/05; SG Aachen, Urt. v. 25.5.2007 - S 9 AL 5/07 - zit. jew. nach juris) in einem Urteil gem. § 155 Abs. 3, 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 10.7.2008 - L 12 AL 88/07 - und einer Prozesskostenhilfe-Entscheidung vom 3.5.2007 - L 12 B 17/06 AL - bislang selbst zugrunde gelegt, dass ein Anspruch auf Überbrückungsgeld ausscheidet, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitslosigkeit durch eine Eigenkündigung seines bisherigen Beschäftigungsverhältnisses erst begründet bzw. eine Situation herbeiführt, die ohne die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf (weitere) Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III hätte begründen können. Hierzu ist u.a. ausgeführt worden, es sei mit Sinn und Zweck der Überbrückungsgeldregelung nicht vereinbar, im Ergebnis ein Verhalten zu fördern, das eine Belastung der Solidargemeinschaft zwar vermeide, diese Belastung jedoch zunächstüberhaupt erst begründet habe (so Urt. d. Senats v. 10.7.2008, aaO., sowie ausdrücklich auch LSG Baden-Württemberg, aaO.). Auch in Teilen der Literatur wird, wenn auch ersichtlich zu früheren Fassungen des § 57 SGB III und ohne weitere Begründung, dieselbe Auffassung vertreten (vgl. Bernard, in: Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, München 2003, § 9 Rn. 106, unter Verweis auf Estelmann, in: Hennig u.a., SGB III - Arbeitsförderung, Stand: 4/2000, § 57 Rn. 45). Dieser Auffassung vermag sich der Senat nach erneuter Überprüfung jedoch nicht weiter anzuschließen: Der Wortlaut des § 57 Abs. 1 SGB III a.F. enthält für eine derartige einschränkende Auslegung keine Anhaltspunkte. Die Vorschrift räumt vielmehr jedem Arbeitnehmer, der durch die Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beendet oder vermeidet (bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen) einen Anspruch auf Überbrückungsgeld ein. Eine Unterscheidung danach, auf welchen Gründen oder Motiven der Eintritt der Arbeitslosigkeit beruht(e), ist der Bestimmung nicht zu entnehmen. Schon danach erschiene es deshalb auch problematisch, dem einen Arbeitslosen, der seine Arbeitslosigkeit selbst (durch Eigenkündigung oder Abschluss eines Aufhebungsvertrages) herbeigeführt hat, den Anspruch auf Arbeitslosengeld - ggf. nach Ablauf einer Sperrzeit (§ 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III) - zu belassen, dem anderen Arbeitslosen aber, der seine Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit vermeidet oder beendet, unter ansonsten gleichen Voraussetzungen Überbrückungsgeld gänzlich zu versagen. Die Kausalität zwischen Aufnahme der selbständigen Tätigkeit und Beendigung der Arbeitslosigkeit kann nicht bereits durch Heranziehung im Gesetz selbst nicht genannter, wertender Gesichtspunkte verneint werden (so auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.9.2007 - L 7 AL 4584/05). Vielmehr wird die Arbeitslosigkeit auch dann durch Aufnahme der selbständigen Tätigkeit "beendet", wenn sie zuvor von dem Arbeitnehmer selbst herbeigeführt wurde. Für das Merkmal der "Beendigung der Arbeitslosigkeit" ist daher die Frage nach ihrer "Verursachung" unbedeutend; maßgeblich ist vielmehr allein die bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit gegebene Situation (so auchSG Osnabrück, Urt. v. 9.11.2007 - S 16 AL 200/06). Für eine derartige Auslegung spricht auch die Systematik der gesetzlichen Regelung. § 57 Abs. 3 Satz 4 SGB III in der bis 30.12.2005 bzw. § 57 Abs. 3 Satz 3 SGB III in der anschließend bis 31.7.2006 geltenden Fassung sieht vor, dass sich, wenn die Voraussetzungen für ein Ruhen des Anspruchs bei Sperrzeit nach§ 144 SGB III vorliegen, die Dauer der (Überbrückungsgeld) Förderung entsprechend der Dauer der Sperrzeit unter Berücksichtigung der bereits verstrichenen Dauer der Sperrzeiten verkürzt. Eine Sperrzeit tritt aber nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III u.a. auch bei eigenverantwortlicher Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitslosen ein (Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe). Wenn daher die gesetzliche Regelung des Überbrückungsgeldes auch für den Fall der eigenverantwortlichen Lösung eines zuvor bestehenden Beschäftigungsverhältnisses bereits eine Sanktion vorsieht (Verkürzung der Bezugsdauer), spricht einiges dafür, dass in einem solchen Fall der Anspruch jedenfalls dem Grunde nach entstehen soll. Anderenfalls würde der Verweis in § 57 Abs. 3 Satz 4 (bzw. Satz 3)SGB III a.F. zwar nicht für alle Sperrzeitfälle, aber doch für einen praktisch nicht unerheblichen Teil keinen Sinn machen. Auch die Gesetzgebungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien bestätigen letztlich dieses Verständnis der Norm. Der Senat nimmt hierzu Bezug auf die dies im Einzelnen darstellenden, umfänglichen Ausführungen des 7. Senats des LSG Baden-Württemberg in dessen Urteil vom 20.9.2007 (aaO.), denen er sich vollumfänglich anschließt. Zweck der verschiedenen Ausgestaltungen des Überbrückungsbeihilfe- bzw. Überbrückungsgeldrechts in der Vergangenheit war es demnach, die Aufnahme einer (tragfähigen) selbständigen Tätigkeit zur Verkürzung von Arbeitslosigkeitszeiten, zur Entlastung des Arbeitsmarktes, aber auch zur eventuellen Schaffung weiterer Arbeitsplätze durch den Selbständigen, nach Möglichkeit zu fördern. Den Leistungen kamen und kommen daher - ebenso wie dem heutigen Gründungszuschuss - neben einer Entgeltersatzfunktion, die nicht zuletzt u.a. auch auf den Versicherungsbeiträgen des Arbeitnehmers beruht, auch eine Förderfunktion im Hinblick auf selbständige Existenzgründungen zu. Hätte der Gesetzgeber demgegenüber einen Anspruch aufÜberbrückungsgeld bei eigenverantwortlicher Herbeiführung der Arbeitslosigkeit ausschließen wollen, hätte er dies im Zuge der zahlreichen Änderungen der Vergangenheit ausdrücklich regeln können. Stattdessen ist mit Wirkung ab dem 1.1.2002 ("Job-AQTIV-"Gesetz v. 10.12.2001, BGBl. I, 3443) ausdrücklich die parallele Anwendbarkeit (u.a.) der Sperrzeitregelungen im Rahmen des Überbrückungsgeldes eingeführt worden (seinerzeit § 57 Abs. 3 Satz 2 SGB III a.F.). Auch mit der Beschränkung auf Leistungen bei Beendigung der Arbeitslosigkeit ab dem 1.8.2006 (§ 57 Abs. 1 SGB III i.d.F.d. Gesetzes v. 20.7.2006, BGBl. I, 1706) hat der Gesetzgeber eine Klarstellung zur (möglichen) Vermeidung von unerwünschten Mitnahmeeffekten vornehmen wollen (vgl. dazu und zur Kritik daran Winkler, in: Gagel, SGB II/SGB III, § 57 Rn. 14). Keiner dieser Neuregelungen ist jedoch zu entnehmen, dass der Gesetzgeber den Anspruch auf Überbrückungsgeld bei Arbeitsaufgabe im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 1. Alt. SGB III gänzlich ausschließen wollte. Die historische Auslegung führt daher jedenfalls nicht zu einer Einschränkung im Sinne der von der Beklagten vertretenen Position. Ein anderes Ergebnis kann auch im Hinblick auf Sinn und Zweck der Regelung nicht begründet werden. Der im Gesetzeswortlaut anklingende Sinn der sozialen Sicherung (des Lebensunterhalts) nach Existenzgründung ist dabei keine Tatbestandsvoraussetzung. Er wäre im vorliegenden Fall allerdings auch nicht in Frage zu stellen; vielmehr spricht bereits die - plausible - Rentabilitätsvorschau, die für das erste halbe Jahr nach Existenzgründung kein Einkommen des Klägers ausweist, dafür, dass das Überbrückungsgeld auch bei ihm diese Sicherungsfunktion erfüllen sollte. Angesichts des eindeutigen Wortlauts, nach dem ein entsprechender Anspruch unabhängig von der vorhergehenden Aufgabe des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitnehmer gegeben ist, käme im Übrigen eine Einschränkung nach Sinn und Zweck, nach der "immanenten Teleologie des Gesetzes", nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion bzw. der Ausfüllung einer verdeckten Lücke vorlägen (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 391 ff.). Sinn und Zweck des Gesetzes müssten dann wegen relevanter Besonderheiten gegenüber der "an sich" gemeinten Fallgruppe nicht auf die vorliegende Fallgruppe "passen" (vgl. hierzu u.a. BSG, Urt. v. 6.10.1977 - 7 RAr 82/76 - = SozR 4100 § 112 Nr. 6 sowie BVerfG, Beschl. v. 7.4.1997 - 1 BvL 11/96 - = NJW 1997, 2230). Eine solche Reduktion erfordert indes, dass der Wortlaut eindeutig über den Normzweck hinausgeht und von einer vergleichbaren Interessenlage nicht mehr die Rede sein kann, wenn sich die Subsumtion einer - untypischen - Fallgruppe unter den Tatbestand also verbietet, weil wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln ist (Larenz, aaO.). Dieser Schluss kann hier jedoch nicht gezogen werden. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass das Überbrückungsgeld typischerweise für Arbeitslose vorgesehen ist, die ohne eigenes Zutun beschäftigungslos geworden sind und sich aufgrund dessen (schließlich) zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit entschließen. Demgegenüber ist der Förderungszweck weniger klar bei beabsichtigter, "ohne Not" erfolgender Aufgabe einer (hochqualifizierten, langjährigen) abhängigen Beschäftigung in der Absicht, sich - einem vorgezeichneten (und auch ohne Förderung vielfach eingeschlagenen) Berufsweg entsprechend - selbständig zu machen. Jedoch verfehlt die Regelung auch für diesen zweitgenannten Personenkreis ihren Sinn und Zweck nicht in der Weise, dass nach Abwägung der Interessenlage nur deren Ausgrenzung aus der Förderung in Betracht käme: Mit den Zwecken der Arbeitsförderung ist es jedenfalls nicht unvereinbar, auch die planmäßig und unter Aufgabe eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses angestrebte Aufnahme einer Selbständigkeit zu fördern. Denn das Freimachen eines Arbeitsplatzes sowie die Aussicht auf später durch den Selbständigen ggf. entstehende weitere Arbeitsplätze entlasten den Arbeitsmarkt ebenfalls und dienen der Arbeitsförderung wie den Zwecken der Versichertengemeinschaft daher genauso. Inwieweit in diesen Fällen - etwa auch im Hinblick auf schwieriger gewordene Rahmenbedingungen für die Existenzgründung - ein arbeitsmarktpolitisch sinnvoller Förderbedarf besteht, mag zwar unterschiedlich beurteilt werden. Der Senat hat hierüber jedoch nicht selbst zu entscheiden; die Entscheidung ist vielmehr dem Gesetzgeber vorbehalten. Selbst wenn der Förderbedarf in Fällen wie dem vorliegenden kritisch beurteilt würde, könnte dies auf der Basis des hier zugrunde zu legenden Rechts nicht dazu führen, die Förderung als absolut sinn- und zweckwidrig einzustufen und entgegen dem Wortlaut aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift auszuschließen. Das gilt umso mehr, als es sich um eine leistungsrechtliche Vorschrift handelt, die verhaltenssteuernde Wirkung hat, sodass im Interesse des Vertrauensschutzes ein vorrangiges Interesse an Rechtssicherheit besteht. Dies macht die strikte Einhaltung der Grenze des möglichen Wortsinns umso eher erforderlich (vgl. erneut Larenz, aaO.).
Die - kurz vor der hier fraglichen Entscheidung geänderten - Durchführungsanweisungen Nr. 57.14 der Beklagten stehen dem hier gefundenen Ergebnis schließlich ebenfalls nicht entgegen. Abgesehen davon, dass sie sich nach ihrem Wortlaut nur auf die Tatbestandsvariante der "Vermeidung" der Arbeitslosigkeit und damit auf die Fälle eines nahtlosenÜbergangs von der Beschäftigung in die Selbständigkeit beziehen (DA 57.14, Abs. 1), was hier nicht der Fall ist, und im Übrigen selbst lediglich auf die Sperrzeitregelungen (§ 144 SGB III) verweisen (Durchführungsanweisung Nr. 57.14, Abs. 2), können sie als interne Handlungsanweisungen der Beklagten ohnehin keine Verbindlichkeit zu Lasten des Klägers beanspruchen. Ihr Regelungsgehalt entspricht aus den dargestellten Gründen zudem nicht den gesetzlichen Vorgaben (vgl. ebenso erneut LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.9.2007, aaO.).
2. Der Kläger hätte in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme seiner selbständigen Vertragsarzttätigkeit auch einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III gehabt (§ 57 Abs. 2 Nr. 1a, 2. Alt. SGB III a.F.). Zwar hat die Beklagte den Anspruch des Klägers auf das von ihm beantragte Arbeitslosengeld nach (bestandskräftiger) Feststellung der Sperrzeit (Bescheid v. 29.11.2005) wegen der zwischenzeitlichen Tätigkeitsaufnahme ab dem 4.1.2006 nicht abschließend geprüft. Der Senat vermag jedoch keine Gründe zu erkennen, die dem Anspruch insoweit entgegengestanden haben könnten.
Die Feststellung der Sperrzeit selbst steht der Anspruchsfiktion des § 57 Abs. 2 Nr. 1a, 2. Alt. SGB III nicht entgegen. Mit der Sperrzeit tritt nur ein Ruhen des Arbeitslosengeld-Anspruchs (§ 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III) ein, ohne dass seine Entstehung oder sein Bestand im Übrigen - vom hier nicht gegebenen Fall des § 147 Abs. 1 Nr. 2 SGB III abgesehen - berührt würden. Könnte Überbrückungsgeld grundsätzlich nicht gezahlt werden, wenn die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit in einen Ruhenszeitraum fällt, wäre die gesetzliche Regelung des Ausschlusses von Leistungen für Zeiten, in denen Ruhenstatbestände vorliegen (§ 57 Abs. 3 Satz 2 SGB III a.F.), nicht erforderlich und sinnlos. Auch die Verkürzung des Leistungszeitraums nach § 57 Abs. 3 Satz 4 SGB III a.F. käme dann kaum in Betracht, da auch nach Ablauf der (sperrzeitbedingten) Ruhenszeit kein Überbrückungsgeld mehr zu zahlen wäre und ein neuer Sperrzeitsachverhalt nicht mehr eintreten kann (vgl. dazu erneut LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.9.2007, aaO., m.w.N.).
Auch die weiteren Voraussetzungen für einen (fiktiven) Arbeitslosengeld-Anspruch des Klägers liegen vor. Aus dem Regelungszusammenhang ist dabei zunächst unschwer zu entnehmen, dass die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit selbst, die der Arbeitslosigkeit entgegenstehen würde (§ 118 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 3 SGB III), unberücksichtigt bleiben muss. Dies gilt ohne weiteres auch für die Arbeitslosmeldung (§ 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III) und das Antragserfordernis (§ 323 Abs. 1 SGB III). Denn würden diese Voraussetzungen auch im Rahmen von § 57 Abs. 2 Nr. 1a, 2. Alt. SGB III verlangt, käme es in keinem Fall zu einem Anspruch auf Überbrückungsgeld bzw. würden funktionslose, rein formale Anforderungen gestellt. Alle sonstigen Voraussetzungen müssen indes erfüllt sein. Das gilt zunächst für die Erfüllung der Anwartschaftszeit (§ 118 Abs. 1 Nr. 3 SGB III) und die objektive Verfügbarkeit (ohne Berücksichtigung der aufgenommenen Selbständigkeit). Auch das Überbrückungsgeld kann daher nur gezahlt werden, wenn der Antragsteller in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 123 SGB III) und - etwa - nicht voll erwerbsgemindert oder rechtlich oder tatsächlich zur Aufnahme einer Beschäftigung nicht in der Lage ist. Der Kläger erfüllt diese Anforderungen jedoch unzweifelhaft. Schließlich muss auch insoweit die subjektive Verfügbarkeit gegeben sein; § 57 Abs. 2 Nr. 1a, 2. Alt. SGB III a.F. lässt dieses Erfordernis nicht entfallen, verlangt jedoch auch keinen strengeren Maßstab als zur Beurteilung der Frage, ob die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit als Beendigung oder Vermeidung von "Arbeitslosigkeit" verstanden werden kann. Anderenfalls würde auf dem (Um-)Weg über § 57 Abs. 2 Nr. 1a, 2. Alt. SGB III a.F. genau der Anspruchsausschluss bei "planmäßig" angestrebter Selbständigkeit bewirkt, den der Grundtatbestand des § 57 Abs. 1 SGB III a.F. nach dem Gesagten gerade nicht vorsieht. Für die subjektive Verfügbarkeit als Voraussetzung eines (fiktiven) Anspruchs auf Entgeltersatzleistungen nach § 57 Abs. 2 Nr. 1a, 2. Alt. SGB III muss daher (nur) davon ausgegangen werden können, dass der Arbeitslose ohne die Aufnahme der Selbständigkeit (weiterhin) zur Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung im Sinne von § 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III bereit gewesen wäre. Das kann beim Kläger nach dem Gesagten (oben 1.) zugrunde gelegt werden.
Der Kläger hat somit grundsätzlich Anspruch aufÜberbrückungsgeld für die Aufnahme seiner Tätigkeit als niedergelassener Vertragsarzt. Dass er eine der weiteren Voraussetzungen nicht erfüllt hätte, ist weder ersichtlich noch von der Beklagten behauptet worden. Insbesondere hat der Kläger auch entsprechende - schlüssige - Stellungnahmen fachkundiger Stellen nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a.F. vorlegt.
3. Der Kläger hat allerdings keinen Anspruch aufÜberbrückungsgeld für die gesamte gesetzliche Förderungshöchstdauer von sechs Monaten (§ 57 Abs. 3 Satz 1 SGB III a.F.), beginnend ab dem 4.1.2006. Vielmehr verkürzt sich die Dauer der Förderung gem. § 57 Abs. 3 Satz 3 bzw. Satz 4 SGB III a.F., wenn die Voraussetzungen für eine Sperrzeit vorliegen, "entsprechend" der Dauer der Sperrzeit unter Berücksichtigung der bereits verstrichenen Dauer der Sperrzeiten. Im gerichtlichen Verfahren ist mithin auch ohne etwaige entsprechende Feststellungen der Beklagten zu prüfen, ob die Voraussetzungen für ein Ruhen des Anspruchs bei Sperrzeit nach § 144 SGB III in einer Weise vorliegen, die sich auf die Bezugsdauer des Überbrückungsgeldes auswirken könnten. Allerdings hat die Beklagte beim Kläger bereits mit Bescheid vom 29.10.2005 zutreffend und bestandskräftig den Eintritt einer das gesetzliche Normalmaß von zwölf Wochen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 SGB III) umfassenden Sperrzeit vom 1.12.2005 bis 22.2.2006 festgestellt. Auch die (mögliche) anderslautende Beratung durch die Beklagte vor der Änderung der Durchführungsanweisung Nr. 57.14 führt nicht zu einem weitergehenden Anspruch des Klägers auf Überbrückungsgeld trotz der Sperrzeit. Der Kläger hat selbst vorgetragen, beim Beratungsgespräch mit der Beklagten am 6.6.2005 u.a. auf die "Sperrzeitverhängung" bei "Eigenkündigung" hingewiesen worden zu sein. Unabhängig davon, könnte er einen Anspruch auf weiteres Überbrückungsgeld (für den Zeitraum vom 4.1.bis 22.2.2006) aber aus einer insoweit ggf. falschen oder lückenhaften Beratung auch nicht herleiten. Eine Zusicherung der Beklagten hätte gem. § 34 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedurft. Aber auch unter dem Gesichtspunkt eines (möglichen) sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann die Beklagte nicht zu einem Verwaltungshandeln verpflichtet werden, das mit den gesetzlichen Vorschriften nicht übereinstimmen würde. Die die Sperrzeit auslösende Arbeitsaufgabe des Klägers stellt vielmehr eine Tatsache dar, deren Vorliegen auch im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht übergangen werden kann. Der Kläger kannÜberbrückungsgeld daher nur für den Zeitraum vom 23.2. bis 3.7.2006 verlangen.
Damit war der Berufung des Klägers in dem aufgezeigten Umfang zu entsprechen, im Übrigen war sie zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; sie berücksichtigt den Umfang des anteiligen Obsiegens bzw. Unterliegens der Beteiligten.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen. Zwar ist § 57 SGB III in der hier maßgeblichen Fassung zwischenzeitlich außer Kraft getreten; der Gründungszuschuss richtet sich nunmehr nach § 57 SGB III in der Fassung des Art. 2 Nr. 4a des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl. I, 1706), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.7.2009 (BGBl. I, 1939). Die Neuregelung hat jedoch ebenfalls keine abschließende Klärung der Frage erbracht, ob der Gründungszuschuss - wie hier angenommen - auch bei Beendigung einer vom Arbeitslosen eigenverantwortlich herbeigeführten Arbeitslosigkeit gezahlt werden kann. Da insoweit auch eine höchstrichterliche Entscheidung bislang nicht ersichtlich ist, kann ein Revisionsverfahren zu einer weiteren Klärung beitragen.